Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Januar 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 60/99
(BPatG: Beschluss v. 13.01.2000, Az.: 25 W (pat) 60/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Bezeichnungcorobetist unter der Nummer 2 910 332 als Marke für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 30. Oktober 1995 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem seit dem 6. Juni 1955 für "Arzneimittel, nämlich ein Herztonikum" eingetragenen Marke 677 025 Korodin.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Bei den Vergleichswaren könne es sich um in hohem Maße ähnliche oder sogar identische Waren handeln. Ausgehend davon und wegen der unbestrittenen hohen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien mindestens durchschnittliche bis hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die jüngere Marke aber gerecht werde. Da beide Marken mit dem Bestandteil "C(K)oro" beginnen würden, der von lat. "coronarius (= zum Herz gehörend) abgeleitet sei und als Markenbestandteil auf dem einschlägigen Warengebiet häufig vorkomme, würden die angesprochenen Verkehrskreise ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf die restlichen Bestandteile "bet" und "din" richten, die sich klanglich jedenfalls markant in den Endkonsonanten unterschieden, wodurch eine klangliche Differenzierung gewährleistet sei. In schriftbildlicher Hinsicht seien die Unterschiede in jeder Hinsicht, insbesondere wegen der abweichenden Eingangsbuchstaben ausreichend.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.
Die "pharmazeutischen Erzeugnisse" der angegriffenen Marke umfaßten die Widerspruchswaren, so daß sich identische Waren gegenüberstünden. Mangels Rezeptpflicht könnten die Waren von Laien ohne Einschaltung von Ärzten erworben werden. Zudem wendeten sich die Präparate zur Behandlung von Herzerkrankungen überwiegend an Personen höheren Alters, so daß nicht von einer gesteigerten Aufmerksamkeit des Verkehrs ausgegangen werden könne. Die Widerspruchsmarke besitze eine weit über dem Durchschnitt liegende Kennzeichnungskraft. Sie werde seit mehr als 70 Jahren mit erheblichen Umsätzen zur Kennzeichnung eines Herz- und Kreislaufpräparats in Deutschland benutzt, was näher ausgeführt wird. Ausgehend von diesen Faktoren, seien strenge Maßstäbe an den Markenabstand zu stellen. Die angegriffene Marke werde aber noch nicht einmal mittleren Anforderungen gerecht. Die Bezeichnungen stimmten in den stärker beachteten Wortanfängen überein und unterschieden sich nur in den Schlußsilben, die typischen Endungscharakter besäßen und daher vom Verkehr wenig beachtet würden. Der beschreibende Charakter der Wortanfänge werde von einem entscheidungserheblichen Teil der Laien nicht erkannt werden. Im übrigen träten auch die klanglichen Unterschiede in den Endsilben keineswegs besonders deutlich hervor. Beide Endsilben enthielten klangähnliche helle Vokale. Die abweichenden Schlußlaute würden nur kurz anklingen und könnten sehr leicht überhört werden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren keine Schriftsätze eingereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch gegen die nach § 157 MarkenG in Verbindung mit § 41 MarkenG eingetragene und veröffentlichte Marke ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, die jeweils auch rezeptfrei in der Apotheke erhältliche Arzneimittel beinhalten können, weshalb auch die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Im Hinblick auf eine langjährige und von den Umsatzzahlen her beachtliche Benutzung kann der Widerspruchsmarke allerdings ein gewisser Bonus eingeräumt werden, der ihr innerhalb der Bandbreite normaler Kennzeichnungskraft eine gute Position verschafft und sie von unbenutzten Marken abhebt.
Die ursprüngliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nach Auffassung des Senats durchschnittlich. Im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse übliche Praxis, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation, Darreichungsform und dergleichen jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen, erscheint der in der Widerspruchsmarke enthaltene Bestandteil "Coro" mit dem Bedeutungsanklang in Richtung "Herz" (= lat. cor) bzw "Herzmittel" oder auch im Sinne von "Koronartherapeutika" hinreichend phantasievoll in das Gesamtwort eingebunden, so daß jedenfalls keine signifikante originäre Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann.
Andererseits kann auch nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Die Widersprechende hat zwar behauptet, daß die Widerspruchsmarke eine weit über dem Durchschnitt liegende Kennzeichnungskraft besitzt, wogegen sich die Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht gewendet hat. Gleichwohl kann dies der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden, weil die Kennzeichnungskraft einer Marke keine Tatsache darstellt, die als solche behauptet oder bestritten werden könnte, sondern eine rechtliche Wertung, die dem Gericht aufgrund des Sach- und Streitstandes bzw der präsenten Beweis- oder sonstigen Glaubhaftmachungsmittel obliegt (vgl die zu dieser Problematik instruktiven Ausführungen BPatG GRUR 1997, 840, 842 reSp "Lindora/Linola").
Ausreichende tatsächliche Umstände, aus denen sich eine erhöhte Verkehrsbekanntheit und ein erheblich gesteigerter Schutzumfang der Widerspruchsmarke ergibt, sind nicht liquide. Allein aus der langjährigen Benutzung und den in der eidesstattlichen Versicherung vom 10. März 1999 genannten jährlichen Umsatzzahlen, bezogen auf Verbrauchseinheiten in 10 ml in den Jahren 1990 und 1998, kann ein solcher Schluß nicht gezogen werden. Umsatzzahlen stellen jedenfalls regelmäßig - so auch hier - keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer Marke dar. Selbst umsatzstarke Marken müssen nicht besonders bekannt sein, wie andererseits Marken trotz relativ geringer Umsatzzahlen der damit gekennzeichneten Produkte sehr bekannt sein können. Insbesondere Angaben zum Bekanntheitsgrad in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten - geben Aufschluß zur maßgeblichen Verkehrsgeltung, wobei allerdings auch hier nicht allgemein und abstrakt bestimmt werden kann, bei welchem Prozentsatz etwa die Bejahung einer hohen Kennzeichnungskraft gerechtfertigt ist (vgl dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. "Lloyd/Loint's). Auch Angaben zu Werbeaufwendungen erlauben unter Umständen eher Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft einer Marke als die Umsatzzahlen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 116 mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen). Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist schließlich auch nicht gerichtsbekannt.
Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der anzunehmenden normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der verwechslungsfördernden Warenlage die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten.
Von ausschlaggebender Bedeutung für die Beurteilung ist, daß die klangliche Übereinstimmung der Markenwörter in den Anfangslauten "Cor/Kor" bzw in den Anfangsbestandteilen "Coro/Koro" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem originelleren Bestandteil der Fall wäre. Der darin liegende Hinweis auf Mittel zur Behandlung des Herzens wird nicht nur von Ärzten und Apothekern, sondern kann auch von medizinischen Laien und insbesondere von betroffenen Patienten erkannt werden. Darüber hinaus enthalten sehr viele Marken der Klasse 5 die Wortelemente "Cor" oder "Kor". Aber auch die Bestandteile "Coro" und "Koro" sind noch in einer ganz erheblichen Anzahl von Marken (mehr als 70) auf dem einschlägigen Warengebiet als Anfangsbestandteile enthalten, wobei außer der Widerspruchsmarke sogar sieben entsprechend gebildete Marken anderer Hersteller in der Roten Liste für Herz- und Kreislaufpräparate eingetragen sind (vgl dazu Rote Liste 1999 Nr 53 063 corocrat forte Dragees, Nr 55 005 Coro-Nitro Pumpspray, Nr 27 239 Coronorm, Nr 27 121 Corotrend, Nr 55 122 Corotrop, Nr 53 130 Coroverlan Dragees und 55 027 Corovliss rapid Tabletten), was ein gewisses Indiz für eine tatsächliche Verwendung darstellt. Dies zeigt, daß diese Bestandteile bei der Markenbildung auf dem einschlägigen Warengebiet außerordentlich beliebt sind. Selbst wenn von den eingetragenen Marken tatsächlich nur ein Teil benutzt wird, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht unbeachtet bleiben (vgl dazu BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur"; MarkenR 1999, 57 - Lions). Der klanglich übereinstimmende Anfangsbestandteil "Coro/Koro" muß bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zwar berücksichtigt werden, sein kennzeichnendes Gewicht ist aber reduziert. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs wird sich vergleichsweise stärker auf die weiteren Wortbestandteile bzw bei deren Kennzeichnungsschwäche auf die Kombination der Markenelemente als solche richten und zwar auch dann, wenn es sich bei den weiteren Bestandteilen um solche handelt, die häufig als Endbestandteil verwendet werden, zumal etliche weitere Marken verschiedenster Hersteller pharmazeutischer Produkte im Register eingetragen sind, die derart gebildet sind (vgl etwa die Marken Nr 1 074 326 "COROTROP", Nr 1 099 393 "Coronorm, Nr 1 179 951 "COROCALM", Nr 2 054 562 "COROPLAST", Nr 2 086 737 "Corotil", Nr 2 102 628 "Coromag", Nr 2 910 326 "Corotrat", 511 284 "Corochin", Nr 482 007 "Corodoc", Nr 646 977 COROPAR, Nr 656 883 "COROPOT", Nr 840 100 "Corosten" uvm).
Klanglich stimmen die Markenwörter zwar bei gleicher Silbenzahl (jeweils drei Silben) und gleichem Sprechrhythmus im Anfangsbestandteil "Coro" bzw "Koro" überein. Da es eine erhebliche Anzahl von Drittmarken (mehr als 20) auf dem einschlägigen Warengebiet gibt, auf die diese Kriterien zutreffen, kann diese Übereinstimmungen nach Auffassung des Senats für sich genommen die Bejahung der Verwechslungsgefahr noch nicht rechtfertigen. Hier müßten weitere relevante Annäherungen in der Schlußsilbe hinzutreten. Vorliegend verfügen die Schlußsilben zwar über klangähnliche konsonantischen Anlaute "b" und "d". Darüber hinaus weisen sie aber keine Annäherungen auf, sondern heben sich sowohl im Vokallaut als auch in den Schlußkonsonanten "t" gegenüber "n" markant voneinander ab. Diese deutlichen Abweichungen in den Schlußsilben prägen den maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck der Vergleichsbezeichnungen noch hinreichend unterschiedlich, zumal die Endbestandteile betont sind und klanglich nicht in den Hintergrund treten. Die Vokale "e" und "i" mögen als hellere Vokale dann weniger zur Unterscheidbarkeit beitragen, wenn sie sich an unbetonter Stelle im Wort gegenüberstehen oder aber in gleicher bzw sehr ähnlicher Weise in eine Gesamtbezeichnung eingebunden sind. Dies trifft jedoch auf die vorliegende Markenkonstellation nicht zu, bei der die angemeldete Marke abrupt auf den Sprenglaut "t" endet und die Widerspruchsmarke mit dem Konsonanten "n" weich ausklingt, wodurch die Abweichung im Vokallaut auch wesentlich stärker zum Tragen kommt.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht heben sich die Marken in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen durch die deutlich voneinander abweichenden Anfangskonsonanten und die in keinem Buchstaben übereinstimmenden Endsilben ausreichend voneinander ab, zumal Anfangs- und Endbuchstaben die Umrißcharakteristik regelmäßig stärker prägen als die Buchstaben im Wortinnern.
Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Knoll Pü
BPatG:
Beschluss v. 13.01.2000
Az: 25 W (pat) 60/99
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