Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. September 2009
Aktenzeichen: 6 U 23/09

(OLG Köln: Urteil v. 18.09.2009, Az.: 6 U 23/09)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.01.2009 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 88/08 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten (wegen der Kosten) durch Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreck-baren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien sind konkurrierende Anbieter von Dentalmaterial für künstliche Zähne, Zahnfüllungen oder Zahnverblendungen. Um den zum natürlichen Gebiss passenden Farbton auszuwählen, benutzen Zahnärzte und Zahntechniker sogenannte Farbschlüssel oder Farbringe (englisch: Shade guides), bei denen es sich um eine Zusammenstellung stilisierter Musterzähne in verschiedenen Farbtönen handelt. Es gibt verschiedene Bezeichnungssysteme. Eine vor Jahrzehnten von der Klägerin entwickelte, in Deutschland weit verbreitete Farbskala umfasst sechzehn Zahnfarben in den Gruppen A bis D, wobei A1 das hellste Rötlichbraun, D4 das dunkelste Rötlichgrau bezeichnet.

Anfang 2007 gaben die Beklagte und vier weitere mit ihr zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossene Hersteller bekannt, dass man sich auf einen gemeinsamen Farbring "A-D Shade guide" geeinigt habe. Für die Beklagte wurde die in Deutschland Schutz beanspruchende IR-Marke

Bild/Grafik nur inOriginalentscheidung vorhanden.

registriert, deren Warenverzeichnis (in englischer Sprache) wie folgt lautet:

Materials for use in dentistry, namely materials and accessories for the manufacture of crowns and bridges, of artificial teeth; characterisation of teeth; dental filling materials; colour stains; dental corebuild up materials; materials for repairing tooth defects; dental opaque materials; prefabricated parts for crowns, bridges and pontics. Apparatus, tools and instruments, namely artificial teeth and veneers; tooth plates, shade guides for assessing tooth shades or colour of oral tissue; ingots made of resin, metal or ceramic; metal and ceramic for dental purposes; crowns and bridges.

Die Klägerin hält die Marke, die auf die von ihr entwickelte, gegenüber der Arbeitsgemeinschaft oder der Beklagten aber nicht autorisierte Farbskala Bezug nehme, für irreführend; unabhängig sieht sie sich dadurch gezielt behindert. Sie nimmt die Beklagte - die sich auf Verjährung berufen hat - wegen erster Verwendungen des Zeichens und unter dem Aspekt der Erstbegehungsgefahr wegen drohender Benutzung der registrierten Marke in Anspruch. Das Landgericht, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, die Marke in Deutschland zur Bezeichnung eines Shade Guides zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, in den Schutzverzicht auf die Marke für Deutschland einzuwilligen und die Klägerin von Abmahnkosten freizustellen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

1. Zu Recht hat das Landgericht allerdings angenommen, dass die Marke der Beklagten auf Grund ihres "sprechenden" Inhalts grundsätzlich geeignet erscheint, die angesprochenen Verkehrskreise vor allem in Bezug auf die betriebliche Herkunft der damit bezeichneten Produkte und die geschäftlichen Verhältnisse des Markeninhabers in die Irre zu führen, was den Tatbestand sowohl der §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 3 UWG in der bis zum 29.12.2008 geltenden Fassung als auch der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UWG in der seit dem 30.12.2008 geltenden Fassung erfüllen könnte; der Irreführungstatbestand wird insoweit durch Vorschriften des Markengesetzes nicht verdrängt (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 245 [249] - Praxis Aktuell; Hefermehl / Köhler / Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 5 Rn. 2.55 ff.).

Die Beklagtenmarke besteht aus einer - als Schattenriss eines Farbrings zu deutenden - bildlichen Darstellung und den Wortbestandteilen "Arbeitsgemeinschaft A-D Shade Guide". Im maßgeblichen Verständnis der Zahnärzte und Zahntechniker, das auch nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählende Richter auf Grund ihres Erfahrungswissens ermitteln können, soweit dazu keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind (vgl. BGH, GRUR 2007, 1079 = WRP 2007, 1346 [Rn. 36] - Bundesdruckerei m.w.N.), kann die Verwendung des Kennzeichens - unabhängig vom beschreibenden oder herkunftshinweisenden Charakter seiner einzelnen Bestandteile - zu der Fehlvorstellung führen, der von einer "Arbeitsgemeinschaft" verantwortete, die bekannte "A-D"-Farbskala zu Grunde legende "Shade Guide" sei jedenfalls nicht ohne jede Mitwirkung oder Autorisierung durch die Klägerin entstanden. Denn unstreitig ist den Fachkreisen bekannt, dass die sechzehn Zahnfarben umfassende "A-D"-Skala von der Klägerin entwickelt wurde (vgl. den Lexikonartikel Anlage 16). Bei der von der Beklagten mitveranstalteten Pressekonferenz Anfang 2007 war sogar davon die Rede, dass sich der auf dieser Skala fußende "Vita Classic Farbschlüssel" der Klägerin im Markt als Standard etabliert habe (vgl. Anlagen 2 und 3). Auch wenn inzwischen eine Vielzahl anderer Dentalmaterial-Hersteller das gleiche Bezeichnungssystem verwenden (vgl. Anlagen B 2-7, 16-17, 22), ist denkbar, dass die Kennzeichnung eines Farbschlüssels mit der Marke "Arbeitsgemeinschaft A-D Shade guide" im Verkehr die unzutreffende Vorstellung hervorruft, die Klägerin als Entwicklerin des A-D-Farbstandards sei entweder unmittelbar (als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft) oder wenigstens mittelbar (als Kooperationspartner oder Lizenzgeber) an der Ausgabe dieses Farbschlüssels beteiligt.

2. Die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung jeder Benutzung der Marke für Farbschlüssel kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, denn nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin fehlt es an der dafür nach § 8 Abs. 1 UWG erforderlichen Begehungsgefahr.

a) Ein Verletzungsunterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG scheidet unabhängig von Fragen der Verjährung nach § 11 Abs. 1 und 2 UWG aus, weil eine irreführende Markenbenutzung durch die Beklagte bisher nicht festgestellt werden kann:

Ob bei der Pressekonferenz Anfang 2007 nicht nur das geplante Produkt, sondern auch die angegriffene Wort-/Bildmarke vorgestellt wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich; angemeldet wurde sie erst am 08.03.2007. Aber selbst wenn die streitbefangene Marke schon bei dieser Gelegenheit als Bezeichnung des Farbschlüssels benutzt worden wäre, müsste eine unlautere Wettbewerbshandlung verneint werden. Denn sowohl aus den vorbereiteten Erklärungen der Veranstalter (Anlage 2) als auch aus dem Kontext des anschließenden Zeitungsberichts (Anlage 3) ergibt sich klar und eindeutig, dass die Klägerin an dem neuen Farbring mit "A-D"-Skala (der neben ihrem "Vita Classic Farbschlüssel" angeboten werden soll) in keiner Weise beteiligt ist, so dass eine Irreführung des Publikums in dem oben zu Nr. 1 für möglich gehaltenen Sinn sicher auszuschließen ist. Zu den konkreten Umständen einer möglichen Markenbenutzung auf der Kölner Fachmesse "Internationale Dental-Schau" im März 2007 fehlt jedes nähere Vorbringen.

b) Eine Erstbegehungsgefahr, die einen dem Klageantrag entsprechenden vorbeugenden Unterlassunganspruch aus § 8 Abs. 1 S. 2 UWG auslösen könnte, vermag der Senat nach Lage der Dinge ebenfalls nicht anzunehmen.

Während die Anmeldung einer Firma zum Handelsregister bereits einen Firmengebrauch darstellt, weil der Anmelder damit kundtut, dass sein Unternehmen diese Bezeichnung führt (so auch in den Fällen irreführenden Firmengebrauchs BGH, GRUR 2003, 448 = WRP 2003, 640 - Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft; GRUR 2007, 1079 = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei), liegt in der bloßen Anmeldung und Eintragung eines Zeichens als Marke für bestimmte Waren und Dienstleistungen noch keine Benutzung als Marke oder Unternehmenskennzeichen (BGH, GRUR 2008, 912 = WRP 2008, 1353 [Rn. 27 f.] - Metrosex). Allerdings ist auf Grund der Anmeldung eines Zeichens als Marke im Regelfall zu vermuten, dass seine Benutzung für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen (BGH, a.a.O. [Rn. 30]; GRUR 2009, 484 = WRP 2009, 616 [Rn. 70] - Metrobus; vgl. für Erstbegehungsgefahr bei Schutzrechtserstreckung einer IR-Marke auf Deutschland bereits BGH, GRUR 1990, 361 [363] - Kronenthaler). Eine ebenso generelle, Erstbegehungsgefahr begründende Vermutung für eine nach §§ 3, 5 UWG irreführende Verwendung einer Marke lässt sich dagegen nicht aufstellen. Ob eine Markenbenutzung irreführend ist, wird regelmäßig nicht nur von der Registerlage, sondern von zusätzlichen, das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise beeinflussenden Umständen abhängen (vgl. OLG Frankfurt, WRP 2007, 671 [674] - Volksbank; OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 245 [247] - Praxis Aktuell). So liegt es auch hier:

Wie sich aus den Ausführungen zu Nr. 1 und zu lit. a ergibt, stellt sich die Benutzung der Beklagtenmarke für einen Farbschlüssel (Shade guide) nicht unter allen Umständen, sondern nur dann als irreführend dar, wenn durch die Art der Präsentation die (in der Gestaltung der Marke lediglich angelegte) Fehlvorstellung begünstigt und nicht etwa ausgeschlossen wird, dass die Klägerin an der Ausgabe des Farbrings unmittelbar oder mittelbar mitwirkt. Damit steht indessen noch nicht hinreichend fest, dass die als nahe bevorstehend vermutete Benutzung der Marke in Deutschland zwingend so erfolgen wird, dass eine Irreführung des Publikums eintritt; vorstellbar (obwohl vielleicht mit gewissem Aufwand verbunden) ist vielmehr auch eine Markenverwendung in einem Kontext und unter Begleitumständen, die jede Beteiligung der Klägerin an der "Arbeitsgemeinschaft A-D Shade guide" ausschließen. Es liegt damit nicht der Fall eines entbehrlichen einschränkenden Zusatzes zu einem gegen eine konkrete Verletzungsform gerichteten Unterlassungsantrag vor, wie wenn das Verbot einer bereits benutzten Produktbezeichnung ein bestimmtes, den Gründen zu entnehmendes Verkehrsverständnis voraussetzt (BGH, GRUR 2008, 726 [Rn. 13 f.] = WRP 2008, 936 - Duftvergleich mit Markenparfüm), sondern der drohende Verletzungsfall - und damit die den Unterlassungsanspruch begründende Erstbegehungsgefahr - hängt selbst von Umständen ab, deren Vorliegen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann.

Der Senat hat erwogen, ob eine andere Beurteilung geboten ist, weil die - wie auch immer benutzte - Beklagtenmarke jedenfalls dann als Hinweis auf eine Beteiligung der Klägerin aufgefasst werden muss, wenn es anschließend zu Gesprächen mit Dritten über den damit gekennzeichneten Farbschlüssel kommt. Dass als Folge jeder wie auch immer gearteten Markenbenutzung entsprechende Fehlvorstellungen bei dritten Gesprächspartnern geweckt werden, kann jedoch ebenfalls nicht als sicher angenommen werden; angesichts vielfältiger Möglichkeiten der Präsentation fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine in diese Richtung gehende Vermutung.

3. Begehungsgefahr für eine unlautere gezielte Behinderung der Klägerin nach § 4 Nr. 10 UWG, die sie zuletzt selbst nicht mehr geltend gemacht hat, besteht ebenfalls nicht. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte die mit der Eintragung der Marke entstehende, wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zielgerichtet und zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (vgl. BGH, GRUR 2008, 621 = WRP 2008, 785 [Rn. 21] - Akademiks m.w.N.). An einem schutzwürdigen Besitzstand der Klägerin an der Bezeichnung "A-D Shade guide" fehlt es schon deshalb, weil unstreitig seit langem auch andere Anbieter von Farbringen die von ihr entwickelte A-D-Farbskala unbeanstandet verwenden.

4. Scheitert nach alledem ein gegen die Verwendung der Beklagtenmarke gerichteter (vorbeugender) Unterlassungsanspruch der Klägerin, so entfällt auch ein auf Einwilligung in den Schutzverzicht der Marke für Deutschland gerichteter Beseitigungsanspruch. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass ein grundsätzlich in Betracht kommender Beseitigungsanspruch auf Löschung (vgl. BGHZ 121, 242 [247 ff.] = GRUR 1993, 556 [558] = WRP 1993, 399 - Triangle) aus Verhältnismäßigkeitsgründen auf den irreführenden Bestandteil zu beschränken sein kann (vgl. BGH, GRUR 2007, 1079 = WRP 2007, 1346 [Rn. 41] - Bundesdruckerei) und deshalb im Streitfall ein Verzicht der Beklagten auf ihre Marke für sämtliche Waren des Warenverzeichnisses ohnehin nicht hätte verlangt werden können.

5. Mangels eines Hauptanspruchs kann die Klägerin auch keine Freistellung von den ihr entstandenen Abmahnkosten verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof, so dass gemäß § 543 Abs. 2 ZPO kein Anlass bestand, die Revision zuzulassen. Es handelt sich vielmehr um eine maßgeblich auf tatrichterlichem Gebiet liegende Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf die besonderen Umstände des Streitfalles.






OLG Köln:
Urteil v. 18.09.2009
Az: 6 U 23/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/07e290a65ec6/OLG-Koeln_Urteil_vom_18-September-2009_Az_6-U-23-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share