Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 23. Dezember 1992
Aktenzeichen: 9 TE 762/92
(Hessischer VGH: Beschluss v. 23.12.1992, Az.: 9 TE 762/92)
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Gießen vom 20. März 1992, mit dem der Gegenstandswert nach §§ 10, 8 BRAGO in Verbindung mit §§ 13 Abs. 1, 17 GKG auf 5.180,00 DM festgesetzt wurde, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Wert der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich des Pflegegeldes zu Recht auf den zwölffachen Monatsbetrag der Differenz zwischen dem vollen Pflegegeld und den um 20 % gekürzten Pflegegeld festgesetzt. Der Auffassung des Beschwerdeführers, dem festgesetzten Gegenstandswert sei noch ein Betrag in Höhe der Rückstände seit Juli 1986 bis zur Einreichung der Klage (die Klage ist am 25. April 1988 erhoben worden) gemäß § 17 Abs. 4 GKG hinzuzurechnen, ist nicht zu folgen.
Der erkennende Senat hat bereits in seinen bisher ergangenen Entscheidungen in Verwaltungsstreitverfahren, die die Gewährung laufender Sozialhilfeleistungen betrafen, den Gegenstandswertfestsetzungen stets nur den Jahresbetrag der Leistungen in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 GKG zugrundegelegt, vorausgesetzt, daß die Sozialhilfeleistungen für mindestens ein Jahr erstrebt wurden (vgl. z.B. Beschluß vom 06. März 1984, 9 TG 589/84, AnwBl. 1984, 560).
In der Rechtsprechung bestehen divergierende Auffassungen zu dieser Frage. Die Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz (Beschluß vom 14. Februar 1984, 12 B 84/83, JurBüro 1984, 1374) und Münster (Beschluß vom 03. April 1980, 8 B 1547/79, KostRspR § 17 GKG Nr. 25 und Beschluß vom 16. Januar 1987, 8 B 2891/86, OVGE MüLü 39, 61, veröffentlicht allerdings unter Aussparung der hier interessierenden Frage) sowie der Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg (Beschluß vom 09. April 1987, 6 S 585/87, VBlBW 1988, 222) halten eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 4 GKG nicht für gerechtfertigt, soweit Streitigkeiten über die Gewährung von Sozialhilfe in Form von wiederkehrenden Leistungen in Rede stehen. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg (Beschluß vom 25. Juni 1987, Bs I 35/87 ZfSH/SGB 1988, 144) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluß vom 19. Juni 1991, 12 C 91.1681, BayVBl. 1992, 414) haben die entsprechende Heranziehung des § 17 Abs. 4 GKG für Streitigkeiten aus dem Gebiet der Sozialhilfe wegen laufender Leistungen bejaht, ohne allerdings eine Begründung hierfür zu geben. Keine Begründung enthält auch der - nicht veröffentlichte - Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 03. Mai 1991 (12 B 89.902), der in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juni 1991, a.a.O., zitiert ist. Lediglich in dem - ebenfalls nicht veröffentlichten - Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 12. März 1987 (Bs I 161/86) ist die von ihm bejahte Anwendung des § 17 Abs. 4 GKG begründet worden, allerdings für die wohl als besonderer Fall angesehene Klage gegen eine Überleitungsanzeige des Trägers der Sozialhilfe. Auch der oben zitierte Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 25. Juni 1987 betraf die Gegenstandswertfestsetzung für eine gegen eine Überleitung gerichtete Klage.
Die Auffassung des Senats, daß dem Wert des Gegenstandes in Verwaltungsstreitverfahren, die wiederkehrende Sozialhilfeleistungen betreffen, nicht auch die Rückstände aus der Zeit vor der Klageerhebung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 4 GKG zuzurechnen sind, beruht auf der Überlegung, daß zulässigerweise Gegenstand von Verpflichtungsklagen, die laufende Sozialhilfeleistungen betreffen, regelmäßig nur Zeitabschnitte sind, die vor der Klageerhebung liegen. Dies folgt daraus, daß nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (und ihm folgend der anderen Instanzgerichte) Sozialhilfeleistungen keine rentengleichen Dauerleistungen sind. Das Gericht kann nach Erlaß der letzten behördlichen Entscheidung nicht den Sozialhilfefall selbst weiter unter Kontrolle halten (BVerwG, Urteil vom 30. November 1966, V C 29.66, BVerwGE 25, 307, 309). Hinzu kommt, daß es für die Zeit nach dem letzten behördlichen Bescheid in Streitigkeiten über laufende Sozialhilfeleistungen an dem zwingenden Vorverfahren fehlt (§ 114 Abs. 2 BSHG). Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung ist bei Verpflichtungsklagen in Sozialhilfesachen regelmäßig nur der Sachverhalt, wie er sich bis zum Widerspruchsbescheid darstellt; eine sich über diesen Zeitpunkt hinaus erstreckende Klage ist als unzulässig abzuweisen (BVerwG Urteil vom 29. September 1971, V C 110/70, BVerwGE 38, 299). Der nach § 17 Abs. 1 GKG in entsprechender Anwendung für den Gegenstandswert zu ermittelnde Jahresbetrag ist also regelmäßig aus Zeitabschnitten heranzuziehen, die vor der Klageerhebung liegen. Daher ist für die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 4 GKG kein Raum mehr. Dieser Gesichtspunkt war wohl auch für den VGH Baden-Württemberg in seinem Beschluß vom 09. April 1987, a.a.O., maßgebend.
Hessischer VGH:
Beschluss v. 23.12.1992
Az: 9 TE 762/92
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