Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Januar 2007
Aktenzeichen: 34 W (pat) 341/02

(BPatG: Beschluss v. 23.01.2007, Az.: 34 W (pat) 341/02)

Tenor

Das Patent 43 38 063 wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 8. November 1993 angemeldete und am 1. August 2002 veröffentlichte deutsche Patent 43 38 063 mit der Bezeichnung "Kastenförmiger Behälter aus Kunststoff" hat die Firma A... GmbH in B..., Einspruch eingelegt.

Nach Auffassung der Einsprechenden mangelt es dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 an der gewerblichen Anwendbarkeit und an einer erfinderischen Tätigkeit. Mit dem Anspruch 1 würden auch die Unteransprüche fallen.

Die Einsprechende hat zur Stützung ihres Vorbringens auf folgende Druckschriften verwiesen:

D1: DE 39 09 022 C2, D2: DE 41 05 527 C2 und D3: DE-AS 12 59 770.

Die Druckschriften D1 und D2 waren im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden.

Die Einsprechende hat beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen. Sie hält den Einspruch für unzulässig und hat beantragt:

das Patent aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Kastenförmiger Behälter aus Kunststoff, insbesondere Lager- und Transportkasten, bei welchem ein eine ebene Oberseite aufweisender Boden unterseitig durch Versteifungsrippen stabilisiert ist, und bei welchem sich längs des. Bodenrandes in Richtung der Bodenebene verlaufende, ein Bodenmittelfeld, mit den sich gitterartig kreuzenden Versteifungsrippen rahmenartigbegrenzende Flachstege erstrecken, die durch quer zum Bodenrand verlaufende Versteifungsrippen im Abstand unterhalb der Bodenebene abgestützt sind sowie die Stand- bzw. Laufflächen des Behälters bilden, wobei die zwischen der Bodenunterseite, der Flachstegoberseite und den Versteifungsrippen taschenartig eingegrenzten Freiräume bodenrandseitig völlig offen ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die die Flachstege (5a, 5b) abstützenden Versteifungsrippen (7a, 7b bzw. 8a, 8b) ohne Verbindung zu den längs und quer verlaufenden Versteifungsrippen (10, 14) des Bodenmittelfeldes (3) ausgebildet sind."

Zum Wortlaut der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 und den weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die Akte verwiesen.

II.

1. Gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1 PatG entscheidet über den Einspruch nach § 59 PatG der Beschwerdesenat des Patentgerichts, wenn - wie hier - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 beginnt und der Einspruch vor dem 30. Juni 2006 eingelegt worden ist.

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, die weder beantragt noch sachdienlich ist PatG § 78.

2. Der Einspruch wurde frist- und formgerecht erhoben und erfüllt, auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Die Einsprechende macht den Widerspruchsgrund des PatG § 21 Abs. 1 Nr. 1 geltend, wenn sie rügt, die Lehre des Patents sei nicht gewerblich anwendbar (PatG § 5).

Ferner macht sie den Widerrufsgrund des PatG § 21 Abs. 1 Nr. 2 geltend, wenn sie rügt, die Lehre des Patents sei nicht realisierbar.

Zu diesen Widerrufsgründen ist das Vorbringen der Einsprechenden auch substantiiert.

Es kann dahinstehen, ob das auch der Fall ist bezüglich des Einspruchsvorbringens einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit. Die Prüfung des Einspruchs hat nämlich ergeben, dass Gegenstand des Anspruchs 1 die Patentierungsvoraussetzungen erfüllt.

Das angefochtene Patent betrifft einen kastenförmigen Behälter aus Kunststoff, insbesondere Lager- und Transportkasten, bei welchem ein eine ebene Oberseite aufweisender Boden unterseitig durch Versteifungsrippen stabilisiert ist. Längs des Bodenrandes erstrecken sich in Richtung der Bodenebene verlaufende Flachstege, die durch quer zum Bodenrand verlaufende Versteifungsrippen im Abstand unterhalb der Bodenebene abgestützt sind. Die Flachstege bilden Stand- bzw. Laufflächen des Behälters und begrenzen ein Bodenmittelfeld, das ebenfalls unterseitig sich gitterartig kreuzende Versteifungsrippen aufweist. Bekannte Behälter dieser Art sind mit Nachteilen verbunden, wie sie die Beschreibung des angefochtenen Patents schildert, siehe Absätze 0002 bis 0004 in der Patentschrift.

Die Patentinhaberin hat sich die Aufgabe gestellt, bei einem gattungsgemäßen Kasten die bodenseitige Versteifung zu verbessern, siehe Absatz 0005 in der Patentschrift.

Diese Aufgabe wird durch einen Transportbehälter mit den im Anspruch 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmalen gelöst.

Nach Merkmalen gegliedert lautet der Anspruch 1 wie folgt:

1. Kastenförmiger Behälter aus Kunststoff, 2. bei welchem ein eine ebene Oberseite aufweisender Boden unterseitig durch Versteifungsrippen stabilisiert ist, 3. und bei welchem sich längs des Bodenrandes in Richtung der Bodenebene verlaufende, ein Bodenmittelfeld mit den sich gitterartig kreuzenden Versteigungsrippen rahmenartig begrenzende Flachstege erstrecken, 4. die durch quer zum Bodenrand verlaufende Versteifungsrippen im Abstand unterhalb der Bodenebene abgestützt sind sowie die Stand- bzw. Laufflächen des Behälters bilden, 5. wobei die zwischen der Bodenunterseite, der Flachstegoberseite und den Versteifungsrippen taschenartig eingegrenzten Freiräume bodenrandseitig völlig offen ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, 6. dass die die Flachstege abstützenden Versteifungsrippen ohne Verbindung zu den längs und quer verlaufenden Versteifungsrippen des Bodenmittelfeldes ausgebildet sind.

2.1 Bezüglich der Offenbarung des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 und der darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 bestehen keine Bedenken. Sie entsprechen, abgesehen von einem bei der Drucklegung der Patentschrift in den erteilten Anspruch 1 eingebrachten Schreibfehler (am Ende der Zeile 7 des Anspruchs 1 ist der Trennstrich nicht erforderlich) und einer im erteilten Anspruch 8 vorgenommenen Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers im ursprünglichen Anspruch 8 (Richtigstellung des Wortes "Gitterfeldern"), den am Anmeldetag eingereichten Ansprüchen.

Die Zulässigkeit der Ansprüche wurde von der Einsprechenden auch nicht bestritten.

2.2 Der kastenförmige Behälter aus Kunststoff nach dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents ist gewerblich anwendbar.

Die Einsprechende hat ausgeführt, das kennzeichnende Merkmal 6 im Anspruch 1 sei nicht realisierbar. Wenn die Versteifungsrippen des Bodenrandbereichs keinerlei Verbindung mit den Versteifungsrippen des Bodenmittelfeldes hätten, bestehe der Gegenstand des angegriffenen Patents aus zwei nicht miteinander zusammenhängenden Teilen, nämlich einem Randteil, bestehend aus den Seitenwänden des Behälters mit dem an diesen anhängenden Bodenrand, der über Versteifungsrippen mit dem Flachsteg verbunden ist und andererseits einem Bodenmittelteil, das seinerseits ebenfalls mit Rippen versehen ist, die aber ohne Verbindung zu den Versteifungsrippen angeordnet sein sollen. Ein aus diesen beiden ohne Verbindung zueinander stehenden Teilen aufgebauter Behälter sei nicht realisierbar und auch nicht gewerblich anwendbar.

Die Interpretation des Anspruchswortlautes und die Folgerung der Einsprechenden gründen sich nach Auffassung des Senats jedoch auf einer unzulässigen isolierten Betrachtung des Merkmals 6 losgelöst von den übrigen im Anspruch angegebenen Merkmalen. Bei der Auslegung des Anspruchs ist aber immer von der Gesamtheit aller darin angegebenen Merkmale auszugehen, und unter Einbeziehung sämtlicher im Patentanspruch stehenden Merkmale ergibt sich, dass bei dem patentgemäßen Behälter nur die unterseitig im Bodenmittelfeld und in den dieses begrenzenden Flachstegen angeordneten stabilisierenden Versteifungsrippen ohne Verbindung zueinander ausgebildet sind. Dagegen sollen das Bodenmittelfeld und die Flachstege den Behälterboden bildend miteinander zusammenhängen, was auch durch die Beschreibung gestützt wird, wo der hier einschlägige Fachmann - ein Dipl.-Ing. FH der Kunststofftechnik mit Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Transportbehältern - mit dem dort zitierten Stand der Technik deutlich darauf hingewiesen wird, dass ein anspruchsgemäß ausgestalteter Behälter einen durchgängigen - m. a. W. geschlossenen - Behälterboden aufweisen soll, der sich von Seitenwand zu Seitenwand erstreckt und die gesamte ebene Fläche des Behälters ausfüllt (siehe Spalte 1, 0002 in der Patentschrift i. V. m. Figur 1 und Spalte 2, Zeilen 53 bis 58 in Druckschrift D1).

Ein unvoreingenommener Fachmann wird das kennzeichnende Merkmal 6 des Anspruchs 1 nach Überzeugung des Senats somit dahingehend verstehen, dass zwar die Versteifungsrippen des einen Bereichs nicht unmittelbar in die Versteifungsrippen des anderen Bereiches übergehen, sie als Bestandteile ein und desselben Behälterbodens jedoch mittelbar miteinander verbunden sein müssen. Selbst wenn durch den Wortlaut des Anspruchs 1 eine Trennung nicht nur der Rippen, sondern auch der zugehörigen Bodenbereiche voneinander zum Ausdruck kommen sollte, würde ein Fachmann spätestens bei der Nacharbeit der Erfindung zweifellos erkennen, dass der in diesem Sinne ausgestaltete Behälter für den vorgesehenen Zweck als Lager- und Transportkasten untauglich wäre und diese Variante selbstverständlich ausschließen.

2.3 Der kastenförmige Behälter aus Kunststoff nach dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents ist neu.

Die Neuheit hat die Einsprechende nicht in Frage gestellt, und die Prüfung des Einspruchs hat ergeben, dass keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D3 einen Behälter mit sämtlichen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen offenbart.

Bei dem aus der Druckschrift D1 hervorgehenden Kasten sind sowohl die die Flachstege abstützenden Quer- bzw. Längsrippen als auch die längs verlaufenden bzw. quer verlaufenden Versteifungen des Rippengitters des Bodenmittelfeldes mit einem um das Bodenmittelfeld umlaufenden Vertikalsteg verbunden; das Bodenmittelfeld und die Flachstege bilden somit unterschiedlich zum Gegenstand des angefochtenen Patents eine über die Versteifungsrippen zusammenhängende Einheit (siehe Figur 1 und Spalte 2, Zeilen 53 bis Spalte 3, Zeile 3).

Das Gleiche trifft für den aus der Druckschrift D2 bekannten Kasten zu, siehe Figuren 1 und 2.

Die Druckschrift D3 betrifft einen Flaschenkasten aus Kunststoff mit einem offenen Stegboden, also ohne einen eine ebene Oberseite aufweisenden Boden, ohne Bodenmittelfeld mit sich kreuzenden unterseitig angeordneten Versteifungsrippen und ohne unterseitig durch Rippen versteifte Flachstege, die Stand- bzw. Laufflächen des Behälters bilden (siehe Figur 3). Er weist somit schon nicht die im Oberbegriff des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmale auf.

2.4 Der kastenförmige Behälter aus Kunststoff nach dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents beruht zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Prüfung des Einspruchs hat ergeben, dass keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D3 einen Fachmann zu einem Behälter mit sämtlichen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen hinzuführen vermag. Zur Definition des zuständigen Fachmannes sei auf Abschnitt 2.2 der Beschlussbegründung verwiesen.

Als dem Gegenstand des Anspruchs 1 nächstliegend sieht der Senat den aus der Druckschrift D2 entnehmbaren kastenförmigen Behälter aus Kunststoff an. Den Ausführungen in der Patentschrift zufolge, können hohe Ladegewichte bei diesem bekannten Kasten dazu führen, dass - trotz Versteifungsrippen - nicht nur das zentrale Bodenmittelfeld, sondern auch die Lauffläche, d. h. die im Randbereich umlaufenden Flachstege bzw. Fußleisten durchgebogen wird bzw. werden. Das kann die Laufeigenschaften des Kastens auf einer Röllchenbahn nachteilig beeinflussen (siehe Spalte 1, Absatz 0004 in der Patentschrift).

Weder die Druckschrift D2 noch die weitere einen artgemäßen Behälter betreffende Druckschrift D1 offenbaren, wie schon der Neuheitsvergleich gezeigt hat, die patentgemäße Lösung dieses Problems, nämlich einen von den Flachstegen des Randbereichs entkoppelten Bodenmittelbereich auf Grund der in den jeweiligen Bereichen unterseitig angeordneten voneinander getrennt ausgebildeten Versteifungsrippen. Somit kann weder die isolierte Betrachtung der Druckschriften D1 und D2 noch eine einfache, mosaikartige Zusammenschau der darin offenbarten Merkmale direkt zum Gegenstand des Patents führen oder auch nur eine Anregung in diese Richtung geben.

Die des Weiteren noch von der Einsprechenden lediglich im Hinblick auf den Anspruch 2 herangezogene Druckschrift D3 ist deutlich weiter von dem Anmeldungsgegenstand entfernt als die beiden erstgenannten Schriften. Die patentgemäße Behälterbauweise lässt sich daraus nicht entnehmen, und nach Überzeugung des Senats wird ein Fachmann die Druckschrift D3 schon deswegen nicht als relevanten Stand der Technik in Betracht ziehen, weil sich die dem Streitpatent zu Grunde liegende Aufgabe bei dem darin gezeigten und beschriebenen artfremden Kunststoffkasten mit offenem Stegboden und ohne Stand- bzw. Laufflächen bildende Flachstege nicht stellt.

2.5 Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 bestandsfähig, da sie keine platt selbstverständlichen Ausgestaltungen des kastenförmigen Behälters nach dem Anspruch 1 betreffen.






BPatG:
Beschluss v. 23.01.2007
Az: 34 W (pat) 341/02


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