Hessisches Landesarbeitsgericht:
Urteil vom 26. Juni 2013
Aktenzeichen: 18 Sa 1470/12

(Hessisches LAG: Urteil v. 26.06.2013, Az.: 18 Sa 1470/12)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 20. September 2010 - 3 Ca 374/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.312,45 EUR (in Worten: Sechsundzwanzigtausenddreihundertzwölf und 45/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

€ aus jeweils 470,45 EUR (in Worten: Vierhundertsiebzig und 45/100 Euro) brutto seit dem 01. Februar 2006, dem 01. März 2006, dem 01. April 2006, dem 01. Mai 2006, dem 01. Juni 2006, dem 01. Juli 2006,

€ aus jeweils 427,53 EUR (in Worten: Vierhundertsiebenundzwanzig und 53/100 Euro) brutto seit dem 01. August 2006, dem 01. September 2006, dem 01. Oktober 2006, dem 01. November 2006, dem 01. Dezember 2006, dem 01. Januar 2007,

€ aus jeweils 354,92 EUR (in Worten: Dreihundertvierundfünfzig und 92/100 Euro) brutto seit dem 01. Februar 2008, dem 01. März 2008, dem 01. April 2008, dem 01. Mai 2008, dem 01. Juni 2008, dem 01. Juli 2008, dem 01. August 2008, dem 01. September 2008, dem 01. Oktober 2008, dem 01. November 2008, dem 01. Dezember 2008, dem 01. Januar 2009, dem 01. Februar 2009, dem 01. März 2009, dem 01. April 2009, dem 01. Mai 2009, dem 01. Juni 2009, dem 01. Juli 2009, dem 01. August 2009, 01. September 2009, dem 01. Oktober 2009, dem 01. November 2009, dem 01. Dezember 2009, dem 01. Januar 2010, dem 01. Februar 2010, dem 01. März 2010, dem 01. April 2010, dem 01. Mai 2010, dem 01. Juni 2010, dem 01. Juli 2010,

€ aus jeweils 361,38 EUR (in Worten: Dreihunderteinundsechzig und 38/100 Euro) brutto seit dem 01. August 2010, dem 01. September 2010, dem 01. Oktober 2010, dem 01. November 2010, dem 01. Dezember 2010, dem 01. Januar 2011, 01. Februar 2011, dem 01. März 2011, dem 01. April 2011, dem 01. Mai 2011, dem 01. Juni 2011, dem 01. Juli 2011, dem 01. August 2011, dem 01. September 2011, dem 01. Oktober 2011, dem 01. November 2011, dem 01. Dezember 2011, dem 01. Januar 2012,

€ aus jeweils 239,00 EUR (in Worten: Zweihundertneununddreißig und 00/100 Euro) brutto seit dem 01. Februar 2012, dem 01. März 2012, dem 01. April 2012, dem 01. Mai 2012, dem 01. Juni 2012, dem 01. Juli 2012, dem 01. August 2012 und dem 01. September 2012

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten gilt:

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat der Kläger 70%, die Beklagte 30% zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 22%, die Beklagte 78% zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um von der zutreffenden Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers abhängige Vergütungsansprüche seit 2006.

Die Beklagte hat zum 01. März 2007 von der A den Betrieb ihres Mobilfunknetzes übernommen.

Der Kläger hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kommunikationselektroniker, Fachrichtung Funktechnik. Er arbeitet seit 01. September 2003 als Feldinstandhalter (Netzüberwacher) der A und folgend der Beklagten als Rechtsnachfolgerin (§ 613a BGB), zuvor war er als Netzüberwacher tätig. Wegen des Inhalts des am 14. Juni 2000 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgegebenen Einstellungszusage und deren Bedingungen sowie der Änderungsmitteilung vom 08. September 2003 wird auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift vom 26. Juni 2013 verwiesen (Bl. 282 - 285 d.A.).

Bei der A und der Beklagten bestimmte sich bis zu einem nicht genauer mitgeteilten Zeitpunkt im Jahr 2012 die Vergütung der Mitarbeiter nach der Gesamtbetriebsvereinbarung €Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze€ vom 30. Juni 2000 (folgend: GBV, vgl. deren vollständige Wiedergabe als Anlage B1 zur Klageerwiderung, Bl. 84 - 108 d.A.).

Die GBV sah eine Eingruppierung in Gehaltsgruppen vor, wobei für jede Gehaltsgruppe Gehaltsbandbreiten vorgegeben waren. Die Regelungen dazu lauteten auszugsweise:

€3. Eingruppierung

Die Eingruppierung von MA wird anhand dieser Vereinbarung sowie der Funktionen und deren

- Tätigkeitsmerkmalen

- sowie Tätigkeitsbeispielen durchgeführt (s. Anlagen 2 - 2.5)

(...)

Die Gehaltsfindung wird innerhalb der Gehaltsgruppen und deren Gehaltsbandbreiten unter Beachtung von

- Qualifikation

- Persönlicher Berufserfahrung

- Leistungsniveau

- Marktbedingungen

vorgenommen.

Leitfaden für die Gespräche zur Eingruppierung und Gehaltsfindung ist das Mitarbeitergesprächsprotokoll bzw. die Einstellungsunterlagen.

Die Vorgesetzten nehmen eine Abwägung zwischen der Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters und der Abteilungs- bzw. Gruppensituation vor.

(...)€

Die verschiedenen Arbeitsplätze bei der A wurden durch die GBV als €Funktionen€ erfasst, denen Funktionscodes, Funktionsbezeichnungen und Tätigkeitsbeschreibungen zugeordnet waren.

Die Tätigkeit eines Feldinstandhalters hat den €Funktionscode€ 410 nach der Anlage 2.4 €Gehaltsgruppenzuordnung/Funktionsgruppenmerkmale€ zur GBV. Innerhalb des €Funktionsbereich Technik/DV€ waren in der GBV für den Funktionscode 410, Funktionsbezeichnung Feldinstandhalter, die Gehaltsgruppen C bis E vorgesehen.

Die Funktionsgruppenmerkmale der Anlage 2.4 lauteten, soweit relevant:

€C

€ Bearbeitet selbständig ein spezielles Segment eines Systems / Netzes / Kundenkreises / Verwaltungsteilbereiches hinaus, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät

€ Tätigkeiten unterschiedlicher Art, die selbständig ausgeführt werden, für die eine einschlägige Berufsausbildung mit IHK-Abschluss erforderlich ist oder entsprechende einschlägige, nachweisbare Berufserfahrung erworben wurde

D

€ Bearbeitet selbständig mehr als ein spezielles Segment eines Systems / Netzes / Kundenkreises / Verwaltungsteilbereiches hinaus, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät

€ Tätigkeiten qualifizierter Art, für die eine IHK-Ausbildung und eine einschlägige, nachweisbare Berufserfahrung oder eine erweiterte Ausbildung (z.B. Technikerabschluss) oder Studium erforderlich ist

€ Einarbeitung als Studienabsolvent

E

€ Bearbeitet selbständig mehr als ein spezielles Segment eines Systems / Netzes / Kundenkreises / Verwaltungsteilbereiches mit Entscheidungsverantwortung, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät

€ Tätigkeiten erhöht qualifizierter Art, für die zusätzlich besondere Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen notwendig sind sowie Entscheidungsverantwortung€

Die diesen Gruppenmerkmalen zugeordneten Tätigkeitsbeispiele für die Funktion Feldinstandhalter waren:

für C:

410 - Feldinstandhalter - €Instandhaltung aller BSS-Komponenten€

für D:

410 - Feldinstandhalter - €Betreiben der BSS-Komponenten€

für E:

410 - Feldinstandhalter - €Instandhalten, Betreiben und selbständiges Konfigurieren der BSS-Komponenten€

Der Kläger wurde bei seiner Einstellung in die Gruppe C eingruppiert.

Die Beklagte erklärte in an den Gesamtbetriebsrat gerichteten Schreiben vom 15. Dezember 2009, vom Dezember 2010 (undatiert) und vom 20. Mai 2011, dass gegenüber den Mitarbeitern, welche als Feldinstandhalter beschäftigt waren, befristet - und teilweise unter Bedingungen - auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde. Zur Wiedergabe des Inhalts dieser Erklärungen wird auf die Anlagen zur Klageschrift verwiesen (Bl. 8 - 10 d.A.).

Eingehend am 21. Dezember 2011 bei dem Arbeitsgericht Offenbach am Main erhob der Kläger Klage auf Zahlung der Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und einer Vergütung nach dem Durchschnittsgehalt (Mittelwert) der Gehaltsgruppe E für den Zeitraum von 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2011. Die Klage wurde der Beklagten am 28. Dezember 2011 zugestellt. Mit Schriftsätzen vom 11. April 2012 (Bl. 109 ff. d.A.) und 25. Juli 2012 (Bl. 182 f. d.A.) erweiterte der Kläger seine Klage um Vergütungsansprüche bis einschließlich 31. August 2012. Neben dem Kläger hat auch ein Kollege, der ebenfalls als Feldinstandhalter arbeitet, Klage auf eine höheres Gehalt erhoben (Parallelrechtstreit - 18 Sa 1471/12, Arbeitsgericht Offenbach - 3 Ca 373/11).

Im Berufungsrechtszug fordert der Kläger nur noch die Nachzahlung einer Vergütung nach dem Durchschnittsgehalt (Mittelwert der Gehaltsbandbreite) der Gehaltsgruppe D. Das Durchschnittsgehalt nach der Gehaltsgruppe D betrug von 01. Juni 2006 bis 30. Juni 2010 € 3.332,00 und von 01. Juli 2010 bis 31. August 2012 € 3.398,00. Für die Dezembermonate der Jahre 2006 bis 2011 macht der Kläger jeweils zusätzlich ein weiteres Bruttomonatsgehalt als 13. Monatsgehalt geltend.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 (Bl. 188 d.A.) bot die Beklagte dem Kläger rückwirkend zum 01. Januar 2012 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe D und ein Gehalt in Höhe von € 3.159,00 an. Dies entspricht dem geringsten Gehalt innerhalb der Gehaltsbandbreite der Gruppe D. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Die Beklagte zahlte gleichwohl rückwirkend ab 01. Januar 2012 eine Vergütung von € 3.159,00 brutto.

Das A-Mobilfunknetz hat zwei unterschiedliche Netztechniken, GMS (Global System for Mobile Communications) und UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), letzteres erst seit 2004. Beide Netze bestehen aus BSS- (Basestation Sub System), NSS- (Network Sub System) und OMS- (Operation & Maintenance System)Komponenten. Die Tätigkeit des Klägers bezieht sich auf das BSS, dabei handelt es sich um Mobilfunkstationen (Sendemaste) und deren Controller und Vernetzung.

Der Kläger erhält in seinem räumlichen Zuständigkeitsbereich (B, C, D) Aufträge, deren Erledigung er nach durch Prioritätsstufen vorgegebenen Zeitvorgaben selbst plant. Dabei handelt es sich überwiegend um Aufträge wegen Störungen. Bei der Störungsbeseitigung nutzt er unterschiedliche Techniken. Soweit Konfigurierungen vorgenommen werden müssen, spielt der Kläger vorgegebene Konfigurierungen auf. Er muss Sendemaste begehen. Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfang der Kläger auch bei Netzerweiterungen arbeitet. Im Berufungsverfahren war jedoch unstreitig, dass Entstörungsarbeiten gegenüber Erweiterungsarbeiten deutlich überwiegen und dass die Beklagte größere Ausbau- und Erweiterungsarbeiten sowie turnusmäßige Wartungsarbeiten durch Fremdfirmen durchführen lässt.

Der Kläger hat einen üblichen Arbeitstag als €Typische(n) Tag eines Instandhalters€ beschrieben, hierauf wird Bezug genommen (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 11. April 2012, Bl. 113 - 115 d.A.). Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Datum vom 31. Oktober 2008 und 31. März 2010 Zwischenzeugnisse. Auch auf deren Inhalt wird verwiesen (Anlagen zur Klageschrift, Bl. 19 f., 21 f. d.A.).

Die Beklagte hat in der Zeit von 29. August 2011 bis 27. November 2011 Stellen für Feldinstandhalter (bezeichnet als Feldtechniker), Gehaltsgruppe C bis E ausgeschrieben. Die Tätigkeit und die erforderliche Qualifikation wurden wie folgt beschrieben (vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl. 23 d.A.):

€Beschreibung

€ Unterstützung der Instandsetzungstätigkeiten für BSC/RNC/MSC

€ Durchführung von planbaren Tätigkeiten für BSC/RNC/MSC

€ Begleitung von Arbeiten an der Core Infrastruktur

€ Instandsetzung der Netzelemente im BSS-Bereich des GSM-Netzes und im UTRAN-Bereich des UMT-Netzes

€ Instandsetzung von Transmission Equipment

€ Durchführung von Routings und Netzerweiterungen im Wirknetz

€ Durchgeführte Arbeiten werden EDV-gestützt dokumentiert

Qualifikationen

€ Ausgebildeter Nachrichtentechniker oder vergleichbar

€ Gute Kenntnisse in der digitalen Nachrichten-, Vermittlungs- und Übertragungstechnik

€ Erfahrung in der GSM- und UMTS-Mobilfunktechnik durch mehrjährige Berufserfahrung

€ Selbständige Arbeitsweise, Flexibilität, Teamfähigkeit, analytische Denkweise sowie gute kommunikative Fähigkeiten werden vorausgesetzt

€ Gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift

€ Gute PC-Kenntnisse, Höhentauglichkeit nach G 41, Führerschein Klasse BE sowie die Bereitschaft zu Rufbereitschaft€

Soweit für das Berufungsverfahren noch erheblich, hat der Kläger im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, GMS und UMTS bildeten Segmente im Sinne der GBV, davon bildeten BSS, NSS und OMS Untersegmente. €Instandhaltung€ im Sinne der GBV sei das Reparieren und Konfigurieren bestehender Strukturen im Netz, dazu zählten auch die Fehleranalyse, das Bestellen von Ersatzteilen und die Dokumentation. €Betreiben€ im Sinne der GBV liege vor, wenn das Netz ausgebaut und erweitert werde. Kapazitäten würden durch Aufrüsten der Sende-/Empfangstechnik und der Bandbreite zur Verbesserung der Netzqualität erweitert. Zum Betreiben gehöre auch, dass äußere Einflüsse beseitigt würden, welche einen einwandfreien Betrieb einer BSS-Komponente verhinderten, wie z.B. ein Funkaufbau ohne Zulassung.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit könne nur einheitlich bewertet werden, sie lasse sich nicht in unterschiedliche Arbeitsvorgänge aufgliedern.

Der Kläger hat gemeint, ihm stehe zumindest der Mittelwert eines Gehaltsbandes zu. Die Vergütungsrückstände seien aufgrund der Zusagen zum Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede nicht verjährt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 91.743,72 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.155,45 EUR seit dem 1. Februar 2006, dem 1. März 2006, dem 1. April 2006, dem 1. Mai 2006, dem 1. Juni 2006, dem 1. Juli 2006, aus jeweils 1.112,53 EUR seit dem 1. August 2006, dem 1. September 2006, dem 1. Oktober 2006, dem 1. November 2006, dem 1. Januar 2007, dem 1. Februar 2007, dem 1. März 2007, dem 1. April 2007, dem 1. Mai 2007, dem 1. Juni 2007, dem 1. Juli 2007 und dem 1. August 2007, aus 2.225,06 EUR seit dem 1. Dezember 2006, aus jeweils 1.039,92 EUR seit dem 1. September 2007, dem 1. Oktober 2007, dem 1. November 2007, dem 1. Januar 2008, dem 1. Februar 2008, dem 1. März 2008, dem 1. April 2008, dem 1. Mai 2008, dem 1. Juni 2008, dem 1. Juli 2008, dem 1. August 2008, dem 1. September 2008, dem 1. Oktober 2008, dem 1. November 2008, dem 1. Januar 2009, dem 1. Februar 2009, dem 1. März 2009, dem 1. April 2009, dem 1. Mai 2009, dem 1. Juni 2009, dem 1. Juli 2009, dem 1. August 2009, dem 1. September 2009, dem 1. Oktober 2009, dem 1. November 2009, dem 1. Januar 2010, dem 1. Februar 2010, dem 1. März 2010, dem 1. April 2012, dem 1. Mai 2010, dem 1. Juni 2010 und dem 1. Juli 2010, aus jeweils 2.079,84 EUR seit dem 1. Dezember 2007, dem 1. Dezember 2008 und dem 1. Dezember 2009, aus jeweils 1.061,38 EUR seit dem 1. August 2010, dem 1. September 2010, dem 1. Oktober 2010, dem 1. November 2010, dem 1. Januar 2011, dem 1. Februar 2011, dem 1. März 2011, dem 1. April 2011, dem 1. Mai 2011, dem 1. Juni 2011, dem 1. Juli 2011, dem 1. August 2011, dem 1. September 2011, dem 1. Oktober 2011, dem 1. November 2011 und dem 1. Januar 2012, aus jeweils 2.122,76 EUR seit dem 1. Dezember 2010 und dem 1. Dezember 2011 zu zahlen, aus jeweils 1.061,38 EUR seit dem 1. Januar 2012, dem 1. Februar 2012, dem 1. März 2012, dem 1. April 2012, dem 1. Mai 2012, dem 1. Juni 2012, dem 1. Juli 2012 und dem 1. August 2012 und dem 1. September 2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger bearbeite nicht mehr als ein spezielles Segment im Sinne der GBV. Da das UMTS-Netz vor 2004 noch nicht existierte, könnten Netze nicht als €Segmente€ qualifiziert werden. Die Erläuterung des Begriffs €Betreiben€ durch den Kläger sei im Wesentlichen zutreffend, allerdings sei die Begrifflichkeit des Netzes problematisch. Die Beklagte hat gemeint, dem Kläger sei nicht gelungen darzulegen, dass mehr als 50% seiner Gesamttätigkeit die Voraussetzungen der Gehaltsgruppe D erfüllten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger einen großen Teil seiner Arbeitszeit damit verbringe, von einem BSS-Standort zum nächsten BSS-Standort zu fahren. Außerdem hätten die Tätigkeitsbeispiele der GBV keine präjudizielle Wirkung, vielmehr müssten die Kriterien der Tätigkeitsmerkmale und der Tätigkeitsbeispiele kumulativ erfüllt werden. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall. Schließlich hat die Beklagte hilfsweise geltend gemacht, dass Nachzahlungsansprüche wegen Zeitablaufs verwirkt seien, zumindest seien Ansprüche des Jahres 2007 verjährt, da die undatierte Zusage vom Dezember 2010 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 10 d.A.) nur bis 30. Juni 2011 befristet gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hat durch am 20. September 2012 verkündetes Urteil die Klage überwiegend als unbegründet abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger für den Zeitraum bis 31. Dezember 2011 einen Anspruch auf Höhergruppierung in die Gehaltsgruppe E nicht dargelegt habe. Es handele sich um Aufbaugruppen, der Vortrag des Klägers lasse nicht erkennen, weshalb seine Tätigkeit höhere Qualifikationen erfordere als die eines Feldinstandhalters der Gruppe C oder D. Da der Kläger jedoch seit 01. Januar 2012 in die Gehaltsgruppe D eingruppiert sei, habe er jedenfalls einen Anspruch auf das Mindestgehalt nach dem Gehaltsband der Gruppe D in Höhe von € 2.966,00 und dem Erhöhungsbetrag, der sich aus der Festlegung des Gehaltes durch die Beklagte auf € 3.159,00 innerhalb des Gehaltsbandes ergebe. Entsprechend entschied das Arbeitsgericht Offenbach am Main am selben Tag über die Klage des Kollegen des Klägers (- 3 Ca 373/11).

Zur vollständigen Wiedergabe der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils sowie des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach Bezug genommen (Bl. 202 - 208 d.A.).

Der Kläger hat gegen das ihm am 10. Oktober 2012 zugestellte Urteil mit am 26. Oktober 2012 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Seine Berufungsbegründung ist nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 11. Februar 2013 am 17. Januar 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Mit der Berufung beschränkt der Kläger sein Begehren auf eine Vergütung nach dem Mittelwert der Gehaltsgruppe D in Höhe von € 3.332,00 (bis 30. Juni 2010) bzw. € 3.398,00 und wiederholt und ergänzt sein Vorbringen in Bezug auf diese Gehaltsgruppe. Er behauptet, er setzte nicht nur instand, sondern €betreibe€ auch BSS-Komponenten. Sowohl das UMTS- als auch das GMS-Netz würden fortwährend erweitert. Hierfür erbringe er notwendige Arbeiten in den BTS (Sendemasten), in BSC (Steuereinheit der Basisstation) und PCU (Paket Steuereinheit). In seinen Zwischenzeugnissen sei seine Mitarbeit bei dem Ausbau der Erweiterung der Netze durch die angegebenen Netguide- und Routing-Aufträge erfasst. Er behauptet, die Beklagte beschäftige nur Feldinstandhalter, die neben Instandhaltungsaufgaben auch beim Betreiben der Netze eingesetzt würden. Er meint, die GBV setze keine zeitlichen Vorgaben für Tätigkeitsinhalte voraus, es genüge, dass ein Tätigkeitsbeispiel erfüllt sei. Die Beklagte sei außerdem verpflichtet, einem Arbeitnehmer die durchschnittliche Gehaltsbandbreite einer Gehaltsgruppe zu gewähren. Wolle sie den Durchschnittswert unterschreiten, müsse sie die Voraussetzungen dafür darlegen und begründen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 20. September 2012 - 3 Ca 374/11 - teilweise abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 33.649,73 EUR brutto Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 470,45 EUR seit dem 01. Februar 2006, dem 01. März 2006, dem 01. April 2006, dem 01. Mai 2006, dem 01. Juni 2006 und dem 01. Juli 2006, aus jeweils 427,53 EUR seit dem 01. August 2006, dem 01. September 2006, dem 01. Oktober 2006, dem 01. November 2006, dem 01. Dezember 2006, dem 01. Januar 2007, dem 01. Februar 2007, dem 01. März 2007, dem 01. April 2007, dem 01. Mai 2007, dem 01. Juni 2007, dem 01. Juli 2007 und dem 01. August 2007, aus jeweils 354,92 EUR seit dem 01. September 2007, dem 01. Oktober 2007, dem 01. November 2007, dem 01. Dezember 2007, dem 01. Januar 2008, dem 01. Februar 2008, dem 01. März 2008, dem 01. April 2008, dem 01. Mai 2008, dem 01. Juni 2008, dem 01. Juli 2008, dem 01. August 2008, dem 01. September 2008, dem 01. Oktober 2008, dem 01. November 2008, dem 01. Dezember 2008, dem 01. Januar 2009, dem 01. Februar 2009, dem 01. März 2009, dem 01. April 2009, dem 01. Mai 2009, dem 01. Juni 2009, dem 01. Juli 2009, dem 01. August 2009, dem 01. September 2009, dem 01. Oktober 2009, dem 01. November 2009, dem 01. Dezember 2009, dem 01. Januar 2010, dem 01. Februar 2010, dem 01. März 2010, dem 01. April 2012, dem 01. Mai 2010, dem 01. Juni 2010 und dem 01. Juli 2010, aus jeweils 361,38 EUR seit dem 01. August 2010, dem 01. September 2010, dem 01. Oktober 2010, dem 01. November 2010, dem 01. Dezember 2010, dem 01. Januar 2011, dem 01. Februar 2011, dem 01. März 2011, dem 01. April 2011, dem 01. Mai 2011, dem 01. Juni 2011, dem 01. Juli 2011, dem 01. August 2011, dem 01. September 2011, dem 01. Oktober 2011, dem 01. November 2011, dem 01. Dezember 2011 und dem 01. Januar 2012, und aus jeweils 239,00 EUR brutto seit dem 01. Februar 2012, dem 01. März 2012, dem 01. April 2012, dem 01. Mai 2012, dem 01. Juni 2012, dem 01. Juli 2012, dem 01. August 2012 und dem 01. September 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und nimmt Bezug auf ihren Vortrag aus erster Instanz. Sie ist der Ansicht, der Kläger betreibe keine BSS-Komponenten. €Betreiben€ sei von €Instandhalten€ im Sinne der GBV deutlich zu trennen. Unter €Instandhalten€ seien Arbeiten der Inspektion, Wartung und Instandsetzung (Bewahrung und Wiederherstellung des Ist-Zustandes) zu verstehen. €Betreiben€ sei nach dem Duden ein €führen, unterhalten und - im technischen Bereich - antreiben. Gehe man von einem €Betreiben€ nach dem Verständnis des Klägers aus, müsse gefordert werden, dass die von ihm angeführten Tätigkeiten prägend seien. Dies sei wegen des deutlichen Überwiegens der Störungsbeseitigung zu verneinen.

Die Beklagte meint hilfsweise weiter, dass der Kläger darlegen und nachweisen müsse, dass er eine Tätigkeit ausübe, welche dem Durchschnittswert des Gehaltsbandes der Gruppe D entspreche. Insoweit gälten dieselben Voraussetzungen wie bei der Eingruppierung nach Aufbaufallgruppen. Sie bestreite, dass der Kläger nach seiner Qualifikation, Berufserfahrung, seinem Leistungsniveau und nach den Marktbedingungen dem Durchschnittsgehalt der Gruppe D entspreche.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 26. Juni 2013 (Bl. 279 f. d.A.) verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 20. September 2012 ist zulässig gem. §§ 64 Abs. 2 b), 8 Abs. 2 ArbGG. Sie ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden.

Die Berufung ist überwiegend begründet. Die Beklagte schuldete dem Kläger seit 01. Januar 2006 eine Vergütung nach dem Mittelwert der Gehaltsgruppe D. Der Kläger kann allerdings keine Nachzahlung der Vergütungsdifferenzen für das Jahr 2007 verlangen, diese Ansprüche sind verjährt.

I.

Der Vergütungsanspruch des Klägers in der Zeit von 01. Januar 2006 bis 31. August 2012 richtete sich nach Ziff. 2 des Anstellungszusage vom 14. Juni 2000 iVm. der GBV €Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze€ vom 30. Juni 2000.

Die GBV verstößt gegen den Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG. Dies gilt auch für den Fall, dass die A im Jahr 2000 nicht tarifgebunden war, denn die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird auch gestört, wenn ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung Regelungen schafft, die mit den Tarifbestimmungen in Konkurrenz stehen (vgl. BAG Urteil vom 05. März 1997 - 4 AZR 532/95 -NZA 1997, 951).

Es kann jedoch dahinstehen, ob die nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksame GBV gem. § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung umgedeutet werden darf (BAG Urteil vom 05. März 1997 - 4 AZR 532/95 -NZA 1997, 951). Beide Parteien haben anlässlich der Erörterung der Wirksamkeit der GBV und ihrer Eignung als Anspruchsgrundlage in der Verhandlung vor der Berufungskammer am 26. Juni 2013 übereinstimmend erklärt, dass sie die Regelungen der GBV für die Dauer ihrer Geltung in der Vergangenheit als bindend akzeptieren. Dies ist ausreichend, eine konkurrierende Regelung der Vergütungsansprüche ist nicht bekannt (vgl. LAG Niedersachsen Urteil vom 14. Dezember 2012 - 6 Sa 1782/11 - Kopie s. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 03. Juni 2013, Bl. 258 - 270 d.A., Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt; LAG Düsseldorf Urteil vom 28. Februar 2013 - 15 Sa 1469/12 - veröffentlicht in juris, Revision beim BAG - 4 AZR 534/13).

II.

Die Höhe der Monatsvergütung hat sich nach der dem Kläger am 14. Juni 2001 erteilten Einstellungszusage nach der GBV richten. Maßgeblich ist also, welcher Gehaltsgruppe die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit seit 2006 entsprach und welches Gehalt innerhalb des Gehaltsbandes festzusetzen gewesen wäre, falls die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe D schuldeten.

1.

Da die Höhe der den Arbeitnehmern der A zustehenden Vergütung durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden sollten, sind für die Auslegung der GBV €Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze€ die Auslegungsgrundsätze für Betriebsvereinbarungen anwendbar.

Nach Ziff. 3 Abs. 1 GBV richtete sich die zutreffende Vergütung für die Tätigkeit auf einem nach seiner Funktion beschriebenen Arbeitsplatz nach den Tätigkeitsmerkmalen und den Tätigkeitsbeispielen für diese Funktion. Da sowohl die Tätigkeitsmerkmale als auch die Tätigkeitsbeispiele in Abs. 1 mit Spiegelstrichen angeführt und durch ein €sowie€ verbunden wurden, ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer Gehaltsgruppe nur durch eine Tätigkeit erfüllt wird, auf die sowohl die Tätigkeitsmerkmale als auch ein Tätigkeitsbeispiel zutreffen. Dieses Auslegungsergebnis deckt sich mit dem Inhalt der Anlage 2.4 zu GBV, nach der jeder für eine Funktion in Betracht kommenden Gehaltsgruppe Tätigkeitsbeispiele zugewiesen wurden.

a)

Der Kläger übte die Tätigkeit eines Feldinstandhalters mit dem Funktionscode 410 aus, hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

b)

Die Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppen müssen, soweit mehrere angegeben sind, nur alternativ erfüllt werden, nicht zwingend kumulativ.

Dies wird insbesondere aus den Tätigkeitsmerkmalen der Gehaltsgruppe D deutlich. Bei einer €Einarbeitung als Studienabsolvent€ wäre es unlogisch, wenn ein Mitarbeiter außerdem entweder eine Berufsausbildung und Berufserfahrung oder eine erweiterte Ausbildung oder ein Studium absolviert haben müsste. Ebenso wäre es nicht notwendig, für beide in der Gruppe C angegebenen Tätigkeitsmerkmale die Selbständigkeit der Tätigkeiten besonders hervorzuheben, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssten.

Gleichwohl stehen die Tätigkeitsmerkmale nicht beziehungslos nebeneinander. Während das erste Tätigkeitsmerkmal der Gehaltsgruppen B bis F mehr den Grad der Selbständigkeit und die aufsteigende Vielfalt oder Komplexität der Arbeitsaufgaben beschreibt, knüpft das zweite Tätigkeitsmerkmal an die erforderliche Qualifikation und (ab der Gruppe E) an die Eigenverantwortung und Weisungsbefugnis an. Mit den höheren Anforderungen einer Arbeitsaufgabe ist normalerweise auch eine höherwertige Qualifikation und eine größere Verantwortung verbunden. Deshalb können diese Kriterien der Tätigkeitsmerkmale mit Bezug zueinander ausgelegt werden.

Für die von dem Kläger geltend gemachte Gehaltsgruppe D bedeutet dies jedoch, dass dahinstehen kann, ob er €mehr als ein spezielles Segment eines Netzes bearbeitet und ob dies als €administrieren€, €analysieren€ oder €planen€ eingeordnet werden kann. Darüber hinaus wird an den Tätigkeitsbeispielen für den Funktionscode 410 deutlich, dass keine Erweiterung der €Segmente€ erforderlich ist. In beiden Gehaltsgruppen - wie auch der nicht mehr geltend gemachten Gehaltsgruppe E - genügt eine Tätigkeit an €BSS-Komponenten€, weitere werden nicht angeführt.

Der Kläger erfüllt durch seine Tätigkeit die an zweiter Stelle angeführten Kriterien der Gehaltsgruppe D Er führte und führt als Feldinstandhalter eine Tätigkeit qualifizierter Art durch, für die neben einer Berufsausbildung auch eine einschlägige nachweisbare Berufserfahrung gefordert wird. Das diese Qualifikationen für einen Feldinstandhalter erforderlich sind, wird an der Stellenausschreibung der Beklagten von 2011 für Feldinstandhalter deutlich: Verlangt wird nicht nur eine Ausbildung zum Nachrichtentechniker oder einem vergleichbaren Beruf, sondern auch mehrjährige Berufserfahrung in der GSM- und UMTS- Mobilfunktechnik. Dies trifft für den Kläger zumindest seit 2006 zu. Er hat eine Ausbildung als Kommunikationselektroniker, Fachrichtung Funktechnik, und seit 01. September 2003 als Feldinstandhalter Berufserfahrung erworben.

c)

Der Kläger erfüllt auch das in der Gehaltsgruppe D für Feldinstandhalter maßgebliche Tätigkeitsbeispiel €Betreiben der BSS-Komponenten€.

aa)

Der Begriff des €Betreibens€ ist in der GBV und ihrer Anlage 2.4 nicht definiert. Für die Funktion Zentralinstandhalter (Funktionscode 411) ist parallel zu dem Tätigkeitsbeispiel der Feldinstandhalter das €Betreiben der NSS-Komponenten€ angegeben, ebenso wir für die Gruppe C das €Instandhalten aller NSS- Komponenten€ zu dem €Instandhalten aller BSS-Komponenten€. Hieraus lässt sich nicht unmittelbar schließen, welche Arbeitsinhalte damit verbunden sind. Netze, insbesondere Telekommunikationsnetze, werden €betrieben€ (vgl. § 5 FTEG, § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG). In diesem Sinne €betreibt€ die Beklagte für A das Mobilfunknetz. Ein derartig weites Verständnis des Begriffs €Betreiben€ kann nicht gemeint sein, da der Kläger und seine Kollegen nur Teilaufgaben für einen Netzbetrieb erfüllen.

Allgemeiner wird €Betreiben€ verstanden als €sich beschäftigen mit; leiten, führen [Geschäft]; ausüben [Handwerk]; vorantreiben, zu beschleunigen suchen, weiterführen [Angelegenheit, Pläne]; handhaben, betätigen, antreiben [Maschine] (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Aufl.). Grenzt man €Betreiben€ von €Instandhalten€ ab, so muss das €Betreiben€ über den Erhalt der Funktionsfähigkeit einer Anlage und ihrer Komponenten hinausgehen, d.h., dass Ergänzungen, Erweiterungen und ein Ausbau eines Systems zu verlangen sind. Dieses Verständnis deckt sich mit der Wertung beider Parteien, dass Kapazitäten des Systems, an welchem ein Feldinstandhalter arbeitet, ausgebaut und erweitert werden müssen, damit dessen Tätigkeit als €Betreiben€ qualifiziert werden darf. Für diese Auslegung lässt sich anführen, dass in der Gehaltsgruppe C das €Instandsetzen aller BSS-Komponenten€ erfasst wird, in der Gehaltsgruppe D jedoch nur das €Betreiben der BSS-Komponenten€, danach also eine teil- oder schrittweise Erweiterung als höherwertig qualifiziert würde. Für sie spricht weiter, dass in der Gehaltsgruppe D und höher auch andere Teilaufgaben für eine Netzerweiterung angeführt sind. Die Funktion Funknetzplaner (Funktionscode 408) ist in der Gruppe D mit den Tätigkeitsbeispielen €Standortplanung mit Datenpflege/Dokumentation; Durchführung zentraler Funkplanungsaufgaben nach Anleitung€ erfasst, in der Gruppe E mit €Frequenzplanungen (...) oder der BSS-System/Tool-Adminstration (...)€.

Schließlich werden von der Gehaltsgruppe D der €Betrieb€ von DV-Anlagen (Funktionscode 426, DV-Beauftragter) bzw. von DV-Netzen (Funktionscode 444, Operator) geregelt. Nach der vorstehenden Auslegung ist ein €Betrieb€ einer Anlage oder eines Netzes umfassender als das €Betreiben€ von Komponenten. Im ersteren Fall handelt es sich um die Verantwortung für eine begrenzte Anlage oder ein begrenztes Netz, für den Feldinstandhalter (und entsprechend den Zentralinstandhalter, Funktionscode 411) jedoch um die Mitarbeit an einer Erweiterung des - von der Beklagten betriebenen - Mobilfunknetzes im Untersystem (Subsystem) BSS oder NSS. Mit diesem Verständnis lässt sich auch das von dem Kläger nicht mehr geltend gemachte Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe E auslegen. Ein gegenüber der Gruppe D höherwertige Tätigkeit eines Feldinstandhalters wäre zu bejahen, wenn dieser nicht nur an einer Netzverbesserung durch Ausweitung des BSS mitarbeitet, sondern BSS-Komponenten auch selbständig konfiguriert, um sie in das bestehende System einzupassen.

bb)

Der Kläger betreibt BSS-Komponenten, er arbeitet nicht ausschließlich in der Störungsbeseitigung, die zu der Instandhaltung von BSS-Komponenten zu zählen ist. Die Beklagte hat dem Kläger dies in den Zwischenzeugnissen vom 31. Oktober 2008 und 31. März 2010 bestätigt (Anlagen zur Klageschrift, Bl. 19 f., 21 f. d.A.). Die Tätigkeiten €Erfüllung der Netguide-Aufträge€ und Durchführung der Integrationsvereinbarung (Routingsaufträge)€ dienen der Netzverbesserung und -erweiterung, wie von beiden Parteien in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2013 bestätigt. Es kann dahinstehen, dass der Kläger bei der Schilderung des €Typische(n) Tag(s) eines Instandhalters (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 11. April 2012, Bl. 113 - 115 d.A.) nur Störungsbeseitigungen schildert, anders als sein Kollege des Parallelrechtsstreits (- 18 Sa 1471/12, dort Bl. 113 f. d.A.). Hierzu konnte mit den Parteien bei der Erörterung des Umfangs dieser Aufgaben in der mündlichen Verhandlung insoweit Konsens hergestellt werden, dass die Entstörungs- und Reparaturaufträge des Klägers zumindest 3/4 seiner Tätigkeit ausmachen. Dies scheint auch dadurch bedingt, dass Reparaturaufträge teilweise eine hohe zeitliche Priorität haben und innerhalb 6 oder 24 Stunden erledigt werden müssen (Prioritätsstufen A und B).

Maßgeblich ist, dass die Beklagte auch Arbeitsleistungen des Klägers verlangt, die dem €Betreiben der BSS-Komponenten€ zuzuordnen sind und nach der Stellenausschreibung aus dem Jahr 2011 auch von Bewerbern um einen Arbeitsplatz als Feldinstandhalter fordert, da diese in der Lage sein sollen, €(...) Routings und Netzerweiterungen im Wirknetz (durchzuführen)€.

cc)

Entgegen der Auffassung der Beklagten muss der Kläger das Tätigkeitsbeispiel €Betreiben der BSS-Komponenten€ nicht zu 50% seiner Arbeitszeit oder als prägenden Inhalt seiner Tätigkeit ausführen.

In der GBV sind keine zeitlichen Vorgaben für das Vorliegen der Tätigkeitsmerkmale und -beispiele getroffen (so auch: LAG Niedersachsen Urteil vom 14. Dezember 2012 - 6 Sa 1782/11 - Kopie s. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 03. Juni 2013, Bl. 258 - 270 d.A., Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt). Die Vertretungsregelung in Ziff. 4. b) erlaubt keinen Rückschluss, welche Voraussetzungen über die Erfüllung eines 6-Wochen-Zeitraumes hinaus erfüllt sein müssen, dass von der Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit ausgegangen werden kann.

Die Bestimmungen zu den Gehaltsbändern sind als Argument dafür anzuführen, dass keine festen Prozentsätze bestimmter Tätigkeiten erreicht werden müssen, um das Erfüllen eines Tätigkeitsmerkmals oder eines Tätigkeitsbeispiels zu erreichen. Die Gehaltsfindung innerhalb eines Bandes soll auch unter Berücksichtigung des Leistungsniveaus und der Marktbedingungen erfolgen (Ziff. 3). Darüber hinaus lässt Ziff. 4 sogar Über- und Unterschreitungen der Gehaltsgruppe zu. Dies ermöglicht eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer Gehaltsgruppe, je nach Umfang und Qualität der Tätigkeiten, die zum Erreichen dieser Gehaltsgruppe führen. Eine solche Flexibilität spricht für eine Gehaltsfindungssystem, welches keine starren zeitlichen Anteile fordert, solange neben den Tätigkeitsmerkmalen (hier: den Anforderungen an die berufliche Qualifikation) auch das Tätigkeitsbeispiel erfüllt wird.

Nach der konkreten Systematik der Tätigkeitsbeispiele für Feldinstandhalter (Funktionscode 410) in den Gehaltsgruppen C bis E ist auszuschließen, dass nur solche Feldinstandhalter nach der Gehaltsgruppe D vergütet werden sollen, die überwiegend oder prägend €betreiben€. Denn das Beispiel der auf der Gehaltsgruppe D aufbauenden Gehaltsgruppe E nennt ausdrücklich das €Instandhalten, Betreiben und selbständige Konfigurieren der BSS-Komponenten€. In der Protokollnotiz zu den Tätigkeitsmerkmalen ist bestimmt, dass für die Eingruppierung in eine Gehaltsgruppe die Erfüllung der Kriterien der vorhergehenden Gehaltsgruppe Mindestbedingung ist. Danach muss zur Erfüllung des Tätigkeitsbeispiels €Betreiben der BSS-Komponenten€ genügen, das diese Aufgabe neben Instandhaltungsarbeiten anfällt und von der Beklagten deren Erfüllung gefordert wird.

Dies ist für den Kläger zu bejahen. Er hat, wie ausgeführt, neben Instandhaltungsaufgaben auch Aufgaben zu erledigen, die der Erweiterung und Verbesserung der Netze dienen. Dies wird von der Beklagten von ihren Feldinstandhaltern auch gefordert, wie die Stellenausschreibung zeigt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Arbeiten in Zusammenhang mit einer Netzerweiterung vollständig an Fremdfirmen vergibt. Ihre Feldinstandhalter sind zwar dem Schwerpunkt nach, aber nicht ausschließlich, in der Instandhaltung tätig.

2.

In der Gehaltsgruppe D stand dem Kläger seit 01. Januar 2006 eine Vergütung nach dem Mittelwert des Gehaltsbandes zu, d.h. von € 3.332,00 und ab 01. Juli 2010 von € 3.398,00.

Die Kammer folgt den Rechtsauffassungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, wonach die Vergütungshöhe innerhalb des Gehaltsbandes vom Arbeitgeber gem. § 315 BGB zu bestimmen ist. Dabei ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer innerhalb der Bandbreite die durchschnittliche Vergütung, also den Mittelwert, zu gewähren, sofern er nicht Umstände vorträgt, die eine Unterschreitung derselben rechtfertigen (LAG Niedersachsen Urteil vom 14. Dezember 2012 - 6 Sa 1782/11 - Kopie s. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 03. Juni 2013, Bl. 258 - 270 d.A., Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt; LAG Düsseldorf Urteil vom 28. Februar 2013 - 15 Sa 1469/12 - veröffentlicht in juris, Revision beim BAG - 4 AZR 534/13). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsprechung zu Aufbaufallgruppen nicht anwendbar. Zum Einen müsste der Kläger dann in Abständen von € 0,01 darlegen, warum jeweils ein €Mehr€ gerechtfertigt sei, denn innerhalb des Gehaltsbandes existieren keine Stufen. Zum Anderen wird dies vom Wortlaut der GBV nicht gedeckt. Die Gehaltsfindung innerhalb einer Gehaltsgruppe hat nach den in Ziff. 3 festgelegten Kriterien zu erfolgen, das erfordert eine Ausübung des Ermessens durch den Arbeitgeber.

Das pauschale Bestreiten der Beklagten, der Kläger entspreche nach seiner Qualifikation, Berufserfahrung, seinem Leistungsniveau und nach den Marktbedingungen nicht dem Durchschnittsgehalt der Gruppe D, genügt nicht, da daraus nicht hervorgeht, wie das Ermessen ausgeübt wurde. Der Beklagten war dazu keine Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Sie hat zu der durch den Kläger vorgelegten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen Stellung genommen, die Rechtsauffassung war ihr bekannt.

III.

Der Anspruch des Klägers auf eine Vergütung nach dem Durchschnittswert der Gehaltsgruppe D führt zu einem Nachzahlungsanspruch in Höhe von € 26.312,45 brutto.

1.

Auf die Einrede der Verjährung durch die Beklagte ist festzustellen, dass deren Vergütungsansprüche für das Jahr 2007 verjährt sind.

Der Kläger hat am 21. Dezember 2011 Klage erhoben. Nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1, 614 BGB waren vor der Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) die Vergütungsansprüche verjährt, die vor dem 01. Januar 2008 fällig geworden waren. Dies führt jedoch zu keinem umfassenden Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten gem. § 214 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat gegenüber dem Gesamtbetriebsrat mit Wirkung für die Gruppe der als Feldinstandhalter tätigen Arbeitnehmer wegen der unterschiedlichen Auffassungen über die zutreffende Eingruppierung ihrer Tätigkeit mit Schreiben vom 15. Dezember 2009, vom Dezember 2010 und vom 20. Mai 2011 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Diese Erklärungen sind so zu verstehen, dass der Kläger sich das Leistungsverweigerungsrecht nur für die Ansprüche des Jahres 2007 entgegenhalten lassen muss, nicht jedoch für die des Jahres 2006.

Für das Jahr 2006 folgt dies ausdrücklich aus der am 15. Dezember 2009 abgegeben Erklärung der Beklagten (Anlage zur Klageschrift, Bl. 8 d.A.). In Bezug auf das Jahr 2007 ist die undatierte Erklärung zu berücksichtigen (Anlage zur Klageschrift, Bl. 10 d.A.). Danach hat die Beklagte im Dezember 2010 erklärt, dass sie nur befristet bis zum 30. Juni 2011 auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich möglicher Ansprüche der Feldinstandhalter im Zusammenhang mit einer rückwirkenden Umgruppierung verzichte. Der Kläger hat bis zum 30. Juni 2011 keine Klage erhoben. Vergütungsansprüche des Jahres 2007 waren mit Ablauf des 31. Dezember 2010 verjährt. Durch die letzte Erklärung der Beklagten vom 20. Mai 2011 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 9 d.A.) hat die Beklagte nicht rückwirkend auf die Verjährungseinrede wegen dieser Ansprüche verzichtet. Sie hat vielmehr klargestellt, dass sie - befristet bis 31. Dezember 2011 - nur auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich solcher Ansprüche verzichte, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nicht bereits verjährt waren.

Eine Verwirkung ist wegen der Erklärungen der Beklagten, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichte, nicht eingetreten.

2.

Die Berechnung des Anspruchs auf Nachvergütung ist in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. Sie berücksichtigt zum Einen die Zahlung einer höheren Vergütung durch die Beklagte seit 01. Januar 2012 und zum Anderen den Anspruch des Klägers auf ein 13. Monatsgehalt, jeweils im Monat Dezember eines Jahres.

Anspruch gezahlt Differenz Zahl Gehälter Ergebnis 2006 01.01.-30.06. 3.332,00 2.861,55 470,45 6 2.822,70 01.07.-31.12. 3.332,00 2.904,47 427,53, 7 2.992,71 2007 01.01.-31.12 0,00 0 0,00 2008 01.01.-31.12 3.332,00 2.977,08 354,92 13 4.613,96 2009 01.01.-31.12 3.332,00 2.977,08 354,92 13 4.613,96 2010 01.01.-30.06. 3.332,00 2.977,08 354,92 6 2.129,52 01.07.-31.12 3.398,00 3.036,62 361,38 7 2.529,66 2011 01.01.-31.12. 3.398,00 3.036,62 361,38 13 4.697,94 2012 01.01.-31.08. 3.398,00 3.159,00 239,00 8 1.912,00 26.312,453.

Die Zinsansprüche beruhen auf §§ 288 Abs. 1 BGB und der Regelung unter Ziff. 2 der Anstellungszusage vom 14. Juni 2000, wonach die Monatsvergütung nachträglich, also zu Beginn des Folgemonats zu zahlen ist. Der Kläger hat keine Zinsen für die Nachzahlung auf sein 13. Monatsgehalt gefordert, so dass die Summe der Beträge, auf die Zinsen zu entrichten sind, unter dem Nachzahlungsbetrag bleibt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.






Hessisches LAG:
Urteil v. 26.06.2013
Az: 18 Sa 1470/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/07629c2a56dc/Hessisches-LAG_Urteil_vom_26-Juni-2013_Az_18-Sa-1470-12




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