Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juni 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 324/02
(BPatG: Beschluss v. 25.06.2003, Az.: 7 W (pat) 324/02)
Tenor
Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.
Gründe
I.
Die Erteilung des Patents 100 17 282 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung von Verbundpulvern auf Basis Silber-Zinnoxid und deren Verwendung zur Herstellung von Kontaktwerkstoffen" ist am 14. Februar 2002 veröffentlicht worden. Am 14. Mai 2002 ist gegen die Erteilung des Patents Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Patentgegenstand nicht patentfähig sei und daß hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 8 das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen könne.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende folgende Druckschriften genannt:
1. H. Chang et al, Electroless silver plating of oxide particles in aqueous solution. Journal Materials Science 28 (1993) 5207 - 5210 2. US-PS 5 846 288 3. H. Chang et al, Powder metallurgy preparation of new silvertin oxide electrical contacts from electrolessly plated composite powders. Journal Materials Science and Engineering B8 (1991) 99 - 105 4. H. D. Glicksman, Production of Precious Metal Powders. Metals Handbook, 9th ed, Vol 7 (1984), 147 - 151 5. R. Blume, Chemie für Gymnasien, Organische Chemie Themenheft 3, Cornelsen Verlag, Berlin 1994, 24 6. B. Zhao et al, Preparation of Ultramicro Silver Particles with Different Sizes Using Ascorbic Acid as Reducing Agent. Chemical World-Shanghai Vol 37, No 5 (1996) 235 - 238 7. Ullmans Encyklopädie der technischen Chemie. 4. Aufl, 1979, Bd 18, S 418 - 420
(Eine Entgegenhaltung 8 wurde nicht genannt)
9. Y. S. Her et al, Preparation of welldefined colloidal barium titana crystals by the controlled doublejet precipitation. J. Mater. Res. Vol 10 No 12, Dec 1995, 3106 - 3114 10. Q. Zhong et al, Preparation of uniform zinc oxide colloids by controlled doublejet precipitation. J. Mater. Chem. 6 (1996) 443 - 447 11. G. Bögels et al, The role of {1 0 0} silver faces for lateral growth of tabular silver bromide crystals. J. Crystal Growth 191 (1998) 446 - 454.
Die Einsprechende hat beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
Sie vertritt die Auffassung, die von der Einsprechenden geltend gemachten Widerrufsgründe nicht vorlägen.
Das Patent umfaßt 10 Ansprüche. Die Ansprüche 1 und 10 lauten:
"1. Verfahren zur Herstellung von Verbundpulvern auf Basis Silber-Zinnoxid durch chemischreduktive Fällung des Silbers auf partikelförmiges Zinnoxid, dadurch gekennzeichnet, daß zur Fällung des Silbers zu einer wäßrigen Suspension des Zinnoxids bei intensiver Durchmischung gleichzeitig aber unter getrennter Zuführung je eine Lösung einer Silberverbindung und eine Lösung eines Reduktionsmittels in stöchiometrisch äquivalenter Menge kontinuierlich über den Reaktionsverlauf hinweg zugegeben werden.
10. Verwendung der Verbundpulver, erhalten nach einem Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 9, zur pulvermetallurgischen Herstellung von Kontaktwerkstoffen auf Basis Silber-Zinnoxid."
Die Ansprüche 2 bis 9 sind auf den Anspruch 1 rückbezogen und auf Merkmale gerichtet, mit denen das Verfahren nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.
Laut Beschreibung soll die Aufgabe gelöst werden, für Kontaktwerkstoffe auf Basis Ag-SnO2 mit im wesentlichen üblicher Zusammensetzung die Verarbeitungs- und Kontakteigenschaften durch entsprechende Gestaltung des Herstellprozesses gezielt, insbesondere mit der Zielrichtung maximaler Homogenität und Partikelfeinheit, zu beeinflussen und zu verbessern und damit ihren Anwendungsbereich zu erweitern. Hierbei sollte vor allem eine möglichst breite Auswahl an Dosierstoffen und insbesondere Indiumoxid eingesetzt werden können (Abs [0020]).
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziffer 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.
Als Fachmann ist hier Ingenieur der Verfahrenstechnik mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Stoffkunde, der ggfs einen Chemiker zu Rate zieht, anzusehen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, denn in keiner der Entgegenhaltungen ist beschrieben, daß zur Fällung von Silber auf Zinnoxidpartikel zu einer wäßrigen Suspension des Zinnoxids getrennt, aber gleichzeitig in stöchiometrisch äquivalente Menge je eine Lösung einer Silberverbindung und eines Reduktionsmittels über den Reaktionsverlauf hinweg zugegeben werden.
In den Aufsätzen von Chang et al (Entgegenhaltungen 1 und 3) ist ein Verfahren zur Herstellung von Verbundpulvern auf Basis Silber-Zinnoxid durch chemischreduktive Fällung des Silbers auf Zinnoxidpartikel in einer wäßrigen Suspension des Zinnoxids beschrieben. Dazu wird je eine Lösung einer Silberverbindung (Silbernitrat) und eines Reduktionsmittels (Formaldehyd) getrennt zu der Suspension des Zinnoxids bei intensiver Durchmischung hinzugegeben. Aus der Entgegenhaltung 1 (S 5208 liSp letzter Abs und reSp 1. Abs iVm Fig 4) ergibt sich, daß zunächst das Reduktionsmittel und anschließend die Silberverbindung zugegeben werden. Gemäß Figur 4 entspricht nämlich das elektrische Potential der Lösung im Reaktionsgefäß vor und nach der Zuführung der Silberlösung dem elektrischen Potential des Reduktionsmittels, woraus sich ergibt, daß vor und nach der Zuführung der Silberlösung Reduktionsmittellösung im Reaktionsgefäß vorhanden ist. Da das Reduktionsmittel nicht vollständig verbraucht wird, ist das Verhältnis der Mengen des Lösungsmittels und der Silberlösung nicht stöchiometrisch. Die Entgegenhaltung 3 offenbart nichts Anderes. Das Verfahren nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents unterscheidet sich somit dadurch von dem in den Entgegenhaltungen 1 und 3 beschriebenen Verfahren, daß die Lösungen der Silberverbindung und des Reduktionsmittels gleichzeitig in stöchiometrisch äquivalenter Menge kontinuierlich über den Reaktionsverlauf hinweg zugegeben werden.
Gegenstand der US-PS 5 846 288 (Entgegenhaltung 2) ist ebenfalls ein Verfahren zur Herstellung von Verbundpulvern auf Basis Silber-Zinnoxid durch chemischreduktive Fällung des Silbers auf partikelförmiges Zinnoxid. Dazu wird Zinnoxid-Pulver unter intensiver Durchmischung zu einer Silbersalzlösung gegeben und diese Mischung in ein Gefäß gespritzt, das eine stöchiometrische Menge eines geeigneten Reduktionsmittels und Ammonium enthält (Sp 2 Z 62 bis 67). Alternativ kann auch das Reduktionsmittel in die Mischung aus Silbersalzlösung und Zinnoxidpartikeln gespritzt werden (Sp 4 le Abs).
Die übrigen Entgegenhaltungen betreffen keine Verfahren zur Herstellung von Verbundpulvern durch chemischreduktive Fällung von Silber auf partikelförmiges Zinnoxid. In der Entgegenhaltung 4 wird ua die Herstellung von Silberpulver durch chemischreduktives Fällen des Silbers aus einer Silbersalzlösung durch Hinzufügen eines Reduktionsmittels beschrieben. Normalerweise wird das Reduktionsmittel als letztes zu dem Reaktionssystem hinzugefügt, obwohl theoretisch die tropfenweise Hinzufügung der Edelmetalllösung zu dem Reduktionsmittel eine bessere Beherrschung des Prozesses verspräche (S 149 miSp Abs 1 und 3). Die Silbersalzlösung und das Reduktionsmittel werden somit jedenfalls nicht gleichzeitig zugeführt.
Die Entgegenhaltungen 5 und 6 wurden lediglich zum Nachweis von Ascorbinsäure als Reduktionsmittel für Silberionen genannt.
Aus den Entgegenhaltungen 7 und 9 bis 11 ist das sogenannte Doppeleinlaufverfahren (doublejet precipitation) bekannt, bei dem eine Metallsalzlösung und ein Reduktionsmittel zur Ausfällung des Metalls gleichzeitig einem Reaktionsraum zugeführt werden. Es geht aber nicht um die Ausfällung von Silber auf Zinnoxidpartikel.
Der Gegenstand des Anspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Der der Lehre des Streitpatents nächstkommende Stand der Technik ergibt sich aus den Entgegenhaltungen 1 und 3. Der Fachmann erhält aus diesen Druckschriften aber keine Anregung dafür, das darin vorgeschlagene Verfahren zu modifizieren. Dies wird ihm auch durch die übrigen aufgezeigten Druckschriften nicht nahegelegt. Von diesen gehört nur noch die US-PS 5 846 288 (Entgegenhaltung 2) zur gleichen Gattung wie das Streitpatent und die Entgegenhaltungen 1 und 3. Allerdings wird in der Entgegenhaltung 2 nicht von einer wäßrigen Suspension von Zinnoxid-Pulver ausgegangen, in die je eine Lösung einer Silberverbindung und eines Reduktionsmittels eingebracht werden, sondern das Zinnoxid-Pulver wird in die Lösung der Silberverbindung eingebracht und in dieser suspendiert und die so entstandene Mischung mit dem Reduktionsmittel zusammengebracht. Auch die Zusammenschau der Entgegenhaltungen 1 bis 3 führt somit nicht zur getrennten, aber gleichzeitigen Zuführung der Lösung der Silberverbindung und der Lösung des Reduktionsmittels zur Suspension des Zinnoxids kontinuierlich über den Reaktionsverlauf hinweg.
Zwar ist es, wie zB die Entgegenhaltungen 9 bis 11 belegen, grundsätzlich bekannt, je eine Lösung einer Metallverbindung und eines Reduktionsmittels gleichzeitig, aber getrennt voneinander, ggf in einem stöchiometrischen Mengenverhältnis, einem Reaktionsbehälter zuzuführen, um durch Ausfällen des Metalls ein feines Pulver zu erzeugen. Der Fachmann erhält jedoch aus dem Stand der Technik insgesamt keine Anregung dafür, entsprechend der Lehre des Streitpatents zur Ausfüllung von metallischem Silber auf Zinnoxidpartikeln in einer wäßrigen Suspension die Lösung einer Silberverbindung und die Lösung eines Reduktionsmittels gleichzeitig in einem stöchiometrischen Mengenverhältnis zuzuführen.
4. Die Erfindung ist in dem angefochtenen Patent so deutlich und vollständig beschrieben, daß ein Fachmann sie ausführen kann.
Für die Ansprüche 1 bis 7 sowie 9 und 10 ist dies offenkundig und wurde auch von der Einsprechenden nicht bestritten. Aber auch die Lehre des Anspruchs 8 ist nacharbeitbar. Am Ende der Beschreibung des Streitpatents ist nämlich ein Ausführungsbeispiel angegeben, auf das der Fachmann die Lehre des Anspruchs 8 beziehen kann.
5. Die Ansprüche 2 bis 9 sind auf Merkmale zur Weiterbildung des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet und haben mit dem Anspruch 1 Bestand. Der Anspruch 10 ist auf die Verwendung der Verbundpulver gerichtet, die nach dem Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 9 erhalten werden. Er wird daher von diesen mitgetragen.
Dr. Schnegg Eberhard Köhn Dr. Pösentrup Br/Na
BPatG:
Beschluss v. 25.06.2003
Az: 7 W (pat) 324/02
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