Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. März 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 221/03
(BPatG: Beschluss v. 24.03.2004, Az.: 32 W (pat) 221/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegen die am 7. Januar 2000 angemeldete und am 10. April 2000 für Backmischungenin das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Marke 300 00 643 Soleroist aus der IR-Marke 622 723 (Ursprung Benelux mit Priorität vom 11. Februar 1994)
SOLERO Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für 29 Confitures congelees; produits pour la fabrication des produits precites, non compris dans d'autres classes.
30 Glaces comestibles, sorbets; preparations pour la fabrication des produits precites non compris dans d'autres classes.
Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke (ausgenommen die Ware Speiseeis) erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem ersten Beschluss vom 13. Februar 2002 den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Vergleichsmarken unterlägen keiner Verwechslungsgefahr, weil die jeweils registrierten Waren einander nicht ähnlich seien. Speiseeis verlange eine ununterbrochene Kühlkette, die vom Erzeuger bis zur Abgabe an den Endverbraucher reiche. Demzufolge werde es in den Verkaufsstätten in Tiefkühltruhen zusammen mit weiteren kühlungs- bzw. gefrierbedürftigen Lebensmitteln angeboten. Backmischungen setzten sich demgegenüber aus Zutaten wie Mehl, Zucker, Gewürzen, Backmitteln, Backtriebmitteln zusammen. Als Vorprodukt zur Herstellung von Backwaren bedürften sie erst noch der Zugabe von Flüssigkeit, Fett und Eiern. In den Verkaufsstätten würden Backmischungen weitab von gefrierbedürftigen Gütern wie Speiseeis angeboten. Auch der Verwendungszweck weise keine unmittelbaren Berührungspunkte auf. Die Herstellungsbetriebe gehörten im allgemeinen unterschiedlichen Branchen an.
Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt und Belege für eine - ihrer Ansicht nach umfangreiche - Benutzung der Widerspruchsmarke für Speiseeis vorgelegt.
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle hat die Erinnerung mit Beschluss vom 13. Mai 2003 zurückgewiesen.
Bei fehlender Warenähnlichkeit, die nicht durch andere Faktoren (wie etwa hohe Kennzeichnungskraft) ausgeglichen werden könne, liege keine Verwechslungsgefahr vor. Auf die Nichtbenutzungseinrede hin seien keine Glaubhaftmachungsunterlagen vorgelegt worden, mithin könne auf seiten der Widerspruchsmarke nur die Ware Speiseeis berücksichtigt werden, deren Benutzung nicht bestritten sei. Backmischungen und Speiseeis seien unter keinem Aspekt als ähnlich anzusehen. Bei Backmischungen handele es sich um trockenes Pulver, während Speiseeis aus gefrorener Flüssigkeit bestehe. Auch der Verwendungszweck sei unterschiedlich; Speiseeis sei eine zum sofortigen Verzehr bestimmte Süßspeise, Backmischungen dagegen Produkte, die erst nach Zugabe anderer Stoffe und nach dem Backen zu den gewünschten Fertigprodukten würden. Der gemeinsame Vertrieb im Supermarkt sei unerheblich; Speiseeis werde an sehr vielen Orten (u.a. in Eisdielen, Cafes, Kinos, Tankstellen) angeboten, an denen ein Verkauf von Backmischungen ungewöhnlich wäre. Es lägen auch keine sich ergänzenden Produkte vor. Mangels Warenähnlichkeit komme es auf die Kennzeichnungskraft und den Schutzumfang der Widerspruchsmarke nicht an.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle vom 13. Februar 2002 und vom 13. Mai 2003 aufzuheben und die Löschung der Marke 300 00 643 anzuordnen.
Sie verweist nochmals auf die ihrer Ansicht nach hohe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Zur Glaubhaftmachung der Bekanntheit ihrer Marke legt sie eine (weitere) eidesstattliche Versicherung vor.
Entgegen der Auffassung der Markenstelle sei von Warenähnlichkeit auszugehen. Speiseeis und Backmischungen würden von denselben Unternehmen hergestellt und ergänzten sich gegenseitig. Auf dem Lebensmittelmarkt würden zwischenzeitlich nicht nur Backmischungen für Backwaren, sondern auch für Eistorten angeboten. Da Backwaren und Speiseeis ähnlich seien, gelte diese Beurteilung auch für das Vorprodukt Backmischungen. Eine klare Grenze zwischen diesen und Backwaren lasse sich nicht ziehen. In der Lebensmittelbranche sei es üblich, unter demselben Markennamen verschiedenste Produkte auf den Markt zu bringen, was insbesondere für bekannte Marken gelte. Derartige Markentransferstrategien, mit denen das positive Vertrauen, welches der Konsument einer erfolgreichen Marke entgegenbringe, auch auf das neue Produkt übertragen werden solle, seien den Verbrauchern bekannt.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Widerspruchsmarke eine überaus bekannte Marke sei; die vorgelegten Unterlagen stützten diese Behauptung nicht. Es bestehe keine Warenähnlichkeit. Backmischungen würden an anderen Orten aufbewahrt und angeboten als Speiseeis, wobei ein Austausch nicht möglich sei, was schon aus der Beschaffenheit der einzelnen Produkte folge. Dass Backmischungen mit Backwaren als ähnlich anzusehen seien, wirke sich für den vorliegenden Fall nicht aus. Aus einer Backmischung lasse sich kein Speiseeis zubereiten. Der Umstand, dass möglicherweise ein und derselbe Hersteller sowohl Speiseeis als auch Backmischungen produziere (was nach ihrem Wissen derzeit nicht der Fall sei), besage nichts für das Verständnis der Verbraucher.
In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende einen Ordner mit Hinweisen auf verschiedene Produkte der Beteiligten sowie anderer Unternehmen, der u.a. Verpackungsmuster und Rezepte enthält, vorgelegt.
Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
II.
Der zulässigen Beschwerde der Widersprechenden ist der Erfolg zu versagen, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 1 MarkenG unterliegen. Zwar sind die jeweiligen Wortmarken als solche identisch; der Schreibweise - einerseits in großen Buchstaben, andererseits in Normalschrift - kommt keine Bedeutung zu. Jedoch liegen die für die jüngere Marke beanspruchten "Backmischungen" und die auf seiten der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG allein zu berücksichtigenden "Glaces comestibles" - für andere Waren ist die Benutzung zulässigerweise nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG bestritten worden, ohne dass die Widersprechende einen Versuch der Glaubhaftmachung unternommen hat - nicht mehr im Ähnlichkeitsbereich. Bei - wie hier - fehlender Warenähnlichkeit kann eine Verwechslungsgefahr auch dann nicht angenommen werden, wenn der Widerspruchsmarke ein besonders großer Schutzumfang zukäme (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 16, 28, 71 m.w.N.). Deshalb kann der durch Unterlagen gestützte dahingehende Vortrag der Widersprechenden keine Berücksichtigung finden. Gleichfalls unerörtert bleiben muss, ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke etwa deshalb unterdurchschnittlich ist, weil eine Kleinstadt in Oberitalien den Namen Solero führt und der Eingangssilbe Sol (= das lateinische Wort für Sonne) für Speiseeis möglicherweise ein produktbezogener Anklang anhaftet.
Warenähnlichkeit liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. EuGH GRUR 1998, 929 - Canon; BGH GRUR 1999, 158 - GARIBALDI; 731 - Canon II) vor, wenn die jeweiligen Produkte unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise zu der Annahme gelangen könnten, sie stammten bei identischer Kennzeichnung aus demselben Unternehmen, wobei vom größten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen ist. Sämtliche insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte - stoffliche Beschaffenheit, regelmäßige Fabrikationsstätten und Vertriebsformen, Verwendungszweck, wirtschaftliche Bedeutung, Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Erzeugnisse - sprechen dagegen, dass im Verkehr, in breiten Endverbraucherkreisen ebenso wie etwa bei Betreibern von Bäckereien und Konditoreien, die Meinung aufkommen könnte, die jeweiligen Waren wiesen dieselbe betriebliche Herkunft auf.
Schon die äußere Erscheinungsform und Beschaffenheit weist keine Gemeinsamkeiten auf. Backmischungen sind ein (meist) trockenes, pulver- oder flockenförmiges Erzeugnis, das dem Abnehmer in verpackter Form (Tüten, Kartons) begegnet. Speiseeis dagegen eine gefrorene halbflüssige Masse, die aus der Natur der Sache heraus in tiefgefrorener Form gelagert werden muss. Während Speiseeis ein Endprodukt darstellt, das zum sofortigen Verzehr geeignet ist (und allenfalls noch zu Hause mit Schlagsahne oder Obst angereichert wird), stellen Backmischungen ein Vorprodukt zur Herstellung von Backwaren - nicht aber von Speiseeis - dar. Speiseeispulver fällt nicht unter den Begriff Backmischungen. Dass Backwaren - etwa Waffeln - oftmals zusammen mit Speiseeis verzehrt werden, ist nicht maßgeblich, weil der Verbraucher nicht die Überlegung anstellt, diese könnten aus Backmischungen hergestellt sein. In Anbetracht der unterschiedlichen Fertigungsstufen handelt es sich auch nicht um miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte.
Backmischungen und Speiseeis werden regelmäßig in unterschiedlichen Fabrikationsstätten hergestellt, wobei unerheblich ist, ob einzelne bedeutende Unternehmen des Lebensmittelsektors - als solche sind beide Beteiligten des vorliegenden Verfahrens anzusehen - zumindest zeitweise beide Erzeugnisse in ihrem jeweils weit gespannten Produktionsprogramm hatten. Im Vertrieb begegnen sich die Vergleichswaren schon im Hinblick auf die oben aufgezeigte unterschiedliche Beschaffenheit nicht in unmittelbarer Nähe; zumindest Speiseeis erfordert die Aufbewahrung in Tiefkühltruhen. Im übrigen ist der gemeinsame Vertrieb im Supermarkt wegen des dort angebotenen weit gespannten Warensortiments bereits generell nicht geeignet, die Vorstellung von Warenähnlichkeit aufkommen zu lassen.
In der bisherigen Rechtsprechung findet sich keine Entscheidung, in der Backmischungen als ähnlich (bzw. gleichartig nach früherem Recht) mit Speiseeis angesehen worden sind (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 64, 310). Der 27. Senat des Bundespatentgerichts hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1991 (27 W (pat) 45/90 - Nana/Flana) auf der Grundlage eingeholter Verbandsauskünfte Speiseeis als ungleichartig mit Puddingpulver (das Speiseeis jedenfalls näher steht als Backmischungen) bewertet. Auch der Rechtsprechung des vorliegend zur Entscheidung berufenen Senats, wonach Backmischungen mit Backwaren ähnlich sind (32 W (pat) 48/97 - Agrano Keimling) und letztere wiederum mit Speiseeis (32 W (pat) 64/96 - Royal), lässt sich nicht der Schluss ziehen, deshalb müssten auch Backmischungen und Speiseeis ähnliche Waren sein; wenn ein Produkt (hier: Backwaren) mit jeweils zwei anderen ähnlich ist, müssen diese untereinander keineswegs ebenfalls ähnlich sein.
Auch die von der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen lassen nicht den Schluss zu, der Verkehr werde Backmischungen und Speiseeis als ähnliche Waren ansehen. Die in gleicher Weise wie Speiseeis in Tiefkühltruhen angebotenen (gekühlten) Teigmischungen zur Herstellung von Torten und Kuchen - ohne Backen! - sind schon vom Begriff her nicht als Backmischungen anzusprechen. Gleiches gilt für Tortenguss, Schokoladenpulver und - wie oben ausgeführt - Eispulver. Im übrigen reicht das gemeinsame Angebot von Waren - sei es im Supermarkt oder im online-Shop - nicht aus, um allein aus diesem Grund die Vorstellung von Warenähnlichkeit aufkommen zu lassen.
Wie sich aus der Verweisung in § 42 Abs. 2 Nr. 1 auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG zwingend ergibt, ist der Löschungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG - unlautere Rufausbeutung oder -beeinträchtigung einer für nicht ähnliche Waren geschützten identischen Marke - nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Insoweit ist ausschließlich die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte gegeben (§ 55 i.V.m. § 51 MarkenG).
Gründe: für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG sind nicht ersichtlich. Da für die Beurteilung der Warenähnlichkeit in erster Linie tatsächliche Umstände maßgeblich sind, welche die Auffassung des beteiligten Verkehrs bestimmen, ist über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden. Der Beschluss weicht im Ergebnis auch nicht von einer früheren Entscheidung des beschließenden oder eines anderen Senats des Bundespatentgerichts ab.
Für die Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.
Winkler Sekretaruk Viereck Fa
BPatG:
Beschluss v. 24.03.2004
Az: 32 W (pat) 221/03
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