Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 12/05
(BPatG: Beschluss v. 25.10.2007, Az.: 21 W (pat) 12/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Auf die am 10. August 1995 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 195 29 377 mit der Bezeichnung "Bewegungsgerät mit einer von einem Elektromotor angetriebenen Kurbel" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 29. Oktober 1998 erfolgt.
Die Patentabteilung 44 hat das Streitpatent nach Prüfung des für zulässig erklärten Einspruchs mit Beschluss vom 9. Dezember 2004 widerrufen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass der Gegenstand des am 2. Juli 1999 eingegangenen, eingeschränkten geltenden Patentanspruchs 1 durch die ursprünglich Offenbarung nicht gedeckt sei und somit eine unzulässige Änderung des Anmeldungsgegenstandes vorliege, da nur das gleichzeitige Vorliegen eines gerillten Antriebszapfens und einer glatten Lauffläche des Antriebsrades aus der Patentschrift herleitbar sei.
Im Einspruchsverfahren ist unter anderem auf die Druckschrift E1: DE 93 08 636 U1 verwiesen worden.
In der mündlichen Verhandlung ist von der Einsprechenden noch die Druckschrift E2: optibelt, Power Transmission, Technisches Handbuch für optibelt-RB Rippenbänder, 1986, Seiten 22 bis 24 eingeführt wurde, deren Vorveröffentlichung vom Patentinhaber nicht bestritten worden ist.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Patentinhabers. Er verteidigt das angegriffene Patent gemäß Hauptantrag auf der Grundlage des am 2. Juli 1999 eingegangenen eingeschränkten Patentanspruchs 1 sowie gemäß Hilfsantrag auf der Grundlage des am 23. Oktober 2007 eingegangenen eingeschränkten Patentanspruchs 1. Der Patentinhaber ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch das ursprünglich Offenbarte gedeckt und auch neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentinhaber beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den am 2. Juli 1999 eingegangenen Ansprüchen 1 bis 3, im Übrigen gemäß der Patentschrift, beschränkt aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit den am 23. Oktober 2007 eingegangenen Ansprüchen 1 und 2, im Übrigen wie zum Hauptantrag, beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht hinsichtlich des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag unzulässige Erweiterung und hinsichtlich des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag fehlende erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf den Stand der Technik nach den Druckschriften E1 und E2 geltend.
Der verteidigte, mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
M1 Bewegungsgerät M2 mit einer von einem Elektromotor angetriebenen Kurbel, M3 an deren Pedalen oder anderen Anschlusselementen Füße oder Arme einer Person angeschlossen werden können, dadurch gekennzeichnet, M4 dass die Motorwelle und die Kurbel nur durch einen Keilrippenriemen miteinander verbunden sind M5 und ein an der Motorwelle ausgebildeter oder mit ihr fest verbundener Antriebszapfen (9) dem Riemenquerschnitt entsprechende Umfangsrillen aufweist.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:
M1 Bewegungsgerät M2 mit einer von einem Elektromotor angetriebenen Kurbel, M3 an deren Pedalen oder anderen Anschlusselementen Füße oder Arme einer Person angeschlossen werden können, dadurch gekennzeichnet, M4 dass die Motorwelle und die Kurbel nur durch einen Keilrippenriemen miteinander verbunden sind M5 und ein an der Motorwelle ausgebildeter oder mit ihr fest verbundener Antriebszapfen (9) dem Riemenquerschnitt entsprechende Umfangsrillen aufweist, M6 während ein an der Kurbelwelle befestigtes Antriebsrad (11) eine glatte Riemenlauffläche hat.
Dem Streitpatent liegt gemäß Eingabe des Patentinhabers vom 30. Juni 1999, Seite 3, letzter Absatz, bis Seite 4, erster Absatz, die Aufgabe zugrunde, ein Bewegungsgerät mit Antriebsriemen dahingehen zu verbessern, dass sich zwischen Motor und Kurbel hohe Übersetzungsverhältnisse realisieren lassen.
Der hier zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Bewegungsgeräten befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur oder Orthopädietechniker, der bei seiner Tätigkeit in ständigem Kontakt zu einem auf dem Gebiet der Bewegungstherapie tätigen Mediziner steht.
II Die zulässige Beschwerde des Patentinhabers ist nicht begründet, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgeht und sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag als nicht patentfähig erweist.
1.) Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch zulässigerweise erhoben worden ist. Denn der Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist vom Patentinhaber im Übrigen nicht bestritten worden.
2.) Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt. Durch ihn wird außerdem der Anmeldungsgegenstand in unzulässiger Weise erweitert.
Das Ausführungsbeispiel des Streitpatents offenbart ein Bewegungsgerät mit einer von einem Elektromotor angetriebenen Kurbel, das als Antriebsriemen einen Keilrippenriemen (10) verwendet, wobei "ein an der Motorwelle ausgebildeter oder mit ihr fest verbundener Antriebszapfen (9) dem Riemenquerschnitt entsprechende Umfangsrillen aufweist, während ein an der Kurbelwelle befestigtes Antriebsrad (11) eine glatte Oberfläche hat", vgl. Spalte 1, Zeilen 53 bis 58 der Patentschrift und den erteilten Patentanspruch 2.
In den Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wurde jedoch nur das Merkmal, dass "ein an der Motorwelle ausgebildeter oder mit ihr fest verbundener Antriebszapfen (9) dem Riemenquerschnitt entsprechende Umfangsrillen aufweist" entsprechend dem Merkmal M5 aufgenommen, wohingegen das Merkmal "während ein an der Kurbelwelle befestigtes Antriebsrad (11) eine glatte Riemenoberfläche hat" in diesem Patentanspruch fehlt und lediglich im Patentanspruch 2 weiterverfolgt wird.
Die Formulierung "während", mit der die beiden Merkmale verbunden sind, ist jedoch so auszulegen, dass beide Merkmale gleichzeitig vorliegen. Dass das an der Kurbelwelle befestigte Antriebsrad nur fakultativ eine glatte Riemenlauffläche hat, ist hingegen in dieser Form nicht aus der Patentschrift herleitbar.
Werden aber, wie hier, in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels der Erfindung aufgenommen, geht nach ständiger Rechtsprechung die sich daraus ergebende Merkmalskombination dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (vgl. BGH Mitt. 2001, 556, 559 - Drehmomentübertragungseinrichtung m. w. Nachw.).
Vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wird ersichtlich eine Lehre ohne die spezielle Ausbildung der Riemenlauffläche des Antriebsrades mitumfasst, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen aber nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist somit durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt.
Diese Beurteilung vermögen auch die Argumente des Patentinhabers nicht zu ändern, wonach der Fachmann hier den technischen Gesamtzusammenhang sehen müsse und durch die Formulierung auf Spalte 1, Zeilen 58 bis 60 der Patentschrift, wonach sich eine ausreichende Haftung ergibt, auch wenn der Keilrippenriemen mit seinen Rippen auf der Lauffläche aufliegt, für den Fachmann erkennbar sei, dass es sich beim gleichzeitigen Vorliegen beider Merkmale lediglich um ein vorteilhaftes Ausführungsbeispiel handle.
Die Unteransprüche 2 und 3 gemäß Hauptantrag fallen mit dem nichtgewährbaren Patentanspruch 1, auf den sie rückbezogen sind.
3.) Hilfsantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag weist zusätzlich zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag noch das Merkmal M6 auf und beansprucht damit die ursprünglich offenbarte Ausführungsform des Bewegungsgeräts. Er ist somit unbestritten durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und erweitert auch den Schutzbereich nicht.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist unbestritten neu, denn aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften ist ein Bewegungsgerät bekannt, das alle im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag angegebenen Merkmale aufweist.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns.
Aus der Druckschrift E1 (vgl. die Figuren 1 bis 3 mit jeweils zugehörigen Beschreibungsteilen) ist ein Bewegungsgerät (Trainingsgerät) (Merkmal M1) bekannt, mit einer von einem Elektromotor (Motor 1) angetriebenen Kurbel (Kurbel 2) (Merkmal M2), an deren Pedalen (Pedale 3) Füße einer Person angeschlossen werden können (Merkmal M3). Die Motorwelle und die Kurbel (2) sind über einen Zahnriemen miteinander verbunden und eine an der Motorwelle angeordnete Zahnscheibe (8) und ein an der Kurbelwelle befestigtes Antriebsrad (Antriebsscheibe 6) weisen jeweils dem Zahnriemen entsprechende Zähne auf (vgl. Seite 5, zweiter und dritter Absatz und die Patentansprüche 1 und 2). Das aus der Druckschrift E1 bekannte Bewegungsgerät weist im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag somit keinen Keilrippenriemen sondern einen Zahnriemen auf, mit dem die Motorwelle und die Kurbel miteinander verbunden sind, die an der Motorwelle befestigte Zahnscheibe ist durch Zähne an den Zahnriemen und nicht durch Umfangsrillen an einen Keilrippenriemen angepasst und das an der Kurbelwelle befestigte Antriebsrad weist ebenfalls dem Zahnriemen angepasste Zähne und keine glatte Oberfläche auf. Somit sind die Merkmale M4 bis M6 aus der Druckschrift E1 nicht bekannt.
Aus der Druckschrift E2, den Seiten 22 bis 24, ist jedoch auch bereits ein Keil-Flach-Antrieb bekannt, bei dem eine Motorwelle und eine Kurbelwelle nur durch einen Keilrippenriemen miteinander verbunden sind (Merkmal M4) und ein an der Motorwelle ausgebildeter oder mit ihr fest verbundener Antriebszapfen (Keilrillenscheibe) dem Riemenquerschnitt entsprechende Umfangsrillen aufweist (Merkmal M5), während ein an der Kurbelwelle befestigtes Antriebsrad (Flachscheibe) eine glatte Riemenlauffläche hat (Merkmal M6). Damit sind die Merkmale M4 bis M6 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag aus der Druckschrift E2 bekannt.
Der aus der Druckschrift E1 bekannte Zahnriemenantrieb stellt eine formschlüssige Verbindung dar, für die eine elektronische Überwachung und Steuerung des Motors notwendig ist (vgl. in E1 die Seite 5, dritter Absatz). Als Alternative dazu wird in der Druckschrift E1 eine kraftschlüssige Verbindung als Kraftübertragungsglied vorgeschlagen, für die es keiner aufwendigen Motorsteuerung bedarf um das Auftreten zu großer Kräfte an der Kurbel und an den Pedalen zu verhindern, die sich zum Beispiel bei einem Muskelkrampf eines Patienten ergeben. Der aus Druckschrift E2 bekannte Keil-Flach-Antrieb stellt nun eine solche kraftschlüssige Verbindung dar, die als vorteilhaft für Antriebe mit stoßweiser Belastung dargestellt wird (vgl. in E2 Seite 22, erster Absatz). Der Fachmann wird also in der E2 direkt darauf hingewiesen, als alternativen Antrieb bei stoßweiser Belastung und um somit das Auftreten zu großer Kräfte an der Kurbel und an den Pedalen mit der damit verbundenen Verletzungsgefahr für den Patienten zu verhindern, bei dem aus der E1 bekannten Bewegungsgerät den aus der E2 bekannten Keil-Flach-Antrieb einzusetzen, der sich aufgrund der flachen Bauweise und der dadurch resultierenden kleinen Biegeradien außerdem noch gut für hohe Übersetzungsverhältnisse zwischen Motor und Kurbel eignet, wobei sich als zusätzlicher Vorteil dabei noch die Einsparung einer aufwendigen und teuren Motorsteuerung ergibt, die der Fachmann immer in Erwägung ziehen wird. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften E1 und E2.
Der Unteranspruch 2 gemäß Hilfsantrag fällt mit dem nichtgewährbaren Patentanspruch 1, auf den er rückbezogen ist. Im Übrigen enthält auch er, wie der Senat überprüft hat, nichts Patentfähiges.
4.) Die Beschwerde des Patentinhabers war deshalb zurückzuweisen.
Dr. Häußler Kätker Dr. Morawek Dr. Müller Pü
BPatG:
Beschluss v. 25.10.2007
Az: 21 W (pat) 12/05
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