Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 307/02
(BPatG: Beschluss v. 14.01.2003, Az.: 17 W (pat) 307/02)
Tenor
Das Patent Nr. 43 05 827 wird widerrufen.
Gründe
I.
Auf die am 25. Februar 1993 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung 43 05 827.2 - 34 wurde am 1. August 2001 unter der Bezeichnung
"Lenkstockschalter für Kraftfahrzeuge"
durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H01H das Patent erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 7. Februar 2002.
Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (geltender Anspruch 1) lautet:
1. Lenkstockschalter für Kraftfahrzeuge, der am Ende eines die Lenksäule aufnehmenden Mantelrohres angeordnet ist und mehrere, je aus einem Gehäuse mit elektrischen Anschlüssen und einem Betätigungsorgan bestehende Einzelschalter aufweist, die an einem mit dem Mantelrohr verbundenen Trägergehäuse befestigbar sind, wobei jeder Einzelschalter (2) gegen die Kraft einer Feder (20) auf das Trägergehäuse (1) unter dem Zusammenspiel entsprechender Führungsmittel (6, 7) aufsteckbar und in seiner Endposition durch eine lösbare Klipsverbindung (11) festgelegt ist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Einzelschalter (2) in tangentialer Richtung, bezogen auf den Umfang des Mantelrohres, auf dem Trägergehäuse (1) festgelegt ist und die Führungsmittel (6, 7) eine an der Stirnwand (9) des Gehäuses (10) des Einzelschalters (2) angeformte T-förmige Nut (12) und eine dazu korrespondierend ausgebildete T-förmige, an der Seitenwand des Trägergehäuses (1) angeformte Feder (13) umfassen, und die Klipsverbindung (11) einen federnden Klipsarm (14) mit einer Klipsnase (15) aufweist, die hörbar hinter eine Schulter (16) eines Führungssteges (17) am Trägergehäuse (1) einrastet.
Wegen der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen das Patent hat die K... GmbH & Co. KG in L... Ein- spruch erhoben. Sie macht geltend, beim Patentgegenstand fehle es an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit. Sie stützt ihr Vorbringen auf die Druckschriften
[1] DE 34 33 451 C1
[2] DE 29 33 703 A1 sowie auf die bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene Druckschrift
[3] DE 27 19 194 A1 Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent vollständig zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das angegriffene Patent in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweisein beschränktem Umfang mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2003 überreichten Patentanspruch 1 und im übrigen mit entsprechend angepaßten Unterlagen der Patentschrift.
Der Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung unterscheidet sich von dem des Hauptantrags, abgesehen von redaktionellen Änderungen, durch die Anfügung, wonach
"am Gehäuse (10) des Einzelschalters (2) ein Zapfen (22) angeordnet ist, der in eine am Trägergehäuse (1) eingearbeitete Aussparung (23) eingreift".
II.
Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben; er ist mit nachprüfbaren Gründen versehen und somit zulässig. Er hat auch Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist (§ 4 PatG).
1. Hauptantrag Der Fachmann, ein mit der Konstruktion von Schaltern für die Kraftfahrzeugtechnik befaßter Ingenieur (FH-Ausbildung), entnimmt dem angegriffenen Patent einen Lenkstockschalter, d.h. eine Schalterkonsole an der Lenksäule eines Kraftfahrzeugs, an der mehrere Einzelschalter befestigt sind. Diese besitzen jeweils ein Gehäuse, das tangential zur Lenksäule mittels T-förmiger Nut- und Federführung nach Art einer Schwalbenschwanzführung auf ein die Lenksäule umgebendes Trägergehäuse aufgeschoben wird, wo es gegen Federkraft in eine Klipsverbindung einrastet.
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften beschreibt eine Schalteranordnung mit allen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen. Der beanspruchte Lenkstockschalter beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Aus der Druckschrift [1] ist ein Lenkstockschalter bekannt (Figuren 1 und 2 mit Beschreibungen), der beiderseits der Lenksäule (Mantelrohr 1) je einen Einzelschalter besitzt, dessen Gehäuse (3) wie beim Streitpatent mittels T-förmiger Nut-Federverbindung tangential auf einen das Mantelrohr 1 umgebenden Tragekörper (2) aufgeschoben wird. Die Endposition ist durch eine Klipsverbindung (9, 10, 11) festgelegt, wobei eine Rastnase (11) am Schaltergehäuse (3) in die Ausnehmung (10) eines am Tragekörper (2) befindlichen federnden Klipsarms (9) einrastet. Daß dieses Einrasten "hörbar" geschieht, ist eine selbstverständliche Eigenschaft von Klipsverbindungen, die insbesondere eine akustische Kontrolle der ordnungsgemäßen Anbringung bei der Montage erlauben soll (vgl. hierzu bspw. Druckschrift [3], S. 4, letzte Zeile). Der Fachmann wird daher ohne weiteres davon ausgehen, daß die Klipsverbindung des bekannten Lenkstockschalters ebenfalls "hörbar einrastet".
Vom bekannten Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 demnach durch die Merkmale:
a) Das Aufschieben des Schaltergehäuses geschieht gegen Federkraft.
b) Der Klipsarm ist am Schaltergehäuse ausgebildet, umgekehrt befindet sich die Rast-Schulter am Trägergehäuse.
c) Ebenfalls in Umkehrung des Standes der Technik ist die Feder am Trägergehäuse ausgebildet, während sich die Nut am Schaltergehäuse befindet.
Diese verbleibenden Maßnahmen zu ergreifen, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit. Rastverbindungen haben immer etwas Spiel und außerdem die bekannte Eigenart, daß nach dem Lösen der Klinke diese plötzlich wieder einrastet, bevor es gelingt, das fragliche Bauteil ganz herauszuziehen. Druckschrift [2] (Figuren 3 und 4 iVm Seite 7, Z. 29 bis S. 8, Z.11) lehrt diesbezüglich, einen Schalter (30) mittels Führungsstegen (32) in Führungsnuten (15) eines Aufnahmeteils (10) gegen die Kraft von Federn (38) einschiebbar auszubilden, die Rastverbindungen also mit einer Andruckfeder auszustatten, die spielfreien Sitz gewährleistet und beim Lösen der Klinke das Bauteil automatisch ein Stück weit herausdrückt, so daß es bequem zu fassen ist. Nichts anderes entnimmt der Fachmann auch der Druckschrift [3], die ebenfalls einen Lenkstockschalter und dessen Befestigung an der Lenksäule zum Gegenstand hat, wobei der Schalter gegen die Kraft einer Schraubenfeder in eine entsprechende Ausnehmung eingeschoben wird (Figuren 1 und 4 iVm S. 3, letzter Halbsatz, S. 4, Abs. 1 und S. 5, letzter Abs. bis S. 6, Abs. 3). Eine solche Maßnahme zum bekannten Zweck auch beim Lenkstockschalter nach Druckschrift [1] vorzusehen, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann, der dieser Anregung folgt, ist damit aber auch bereits beim Gegenstand des Anspruchs 1 angelangt, denn die wechselweisen Vertauschungen von Feder mit Nut und von Klipsarm mit Rastnase gemäß den Merkmalen b) und c) sind lediglich einfache, glatt äquivalente und gleichwirkende Umkehrungen der aus Druckschrift [1] bekannten Befestigung.
2. Hilfsantrag Der Lenkstockschalter gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag weist zusätzlich zu den oben genannten Merkmalen einen Zapfen am Gehäuse des Einzelschalters auf, der in eine am Trägergehäuse eingearbeitete Aussparung greift. Er ist gedeckt durch die erteilten Ansprüche 1 und 7 sowie in gleicher Weise durch die Ansprüche 1 und 9 der ursprünglichen Anmeldeunterlagen. Gegen die Zulässigkeit bestehen somit keine Bedenken.
Eine Verdrehsicherung in Form eines in eine entsprechende Ausnehmung greifenden Sicherungszapfens bzw. -stiftes vorzusehen, bedarf aber ebenfalls keiner erfinderischen Tätigkeit. Vielmehr ist eine solche Maßnahme für den Fachmann trivial und naheliegend; sie ergibt sich zwangsläufig aus der Anforderung, angesichts der im Kraftfahrzeug auftretenden Erschütterungen und Belastungen einen dauerhaft festen Sitz des Schalters an der Lenksäule zu gewährleisten, den über die ausladenden Schalthebel auf die Halterung einwirkenden Drehmomenten entgegenzuwirken und die Nut-Feder-Verbindung zu entlasten.
Das angegriffene Patent hat damit auch in der hilfsweise verteidigten Fassung keinen Bestand.
3. Mit dem Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag fallen wegen ihres Rückbezugs auch die jeweils verbleibenden Unteransprüche, die im übrigen nach Auffassung des Senats ebenfalls nichts enthalten, was den Bestand des Patents hätte begründen können. Gegenteiliges hat auch die Patentinhaberin nicht geltend gemacht.
Grimm Schmitt Greis Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 14.01.2003
Az: 17 W (pat) 307/02
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