Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 27. März 2003
Aktenzeichen: 4 Sa 189/02
(LAG Hamm: Urteil v. 27.03.2003, Az.: 4 Sa 189/02)
Tenor
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid
sowie die ehrenamtlichen Richter Steinmeier und Tillmann
für Recht erkannt:
Die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 1) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 11/12 und der Beklagte zu 1) zu 1/12 zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 57.655,00 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegten sowie jeweils rechtzeitig ordnungsgemäß begründeten Berufungen des Beklagten zu 1) und des Klägers haben keinen Erfolg und führen zur Zurückweisung beider Rechtsmittel.
1.Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß der Betrieb der Insolvenzschuldnerin vom 01.07.2001 (an) vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) gemäß § 613a BGB übergegangen ist (Berufungsantrag zu 1), fehlt für eine solche abstrakte Feststellung das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist der Antrag deshalb dahingehend auszulegen, daß der Kläger die Feststellung begehrt, daß sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 3) übergegangen ist, jedoch bleibt die (ausgedeutete) Feststellungsklage insoweit weiterhin unzulässig (BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 319/01, AP Nr.9 zu § 113 InsO = ZInsO 2003, 43; BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 320/01, AP Nr.11 zu § 113 InsO = BAGReport 2003, 112; BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 321/01, ZInsO 2003, 97). Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage nur auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses erhoben werden. Unter einem Rechtsverhältnis ist die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen. Der Streit um einzelne Vorfragen oder Elemente eines Rechtsverhältnisses kann dagegen nicht im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO geklärt werden (BGH v. 03.03.1982 - VIII ZR 10/81, MDR 1982, 928 = NJW 1982, 1878; BGH v. 04.05.1984 - V ZR 27/83, MDR 1985, 37 = NJW 1985, 1959; OLG Hamm v. 27.01.1989 - 20 U 241/88, AnwBl 1989, 615; BFH v. 23.09.1999 - XI R 66/98, NVwZ 2000, 967), es sei denn, dies führt zur Bereinigung des gesamten Rechtskomplexes (BSG v. 20.05.1992 - 14a/6 RKa 29/89, MDR 1993, 776 = NZS 1992, 75). Bei der vom Kläger mit dem (ausgedeuteten) Berufungsantrag zu 1) zur Entscheidung gestellten Frage geht es lediglich um die Feststellung einer Rechtsfolge. Nach Lage der Dinge käme als feststellbares Rechtsverhältnis nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) in Betracht. Eine dementsprechende Antragsauslegung scheidet aber aus, weil der Kläger mit seinem Antrag zu 2) die nicht bloß hilfsweise, sondern die unbedingte Verurteilung der Beklagten zu 2) begehrt, zu erklären, daß er auf der Basis des Dienstvertrages für leitende Angestellte vom 29.05.1999, abgeschlossen zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin, auf der Basis eines Bruttomonatsgehalts von 12.916,67 DM ab 01.07.2001 wiedereingestellt wird. Damit schließen sich die beiden Anträge inhaltlich aus, denn die Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB und die Wiedereinstellung nach wirksamer Vertragsbeendigung schließen einander aus. Eine Antragsausdeutung darf nicht soweit gehen, daß der ausgedeutete Antrag
in Widerspruch zu einem wirksam gestellten Antrag steht. Deshalb bleibt der Antrag zu 1) unzulässig.
2. Der Berufungsantrag zu 2) ist zwar zulässig, aber unbegründet denn dem Kläger steht kein durchsetzbarer Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu. Außerhalb der Insolvenz wird ein Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch bejaht,
wenn der Arbeitgeber sich zunächst entschieden hatte, eine Betriebsabteilung stillzulegen, sich dann aber noch während der Kündigungsfrist entschließt, die Betriebsabteilung mit einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern doch selbst fortzuführen (BAG v. 04.12.1997 - 2 AZR 140/97, MDR 1998, 723 = NZA 1998, 701; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531 = ZIP 2000, 676),
wenn es nach Zugang der Kündigung wegen ursprünglich beabsichtigter Betriebsstillegung noch während des Laufs der Kündigungsfrist zu einem Betriebsübergang auf einen neuen Betriebsinhaber kommt (BAG v. 27.02.1997 - 2 AZR 160/96, MDR 1997, 749 = NZA 1997, 757; BAG v. 13.11.1997- 8 AZR 295/95, MDR 1998, 420 = NZA 1998, 249 = ZIP 1998, 344).
2.1. Der Wiedereinstellungsanspruch wird mit der Notwendigkeit, die deutsche Zivilrechtsdogmatik und die europarechtlichen Vorgaben möglichst weitgehend zu vereinbaren, begründet (siehe wegen Einzelheiten BGB-Bertram, Praxis des Arbeitsrechts, 2. Aufl., Teil 4 Rn. 1391-1403; Kraemer/Bertram, Handbuch zur InsO, Lsbl., Fach 6, Kap. 3 Rn. 185-208; Oetker, ZIP 2000, 643 ff.; Raab, RdA 2000, 147 ff.; Schubert, ZIP 2002, 554 ff.). Die Bejahung eines Wiedereinstellungsanspruchs ist danach das notwendige Korrektiv für die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen "beabsichtigter" Betriebsstillegung (LAG Hamm v. 11.11.1998 - 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302). Bei einem nachträglichen Wegfall dieses Kündigungsgrundes - also bei einer Fehlprognose - muß ein Anspruch des Arbeitnehmers bestehen, die Wirkungen der ausgesprochenen Kündigungen wieder rückgängig zu machen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dogmatisch erscheint es geboten zu sein, den Wiedereinstellungsanspruch aus einer Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers abzuleiten, weil die beiderseitigen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten nicht bereits mit dem Zugang der Kündigungserklärung enden,
sondern bestehen zumindest bis zur endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers bei nachträglich veränderten Umständen zur Wiederbegründung oder Fortsetzung des gekündigten Arbeitsverhältnisses führt. Der Arbeitgeber hat auf das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, weil sich aus den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes ergibt, daß der Arbeitsplatzverlust nur aus den dort genannten Gründen eintreten solle (Oetker, ZIP 2000, 643, 646). Die Interessen des Arbeitgebers fallen weniger stark ins Gewicht, wenn sein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachträglich, aber noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegfällt. Die arbeitsvertraglichen Interessenwahrungspflichten können den Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichten, dem Wegfall des Kündigungsgrundes dadurch Rechnung zu tragen, daß er dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet bzw. ein entsprechendes Angebot des Arbeitnehmers annimmt (Oetker, ZIP 2000, 643, 653). Außerhalb der Insolvenz besteht daher ein Anspruch auf Wiedereinstellung bzw. Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit noch vor Ablauf der Kündigungsfrist entsteht (BAG v. 06.08.1997 - 7 AZR 557/96, MDR 1998, 422 = NZA 1998, 254; BAG v. 26.06.2000 - 7 AZR 904/98, MDR 2000, 1440 [Adam] = NZA 2000, 1097 = RdA 2001, 243 [Raab] = SAE 2001, 125 [Kort] = ZIP 2000, 1781 [Oetker]), unter folgenden Bedingungen: Der Betriebserwerber darf mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Disposition getroffen haben, ihm muß die unveränderte Fortetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sein und der Arbeitnehmer muß von ihm unverzüglich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangt haben (LAG Hamm v. 11.11.1998 - 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302).
2.2. Ob diese Grundsätze auf eine Betriebsveräußerung in der Insolvenz übertragen werden können ist umstritten (bejahend LAG Hamm v. 11.11.1998 - 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302; Bertram, Arbeits- und Sozialrecht in der Insolvenz, DAI-Skript 2001, S. 44; BKB-Bertram, Praxis des Arbeitsrechts, 2. Aufl., Teil 4 Rn. 1401; Kraemer/Bertram, Handbuch
zur InsO, Lsbl., Fach 6, Kap. 3 Rn. 206, 207; Raab, RdA 2000, 147, 159/160; offengelassen BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 319/01, AP Nr.9 zu § 113 InsO = ZInsO 2003, 43; BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 320/01, AP Nr.11 zu § 113 InsO = BAGReport 2003, 112; BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 321/01, ZInsO 2003, 97; verneinend LAG Frankfurt/Main v. 25.01.2001 - 11 Sa 908/99, ZInsO 2002, 44; Hanau, ZIP 1998, 1817, 1820; Hess, AR-Blattei SD 915.8 Rn. 14x; Hanau/Berscheid, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 1541, 1579 Rn. 74; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch der InsO, 3. Aufl., Kap. 5 Rn. 289; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 128 InsO Rn. 33; ausf. zur Problematik Schubert, ZIP 2002, 554, 560 ff.).
2.2.1. Zumindest aber ist der Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz zeitlich begrenzt: Seine Voraussetzungen müssen innerhalb der Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO entstanden sein (Berscheid, MDR 1998, 1129, 1132; Hess, AR-Blattei SD 915.6 Rn. 75; Schubert, ZIP 2002, 554, 563; a.A. Beckschulze, DB 11998, 417, 421; Ricken, NZA 1998, 460, 464). Bei Bejahung eines Wiedereinstellungsanspruchs, der auf einen nach Ablauf der gesetzlichen Höchstfrist entstandenen Sachverhalt gestützt wird, würden die Regelungen der §§ 125 Abs. 1, 128 Abs. 2 InsO leer laufen (LAG Hamm v. 04.06.2002 - 4 Sa 57/02, AR-Blattei ES 915 Nr. 21 = LAGReport 2003, 31 = ZInsO 2003, 52; LAG Hamm v. 04.06.2002 - 4 Sa 593/02, AR-Blattei ES 915 Nr.23 = LAGReport 2003, 31 = ZInsO 2003, 52) und es würden im Zuge einer teleologischen Extension die Interessen der gekündigten Arbeitnehmer einseitig bevorzugt (Schubert, ZIP 2002, 554, 559; siehe auch Berscheid, ZInsO 1998, 159, 172). Sofern man einen Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz bejahen sollte, wird man von dem Arbeitnehmer im übrigen erwarten können, daß er "unverzüglich" nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen den Wiedereinstellungsanspruch gegenüber dem Erwerber geltend macht. Dazu hat die Rechtsprechung (ArbG Frankfurt/Main v. 20.07.1999 - 5 Ca 7905/97, NZA-RR 1999, 580 = ZInsO 2000, 56) bislang angenommen, der Arbeitnehmer müsse innerhalb von drei Wochen nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen geltend machen (so auch unter Hinweis auf
§ 113 Abs. 2 InsO Hanau/Berscheid, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 1541, 1580 Rn. 76; Schubert, ZIP 2002, 554, 557; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 128 InsO Rn. 34). Im Hinblick auf die Interessenlage beim Veräußerer einerseits und beim Erwerber andererseits müssen die Zeitschranken für die Ausübung des Widerspruchsrechts bzw. für die Geltendmachung des Fortsetzungsverlangens identisch sein, denn insofern besteht ein "Gleichklang" (LAG Hamm v. 11.05.2000 - 4 Sa 1469/99, DZWIR 2000, 457 [Oetker] = ZInsO 2001, 384). Im Hinblick auf die Anhebung der Widerspruchsfrist durch § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB n.F. mit Wirkung vom 01.04.2001 auf einen Monat ist eine Heraufsetzung der von der Rechtsprechung entwickelten Geltendmachungsfrist von drei Wochen auf einen Monat gerechtfertigt (Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., § 128 InsO Rn. 35).
2.2.2. Da die Übernahme der Leitungsmacht über den Betrieb der Insolvenzschuldnerin durch die Beklagte zu 2) spätestens mit Wirkung vom 01.07.2001 erfolgt ist, kommen die von der Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch entwickelten Grundsätze zur Anwendung, falls man einen solchen Anspruch bei Betriebsübergängen in der Insolvenz nicht völlig auszuschließen will (so LAG Frankfurt/Main v. 25.01.2001 - 11 Sa 908/99, ZInsO 2002, 48; a.A. LAG Hamm v. 11.11.1998 - 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302). Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist vom Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2001 zum 30.06.2001 unter Berufung auf die Einstellung des Geschäftsbetriebes gekündigt worden. Mit einer am 21.06.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung vom 28.03.2001 verspätet zur Wehr gesetzt, so daß die Fiktionswirkung es § 7 Hs. 1 KSchG eingreift. Dies hat das Arbeitsgericht ebenso gesehen und mit Urteil vom 04.10.2001 (4 Ca 1610/01) die Feststellungsklage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen. Diese Feststellung ist rechtskräftig geworden, da die Berufung das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht angreift. Damit steht fest, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Insolvenzschuldnerin mit Ablauf des 30.06.2001 beendet worden ist, so daß nur noch die Grundsätze der Wiedereinstellung zum Tragen kommen könnten. Sie gelangen vorliegend deshalb zur Anwendung, weil -wie insoweit durch das Schreiben vom 28.05.2001 unstreitig - die Beklagte zu 2) bereits zu diesem frühen Termin und damit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Auslese des Personal der Insolvenzschuldnerin begonnen hat. Der Geschäftsführer H3xxxxx hat mit dem besagten Schreiben vom 28.05.2001 alle Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin von der geplanten Betriebsübernahme in Kenntnis gesetzt. Informiert worden sind sowohl die Mitarbeiter, die übernommen werden sollten, als auch Mitarbeiter, die nicht übernommen werden sollten. Deshalb ist es der Beklagten zu 2) verwehrt, sich darauf zu berufen, sie habe die Leitungsmacht über den Betrieb der Insolvenzschuldnerin erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erhalten. In Fällen, in denen die Betriebstätigkeit von dem nach der ursprünglichen Absicht des Insolvenzverwalters zum Ende der Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Kündigung der Belegschaft der Insolvenzschuldnerin eingestellt und "nahtlos" von einer Betriebserwerberin fortgeführt wird, kann diese sich nicht darauf berufen, sie habe die Leitungsmacht über den Betrieb der Insolvenzschuldnerin erst nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse übernommen. In einem solchen Falle erweist sich die ursprüngliche Stillegungsabsicht bereits vor Beendigung der gekündigten Arbeitsverhältnisse als Fehlprognose. Mit Wegfall dieses Kündigungsgrundes nach Zugang der Kündigung (28.03.2001) -vorliegend ab dem Schreiben des Geschäftsführers H3xxxxx vom 28.05.2001 - kommen die Grundsätze des Wiedereinstellungsanspruchs zum Tragen, wenn sie bei einer Betriebsveräußerung in der Insolvenz überhaupt anwenden will. Das bedeutet dann folgendes:
2.2.3. Der Arbeitnehmer hat den Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch innerhalb von einem Monat nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen geltend zu machen. Das Fortsetzungsverlangen muß an den Erwerber gerichtet werden und darf nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt vom Erwerber nicht beeinflußt werden kann. Vorliegend der Kläger diese Geltendmachungsfrist nicht gewahrt. Da der Kläger nach einer eigenen Einlassung Kenntnis vom Schreiben des Geschäftsführers H3xxxxx vom 28.05.2001 über die Zeugin M2xxxxx am 06.06.2001 und damit von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen erhalten hat, begann die Geltendmachungsfrist für den Wiedereinstellungs- bzw. Fortsetzungsanspruch am 07.06.2001 (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete am 06.07.2001 (§ 188 Abs. 2 BGB). Mit seiner Klageschrift vom 19.06.2001 hat der Kläger seine Weiterbeschäftigung gegenüber allen drei Beklagten gleichermaßen geltend gemacht. Zwar hat er "zur weiteren Begründung der Klage" auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG v. 27.02.1997 - 2 AZR 160/96, MDR 1997, 749 = NZA 1997, 757) verwiesen, aber diese Inbezugnahme ersetzt nicht den erforderlichen Sachvortrag. Im übrigen muß der Kläger grundsätzlich persönlich bei dem neuen Betriebsinhaber vorstellig werden und die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses oder Wiedereinstellung zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Anrechnung der früheren Beschäftigungsdauer verlangen (LAG Hamm v. 11.05.2000 - 4 Sa 1469/99, DZWIR 2000, 457 [Oetker] = ZInsO 2001, 384). Tut der Arbeitnehmer dies nicht, sondern beschränkt er sich darauf, dem Betriebserwerber gegenüber das Fortsetzungsverlangen entweder schriftlich zu unterbreiten oder direkt in Form einer Klageerhebung kundzumachen, dann geht er nicht nur das Risiko ein, daß das Schriftstück oder die Klage dem Erwerber nicht innerhalb der Monatsfrist nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen auf dem Postwege zugeleitet oder zugestellt wird, sondern daß sein Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsbegehren unschlüssig ist. Mit einer alternativen Begründung des Weiterbeschäftigungsbegehrens, daß "der Betrieb durch Rechtsgeschäft gemäß § 613a BGB zum 01.07.2001 entweder durch die Beklagte zu 2) oder durch die Beklagte zu 3) übernommen" worden sei, wird der Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch nicht wirksam geltend gemacht. Da der Geschäftsführer H3xxxxx das Schreiben vom 28.05.2001 "im Auftrage der neuen F2xxxxxxxxxx GmbH" verfaßt hatte, hätte sich der Kläger schon entscheiden müssen, wem gegenüber er den Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch geltend machen will. Sieht man den Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch als eigenständigen Anspruch an, genügt die alternative Inanspruchnahme von zwei selbständigen Unternehmen als (mögliche) Betriebserwerber auf Weiterbeschäftigung nicht zur wirksamen Geltendmachung des Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruchs. Ein solcher Anspruch ist hilfsweise erstmalig mit Schriftsatz vom 15.08.2001, beim Arbeitsgericht am 17.08.2001 eingegangen und den Beklagten zu 2) und zu 3) am 20.08.2001 zugestellt, und damit außerhalb der einzuhaltenden Monatsfrist geltend gemacht worden.
2.2.4. Der Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch setzt zum einen einen Betriebs- oder zumindest Betriebsteilübergang von der Insolvenzschuldnerin auf die Beklagte zu 2) voraus (BAG v. 10.12.1998 - 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422 = SAE 2000, 35 [Meyer] = ZInsO 1999, 182 = ZIP 1999, 33x [Hanau]; BAG v. 21.01.1999 - 8 AZR 218/98, EWiR 1999, 1163 [Heckelmann] = ZInsO 1999, 420 = ZIP 1999, 1572; BAG v. 16.05.2002 - 8 AZR 321/01, ZInsO 2003, 97), was vorliegend zwischen den Parteien unstreitig ist. Der Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch setzt zum anderen voraus, daß der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist (BAG v. 27.02.1997 - 2 AZR 160/96, MDR 1997, 749 = NZA 1997, 757; LAG Hamm v. 11.11.1998 - 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302; LAG Frankfurt/Main v. 07.03.2000 - 9 Sa 1077/99, NZA 2001, 553 = ZInsO 2000, 625). Dem Arbeitgeber kann die Berufung auf das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes aus dem in § 162 Abs. 1 und 2 BGB normierten allgemeinen Rechtsgedanken verwehrt sein, wenn er diesen Zustand selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Dies kann der Fall sein, wenn er einen freien geeigneten Arbeitsplatz in Kenntnis des Wiedereinstellungsverlangens anderweitig besetzt hat (BAG v. 23.02.2000 - 7 AZR 891/98, NZA 2000, 894) und wenn hierdurch der Wiedereinstellungsanspruch treuwidrig vereitelt wird (BAG, Urt. v. 26.06.2000 - 7 AZR 904/98, MDR 2000, 1440 [Adam] = NZA 2000, 1097 = RdA 2001, 243 [Raab] = SAE 2001, 125 [Kort] = ZBVR 2001, 225 = ZIP 2000, 1781 [Oetker]). Davon kann vorliegend keine Rede sein. . Der Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 01.08.1999 als kaufmännischer Leiter mit einem Jahresbruttogehalt von zuletzt über 155 TDM angestellt. Diese Positionen und damit diese Hierarchieebene im Betrieb der Insolvenzschuldnerin war nur einmal besetzt gewesen. Die Aufgaben, die dem Kläger übertragen worden waren, werden jetzt ausschließlich durch den Geschäftsführer H3xxxxx selbst wahrgenommen. Die Position des kaufmännischen Leiters ist nicht neu besetzt worden. Sie gibt es bei der Beklagten zu 2) nicht (mehr). Dieses Vorbringen der Beklagten zu 2) ist schlüssig. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten, so daß kein Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch besteht.
3. Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, der nach heutigem Verständnis zusammen mit dem Vergütungsanspruch eine Einheit bildet und in der Bündelung dieser Berechtigungen den Hauptanspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611 BGB ausmacht (LAG Hamm v. 05.05.1983 - 8 Sa 255/83, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 52; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 34/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 966/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 24.02.2000 - 4 Sa 1731/99, ZInsO 2000, 467), kann -wenn die Unwirksamkeit der Kündigung allein mit der Begründung geltend gemacht wird, sie verstoße gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB - nicht mehr gegen den Veräußerer als bisherigen Arbeitgeber, sondern nur noch gegen den Erwerber als neuen Arbeitgeber geltend gemacht werden (BAG v. 22.02.1978 - 5 AZR 800/76, AP Nr. 11 zu § 613a BGB [G. Küchenhoff] = SAE 1979, 84 [Hadding/Häuser]). Den "Fehler" der begründungsmäßig alternativen Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) und zu 3) hat der Kläger zwar durch die zweitinstanzliche Teilrücknahme der Klage korrigiert, aber dennoch bleibt der Berufungsantrag zu 3) ohne Erfolg. Der Weiterbeschäftigungsantrag setzt nämlich ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis voraus (BAG v. 27.02.1985 - GS 1/84, NZA 1985, 702 = ZIP 1985, 1214). Ein solches besteht zur Beklagten zu 2) wegen Verneinung des Wiedereinstellungsanspruch nicht.
4.Die Widerklage und damit die Berufung des Beklagten zu 1) bleiben ohne Erfolg. Der Beklagte zu 1) hat seine Widerklage mit einer vom Kläger vorgenommenen fehlerhaften Buchung begründet. Nachdem der Kläger von den Zeugen Dr. S6xxxxx und Hanau unterrichtet worden sei, daß die Art seiner Verbuchung fehlerhaft sei, habe der Kläger entgegnet, dies sei mit dem Insolvenzverwalter so abgestimmt und eine schriftliche Bestätigung des Insolvenzverwalters brauche er wegen der ausdrücklichen Absprache nicht beizubringen. Auch für die Richtigkeit dieser vom Kläger "bewußt falschen Aussage vertrauend" habe die KPMG unter Zurückstellung ihrer Bedenken die Bilanz für 1999 erstellt. Erst nach Kontaktaufnahme der Mitarbeiter der KPMG mit ihm, dem Beklagten zu 1), nach Fertigstellung der Bilanz sei die Vorgehensweise des Klägers aufgefallen und habe die Neuerstellung der Bilanz für 1999 erforderlich gemacht. Dadurch, daß die KPMG auf die Richtigkeit der "bewußt falschen Aussage vertrauend" unter Zurückstellung ihrer Bedenken die Bilanz für 1999 erstellt hat, ist der behauptete Schaden zumindest mitverursacht worden. Der Beklagte zu 1) müßte sich das Mitverschulden der KPMG gemäß §§ 278, 254 Abs. 1 BGB bei der Entstehung des behaupteten Schadens zurechnen lassen, denn es entspricht nicht einer ordnungsgemäßen Sachbehandlung, wenn ein Wirtschaftsprüfer eine Fehlbuchung erkennt und seine Bedenken solange zurückstellt, bis er die Bilanz erstellt hat und dann erst mit dem Auftraggeber selbst Rücksprache hält. Dennoch kommt das Berufungsgericht nicht zu einer Schadensquotelung, und zwar aus folgenden Überlegungen: Zur Schadenshöhe hat der Beklagte zu 1) vorgetragen, daß die KPMG mit Rechnung vom 31.03.2001 die ursprünglichen Arbeiten zur Betriebsprüfung und zur Vorbereitung der Steuererklärung abgerechnet habe, während sich die Rechnung vom 19.06.2001 über die Änderung verhalte, die aufgrund der vorsätzlich falschen Angaben des Klägers notwendig geworden seien. Eine privatschriftliche Urkunde -wenn ihre Echtheit feststeht - begründet die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des in ihr Aufgenommenen (ArbG Siegen v. 14.05.1985 - 1 Ca 2601/84, EzA § 15 AZO Nr. 11; LAG Hamm v. 02.02.1995 - 4 Sa 1850/94, LAGE § 67 ArbGG 1979 Nr.3 [Brehm] = EzBAT § 54 BAT Nr.40). Überprüft man daraufhin die vorgelegten Rechnungen vom 31.03.2001 und vom 19.06.2001, so spiegelt sich das Vorbringen des Beklagten zu 1) darin nicht wider. Gemäß Rechnung vom 31.03.2001 erlaubt sich die KPMG "für unsere wirtschaftliche und steuerliche Beratung in der Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2001, insbesondere im Zusammenhang mit der zur Zeit stattfindenden Betriebsprüfung (Besprechungstermin) und der Vorbereitung der Steuererklärungen ..., wie folgt zu liquidieren:"
Gemäß Rechnung vom 19.06.2001 erlaubt sich die KPMG "für unsere wirtschaftliche und steuerliche Beratung in der Zeit vom 01. April bis 31. Mai 2001 ..., wie folgt zu liquidieren:"
Geltend gemacht wird von der KPMG jeweils "für unsere wirtschaftliche und steuerliche Beratung" für einen bestimmten Zeitabschnitt, nämlich einmal für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2001 (also für drei Monate) und einmal für die Zeit vom 01. April bis 31. Mai 2001 (also für zwei Monate) eine "Zeitgebühr", die in der zweiten Rechnung ohne Grund in "Honorar" umbenannt wird und um 31,2% höher ausfällt, obwohl die Beratung nur zwei Monate umfaßt. Entscheidend ist aber, daß die erste Rechnung Zusatztätigkeiten, nämlich "Betriebsprüfung (Besprechungstermin) und Vorbereitung der Steuererklärungen", enthält und daß die zweite Rechnung die zu erwartende Zusatztätigkeit, nämlich "Korrektur der Bilanz 1999" gerade nicht enthält. Durch Vorlage der beiden Rechnungen ist mithin lediglich jeweils ein Beratungshonorar nachgewiesen. Mangels Nachweis der Inrechnungsstellung der behaupteten Bilanzkorrektur ist aber kein Schaden nachgewiesen. Die Widerklage ist folglich nicht schlüssig, so daß die Berufung des Beklagten zu 1) der Zurückweisung anheimfällt.
5. Nach alledem haben beide Berufung ohne Erfolg bleiben müssen.
5.1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenquotelung war anhand der Held'schen Kostenteilungstabelle (DRiZ 1984, 317, 319, 320) nach dem jeweiligen Unterliegen und Obsiegen vorzunehmen.
5.2. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 Abs. 1 GKG, § 9 BRAGO festzusetzen. Für die Feststellungsanträge zu 1) und zu 2) war gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG jeweils das Vierteljahreseinkommen des Klägers anzusetzen. Für den Weiterbeschäftigungsantrag war nach §§ 3 ff. ZPO der doppelte Monatsverdienst maßgeblich. Die Addition aller drei Beträge ergibt den Gesamtstreitwert. Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.
5.3. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 1 ArbGG ist bei der vorliegenden Einzelfallgestaltung nicht ersichtlich, denn die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits sämtlich beantwortet bzw. konnten dahingestellt bleiben oder sind alternativ bzw. doppelt begrüdnet worden. Die Nichtzulassung der Revision war in den Urteilstenor aufzunehmen, da die Parteien bereits nach Verkündung des Urteils wissen müssen, ob der zwischen ihnen bestehende Konflikt entschieden ist oder nicht (§ 72 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 64 Abs. 3a ArbGG).
LAG Hamm:
Urteil v. 27.03.2003
Az: 4 Sa 189/02
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