Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. November 1998
Aktenzeichen: 4 O 145/98

(LG Düsseldorf: Urteil v. 24.11.1998, Az.: 4 O 145/98)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,

sich im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung des auf die Entwicklung und den Vertrieb von Software und das Angebot von EDV-Dienstleistungen gerichteten Geschäftsbetriebes der Bezeichnungen

A

insbesondere in Form der Internetadresse (Domain) "A.de",

B

und/oder

C

zu bedienen, unter diesen Bezeichnungen Software-Produkte und/oder EDV-Dienstleistungen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder die Kennzeichnungen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen;

2.

der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe

- des unter den zu 1. genannten Kennzeichnungen erzielten Umsatzes und

- der betriebenen Werbung, aufgegliedert nach Werbeträgern und unter Angabe von deren Auflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet.

II.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,

1.

in die Löschung des Bestandteils "A" in ihrer beim Amtsgericht D unter HRB E eingetragenen Firma "C" einzuwilligen,

2.

gegenüber dem DE-NIC die Freigabe der Domäne "A.de" zugunsten der Klägerin zu erklären.

III.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin als Gesamtschuldner allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

V.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die im Jahre 1975 gegründete Klägerin ist auf dem Gebiet der EDV-Organisation und Datenverarbeitung tätig und betreibt insbesondere die Entwicklung von Software-Produkten im Textilbereich.

Sie macht Rechte aus ihrer seit 1976 im Handelsregister des Amtsgerichts F eingetragenen Firma "G" als Unternehmenskennzeichen und Rechte aus der für sie eingetragenen deutschen Marke Nr. H

(Abbildung des Labels)

geltend.

Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Marke umfasst u.a. Datenverarbeitung für andere, Entwicklung und Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung (Software). Die Schutzdauer wurde zum 19.11.1991 verlängert.

Die Beklagte zu 1) (im folgenden: Beklagte), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und zu 3) sind, ist unter ihrer Firma bundesweit auf dem Gebiet der Entwicklung von Software tätig und bietet Dienstleistungen im EDV-Sektor an, wie auftragsbezogene Programmierung, Data-Base-Publishing im Internet, Schulungen, Hotline und Support. Im Internet ist ihre homepage unter dem Domain-Namen "A.de" abrufbar. Auf ihrem Geschäftspapier verwendet sie das Kennzeichen

(Abbildung des Labels).

Die Buchstaben X und X weisen auf die Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Gründungsmitglieder der Beklagten hin.

Die Klägerin sieht in der Verwendung des Unternehmenskennzeichens und der Internet-Adresse eine Verletzung ihrer Marke und ihres Unternehmenkennzeichens.

Sie behauptet, die Beklagte stelle die Bezeichnung "A" blickfangmäßig heraus, obwohl sie, die Klägerin, die prioritätsälteren Rechte habe. Die Beklagte verletze ihre Rechte insbesondere durch die Besetzung des Domain-Namens "A.de" im Internet, weil es ihr, der Klägerin, dadurch unmöglich sei, ebenfalls unter diesem Kennzeichen im Internet aufzutreten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie stellen eine Markenverletzung in Abrede mit der Begründung, dass der Bestandteil "A" der klägerischen Wort/Bild-Marke rein beschreibend sei. Er beschreibe in der Datenverarbeitung den Übertragungsimpuls im binären Code, also den Impuls I oder den Impuls O. Die von der Klägerin in dem Wort/Bild-Zeichen verwendeten drei Punkte seien typische Darstellungsformen für einen Impuls. Deshalb bestehe für das Wort "A" ein Freihaltebedürfnis im Zusammenhang mit Dienstleistungen der Klasse 42. In der Firma der Beklagten zu 1) seien die Buchstaben "X & X" entscheidend, weil diese die Anfangsbuchstaben ihrer Gründungsmitglieder seien und sie deshalb auf dem Markt von Software-Anbietern weithin unter diesen Buchstaben erkannt werde.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlage verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Die Klägerin kann von den Beklagten Unterlassung im tenorierten Umfang gemäß § 15 Abs. 4 MarkenG verlangen.

Die Klägerin genießt für ihren Firmenbestandteil "A" Kennzeichenschutz nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 15 MarkenG. Denn "A" ist der einzig unterscheidungskräftige Bestandteil der Firma der Klägerin.

"A" ist für Dienstleistungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung im Hinblick auf seinen Phantasiegehalt und die mit ihm allenfalls verbundene Assoziation, Anstöße zu erhalten, den Betrieb zu reorganisieren oder Neuerungen durchzusetzen, normal kennzeichnend. Entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung ist der Begriff "A" als Firmenbestandteil nicht beschreibend. Zwar mag in der Datenverarbeitung der Übertragungsimpuls im binären Code ebenfalls Impuls genannt werden. Die angesprochenen Verkehrskreise der Textilbranche werden dies zum Teil schon nicht wissen. Jedenfalls wird der Begriff "A" im Zusammenhang mit einem Unternehmen im Bereich der EDV-Organisation und der Datenverarbeitung eher mit einem "Anstoß", einer "Erneuerung" oder einer "Reorganisation" von EDV-Organisation assoziiert als mit dem allein technischen Vorgang der Übertragung eines Datenimpulses, der keine sinnvolle Aussage über den Geschäftsgegenstand der Klägerin enthält.

a)

Die Benutzung des Unternehmenskennzeichens "C" begründet eine Verwechslungsgefahr mit dem älteren Unternehmenskennzeichen der Klägerin (§ 15 Abs. 2 MarkenG). Der sich hieraus ergebende Unterlassungsanspruch richtet sich auch gegen die Beklagten zu 2) und zu 3), die als gesetzliche Vertreter der Beklagten die Verletzung verursacht haben und verantworten.

Denn auch die von der Beklagten verwendete Firma "C" ist allein durch den Bestandteil "A" geprägt und damit dem für die Klägerin geschützten Unternehmenskennzeichen verwechselbar ähnlich.

Der Begriff "Software" hat als Bestandteil des von der Beklagten verwendeten Unternehmenskennzeichens im Hinblick darauf, dass die Beklagte Softwareprodukte vertreibt, nur beschreibende Bedeutung.

Auch der Firmenbestandteil "X & X" ist für das Unternehmenskennzeichen nicht (mit-)prägend, weil er nicht im Sinne eines unterscheidungskräftigen Herkunftshinweises eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist.

Einem Bestandteil einer Firmenbezeichnung ist als unterscheidungskräftiger Herkunftshinweis der Schutz als Unternehmenskennzeichen im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG zuzubilligen, wenn er seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die fragliche Kurzbezeichnung tatsächlich als Firmenschlagwort in Alleinstellung verwendet worden ist oder ob sie sich im Verkehr durchgesetzt hat (vgl. BGH, GRUR 1997, 468, 469 - NetCom; GRUR 1997, 845 - Immo-Data). Als ein solcher schlagwortartiger Hinweis kann dabei auch eine Buchstabenfolge geeignet sein, unabhängig davon, ob sie als Wort aussprechbar ist oder nicht (vgl. Urteil der Kammer vom 18. Juni 1998, 4 0 160/98, Entscheidungen 1998, 57 - JPNW).

Der Buchstabenfolge "X & X" ist jedoch nicht zuzubilligen, sich als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen der Beklagten durchzusetzen. Zwar befinden sich die Buchstaben "X & X" am Anfang der Firma der Beklagten, so dass ihnen größeres Gewicht zukommen könnte. Dies ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil die Buchstabenfolge "X & X" von zu geringer Eigenart ist, als dass sie sich gegenüber dem viel einprägsameren Begriff "A" im Verkehr durchsetzen könnte.

Es handelt sich für die angesprochenen Verkehrskreise um eine willkürliche und daher nur schwer merkfähige Verbindung zweier Buchstaben. Dass sie für die Familiennamen der beiden Gründungsgesellschafter der Beklagten stehen sollen, weiß der Verkehr nicht oder allenfalls dann, wenn er mit der Beklagten bereits in (engerer) Geschäftsbeziehung steht.

Auch soweit die Beklagte auf ihrem Geschäftspapier das "X" in Spiegelschrift verwendet, erhält die Buchstabenfolge "X & X" keine das Unternehmenskennzeichen prägende Bedeutung, sondern tritt - im Gegenteil - auch insoweit als nicht prägend gegenüber dem allein prägenden Bestandteil "A" zurück. Denn die spiegelverkehrte Verwendung des "X" führt dazu, dass das "X" schwer zu lesen ist und damit der Bestandteil "A" noch mehr als Firmenschlagwort in den Vordergrund tritt.

Da die Unternehmen der Klägerin und der Beklagten auf dem gleichen Gebiet der Softwareentwicklung und EDV-Organisation tätig sind, begründet die Verwendung des identischen, die Unternehmenskennzeichen allein prägenden Bestandteils "A" eine Verwechslungsgefahr.

b)

Erst recht begründet die Benutzung von "A" in Alleinstellung, insbesondere in Form der Domäne "A.de", durch die Beklagte eine Verwechslungsgefahr mit dem älteren, allein durch den Bestandteil "A" geprägten Unternehmenskennzeichen der Klägerin (§ 15 Abs. 2 MarkenG).

Der sich hieraus ergebende Unterlassungsanspruch richtet sich auch gegen die Beklagten zu 2) und zu 3), die als gesetzliche Vertreter der Beklagten die Verletzung verursacht haben und verantworten.

2.

a)

Die Beklagte haben der Klägerin nach § 15 Abs. 5 MarkenG i.V.m. § 840 BGB außerdem allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer 1 genannten rechtsverletzenden Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Sie haben die Kennzeichenrechte aus der für die Klägerin geschützten Geschäftsbezeichnung "A" schuldhaft verletzt, nämlich zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beklagten hätten vor Verwendung der Firma der Beklagten zu 1) und vor Inanspruchnahme der Internet-Adresse "A.de" aufgrund einer Marktbeobachtung, gegebenenfalls durch Einholung fachkundigen Rats, sicherstellen müssen, dass auf dem Gebiet der EDV-Organisation kein anderer aufgrund älterer Rechte ebenfalls das Unternehmenskennzeichen "A" verwendet.

Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO daran, die gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen statt auf Leistung zu klagen. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist hinreichend wahrscheinlich, beziffern kann die Klägerin ihre Schadenersatzansprüche jedoch erst, wenn die Beklagten über den Umfang ihrer Verletzungshandlungen Auskunft erteilt haben.

b)

Steht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz dem Grunde nach fest, so entsprich es Treu und Glauben (§ 242 BGB) dass sie der Klägerin über das Ausmaß ihrer rechtsverletzenden Handlungen im zuerkannten Umfang Auskunft erteilen. Die Klägerin ist auf die ihr zugesprochenen Angaben angewiesen, um ihre Schadenersatzansprüche berechnen und beziffern zu können; demgegenüber können die Beklagten die ihnen abverlangten Auskünfte ohne Schwierigkeiten erteilen und werden hierdurch auch nicht unzumutbar belastet.

3.

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB die Einwilligung in die Löschung ihres Firmenbestandteils "A" im Handelsregister in Nürnberg und die Freigabe des Domäne-Namens "A" gegenüber dem DE-NIC verlangen.

Denn die Eintragung in das Handelsregister und die Registrierung der Domäne stellen einen fortdauernden Störungszustand dar, der das absolute Recht der Klägerin an ihrer geschäftlichen Bezeichnung "Impuls", das ihr nach § 15 Abs. 1 MarkenG gewährt wird, beeinträchtigt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 200.000,00 DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 24.11.1998
Az: 4 O 145/98


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