Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 23. August 2001
Aktenzeichen: 9 A 201/99
(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 23.08.2001, Az.: 9 A 201/99)
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 22. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin zeigte dem Beklagten im April 1997 durch 20 mit "Information zur Aufgrabung" überschriebene, standardisierte Schreiben an, dass und wo sie im Stadtgebiet W. innerhalb eines genannten Zeitraumes Straßenaufbrüche zur Errichtung von Telekommunikationsanschlüssen, im Zusammenhang mit Reparaturen von Kabelverteilerkästen oder zur Beseitigung von Störungen vornehmen werde. Außerdem beantragte sie durch Schreiben vom 1. April 1997 die Zustimmung des Beklagten zur Verlegung neuer Telekommunikationslinien bzw. zur Veränderung vorhandener Linien. Daraufhin erteilte der Beklagte der Klägerin jeweils eine standardisierte, mit Auflagen versehene "Aufbruchgenehmigung". Nach Abschluss der Bauarbeiten teilte die Klägerin dem Beklagten regelmäßig die Instandsetzung des aufgebrochenen Verkehrsweges mit.
Durch Gebührenbescheid vom 22. Mai 1997 setzte der Beklagte für seine Tätigkeiten aus Anlass der Arbeiten der Klägerin Verwaltungsgebühren von insgesamt 2.550,- DM fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte durch Bescheid vom 29. Juli 1997 zurück und führte zur Begründung aus: Auf Grund der ihm als Straßenbaulastträger obliegenden Verkehrssicherungspflicht sei er gehalten, jeden Straßenaufbruch auf seinem Stadtgebiet zu überprüfen und abzunehmen. Die Gebühr diene dem Ausgleich der Aufwendungen, welche ihm im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht entstünden und werde nicht für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsflächen als solche erhoben; diese Benutzung sei unentgeltlich. Die Klägerin werde durch sein Tätigwerden auch begünstigt, da sie bereits mit erfolgreicher Abnahme der jeweiligen Baustelle durch ihn aus ihrer Verkehrssicherungspflicht entlassen werde.
Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben und vorgetragen: Sie habe die Leistung des Beklagten nicht beantragt, sodass eine Gebührenpflicht hierfür nicht habe entstehen können. Zudem werde sie durch die Leistungen des Beklagten nicht unmittelbar begünstigt. Sie habe im Falle der fehlerfreien Instandsetzung des Wegkörpers nach Abschluss der Arbeiten ihre ihr durch Gesetz obliegenden Instandsetzungspflicht erfüllt, sodass sie eine Abnahme der Baustelle durch den Beklagten nicht mehr begünstigen könne. Der Gebührenerhebung stünden auch bundesgesetzliche Regelungen entgegen, da die Stadt W. die Benutzung ihrer Verkehrswege durch sie - die Klägerin - gemäß §§ 50 ff. Telekommunikationsgesetz (TKG) entschädigungslos zu dulden und nach Abschluss der Arbeiten nur einen Ersatzanspruch für entstandene Schäden habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 22. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erwidert: Die Aufbruchgenehmigungen hinsichtlich der von der Klägerin durchgeführten Aufbrucharbeiten habe diese durch ihre Informationsschreiben - zumindest konkludent - beantragt. Die Klägerin werde auch begünstigt. Sie übersende nach Abschluss der Arbeiten jeweils eine Fertigstellungsanzeige, in der sie um umgehende Mitteilung eventueller Mängel bitte. Erst seine Mitteilung über entsprechende Mängel versetze die Klägerin in die Lage, vertragliche Ansprüche gegen die von ihr beauftragten Bauunternehmer durchzusetzen. Ferner frage die Klägerin mitunter an, ob Rechte Dritter durch die Maßnahme betroffen sein könnten. Schließlich benutze die Klägerin auch das von ihm vorgehaltene Datenmaterial über die Straßenaufbrüche zur Geltendmachung bzw. Abwehr von Ansprüchen Dritter. Die Gebührenerhebung sei auch nicht auf Grund seiner Pflicht zur entschädigungslosen Duldung oder Nutzung der Verkehrsfläche ausgeschlossen. Hierdurch solle die Klägerin ausschließlich von Entschädigungsleistungen für die Inanspruchnahme der Grundfläche durch ihre Leitungen freigestellt werden.
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Gebührenbescheid sei rechtmäßig. Die Gebührensatzung knüpfe an die der Stadt W. durch § 47 Abs. 1 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) übertragene Straßenbaulast an. Die Erfüllung der hieraus resultierenden Aufgaben obliege der Stadt als Selbstverwaltungsangelegenheit, sodass sie gemäß § 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) zur Gebührenerhebung berechtigt sei. Die Klägerin habe die vom Beklagten erbrachten Leistungen beantragt. Denn durch ihre standardisierten Schreiben habe sie die jeweils nachfolgenden Betreuungs- und Überwachungsmaßnahmen des Beklagten herbeigeführt. Das aus § 50 Abs. 1, 2 Satz 1 TKG resultierende Recht auf unentgeltliche Nutzung der Verkehrswege bestehe nicht schrankenlos. Vielmehr sei die Klägerin u.a. gemäß § 52 Abs. 3 TKG verpflichtet, nach Beendigung der Arbeiten an den Telekommunikationslinien den Verkehrsweg unverzüglich wieder instand zu setzen. Hieraus erwachse dem Beklagten als Wegebaulastträger ein Herstellungsanspruch und unter Umständen ein Schadensersatzanspruch. Um eine Geltendmachung solcher Ansprüche überhaupt zu ermöglichen, bedürfe es einer effektiven Überwachung der Aufgrabungsmaßnahmen der Klägerin durch den Beklagten. Dies geschehe mit Wissen der Klägerin. Darüber hinaus entspreche das Tätigwerden des Beklagten auch dem Wollen der Klägerin, da sie von den Überwachungsmaßnahmen Vorteile erlange. Sie vermeide durch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit dem Beklagten eventuelle Folgekosten, die ihr aus einer späteren Erfüllung von Instandsetzungs- und Schadensersatzansprüchen entstehen könnten. Zudem schaffe die Abnahme des instand gesetzten Straßenkörpers zum Vorteil der Klägerin Klarheit über das Erlöschen ihrer Instandsetzungpflicht. Das Tätigwerden des Beklagten erfolge auch nicht ausschließlich im öffentlichen Interesse. Dass der Beklagte als Träger der Straßenbaulast im eigenen Interesse verpflichtet sei, die Wiederherstellung seiner Verkehrswege ausreichend zu überwachen, sei unerheblich, da dies die gleichzeitige Wahrnehmung von Interessen der Klägerin nicht ausschließe. Der Gebührenerhebung stehe auch nicht § 50 TKG als höherrangiges Recht entgegen. Danach komme der Klägerin zwar ein Recht auf unentgeltliche Nutzung der öffentlichen Verkehrswege zu. Gebühren für Verwaltungsleistungen, die lediglich gelegentlich der Nutzung der Verkehrswege erbracht würden, seien aber nicht ausgeschlossen.
Mit der zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend: Der Beklagte führe das Verwaltungsverfahren wie ein Genehmigungsverfahren durch, wofür die Verwendung der Begriffe "Aufbruchgenehmigung" und "Abnahme" spreche. Eine Genehmigungspflicht für ihre Unterhaltungsmaßnahmen sei jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Sie - die Klägerin - habe die Amtshandlungen auch nicht beantragt. Ihre schriftlichen Mitteilungen seien allein zur Information des Beklagten über die Arbeiten in seinem Gemeindegebiet erfolgt. Eine gesetzliche Regelung, dass ihre Mitteilungen das Verwaltungshandeln des Beklagten zwingend zur Folge haben würden, sei nicht vorhanden. Vielmehr könne der Beklagte frei entscheiden, ob er besondere Kontrollen der Aufbruchstellen oder eine Besichtigung im Rahmen seiner allgemeinen Aufgabenwahrnehmung durchführe oder gar nicht kontrolliere. Wenn er sich für Überwachungsmaßnahmen entscheide, sei dies allein seiner eigenen Sphäre zuzurechnen. Ferner entspreche die Überwachungstätigkeit des Beklagten auch nicht ihrem Willen, da sie daraus keine maßgeblichen Vorteile habe. Vielmehr werde der Beklagte zu ihrem Nachteil erst durch die Überwachung in die Lage versetzt, eventuelle Instandsetzungs- und Ersatzansprüche gegen sie festzustellen. Sie sei auch nicht unmittelbar begünstigt. Das Verwaltungshandeln des Beklagten habe insoweit belastende Wirkung, als die jeweilige "Aufbruchgenehmigung" mit Auflagen versehen sei. Eine gestattende Wirkung komme dieser Verwaltungshandlung nicht zu, da es einer Genehmigung für den Straßenaufbruch nicht bedürfe. Sie werde auch nicht durch die "Abnahme" des instand gesetzten Verkehrsweges begünstigt, da diese eine rein faktische Wirkung und auf den Übergang von Verkehrssicherungspflichten keinen Einfluss habe. Schließlich könne der Beklagte die Gebühren bereits Kraft seines Satzungsrechts nicht erheben. Die zu Grunde liegenden Amtshandlungen des Beklagten stünden überwiegend im öffentlichen Interesse, sodass sie gemäß § 2 Nr. 1 der Verwaltungsgebührensatzung der Stadt W. (VGS) gebührenfrei seien.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf sein erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Gründe
Die Berufung ist begründet.
Der Klage ist stattzugeben. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Soweit der Beklagte eine (Teil-)Gebühr von 100,--DM für die von der Klägerin durch Schreiben vom 1. April 1997 beantragte Zustimmung zur Verlegung neuer Telekommunikationslinien bzw. zur Veränderung vorhandener Linien festgesetzt hat, fehlt es schon am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden § 1 VGS in der hier anzuwendenden Fassung der 3. Änderungssatzung vom 6. Dezember 1995 i.V.m. Tarifnummer 4.5 des zugehörigen Gebührentarifs (GT), wonach für die Betreuung und Überwachung von Straßenaufbrüchen ein Gebührenrahmen von 20,- DM bis 350,- DM festgelegt ist. Denn es hat weder eine Betreuung noch eine Überwachung eines Straßenaufbruchs statt gefunden. Die Klägerin hat lediglich die nach § 50 Abs. 3 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl. I. S. 1120) erforderliche Zustimmung des Beklagten als Träger der Wegebaulast begehrt.
Auch im Übrigen kann § 1 VGS i.V.m. Tarifnummer 4.5 GT hier nicht als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Gebührenbescheid herangezogen werden.
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer entsprechenden Verwaltungsgebührensatzung ist das Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG). Danach ist die Gemeinde berechtigt, nach Maßgabe dieses Gesetzes u.a. Verwaltungsgebühren zu erheben, soweit nicht Bundes- oder Landesgesetze etwas anderes bestimmen (§ 1 Abs. 1 KAG). Der Ausschluss beschränkt sich dabei nicht nur auf solche Fälle, in denen andere Rechtsvorschriften ausdrücklich entgegenstehende Regelungen treffen, so z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG) betreffend Angelegenheiten der Gemeinde, die nicht Selbstverwaltungsangelegenheiten sind (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 GebG). Andere Bestimmungen i.S.d. § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz KAG liegen bereits dann vor, wenn trotz fehlender ausdrücklicher Erwähnung ihre Auslegung ergibt, dass ihr Regelungsanspruch abschließend ist.
Vgl. Lichenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand März 2001, § 5, Rdnr. 7 m.w.N.
So liegt der Fall hier. Der Satzungsregelung auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes NRW stehen, soweit sie die vorliegend streitigen Fallgestaltungen betrifft, die bundesgesetzlichen Bestimmungen der §§ 50 bis 56 TKG entgegen.
Im Ergebnis ebenso: VG Osnabrück, Urteil vom 20. April 1999 - 1 A 180/98 -, NVwZ-RR 2000, 539.
Die Normen regeln umfassend und abschließend die Benutzung der öffentlichen Wege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien und alle damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten.
Ausgangspunkt der Regelungen ist der in § 50 Abs. 1 TKG normierte Grundsatz, dass der Bund befugt ist, Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, soweit nicht dadurch der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird. Nach Absatz 2 wird das unentgeltliche Nutzungsrecht vom Bund auf die Lizenznehmer - wie hier die Klägerin - nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG übertragen. Der Begriff der "Benutzung" ist zwar im Telekommunikationsgesetz nicht weiter definiert. Die inhaltliche Reichweite der Nutzungsberechtigung ergibt sich aber schon aus der Legaldefinition des Begriffs der "Telekommunikationslinien" in § 3 Nr. 20 TKG. Telekommunikationslinien sind unter- oder oberirdisch geführte Telekommunikationskabelanlagen einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre. Hieraus folgt, dass der Straßenraum zur Verlegung und zum Betrieb derartiger Anlagen und Anlagenteile sowohl ober- als auch unterirdisch benutzt werden kann. Dem Nutzungsrecht ist deshalb immanent, dass der Nutzungsberechtigte die zu dessen Wahrnehmung erforderlichen Herstellungs-, Reparatur- und Wartungsarbeiten durchführen kann. Für die damit zwingend verbundene vorübergehende Beschränkung des Widmungszwecks der Verkehrswege bedarf es nach der gesetzlichen Regelung insoweit keiner besonderen Erlaubnis irgendeiner Behörde, also auch nicht des Trägers der Straßenbaulast.
Vgl. Schütz in Beck'scher TKG, Kommentar, Telekommunikationsgesetz, München 1997, § 50, Rdnr 22 ff, 28; Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 13/4438 zu Nummer 60, Seite 36.
In den §§ 52 bis 56 TKG wird sodann das Rechtsverhältnis zwischen dem Nutzungsberechtigten, der den öffentlichen Verkehrsraum für seine Kommunikationslinie benutzt, und dem Wegeunterhaltungspflichtigen ausgestaltet. Die Regelungen entsprechen den §§ 2 - 6 des Telegrafenwegegesetzes (TWG), das mit Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes außer Kraft getreten ist.
Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19. September 1996 - 20 A 5470/95 - zu § 2 Abs. 3 TWG.
§ 52 TKG ist Ausdruck der Gewichtung der Interessen des Straßenbaulastträgers einerseits und des Nutzungsberechtigten andererseits; er regelt im Einzelnen die Pflicht des Lizenznehmers zur Rücksichtnahme auf Wegeunterhaltung und Widmungszweck.
Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Januar 1999 - 2 BvR 929/97 -, NVwZ 1999, 520.
Die Norm enthält insoweit für Eingriffe des Berechtigten in den Straßenkörper bei der Nutzung seiner Telekommunikationslinien eine ausdrückliche Regelung. Nach § 52 Abs. 3 TKG hat der Nutzungsberechtigte nach Beendigung der Arbeiten an den Telekommunikationslinien den Verkehrsweg unverzüglich wieder instand zu setzen, sofern nicht der Unterhaltspflichtige erklärt hat, die Instandsetzung selbst vornehmen zu wollen; letzterenfalls hat der Nutzungsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen die Auslagen für die von ihm vorgenommene Instandsetzung zu vergüten. Der Nutzungsberechtigte hat auch den durch die Arbeiten an der Telekommunikationslinie entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Baulastträger kann mithin Auslagenvergütung bei Instandsetzung sowie gegebenenfalls Schadenersatz nach dieser Vorschrift verlangen. Daneben ist kein Raum für die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr bei Erfüllung dieser Verpflichtung.
Unter diese Regelungen fallen auch die von der Klägerin vorgenommenen Arbeiten und ihr damit im Zusammenhang stehendes Verhältnis zum Beklagten. Die Klägerin hat die Wege für ihre Telekommunikationslinien in den hier zu beurteilenden Fällen i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG benutzt. Sie hat ihre entsprechenden Anlagen entweder wegen Störungen repariert oder gewartet oder überholt. Die Nutzung ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG unentgeltlich. Damit einhergehend hat die Klägerin nach § 52 Abs. 3 TKG die Verpflichtung, nach Beendigung der Arbeiten an den Telekommunikationslinien den Verkehrsweg unverzüglich wieder instand zu setzen. Der Herstellungsanspruch korrespondiert insoweit mit dem möglichen Anspruch des Beklagten auf Auslagenerstattung, falls dieser erklärt hätte, die Instandsetzung selbst vornehmen zu wollen. Außerdem hat der Beklagte einen Anspruch auf Ersatz eventueller durch die Arbeiten an der Telekommunikationslinie entstandener Schäden (§ 52 Abs. 3 Satz 2 TKG).
Vgl. zur Unterscheidung zwischen Auslagenersatz und Schadensersatz in der § 52 Abs. 3 TKG vergleichbaren Vorschrift des § 2 Abs. 3 TWG: OVG NRW, a.a.O.
Um eben diese Ansprüche gegebenenfalls realisieren zu können, steht es dem Beklagten frei, die Straßenaufbrucharbeiten der Klägerin zu überwachen. Gebühren für diese Tätigkeiten kann er aber wegen der gesetzlich festgeschriebenen Unentgeltlichkeit der Nutzung der Wegeflächen und der abschließenden Regelung der Folgen betreffend die Instandsetzung nach Beendigung der Arbeiten in § 52 TKG, der Gebühren für die Überwachung der Instandsetzungsarbeiten durch den Nutzungsberechtigten gerade nicht vorsieht, nicht verlangen.
Selbst wenn die §§ 50 ff TKG keine abschließende Regelung i.S.d. § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz KAG enthielten, das Kommunalabgabengesetz also grundsätzlich anwendbar wäre, könnte der angefochtene Gebührenbescheid keinen Bestand haben. Auch dann wäre die Regelung in Tarifnummer 4.5 GT jedenfalls für die hier streitigen Fallgestaltungen wegen Verstoßes gegen § 4 KAG unwirksam.
Nach § 4 Abs. 2 KAG sind Verwaltungsgebühren Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung - Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit - der Verwaltung erhoben werden. In Ermangelung eines bundesgesetzlich vorgegebenen Gebührenbegriffs ist die Bestimmung der gebührenpflichtigen Amtshandlung allein nach Landesrecht und seiner Auslegung vorzunehmen.
Vgl. zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG: OVG NRW, Urteil vom 8. März 2000 - 9 A 795/99 -, KStZ 2000, 235 = NJW 2001, 1152.
In Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG, der u.a. die Gebührenerhebung für Verwaltungstätigkeiten der Gemeinden außerhalb von Selbstverwaltungsangelegenheiten regelt, hat der Senat entschieden, dass die Erhebung einer Verwaltungsgebühr eine besondere öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit voraussetzt, mit der das Gesetz diese Tätigkeiten von den allgemeinen Verwaltungstätigkeiten abgrenzt, für die eine Gebührenpflicht ausgeschlossen bleiben soll. Aus dieser Abgrenzung folgt als Kennzeichen der besonderen Verwaltungstätigkeiten, dass sie im Rahmen einer konkretindividuellen Sonderrechtsbeziehung erfolgen, die den von der Amtshandlung Betroffenen aus der Allgemeinheit hervorhebt, und ihn damit als Zurechnungssubjekt für die Amtshandlung bestimmt. Denn aus Sicht des Betroffenen können nur die Amtshandlungen im Rahmen einer entsprechend geprägten Sonderrechtsbeziehung - wie es im Gesetz weiter heißt - "als Gegenleistung" gebührenpflichtig sein.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2000, a.a.O.
Diese Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW ist auf § 4 KAG zu übertragen. Der Wortlaut beider Vorschriften ist nahezu identisch. Es kann in Ermangelung entsprechender Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass der Landesgesetzgeber zwei sich wörtlich weitestgehend entsprechenden Vorschriften einen voneinander abweichenden Inhalt geben wollte. Der Hintergrund der Normen - Verwaltungstätigkeiten außerhalb bzw. innerhalb von Selbstverwaltungsangelegenheiten - rechtfertigt ebenfalls keine unterschiedliche Handhabung. In beiden Bereichen gilt es gleichermaßen, gebührenpflichtige besondere von nicht gebührenpflichtigen allgemeinen Verwaltungstätigkeiten abzugrenzen.
Hiervon ausgehend lässt auch § 4 KAG die Erhebung einer Verwaltungsgebühr nicht zu, da es an einer besonderen Leistung der Verwaltung fehlt. Die notwendige Sonderrechtsbeziehung wird durch die Eingriffe der Klägerin in den Straßenkörper bei der Benutzung ihrer Telekommunikationslinien nicht vermittelt. Die erforderliche konkretindividuelle Zurechenbarkeit der Verwaltungstätigkeit des Beklagten im Rahmen seines Wirkungskreises lässt sich nicht daraus herleiten, dass der Beklagte eine im Gesetz nicht vorgesehene schriftliche "Aufbruchgenehmigung" erteilt, nach seinem Vortrag die Straßenaufbruchstelle aufsucht und kontrolliert und/oder eine Abnahme nach Abschluss der Straßenaufbrucharbeiten vornimmt. Denn damit kommt der Beklagte lediglich seinen Pflichten nach, die ihm als Wegeunterhaltungspflichtigen obliegen. Auch aus §§ 50 ff TKG, die sich allein mit dem Rechtsverhältnis zum Nutzungsberechtigten, der den öffentlichen Verkehrsraum für seine Telekommunikationslinien benutzt, beschäftigen, wird eine darüberhinausgehende, aus dem eigenen Wirkungskreis des Beklagten herrührende Sonderrechtsbeziehung nicht begründet. Denn diese Vorschriften regeln in Bezug auf Instandsetzungen nach Beendigung der Arbeiten an der Telekommunikationslinie nur die Art der Instandsetzung und die damit in Zusammenhang stehenden Ansprüche des Wegeunterhaltspflichtigen - hier des Beklagten -, nicht aber etwaige Überwachungsaufgaben durch die zuständige Behörde.
Aber auch wenn man von der notwendigen Sonderrechtsbeziehung für Fälle der vorliegenden Art ausginge, wäre der angefochtene Gebührenbescheid als rechtswidrig aufzuheben. Es fehlten die Voraussetzungen für eine Heranziehung der Klägerin als Gebührenschuldnerin. Nach § 4 Abs. 1 VGS ist zur Zahlung der Gebühr verpflichtet, wer die Amtshandlung selbst oder durch Dritte, deren Handeln ihm zuzurechnen ist, veranlasst hat (1. Fall), sowie derjenige, zu dessen Gunsten sie vorgenommen wird (2. Fall). Ob die Regelung überhaupt wirksam ist, weil sie weiter geht, als es § 5 Abs. 1 KAG vorgibt, kann hier offen bleiben. Denn selbst wenn die Satzungsregelung gesetzeskonform i.S.d. § 5 Abs. 1 KAG ausgelegt wird (vgl. § 139 BGB), wonach Verwaltungsgebühren nur erhoben werden dürfen, wenn die Leistung der Verwaltung von dem Beteiligten beantragt worden ist (1. Fall) oder sie ihn unmittelbar begünstigt (2. Fall), ist eine Kostenschuldnerschaft der Klägerin zu verneinen.
Die Klägerin hat die Leistung des Beklagten i.S.d. § 5 Abs. 1 1. Fall KAG nicht beantragt. Durch das Antragserfordernis ist die Regelung des § 5 Abs. 1 1. Fall KAG enger gefasst, als § 13 Abs. 1 GebG, der für die Heranziehung eines Kostenschuldners lediglich eine Veranlassung (so die a.F.) bzw. eine zurechenbare Verursachung (so die n.F.) der Amtshandlung erfordert.
Die Klägerin hat ein Tätigwerden des Beklagten weder ausdrücklich noch stillschweigend beantragt. Die Schreiben der Klägerin mit der "Information zur Aufgrabung" enthalten keinen ausdrücklichen Antrag. Ihnen ist auch ein konkludenter Antrag nicht zu entnehmen. Ein solcher ist anzunehmen, wenn durch eine bestimmte Erklärung oder Handlung ein konkretes Verwaltungshandeln herbeigeführt wird und dies dem Erklärenden bekannt ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961 - VII C 109.60 -, BVerwGE 12, 162, 164.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Informationsschreiben an den Beklagten offenbar verfasst, damit dieser seine in §§ 52 ff TKG normierten Rechte und Pflichten wahrnehmen kann. Dass die Klägerin gewusst oder gewollt hat, der Beklagte werde darüber hinaus Leistungen erbringen, kann nicht angenommen werden. Durch die Informationsschreiben der Klägerin sollte der Beklagte lediglich jeweils in die Lage versetzt werden zu erklären, ob er selbst die Instandsetzung gegen Auslagenersatz vornehmen wolle, oder die Straßenaufbrüche zu überwachen und gegebenenfalls auf Grund seiner Kontrolle eine ordnungsgemäße Instandsetzung geltend zu machen. Soweit der Beklagte die von der Klägerin wieder instand gesetzten Straßenkörper nach Erhalt der Fertigstellungsanzeigen abgenommen hat, geschah dies zur abschließenden Klärung von eigenen Ansprüchen gegenüber der Klägerin und in Wahrnehmung der Straßenverkehrssicherungspflicht des Beklagten.
Die Klägerin ist durch die Überwachung und Betreuung der Straßenaufbrüche auch nicht unmittelbar begünstigt (§ 5 Abs. 1 2. Fall KAG). Von einer Begünstigung kann nur dann die Rede sein, wenn dem Kostenschuldner durch eine Amtshandlung ein - wie auch immer gearteter - unmittelbarer Vorteil zugute kommt.
Vgl. zu § 13 GebG a.F.: OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 1999 - 9 A 2350/98 -, ZKF 1999, 258 = NVwZ- RR 2000, 54, m.w.N.
Die hier zu beurteilende Leistung der Verwaltung, nämlich die Überwachung und Betreuung von Straßenaufbrüchen, beinhaltet für die Klägerin keinen unmittelbaren Vorteil rechtlicher oder tatsächlicher Art. Ein solcher Vorteil liegt selbst nicht in der "Abnahme" durch den Beklagten, obwohl die Klägerin damit Klarheit über das Ende der Instandsetzungspflicht und ihre Entlassung aus der Verkehrsicherungspflicht erhält. Denn die Abnahme, für die es im Übrigen keine gesetzliche Grundlage gibt, verschafft der Klägerin keine günstigere Rechtsposition. Vielmehr hat die Klägerin die ihr obliegende gesetzlich geregelte Pflicht mit der ordnungsgemäßen Instandsetzung des aufgebrochenen Straßenkörpers erfüllt. Eines weiteren Zutuns seitens des Beklagten bedarf es nicht. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass die Klägerin zur Geltendmachung von Abwehransprüchen gegenüber Dritten gelegentlich auf seine Datenmaterialien über die Straßenaufbrüche zurückgreife, mangelt es an der Unmittelbarkeit zwischen Vorteil und Amtshandlung, weil ein Zusammenhang mit der "Betreuung und Überwachung" der Instandsetzungsarbeiten nicht erkennbar ist.
Im Übrigen spricht Vieles dafür, dass die Heranziehung der Klägerin zu den hier streitgegenständlichen Gebühren auch an § 2 Nr. 1 VGS scheitert. Nach dieser satzungsrechtlichen Regelung sind Amtshandlungen gebührenfrei, wenn sie überwiegend im öffentlichen Interesse liegen. Von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Vornahme der Verwaltungsleistung ist regelmäßig dann auszugehen, wenn anzunehmen ist, die Behörde hätte die Verwaltungsleistung auch ohne Veranlassung Dritter, mithin aus eigenem Antrieb erbracht. Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20. März 2000 - 2 S 689/99 -, m.w.N.
Die Betreuungs- und Überwachungsmaßnahmen des Beklagten haben in erster Linie der Wahrung der dem Beklagten nach § 52 Abs. 3 TKG eingeräumten Rechtsstellung gedient. Diese Handlungen hat der Beklagte aus eigenem Antrieb veranlasst; sie dürften daher im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Die Klägerin hingegen dürfte an den Verwaltungsleistungen allenfalls ein untergeordnetes Eigeninteresse haben.
Letztlich kann dahinstehen, ob die Gebühr der Höhe nach gerechtfertigt gewesen ist. Zweifel könnten sich daraus ergeben, dass die in Ansatz gebrachten Verwaltungsleistungen nicht immer erbracht worden sein dürften. Da der Bescheid aber bereits aus den oben genannten Gründen rechtswidrig ist, sind weitere Ermittlungen zu dieser Frage nicht angezeigt gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 23.08.2001
Az: 9 A 201/99
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