Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 10. Dezember 2007
Aktenzeichen: 3-5 O 141/07, 3-5 O 141/07, 3-05 O 141/07, 3-05 O 141/07
(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 10.12.2007, Az.: 3-5 O 141/07, 3-5 O 141/07, 3-05 O 141/07, 3-05 O 141/07)
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger haben jeweils ihre außergerichtlichen Kosten und die gerichtlichen Kosten ihrer Klagen zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Kläger zu 1) und 2) jeweils 50 % zu tragen.
Die Streithelfer zu 3) und 4) haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die über ein Grundkapital von EUR 140.400.000 verfügt, das in 140.400.000 Stückaktien eingeteilt ist. Langjährige Mehrheitsaktionärin der Gesellschaft war Frau K, die rund 50,1% der Aktien hielt. In einer außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.12.2006 stimmte die Hauptversammlung der Veräußerung der Pharmasparte der Beklagten zu. Gegen diesen Zustimmungsbeschluss ist AnfechtungS.lage zum Az. des Landgerichts Frankfurt am Main 305 O 8/07 erhoben worden. Nach Klagerücknahme anderer Kläger sind nur noch die hiesigen Klägern zu 1) und 2) und die hiesige Streithelferin zu 3) Kläger diesen Rechtsstreits, denen der hiesige Streithelfer zu 4) ebenfalls als Streithelfer beigetreten ist. Nach mündlicher Verhandlung am 13.11.2007 in dem Verfahren 3-05 O 8/07 ist dort Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 21.12.2007 bestimmt worden. Nach der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.12.2006 übertrug Frau K ihre Aktien an der Beklagten auf einer S. GmbH, an der sie sämtliche Beteiligungen hält, so dass sie noch mittelbar Hauptaktionärin der Beklagten ist. Der Verkauf der Pharmasparte wurde am 29.12.2006 vollzogen. Der Kaufpreis (ca. EUR 4,5 Mrd.) wurde bar bezahlt. Die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten fand am 3. Mai 2007 statt. Zu dieser war im elektronischen Bundesanzeiger vom 23.3.2007 geladen worden. Wegen der Einzelheiten dieser Ladung wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Anlage B1, Sonderband Anlagen) verwiesen. Entsprechend dem Vorschlag der Verwaltung wurde zu Tagesordnungspunkt 2 ein Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns von insgesamt EUR 4.732.340.361,60 dahingehend getroffen, dass insgesamt EUR 34,80 Dividende je dividendenberechtigte Stückaktie ausgeschüttet werden soll. Diese Dividende setzt sich zusammen aus einer Sonderdividende von EUR 33,00 als Ausschüttung des Gewinn aus der Veräußerung der Pharmasparte, einer Dividende von EUR 1,30 für das Geschäftsjahr 2006 und einer Bonusdividende von EUR 0,50. Wegen der Einzelheiten dieser Hauptversammlung wird auf das in Ablichtung zu der Akte gereichte notarielle Protokoll des Notars v. S UR.NR. ../.. (Anlage B3 Sonderband Anlagen) verwiesen.
Die Beteiligten zu 3) € 4) sind den Klägern vor der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren als Streithelfer beigetreten, der Beteiligte zu 6) ist der Beklagten erst nach der mündlichen Verhandlung als Streithelfer beigetreten.
Die Kläger sind der Auffassung, dass es sich bei dieser Beschlussfassung wegen der dort beinhalteten Sonderausschüttung infolge der Veräußerung der Pharmasparte um ein Sondervorteil für die ehemalige Hauptaktionärin handle, da diese anders als Minderheitsaktionäre durch die Einbringung ihrer Aktien eine GmbH nur geringfügig Steuern auf diese Dividende zahlen müsse. Für die Minderheitsaktionäre wäre es steuerlich günstiger gewesen, den Erlös für ein Aktienrückkaufprogramm und einer Kapitalherabsetzung zu verwenden. Zudem habe die Veräußerung der Pharmasparte nicht im Interesse der Beklagten sondern nur im Interesse der Hauptaktionärin gelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die jeweiligen Klagebegründungen (Bl. 10-12, 25, 26 d. A.) und den Schriftsatz des Klägers zu 2) vom 11.9.2007 (Bl. 119-122 d. A.) Bezug genommen.
Die Kläger und ihre Streithelfer beantragen,
den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 3.5.2007 zum Tagesordnungspunkt 2 gefassten Beschluss zur Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2006 für nichtig zu erklären,
hilfsweise der Kläger zu 2) und die Streithelfer der Kläger,
festzustellen, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 3.5.2007 unter Tagesordnungspunkt 2 gefasste Beschluss zur Verwendung des Bilanzgewinns nichtig ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist zunächst der Auffassung, dass die AnfechtungS.lagen nicht innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden seien. Weiterhin sei der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 2 nicht zu beanstanden, da er nicht zu einem Sondervorteil für die Mehrheitsaktionärin geführt habe. Durch die Beklagte seien alle Aktionäre bei der Ausschüttung gleich behandelt worden. Der Verkauf der Pharmasparte habe im Interesse der Beklagten gelegen. Die Verwaltung haben auch überprüft, ob es Alternativen zur Ausschüttung der Sonderdividende gegeben habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung der Beklagten vom 8.8. 2007 (Bl. 91 € 104 d. A.) Bezug genommen.
Gründe
Die Klagen sind unbegründet.
Zwar sind die Klagen rechtzeitig in der Anfechtungsfrist erhoben, da nach ständiger Rechtsprechung der Kammer die Klageeinreichung innerhalb der Frist genügt und der Kläger erst auch nach Aufforderung des Gerichts den GerichtS.ostenvorschuss (binnen 2 Wochen) einzuzahlen hat, was Voraussetzung für eine Zustellung an die Beklagte ist. Die Zustellung wirkt dann gem. § 167 ZPO auf den Tag der Einreichung der Klage fristwahrend zurück. Dass die Fristwahrungsfiktion des § 167 ZPO nicht bei der aktienrechtlichen AnfechtungS.lage gelten soll, ergibt sich aus dem Gesetz nicht und wird auch soweit ersichtlich in der Rechtsprechung und Literatur (vgl. hierzu Hüffer, AktG, 7. Aufl. § 246 Rz. 23 m. w. Nachw.) nicht vertreten.
Die Beschlussfassung zu TOP 2, Verwendung des Bilanzgewinns, verletzt jedoch weder Gesetz noch Satzung. Die Kläger und ihre Streithelfer machen zu Unrecht geltend, dass durch diesen Beschluss es zu einer Ungleichbehandlung der Aktionäre komme, da die Kleinaktionäre die ausgeschüttete Dividende € soweit der steuerliche Freibetrag überschritten werde € nach dem Halbeinkünfteverfahren zu versteuern hätten, während die Hauptaktionärin durch das Einbringen ihrer Aktien vor Beschlussfassung und Ausschüttung in eine GmbH diese Ausschüttung nahezu steuerfrei habe vereinnahmen können. Zunächst liegt eine steuerfreie Vereinnahmung durch Frau K persönlich nicht vor. Dass die S. GmbH, in die Frau K ihren Aktienbesitz an der Beklagten eingebracht hat, die Dividendenzahlung nur gering versteuern muss, liegt darin begründet, dass der Steuergesetzgeber, Dividendenzahlungen an Aktionäre die als Kapitalgesellschaft Aktien im Betriebsvermögen halten, steuerlich gegenüber Aktionären die als natürliche Personen Aktien im Privatvermögen halten, in gewissem Sinne steuerlich privilegiert, § 8b KStG. Diese Privilegierung ist, soweit man überhaupt eine Besteuerung von Dividenden für sachgerecht hält, da die Dividende sich erst aus dem bereits versteuerten Gewinn der Gesellschaft ergibt, mithin schon eine Doppelversteuerung vorliegt, dem der Gesetzgeber für den hier maßgeblichen Zeitraum mit dem sog. Halbeinkünfteverfahren für natürliche Personen in gewisser Weise begegnen wollte, auch geboten, da die nicht privilegierte Besteuerung zwischengesellschaftlicher Ausschüttungen letztlich zu einer Verstärkung der Doppelbesteuerung geführt hätte. Zwischengesellschaftliche Dividenden sollen - wie schon im früheren Vollanrechnungssystem - nur einmal mit Körperschaftsteuer belastet werden. Damit tritt der an Einkommensteuerpflichtige letztlich ausgeschüttete Gewinn einmal, aber auch nur einmal mit Körperschaftsteuer belastet in das Halbeinkünfteverfahren ein (Grundsatz der Einmal-Belastung). Nimmt daher die S. GmbH aufgrund der Einnahmen durch die Zahlung der Dividende Gewinnausschüttungen an ihre Gesellschafterin vor, muss die Gesellschafterin diese Einnahme im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens nach ihrem persönlichen Steuersatz letztlich ebenfalls versteuern. Dies gilt aber nicht nur für die Gesellschaft der früheren Hauptaktionärin sondern für alle körperschaftsteuerpflichtigen Aktionäre der Beklagten, mithin auch für die Klägerin zu 1), die Streithelferin zu 3) und in gewissem Umfang auch für die Streithelferin zu 4), die ebenfalls von der Privilegierung in der Weise profitieren können, dass ihnen gewisse steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Ausschüttung an ihre Gesellschaft gegeben sind, die letztlich zu einer steuerlichen Entlastung der dahinter stehenden natürlichen Personen führen können.
Selbst wenn es hierdurch zu einem tatsächlichen Steuervorteil der (früheren) Hauptaktionärin und ggf. anderer Aktionäre kommen sollte, kann hierin kein rechtswidriger Sondervorteil i.S.d. § 243 Abs. 2 AktG und auch keine Ungleichbehandlung i.S.d. § 53a AktG erblickt werden.
Die steuerlich notwendigen Konsequenzen, die sich aus der Rechtsform des Aktionärs und der hierfür geltenden Steuergesetzgebung ergeben, liegen nicht in dem Verhältnis des einzelnen Gesellschafters zur Gesellschaft sondern in der individuellen Person begründet, und sind allenfalls ein Reflex aus der unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften und natürlichen Personen; insoweit handelt es sich um eine vom Gesetz tolerierte und deshalb von der Minderheit hinzunehmende Rechtsfolge (vgl. BGH AG 2005, 313m.w.N.). Aus dem Rücksichtnahmegebot des Mehrheitsgesellschafters lässt sich nichts anderes ableiten. Dieser ist in der Disposition über seine Beteiligung grundsätzlich frei und muss nicht aus Rücksicht auf die Vermögensinteressen anderer Mitgesellschafter seinerseits erhebliche Vermögensnachteile in Kauf nehmen.
Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, durch Verwendung des Erlöses des Verkaufs der Pharmasparte für eine Kapitalherabsetzung bzw. einen Aktienrückkauf und dem damit verbundenen Kursanstieg den Kleinaktionären die Möglichkeit zu geben, den Kaufpreiszufluss aus dem Verkauf der Pharmasparte steuerfrei zu vereinnahmen. Zunächst handelt es sich bei der Entscheidung, ob vorhandene Barmittel als Dividende auszuschütten sind, oder diese Mittel im Wege einer Kapitalherabsetzung und/oder Aktienrückkauf verwendet werden sollten, um eine unternehmerische Entscheidung, die an sich nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Wie sich zudem aus der Rechtssystematik der §§ 58, 254 AktG ergibt, geht das Gesetz davon aus, dass Aktionäre grundsätzlich einen Anspruch auf die höchst mögliche Gewinnausschüttung haben (vgl. Cahn/Senger in Spindler/Stilz AktG § 58 Rz. 2 m.w.Nachw.). Weiterhin könnte es vorliegend zwar für einzelne Aktionäre wirtschaftlich zweckmäßig gewesen sein, wenn durch einen Aktienrückkauf der Börsenkurs gestiegen wäre und sie dann durch Verkauf ihre Aktien das der Beklagten durch den Verkauf der Pharmasparte zugeflossene Kapital für sich hätten steuerfrei realisieren können, doch bedeutet dies, dass nur Aktionäre von dem Verkauf der Pharmasparte hätten wirtschaftlich profitieren können, die sich von ihrer Beteiligung an der Beklagten getrennt hätten. Aktionäre die an ihrer Beteiligung an der Beklagten hätten festhalten wollen, hätten wirtschaftlich unmittelbar nicht am Verkauf der Pharmasparte profitieren können im Gegensatz zur beschlossenen Sonderausschüttung. Zudem erscheint es fraglich, ob bei einem massenhaften Verkauf es tatsächlich zu Kurssteigerungen in dem Umfang gekommen wäre, der die (verkaufenden) Aktionäre in dem Umfang an dem Erlös des Verkaufs der Pharmasparte beteiligt hätte, wie die beschlossene Sonderausschüttung abzüglich ggf. zu zahlender privater Ertragsteuern. Soweit die Kläger vorbringen, dass bei einer Kapitalherabsetzung und Rückzahlung, hier ist wohl die nach § 222 Abs. 3 AktG gemeint, bei der ein Teil des Grundkapitals zurückgezahlt wird, von der Aktionären steuerfrei hätte vereinnahmt werden können, so ist dies angesichts des gesetzlichen Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht zutreffend. Zahlungen auf Grund einer den handelsrechtlichen Vorschriften entspr. Herabsetzung des Grund- oder Stammkapitals einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft sind handelsrechtlich zwar kein Ertrag des Kapitals, sondern Kapitalrückzahlung. Diese Zahlungen gehören steuerrechtlich jedoch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den Einnahmen der Anteilseigner aus Kapitalvermögen, soweit die Bezüge als Gewinnausschüttung i. S. d. § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG gelten. Für die Aktionäre hätte sich daher im Ergebnis steuerlich zu der Sonderausschüttung keine Änderung ergeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO i.V.m. § 101 ZPO. Für den erst nach der mündlichen Verhandlung beigetretenen Streithelfer der Beklagten war eine Kostenentscheidung nicht veranlasst, da die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet wurde. Unterbleibt eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, entfällt gemäß §§ 67, 68 2. Halbsatz 1. Alternative ZPO auch die Interventionswirkung mit der Folge, dass über die Kosten dieses Beitretenden nicht zu entscheiden ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Schleswig-Holsteinische Anzeigen 1999, 102; Kammerurteil v. 9.3.2004 - 3-05 O 107/03 € insoweit in NZG 2004, 672 nicht abgedruckt).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 10.12.2007
Az: 3-5 O 141/07, 3-5 O 141/07, 3-05 O 141/07, 3-05 O 141/07
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