Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juni 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 208/00
(BPatG: Beschluss v. 26.06.2002, Az.: 29 W (pat) 208/00)
Tenor
Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. März 2000 wird aufgehoben.
Gründe
I Die Bezeichnungvoicesticksoll als Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen Klasse 9: elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel)
Klasse 28: Spiele, Spielzeug; gymnastische Geräte und Sportgeräte; Turn- und Sportartikel (soweit in Klasse 28 enthalten)
Klasse 38: Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikationin das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 17. März 2000 teilweise und zwar für die Waren und Dienstleistungen
"elektrische, elektronische Apparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten; Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Spiele, Spielzeug; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"
wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die angemeldete Marke sei sprachregelgerecht aus dem englischen Wort "voice" für Stimme und dem Bestandteil "stick" zusammengesetzt, der auf dem Gebiet der EDV "Steuerknüppel" bedeute und Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden habe. Der Begriff sei den inländischen Verkehrskreisen in dieser Bedeutung beispielsweise aus der Zusammensetzung "joystick" ohne weiteres geläufig, wofür die Markenstelle entsprechendes Prospektmaterial beigefügt hat. Die angemeldete Bezeichnung werde daher im Sinne eines "Steuerknüppels für die Stimme" und damit als beschreibende Angabe für die Waren der Teilzurückweisung verstanden. Hinsichtlich der Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" werde der Verkehr die angemeldete Bezeichnung lediglich als einen Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistung ansehen, nämlich dass es dabei um die Entwicklung von Software gehe, die die Verarbeitung gesprochener Wörter ermögliche. Im übrigen verweist die Markenstelle darauf, daß die vergleichbare Bezeichnung "VOICEWRITER" wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen worden sei (24 W (pat) 253/94).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie vorträgt, daß der angemeldeten Marke eine Unterscheidungseignung auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abgesprochen werden könne. Es handele sich bei "voicestick" um eine völlig unbekannte Wortneuschöpfung, die weder im englischen noch im deutschen Sprachraum lexikalisch nachweisbar sei. Die bloße Erkenntnis der Begriffe "voice" und "stick" führe nicht zwangsläufig zur Verneinung der Unterscheidungskraft. In der Gesamtheit könne der angemeldeten Marke für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden. Das Wort "voice" weise in bezug auf die Waren und Dienstleistungen der Teilzurückweisung mehrere Bedeutungen auf ebenso wie der zweite Bestandteil "stick", der auch nicht als Fremdwort Eingang in die deutsche Sprache gefunden habe. Die angemeldete Marke unterliege außerdem keinem Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.
Die Anmelderin beantragt, den angefochten Beschluß aufzuheben.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Marke stehen nach Auffassung des Senats die Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.
1. Zwar begründet die Tatsache, daß es sich bei der angemeldeten Marke um eine Wortschöpfung handelt, die bislang in einem Nachschlagewerk nicht verzeichnet ist, als solche nicht schon deren Unterscheidungskraft. Denn die Zeichenbildung der reinen Wortmarke entspricht den Regeln der englischen und der deutschen Sprache, wonach 80% der Neuwörter aus zwei aneinandergereihten Substantiven zusammengefügt sind. Wegen der zahllosen Kombinationsmöglichkeiten können nicht sämtliche denkbaren Komposita in Lexika aufgeführt werden. Entscheidend für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer in üblicher Weise zusammengesetzten neuen Wortkombination jedoch ist, ob der Gesamtbezeichnung ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann, der den maßgeblichen Verkehr veranlaßt, die angemeldete Bezeichnung nur als Hinweis auf Waren- bzw Dienstleistungseigenschaften und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel zu verstehen (stRspr BGH GRUR 2000, 323, 324 - Partner with the Best; GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; MarkenR 7/2001, 314, 315 - marktfrisch). Das ist hier nicht der Fall.
Die angemeldete Bezeichnung "voicestick" ergibt keinen hinreichend konkret und eindeutig beschreibenden Hinweis auf eine eng mit den Waren und Dienstleistungen zusammenhängende Eigenschaft. Während "voice" gleichermaßen mit "Stimme" wie mit "Sprache" übersetzt werden kann, hat das Wort "stick" eine Reihe unterschiedlicher Bedeutungen, die sich erst aus dem Zusammenhang ergeben oder ein zusätzliches Bestimmungswort erfordern (Stock, Zweig, Taktstock, Stecken, Reisig, Stange, Stück; hockey stick = Schläger; drum stick = Schlegel, Trommelstock; ski stick = Skistock; joystick = Steuerknüppel; push stick = der Knüppel; tally stick = das Kerbholz, control stick = Steuerknüppel - PONS Collins Großwörterbuch Deutsch/Englisch 1997, 1582; LEO-Wörterbuch, Online-Service der Informatik der TU München zu "stick"). Insbesondere kann "-stick" nach den Feststellungen des Senats nicht mit dem Begriff "joystick" gleichgesetzt werden. Zwar ist in dem von der Markenstelle angegebenen Fachwörterbuch Computer-Englisch von Hans Herbert Schulze, Rowohlt Taschenbuch Verlag 2000, "stick" mit "Steuerknüppel" wiedergegeben. Eine diesbezügliche Verwendung konnte jedoch nicht ermittelt werden, weil stets Spezialbegriffe wie "joystick" bzw "control stick" oder "steering stick" verwendet werden (vgl auch LEO aaO zu "Steuerknüppel").
Der Wortbedeutung von "voicestick" im Sinne von "Stimm-/Sprachstock, -stab, -knüppel" läßt sich in Verbindung mit den Waren und der Dienstleistung der Teilzurückweisung - anders etwa als bei den Bezeichnungen VOICE ORGANIZER, VOICE RECORDER oder VOICEWRITER - ohne weitere Erläuterungen nicht entnehmen, was darunter zu verstehen ist. Denn "-stick" bezieht sich nicht auf den vorangehenden Begriff "voice-", sondern kann allenfalls auf die Form der Apparate als Stimm- bzw Sprachgeräte in Stabform hindeuten, was für die Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" ohnehin keine beschreibende Bedeutung haben kann. Soweit die angemeldete Marke als komprimierter Hinweis auf einen "voiceoperated joystick" aufgefaßt wird, bedarf diese Aussage analytischer Überlegungen und zusätzlicher Gedankenschritte, die zeigen, daß die Wortmarke eine gewisse Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit aufweist, die der Annahme entgegenstehen, dem Zeichen fehle insgesamt jegliche Unterscheidungskraft (BGH aaO - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION, Umdr. 7).
2. Nachdem für die Gesamtbezeichnung ein eindeutig klarer, beschreibender Inhalt nicht konkret festgestellt werden konnte, fehlen hinreichende Anhaltspunkte, daß die angemeldete Marke als Sachbezeichnung iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zur Beschreibung von Eigenschaften der in Rede stehenden Waren- oder Dienstleistungen dienen kann.
Der angefochtene Beschluß war demnach aufzuheben.
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BPatG:
Beschluss v. 26.06.2002
Az: 29 W (pat) 208/00
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