Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 4. November 2005
Aktenzeichen: 3 Ta 201/05
(LAG Baden-Württemberg: Beschluss v. 04.11.2005, Az.: 3 Ta 201/05)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2004 - 26 Ca 181/03 -teilweise abgeändert: Die dem Antragsteller zu erstattenden Reisekosten werden über den im angefochtenen Beschluss genannten Betrag von 93,60 EUR hinaus auf weitere 110,76 EUR festgesetzt.2. Seine weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.3. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerde des Antragstellers und Klägers des Ausgangsverfahrens richtet sich gegen die Festsetzung einer Reisekostenentschädigung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, um ihm die persönliche Teilnahme an einer Güteverhandlung vor dem vorlegenden Gericht zu ermöglichen.
Im Ausgangsverfahren hat der Antragsteller einen Anspruch von zunächst 287,40 EUR als Ersatz für Vorstellungskosten aus dem Jahr 2000 geltend gemacht. Nach Erfüllung des Anspruchs in Höhe eines Teilbetrags hat ihm das Arbeitsgericht wegen des Rests Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Im Anschluss daran hat es ihm durch Entscheidung vom 03. Februar 2003 (Bl. 38 der Akte) Reisentschädigung in Form eines Gutscheins der Deutschen Bahn AG zum kostenlosen Erwerb eines Fahrausweises aus seiner Sicht entsprechend der Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums über die Bewilligung von Reiseentschädigung an mittellose Personen usw. vom 27. November 2001 gewährt. Der Antragsteller ist jedoch zum Gütetermin am 26. März 2003 in einem Kraftfahrzeug angereist und hat den Gutschein wieder zurückgegeben (Bl. 101 der Akte). Er hat Erstattung der Reisekosten in Höhe von 274,62 EUR (zweimal 457,7 km zu je 0,30 EUR) für die Fahrtkosten, 24,00 EUR als Zehrgeld und 180,00 EUR als Entschädigung für Zeitversäumnis (9 mal 20 EUR) verlangt. Er hat dabei geltend gemacht, mit der Bahn sei eine An- und Abreise am gleichen Tag nicht möglich gewesen. Außerdem sei er als Schwerbehinderter wegen gesundheitlicher Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel von der Kfz-Steuer befreit.
Der Rechtsstreit ist im Gütetermin durch Prozessvergleich erledigt worden. Danach hatte der Antragsteller noch 185,00 EUR auf die restliche Klageforderung zu erhalten.
Am 07.August 2003 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Antragsteller die Absicht mitgeteilt, ihm als Reisekostenersatz fiktive Bahnkosten in Höhe von 81,60 EUR und Zehrgeld in Höhe von 12,00 EUR zu erstatten. Am 14. August 2003 hat dieser das Arbeitsgericht gebeten, möglichst bald im Rahmen der PKH die Reisekosten für den Verhandlungstermin zu überweisen. Hierauf hat die Urkundsbeamtin den Erstattungsbetrag auf 93,60 EUR festgesetzt und die Überweisung dieses Betrags auf das Bankkonto des Antragstellers veranlasst.
Am 11. August 2004 hat der Antragsteller gerügt, ihm sei bislang noch kein Beschluss über seinen Festsetzungsantrag zugegangen. Mit Schreiben vom 12.8.2004 (Bl. 121 der Akte) hat er weiterhin mitgeteilt, der habe seinen Anspruch an Frau U. abgetreten, die ihm diesen Betrag darlehensweise vorgeschossen habe. Auf einen entsprechenden Vorhalt der Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14.9.2004 (Bl. 132 der Akte) geltend gemacht, in seiner Äußerung vom 14. August 2003 läge keinesfalls ein Verzicht auf seine weitere Forderung. Man möge den Betrag an die Abtretungsempfängerin auszahlen. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2004 hat hierauf der zuständige Vorsitzende des Arbeitsgerichts die zu erstattenden Reisekosten auf 93,60 EUR in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 ZSEG festgesetzt. Eine Rechtsmittelbelehrung enthält der Beschluss nicht. Diesem Beschluss ist eine am 07. August 2003 erstellte Übersicht über die möglichen Bahnverbindungen am Terminstag angeschlossen. Insoweit wird auf Bl. 133 bis 139 der Akte Bezug genommen.
Am 11. Oktober 2005 hat der Antragsteller gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und um Zubilligung einer Begründungsfrist bis zum 31. Dezember 2005 gebeten. Weiterhin hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde ohne weitere Begründung nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.II.
1. Die Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig.
a) Das Verfahren bezüglich der Höhe der Reisekostenerstattung bestimmt sich allerdings nach dem entsprechend heranzuziehenden § 128 BRAGO (Das Verfahren war schon vor dem 01. Juli 2004 anhängig geworden - § 61 Abs. 1 RVG) und nicht nach § 16 Abs. 2 ZSEG analog (§ 25 JVEG). Bei der Grundentscheidung über die Bewilligung der Erstattung von Parteiaufwendungen aus der Staatskasse in ausdehnender Anwendung der die Prozesskostenhilfe (§§ 114, 122, 127 ZPO) betreffenden Vorschriften handelt es sich unabhängig davon, ob Prozesskostenhilfe bereits bewilligt ist, um einen Akt der Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1975 - IV ARZ (VZ) 29/74 - BGHZ 64, 139 ff.). Diese ist dem Antragsteller hier vor Entstehen der Reisekosten bewilligt worden und der Reisekostenaufwand ist erst nach der Bewilligung entstanden. Auf die Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums vom 29. April 2004 (Die Justiz S. 241; auf diese hätte sich das Arbeitsgericht zum Zeitpunkt seines Beschlusses auch zu beziehen gehabt) kommt es demnach nicht mehr an, da der Erstattungsanspruch nach der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der überwiegend auch gefolgt wird, bereits nach den Grundsätzen des Prozesskostenhilferechts zu bewilligen ist. Danach hat die Verwaltungsvorschrift allenfalls noch in den Fällen Bedeutung, in denen etwa mangels Erfolgsaussicht oder etwa wegen Vorliegens einer Rechtsschutzversicherung die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorliegen. Auch in diesen Fällen kann die Partei mittellos sein. Diese Regelung ist demnach gegenüber der Rechtsfolge einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe subsidiär (vgl. insoweit auch LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2005 - 16 Ta 181/05 - JurBüro 2005, 483 f.). Soweit der Bundesgerichtshof als Rechtsmittel die Beschwerde nach § 127 ZPO für gegeben erachtet hat, die vorliegend allerdings nach § 127 Abs. 2 Satz 2 PO nicht statthaft wäre, betrifft diese nur die Grundentscheidung, nämlich im Wesentlichen die Frage, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskosten vorliegen und in welcher Höhe dies der Fall ist und ob die subjektiven Voraussetzungen eine finanzielle Beteiligung der Partei an den Prozesskosten gebieten, darüber hinaus auch die Modalitäten einer gegebenenfalls zu bewilligenden Beiordnung eines Rechtsanwalts. In welcher Höhe die Kosten zu erstatten und welche Ansprüche aus der Staatskasse der mittellosen Partei zustehen, ist nicht geregelt und von dieser Bestimmung auch nicht erfasst. Das weitere Verfahren richtete sich deshalb nach jedenfalls überwiegender Ansicht vor dem 01. Juli 2004 nach § 128 BRAGO und nunmehr seit 01. Juli 2004 nach §§ 55, 56 RVG in entsprechender Anwendung dieser Normen (vgl.
z.B. KG Berlin, Beschluss vom 14. Juli 1992 - 1 WF 1476/92 - JurBüro 1992, 805 ff.; OLG Koblenz, Beschluss vom 08. Januar 1988 - 14 W 878/87 - JurBüro 1988, 1721; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06. Juni 1985 - 8 WF 70/84 - JurBüro 1986, 132).
Das Arbeitsgericht hat aber für die gerichtliche Entscheidung bezüglich der Festsetzung des erstattungsfähigen Aufwands nicht dieses Verfahren gewählt, sondern hat die richterliche Festsetzung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 des ZSEG vorgenommen, der nach § 25 JVEG auf den Antrag des Antragstellers noch anzuwenden war. Denn der Erstattungsaufwand und der Antrag rühren aus dem Zeitraum vor dem 01. Juli 2004 her. Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer das entsprechende Rechtsmittel eingelegt. Dies ist für die Statthaftigkeit der Beschwerde ohne Belang. Denn in beiden Fällen ist gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts das Rechtsmittel der Beschwerde vorgesehen. Da das Arbeitsgericht einen Beschluss in entsprechender Anwendung des § 16 ZSEG getroffen hat, ist dagegen jedenfalls nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz auch die unbefristete Beschwerde möglich. Damit ist insoweit das Verfahren vorgegeben. Dass das Arbeitsgericht aber in entsprechender Anwendung des § 128 Abs. 3 BRAGO eine Entscheidung hätte treffen müssen, gegen die im Hinblick auf die etwa erforderliche analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG nur eine befristete Beschwerde statthaft gewesen wäre, kann hier dahingestellt bleiben, da der Beschluss aus der Sicht des Arbeitsgerichts folgerichtig keine Rechtsmittelbelehrung enthält und deshalb diese Frist wegen § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG ein Jahr nach Zustellung des Beschlusses betrüge. Diese Frist hat der Antragsteller aber gewahrt. Der Beschluss stammt vom 11. Oktober 2004, der die Beschwerde enthaltende Schriftsatz ist genau ein Jahr später beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Beschwerde ist sonach unter diesem Gesichtspunkt statthaft. Eine etwa einzuhaltende Beschwerdefrist ist im gesetzlich erforderlichen Umfang gewahrt.
b) Auch die Höhe der Beschwer reicht für die Statthaftigkeit der Beschwerde aus. Denn das Arbeitsgericht hat dem Antragsteller bei einem insgesamt erhobenen Erstattungsanspruch von 478,62 EUR nur 93,60 EUR festgesetzt. Damit übersteigt der mit der Beschwerde verfolgte weitere Anspruch den von §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG geforderten Betrag. Denn bei einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift ist auch der hinreichende Wert des Beschwerdegegenstandes von Bedeutung.
c) Eine Verwirkung des Beschwerderechts liegt nicht vor. Wenn das Gesetz in der genannten Bestimmung ein befristet einzulegendes Rechtsmittel mangels Rechtsmittelbelehrung noch nach Jahresfrist zulässt, kann allein aus dem Ablauf eines Jahres noch nicht auf die Verwirkung des Rechtsmittels geschlossen werden. Insoweit liegt schon kein Zeitmoment vor. Darüber hinaus fehlt es auch an einem Umstandsmoment. Denn es ist nicht ersichtlich, dass aufgrund des Zeitablaufs eine Sachlage eingetreten wäre, nach der der Anspruch nicht mehr sachlich geprüft werden könnte oder dessen Erfüllung im Falle seiner Berechtigung sonst unzumutbar geworden wäre.
2. Die sonach insgesamt zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Grundsätzlich sind dem Antragsteller die Reisekosten zu erstatten, auch wenn sein persönliches Erscheinen zum Gütetermin nicht angeordnet war. Denn seine Teilnahme war angesichts dessen, dass keine anderweitige Vertretungsmöglichkeit ersichtlich ist, geboten. Er kann auch nicht darauf verwiesen werden, einen Rechtsanwalt mit der Führung des Prozesses zu betrauen, zumal dies ebenfalls nicht ohne höheren Kostenaufwand zu bewerkstelligen gewesen wäre. Im Einzelnen gilt ferner Folgendes:
a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sind dem Antragsteller die Kosten für die Fahrt mit dem ihm leihweise überlassenen Kraftfahrzeug zu erstatten. Nach § 9 Abs. 1 ZSEG sind zwar Fahrtkosten aufgrund einer Fahrt mit dem privaten Pkw ohne weiteres nur zu erstatten, wenn die Gesamtstrecke 200 km nicht übersteigt. Allerdings ist dies auch darüber hinaus dann möglich, wenn entweder die Gesamtkosten nicht höher sind oder besondere Umstände dies gebieten. Jedenfalls Letzteres ist hier aber der Fall. Das Arbeitsgericht hat zwar hinsichtlich Kosten für Fahrausweise und Verkehrsverbindungen mit der Bahn genau dargelegt, dass es dem Antragsteller möglich gewesen wäre, auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel am selben Tag zum Termin anzureisen und wieder nach Hause zurückzukehren, und in welcher Höhe Fahrtkosten entstanden wären. Dabei muss aber zugunsten der mittellosen Partei berücksichtigt werden, dass bei einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die ein mehrmaliges Umsteigen erfordert, das Risiko von Zugverspätungen und des Verpassens der Anschlüsse und damit eines nicht rechtzeitigen Erscheinens zum Verhandlungstermin nicht gering ist. Dies mag vorliegend bei einem Termin um 16.20 Uhr nachmittags noch beherrschbar gewesen sein, wenn der Antragsteller seine Fahrt schon am frühen Vormittag angetreten hätte. Hinsichtlich der die Rückfahrt sind aber folgende Umstände zu berücksichtigen: Tatsächlich hat der Gütetermin auch nach den Feststellungen der Urkundsbeamtin auch um 17.00 Uhr geendet, sodass der Antragsteller die letzte Möglichkeit, noch am selben Tag wieder den Wohnort zu erreichen, hätte in Anspruch nehmen können. Die vom Arbeitsgericht zugrunde gelegte Verbindung, nach der er wieder um 17.15 Uhr die Heimfahrt hätte antreten können, dürfte aber zeitlich kaum in Betracht gezogen werden können, sodass bereits deshalb bei einem Antritt der Heimfahrt um 17.31 Uhr ohnehin höhere als die festgesetzten Reiskosten hätten angesetzt werden müssen. Doch auch diese Verbindung kann aus der Sicht einer Prognoseentscheidung nicht als zuverlässig erreichbar erachtet werden. Es besteht in jedem Fall bei einer nicht kalkulierbaren Dauer der Verhandlung, die ja auch einen pünktlichen Aufruf voraussetzt, der ebenfalls nicht in der Hand der Partei liegt, das Risiko, die letztmögliche Verbindung, die eine Ankunft am Heimatort noch am selben Tag ermöglicht hätte, zu verpassen. Zumindest kann dies von der Partei vor Antritt der Fahrt nicht vorausgesehen werden. Dem Grunde nach sind deshalb dem Antragsteller die Kosten im Zusammenhang mit der Fahrt mit dem Pkw zu erstatten. Ob dies dadurch hätte vermieden werden können, dass das Arbeitsgericht den Termin zu einer früheren Terminstunde aufgerufen hätte, ist nicht von Belang.
Nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 ZSEG waren dem Antragsteller jedoch nur 0,21 EUR je zurückgelegtem Kilometer zu erstatten und nicht, wie er beantragt, 0,30 EUR. Der in diesem Zusammenhang festzusetzende Erstattungsbetrag beläuft sich sonach bei einer Gesamtstrecke 916 Kilometern auf 192,36 EUR. In dieser Höhe hat der Antragsteller insgesamt einen Erstattungsanspruch wegen der Fahrtkosten. Da er hierauf schon 81,60 EUR erstattet erhalten hat, ist der festzusetzende Betrag um diese Leistung zu kürzen.
Bei diesem Ergebnis kommt es nicht mehr darauf an, wieso dem Antragsteller nicht eine Bahnfahrt zuzumuten gewesen sein soll.
b) Ob der mittellosen Partei auch ein Anspruch nach § 10 Abs. 2 ZSEG hat, ist nicht zu erörtern, da das Arbeitsgericht diesen Anspruch anerkannt hat und eine Verschlechterung des Position des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht in Betracht kommt.
c) Keinen Anspruch hat der Antragsteller aber nach § 2 ZSEG.
Ein Anspruch auf Verdienstausfall ist allerdings nicht wegen § 12a Abs. 1 ArbGG, sondern deshalb nicht zuzuerkennen, weil dem Antragsteller kein solcher entstanden ist. Der Antragsteller hat keinen Arbeitsverdienst, der ihm hätte durch die Teilnahme am Gütetermin entgehen können. Ein solcher ist zwar in Betracht zu ziehen, weil auch bei der mittellosen Partei ein Ausfall eines notwendigerweise nur geringen Verdiensts, auf den sie nicht verzichten kann, dazu führen könnte, dass ihr die Teilnahme am Termin nicht möglich ist. Da der Antragsteller kein Arbeitseinkommen hat, entsteht ihm aber insoweit kein Ausfall.
Hinsichtlich des geltend gemachten Betrags nach § 2 Abs. 3 ZSEG (Führung eines eigenen Haushalts für mehrere Personen) hat der Antragsteller die Voraussetzungen nicht dargelegt. Wenn er, wie er in der Beschwerdebegründung vom 02. November 2005 erstmals vorträgt, den Haushalt seiner krebskranken Eltern geführt hat, fehlt es schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen. Er führt dann keinen eigenen Haushalt. Darüber hinaus findet auch Satz 5 dieser Vorschrift Anwendung. Denn dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Die Regelungen für die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sind nicht für die prozessführenden Parteien konzipiert. Auf sie wird nur mangels spezieller Regelungen im Hinblick auf Parteikosten (vgl. auch § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO) zurückgegriffen, weil insoweit ein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, was der Gesetzgeber in bestimmten Fällen als angemessene Entschädigung ansieht. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Heranziehung von Zeugen und Sachverständigen einen öffentlich-rechtlichen Eingriff in deren Sphäre zugunsten der prozessführenden Parteien bedeutet. Sie nehmen insoweit staatsbürgerliche Pflichten zugunsten von Privatinteressen Dritter wahr. Das soll angemessen entschädigt werden. Der Staat hat aber keinerlei Anlass, der mittellosen Partei irgendwelche Entschädigungsleistungen dafür zukommen zu lassen, dass sie ihren Prozess im Eigeninteresse führen kann. Es ist nur erforderlich, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie den Rechtsstreit führen kann, ohne von ihrer Mittellosigkeit beeinträchtigt zu werden. Insofern sind die für Zeugen und Sachverständige bestimmte Regelungen nur in dem Umfang heranzuziehen, als diese Möglichkeit zu gewährleisten ist. Dies mag bei einem Verdienstausfall erforderlich sein, weil die Partei auf keinen Teil ihres Einkommens verzichten kann. Eine zusätzliche Entschädigung aber, wie sie § 2 Abs. 3 ZSEG vorgesehen hat, ist hier nicht am Platze, da kein Anlass dafür besteht, dass die Partei dafür entschädigt wird, dass sie, und auch noch wegen solch einer Bagatelle wie im Ausgangsverfahren, einen aufwendigen Prozess führt. Allenfalls wenn dem Antragsteller ein Betreuungsaufwand entstanden wäre, weil er seine Eltern nicht hätte unbeaufsichtigt alleine lassen können, wäre dieser erstattungsfähig gewesen. Einen solchen hat er aber nicht geltend gemacht. Im Unterschied zum Zeugen und Sachverständigen handelt die mittellose Partei nicht öffentlichen Interesse und kann deshalb nicht erwarten, dass sie über die Möglichkeit hinaus, einen Rechtsstreit zu führen, eine von den Steuerzahlern aufzubringende zusätzliche Entschädigung dafür verlangen kann, dass sie einen Rechtsstreit führt, die eine Partei, die ihre Kosten selbst tragen müsste, aus ökonomischen Gründen möglicherweise nicht geführt hätte. Die Partei soll sich auch nicht finanziell besser stellen als sie stünde, wenn sie den Rechtsstreit nicht geführt hätte.
3. Es ist für vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung, ob der Angeklagte seinen Kostenerstattungsanspruch abgetreten hat. Auch die Abtretung des Erstattungsanspruchs nach dessen Geltendmachung hindert das Beschwerderecht des Antragstellers nicht. Zwar hat er insoweit die Sachbefugnis verloren. Da es aber hier um die Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs geht, besteht sein Interesse an der Geltendmachung des Anspruchs weiterhin, da er sich ja nach seiner Behauptung die Kosten hat darlehensweise vorstrecken lassen. Der Antragsteller kann also weiterhin das Rechts zugunsten der Abtretungsempfängerin geltend machen und gerichtlich verfolgen. Insoweit enthält § 265 Abs. 2 ZPO einen allgemeinen Gedanken. Dass der Erstattungsbetrag an die Zessionarin zu erbringen ist, ist hier nicht von Bedeutung.
4. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG entsprechend).
5. Für das Beschwerdeverfahren gibt es im Hinblick auf ein Verfahren, das auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichtet ist, keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Es ist auch nicht ersichtlich, was dies dem Antragsteller angesichts dessen, dass das Verfahren kostenfrei ist, vorliegend nützen sollte. Deshalb ist dieser Antrag zurückzuweisen.
LAG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 04.11.2005
Az: 3 Ta 201/05
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