Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. März 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 25/02
(BPatG: Beschluss v. 09.03.2004, Az.: 6 W (pat) 25/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Schwingungsdämpfer Anmeldetag: 24. März 1997 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2004, Beschreibung Seiten 1, 1a, 2 bis 11 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2004, 2 Blatt Zeichnungen Figuren 1 und 2 lt. Offenlegungsschrift.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2001 gerichtet, mit dem die vorliegende Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen worden war, dass der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 nicht patentfähig sei, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
D1: japanische Druckschrift JP 59 - 65 640 A D2: deutsche Patentschrift DE 195 24 080 C1 D3: deutsche Patentschrift DE 39 39 822 C2 D4: japanische Druckschrift JP 6 - 200 975 A D5: deutsche Patentschrift DE 43 10 825 C1 Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 21. Dezember 2001, eingegangen am 28. Dezember 2001, Beschwerde eingelegt. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 13 sowie eine neue Beschreibung S. 1, 1a, 2 bis 11 vorgelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung, angepasste Beschreibung Seiten 1, 1a, 2 bis 11 überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Blatt Zeichnungen (Fig. 1 und 2) gemäß Offenlegungsschrift.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"Schwingungsdämpfer (1) zur Anordnung zwischen einem Schwingungserreger und einer steifen Struktur,
- mit einem ersten Flansch (2),
- mit einem zweiten Flansch (3),
- mit einem aktiv steuerbaren druckerzeugenden Element (50), das zwischen den beiden Flanschen (2, 3) angeordnet ist, wobei die beiden Flansche und das aktiv steuerbare druckerzeugende Element (50) Druckbelastungen des Schwingungsdämpfers aufnehmen,
- mit einem zwischen den beiden Flanschen (2, 3) angeordneten außenliegenden Rohr (30), dessen Längsachse senkrecht zu den Flanschen (2, 3) steht, das formschlüssig zwischen die Flansche (2, 3) eingefügt ist und das die an dem Schwingungsdämpfer angreifenden Querkräfte aufnimmt,
- mit mindestens zwei Faserverbundschlaufen (60), die zwischen den beiden Flanschen (2, 3) angeordnet sind und Zugkräfte von dem ersten Flansch (2) zu dem zweiten Flansch (3) leiten,
- mit einem verschiebbaren Ring (22), der als Einstellring ausgebildet ist und mit Stellschrauben (21), die über den Umfang des zweiten Flansches (3) verteilt angeordnet sind, zusammenwirkt und eine Längeneinstellung des Rohres (30) innerhalb der beiden Flansche (2, 3) ermöglicht."
Laut Beschreibung (S. 2, Z. 20 bis 23) soll die Aufgabe gelöst werden, einen Schwingungsdämpfer zur aktiven Schwingungsunterdrückung zu schaffen, bei dem der Schwingungsdämpfer zwischen einem Schwingungserreger und einer Struktur angeordnet werden kann und auch Querkräfte aufnehmen kann.
Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf die geltenden Unterlagen auch begründet.
1. Die Gegenstände der geltenden Patentansprüche sind in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit zulässig. Der Patentanspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 11 i. V. m. Fig. 2 und S. 3, Z. 21/22 der Anmeldungsunterlagen. Die Patentansprüche 2 bis 13 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 4 bis 10 und 12 bis 15.
2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis 5 dar.
a. Der Schwingungsdämpfer nach Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. Denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften zeigt einen Schwingungsdämpfer mit sämtlichen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen.
Aus der japanischen Druckschrift JP 59 - 65 640 A ist ein Schwingungsdämpfer zur Anordnung zwischen einem Schwingungserreger (Fahrzeugmotor) und einer steifen Struktur (Fahrzeugchassis) bekannt - mit einem ersten Flansch 1, 13,
- mit einem zweiten Flansch 11, 14,
- mit einem aktiv steuerbaren druckerzeugenden Element 3, das zwischen den beiden Flanschen angeordnet ist, wobei die beiden Flansche und das aktiv steuerbare druckerzeugende Element Druckbelastungen des Schwingungsdämpfers aufnehmen (vgl. den englischsprachigen Abstract zur JP 59 - 65 640 A).
Zur Schwingungsdämpfung wird dort das aktiv steuerbare Element 3 einer elektrischen Spannung ausgesetzt, deren Phase um 180¡ zur Phase der übertragenen Schwingungen des Fahrzeugmotors versetzt ist, so dass sich die Schwingungen des Fahrzeugmotors und die des aktiv steuerbaren Elementes 3 weitgehend gegenseitig aufheben. Durch ein gummiartiges Elastomerelement 12 sollen zusätzlich noch vorhandene Schwingungen gedämpft werden.
Die Aufnahme und Übertragung von Querkräften ist mit diesem Schwingungsdämpfer jedoch nicht möglich, da sich das gummiartige Elastomerelement 12 unter dem Einfluss von Querkräften verformen wird und daher keine Querkräfte übertragen kann. Darüber hinaus fehlen dort auch das zwischen den Flanschen vorhandene Rohr sowie dessen formschlüssige Verbindung mit den Flanschen, die Faserverbundschlaufen und die Längeneinstellmöglichkeit des Rohres.
Aus der deutschen Patentschrift DE 195 24 080 C1 ist ein Schwingungsdämpfer für einen Stab bekannt, der vorzugsweise in Fachwerken eingebaut wird, um dort auftretenden Schwingungen entgegenzuwirken. Dazu ist im Bereich eines Trennspaltes 8 zwischen zwei Elementen 4, 6 des Stabes auf der Außenseite ein ringförmig ausgebildetes druckerzeugendes Element 10 vorgesehen, welches aktiv steuerbar ist. Dieses Element 10 liegt stirnseitig gegen Schultern 12 an, die durch auf den angrenzenden Enden der Stabelemente 4, 6 aufliegende und mit der Oberfläche der Stabelemente 4, 6 fest verbundene Elemente 14 gebildet sind. Zwischen dem druckerzeugenden Element 10 und den mit der Oberfläche der Stabelemente fest verbundenen Elementen 14 ist ein Einstellmittel 16 vorgesehen, mit dessen Hilfe eine mechanische Spielfreiheit zwischen den mit der Oberfläche der Stabelemente 4, 6 fest verbundenen Elementen 14 und dem druckerzeugenden Element 10 vorgenommen werden kann. Die beiden Stabelemente 4, 6 werden durch das druckerzeugende Element 10 axial geführt. Im Inneren des Stabes ist zwischen den beiden Stabelementen 4, 6 ein weiteres druckerzeugendes Element 18 vorgesehen. Dieses wird beidseitig von Faserschlaufen 20, 22 umgriffen, die an den Stabelementen 4, 6 befestigt sind. Durch die Faserschlaufen 20, 22 wird eine Längenänderung des innenliegenden druckerzeugenden Elementes 18 auf die beiden Stabelemente 4, 6 übertragen, so dass diese zusammengezogen werden. Diese von dem Element 18 ausgeübte Kraft ist also entgegengesetzt zu der von dem außenliegenden Element 10 ausgeübten Kraft gerichtet, welche die beiden Stabelemente 4, 6 auseinander zu drücken versucht.
Eine ähnliche Ausgestaltung ist der deutschen Patentschrift DE 43 10 825 C1 zu entnehmen, die sich im Wesentlichen dadurch von der Ausgestaltung nach der deutschen Patentschrift 195 24 080 C1 unterscheidet, dass die Faserschlaufen durch eine als Feder wirkende, die Enden der Stabelemente übergreifende und mit diesen verklebte Muffe 34 ersetzt ist, über welche Rückstellkräfte ausgeübt werden.
Beide Konstruktionen ermöglichen jedoch keine Übertragung von Querkräften. Diese kommen in Stäben auch gar nicht vor, da Stäbe nur auf Zug oder Druck belastet werden können. Darüber hinaus fehlen dort auch die beiden Flansche, das die Querkräfte aufnehmende und formschlüssig zwischen die beiden Flanschen eingefügte Rohr und der mit über den Umfang des Flansches verteilt angeordneten Stellschrauben zusammenwirkende Einstellring zur Längeneinstellung des Rohres.
Der Schwingungsdämpfer nach der deutschen Patentschrift DE 39 39 822 C2 beschreibt ein aktiv schwingungsgedämpftes System für ein Kraftfahrzeug, bei dem ein Piezoelement 10 aus mehreren übereinander geschichteten Einzelelementen zusammengesetzt ist, die von einer Rohrfeder 18 umgeben sind. Dort ist infolge der Rohrfeder ebenfalls keine Übertragung von Querkräften möglich. Darüber hinaus fehlen auch dort das zwischen den Flanschen liegende und formschlüssig zwischen diese eingefügte Rohr, die Faserverbundschlaufen, der verschiebbare Einstellring und die Möglichkeit der Längeneinstellung des Rohres.
Aus der japanischen Druckschrift JP 6 - 200 975 A ist ein weiterer Schwingungsdämpfer bekannt, der in ähnlicher Weise aufgebaut ist wie der in der deutschen Patentschrift DE 39 39 822 C2. Das druckerzeugende Element ist dabei in einem festen Gehäuse vorgesehen. Diesem Schwingungsdämpfer fehlen jedoch auch das zwischen den Flanschen liegende und formschlüssig zwischen diese eingefügte Rohr, die Faserverbundschlaufen, der verschiebbare Einstellring und die Möglichkeit der Längeeinstellung des Rohres.
b. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie bereits bei der Neuheitsbetrachtung ausgeführt, können die Schwingungsdämpfer nach dem Stand der Technik keine Querkräfte übertragen. Denn dazu hätte es eines steifen, die beiden Flansche miteinander verbindenden Rahmens bedurft. Eine solche, die beiden Flansche miteinander verbindende schubsteife Rahmenkonstruktion, die im vorliegenden Fall durch das formschlüssig zwischen die Flansche eingefügte außenliegende Rohr gebildet ist, ist im gesamten Stand der Technik ohne Vorbild, so dass von diesem selbst in einer Zusammenschau keine Anregung zum Vorgehen in der nunmehr beanspruchten Weise ausgehen konnte.
Zwar zeigt der Stand der Technik - wie oben ausgeführt - Teilmerkmale der beanspruchten Ausgestaltung, eine Anregung, diese Teilmerkmale sowie das zusätzliche und dem Stand der Technik nicht entnehmbare Merkmal, wonach das außenliegende Rohr formschlüssig zwischen die beiden Flansche eingefügt ist, zu der im geltenden Anspruch 1 beschriebenen Lösung zu kombinieren, ist dort jedoch nicht zu entnehmen, zumal auch zur anmeldungsgemäßen Aufgabe, nämlich einen Schwingungsdämpfer zu schaffen, der u. a. auch Querkräfte aufnehmen kann, im Stand der Technik keine Lösungsansätze aufgezeigt werden.
Auch durch sein Fachwissen allein wird der Fachmann - ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Schwingungsdämpfer - nicht dazu veranlasst, einen Schwingungsdämpfer der aus dem Stand der Technik bekannten Art in der im Anspruch 1 angegebenen Weise weiterzuentwickeln, da der grundlegende Gedanke fehlt, durch eine spezielle Konstruktion mit einem schubsteifen Gehäuse und einer einen verschiebbaren Ring und Stellschrauben umfassenden Einstelleinrichtung einen Schwingungsdämpfer zu schaffen, der u.a. auch Querkräfte aufnehmen kann.
Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar. Das gleiche gilt für die auf diesen Patentanspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Schwingungsdämpfers nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.
Lischke Heyne Sperling Schneider Cl
BPatG:
Beschluss v. 09.03.2004
Az: 6 W (pat) 25/02
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