Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 9. Juli 2008
Aktenzeichen: 33 Wx 119/07
(OLG München: Beschluss v. 09.07.2008, Az.: 33 Wx 119/07)
Tenor
I. Der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 27. April 2007 zur Vergütung des ehemaligen Betreuers wird aufgehoben.
II. Die Angelegenheit wird zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Für den im Jahr 2007 verstorbenen Betroffenen war seit vielen Jahren der Beschwerdeführer als Betreuer mit umfangreichem Aufgabenkreis tätig gewesen. Dieser übte sein Amt nicht berufsmäßig aus, erhielt jedoch regelmäßig eine Vergütung, die ihm seit 1.7.2000 auf eigenen Wunsch als monatliche Pauschale gewährt wurde, zuletzt in Höhe von 1.078,80 €. Wegen der Gesetzesänderung zur Betreuervergütung mit Wirkung vom 1.7.2005 stornierte der Betreuer den Dauerauftrag für seine Pauschalvergütung und bat um gerichtliche Stellungnahme zur Rechtslage nach der Änderung des Vergütungsrechts. Das Amtsgericht legte daraufhin im Beschluss vom 28.3.2006 seine Rechtsauffassung dar, wonach die monatliche Pauschalvergütung gemäß Beschluss vom 12.12.2002 gegenstandslos geworden sei.
Für den Betreuungszeitraum 26.4. bis 26.7.2006 beantragte der Beschwerdeführer am 26.7.2006 eine Vergütung von 8.563,18 €. Dabei ging er von einem Zeitaufwand von 78 Stunden 59 Minuten bei einem Stundensatz von 93 € aus, zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer und Reisekosten in Höhe von 36,60 €. Das Amtsgericht setzte am 1.12.2006 eine durch die Sätze des VBVG begrenzte Vergütung von 330 € fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 27.4.2007 zurück und ließ zugleich die sofortige weitere Beschwerde zu. Mit dieser begehrt der Betreuer weiterhin die Festsetzung einer Vergütung im beantragten Umfang.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Die Voraussetzungen für eine dem ehrenamtlichen Betreuer ausnahmsweise zu bewilligende Vergütung lägen hier vor, da nicht nur der Betroffene über ein erhebliches Vermögen verfüge, sondern insbesondere auch die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen in der Schweiz rechtliche Schwierigkeiten und einen erheblichen Zeitaufwand mit sich bringe.
Der ehrenamtliche Betreuer könne jedoch keine höhere Vergütung verlangen, als sie einem Berufsbetreuer zustünde. Die Einwände des Betreuers rechtfertigten keine andere Sichtweise, da die Betreuungsleistungen erst nach dem Inkrafttreten des VBVG zum 1.7.2005 erbracht worden seien.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.
a) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass angesichts der Schwierigkeit insbesondere der Vermögensbetreuung eine Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers gemäß § 1836 Abs. 2 BGB durch den vermögenden Betroffenen gerechtfertigt sei. Für die Zeit vor Inkrafttreten des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes zum 1.7.2005 habe nach h. M. in Rechtsprechung und Literatur dem ehrenamtlichen Betreuer in keinem Fall eine höhere Vergütung zugebilligt werden dürfen als einem Berufsbetreuer. Die durch einen Berufsbetreuer zu erzielende Vergütung stellte demnach einen Kontroll- und Höchstwert dar (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 1138/1139 m.w.N.).
9b) Nach dem Inkrafttreten des VBVG kann die Kontroll- und Höchstwertfunktion der Vergütung eines berufsmäßigen Betreuers für die angemessene Vergütung eines ehrenamtlichen Betreuers nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr kann aufgrund der neuen Systematik des Vergütungsrechts für Berufsbetreuer der ehrenamtliche Betreuer eine im Einzelfall höhere Vergütung erhalten als der Berufsbetreuer (vgl. ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 1270; Bienwald FamRZ 2006, 1302).
c) Vor dem Inkrafttreten des VBVG richtete sich die Vergütung des Berufsbetreuers nach den entsprechend der Schwierigkeit der Betreuung unterschiedlich hohen Qualifikationsanforderungen und dem für die einzelne Betreuung zu erbringenden Zeitaufwand, durch den sich der Umfang der Betreuung bestimmte. Die Vergütung bemaß sich dann nach dem mit einem bestimmten Stundensatz zu multiplizierenden konkreten Zeitaufwand für die Betreuung.
Mit dem VBVG wurde ein System der Pauschalierung der Vergütung des Berufsbetreuers eingeführt. Maßgeblich ist nicht mehr die für die einzelne Betreuung konkret aufgewendete Zeit. Der zu vergütende Zeitaufwand wird durch in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VBVG festgelegte Pauschalen bestimmt. Für den Berufsbetreuer kommt es nicht mehr auf die im einzelnen Betreuungsfall angemessene Vergütung an. Die Angemessenheit der Vergütung des Berufsbetreuers soll sich nach Auffassung des Gesetzgebers aus einer Mischkalkulation zwischen aufwändigen Betreuungen mit gegenüber den Pauschalen höherem und einfachen Betreuungen mit gegenüber den Pauschalen geringerem Zeitaufwand ergeben. Berufsbetreuer, die überdurchschnittlich viele schwierige Fälle betreuten, könnten sich zur Vermeidung von Härten an die Vormundschaftsgerichte ihrer Bezirke wenden und auf ihre Belastungssituation aufmerksam machen, um Abhilfe zu schaffen (BT-Drucks. 15/2494, S. 33). Um die Vorteile des vereinfachten Pauschalierungsverfahrens zu erhalten, sieht das VBVG in § 4 Abs. 2 Satz 1 darüber hinaus vor, dass mit den Stundensätzen des § 4 Abs. 1 VBVG auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer abgegolten sind. Die Abrechnung nach dem tatsächlich entstandenen Aufwand würde die durch die Stundenpauschalierung erzielten Vorteile zunichte machen. Da der Aufwand entsprechend der entfalteten Tätigkeit steige, sei es sinnvoll, die Aufwandspauschale in Abhängigkeit von der Stundenpauschale zu berechnen (BT-Drucks. 15/2494 S. 35 f.).
d) Die Angemessenheit einer Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers bemisst sich hingegen gemäß § 1836 Abs. 2 BGB nach wie vor nach dem Umfang und der Schwierigkeit der konkreten Betreuung. Der Umfang und damit der zu erbringende Zeitaufwand ist entscheidendes Kriterium sowohl für die Frage, ob der ehrenamtliche Betreuer überhaupt eine Vergütung erhält, als auch in welchem Umfang diese zu gewähren ist. Damit ist eine - auch als Höchstgrenze herangezogene - Pauschalierung nach den Stundenansätzen gemäß § 5 Abs. 1 und 2 VBVG nicht vereinbar. Die nach §§ 4 und 5 VBVG ermittelte Vergütung eines Berufsbetreuers kann somit auch nicht mehr als Maßstab für die Angemessenheit der Vergütung eines ehrenamtlichen Betreuers herangezogen werden. Eine Mischkalkulation, wie sie nach den Vorstellungen des Gesetzgebers für die Vergütung der Berufsbetreuer möglich und typisch sein soll, scheidet bei einem ehrenamtlichen Betreuer aus, der in der Regel nur eine oder sehr wenige Betreuungen führt. Angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen dem Pauschalsystem der Berufsbetreuervergütung und der einzelfallbezogenen Vergütung eines ehrenamtlichen Betreuers kann erstere auch nicht mehr als Begrenzung für letztere herangezogen werden. Gleiches gilt für den Aufwendungsersatz, der für den ehrenamtlichen Betreuer einer auch vergleichenden Pauschalierung ebenfalls nicht zugänglich ist.
3. Der Senat hält aufgrund der vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen folgende Vergütung für angemessen:
a) Eine Abrechnung nach den Bestimmungen über die Rechtsanwaltsvergütung kommt nicht in Betracht. Wie sich aus den Akten ergibt, wurde der Betreuer für anwaltsspezifische Tätigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit und Vergleichschluss in der Schweiz, gesondert vergütet. Insoweit greift auch nicht der Hinweis auf die vom Landgericht für die Gegenbetreuerin gebilligte Abrechnung nach der BRAGO, die hier infolge des zeitlichen Ablaufs noch anwendbar ist. Hierbei handelt es sich nicht um eine Vergütung nach § 1836 BGB, sondern um die Gewährung einer Aufwandsentschädigung im Rahmen des § 1835 Abs. 3 BGB. Im Übrigen hat der Betreuer in seinem Antrag vom 26.7.2006 - zu Recht - keine BRAGO-Abrechnung verlangt.
b) Rechtsgrundlage für die Vergütung ist § 1836 Abs. 2 BGB.
Es bedarf keiner erneuten Darlegung, dass dem Betreuer grundsätzlich eine Vergütung seiner ehrenamtlichen Tätigkeit zu gewähren ist. Für die Angemessenheit sind nach Auffassung des Senats weiterhin die vor dem Inkrafttreten des VBVG angewandten Grundsätze maßgeblich, so dass dem Betreuer eine monatliche Pauschale von 1.078,80 € zusteht. Mit seinem Beschluss vom 28.3.2006 hat das Amtsgericht lediglich seine - wie dargelegt nicht zutreffende - Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht, den ursprünglichen Beschluss jedoch nicht aufgehoben. Gründe für eine Abweichung von dem bisher für angemessen erachteten Vorgehen sind nicht ersichtlich; insbesondere entsprach es - auf Wunsch des Betreuers - seit Jahren nicht der Gepflogenheit, auf Zeitbasis abzurechnen. Hinsichtlich des Antrags vom 26.7.2006 kommt hinzu, dass einige Angaben (z.B. Zeithonorar) wenig spezifisch sind und ebenso wie einige andere Einzelpositionen wohl eher den damals noch ausstehenden Vergleichsabschluss betreffen, für den der Betreuer gesondert als Rechtsanwalt vergütet wurde. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 12.12.2002 festgesetzte Pauschale für die nicht nach BRAGO bzw. RVG zu vergütenden Tätigkeiten der Betreuung keine angemessene Vergütung mehr darstellt. Eine angemessene Vergütung für den Zeitraum 26.4. bis 26.7.2006 ist daher mit dreimal 1.078,80 € = 3.236,40 € zu bemessen.
IV.
Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung jedoch deswegen gehindert, weil die Vergütung nach dem - bereits vor der landgerichtlichen Entscheidung eingetretenen - Tod des Betroffenen gegen dessen Erben festzusetzen ist.
1. Nach einhelliger Auffassung können auch nach dem Tod des Betroffenen Aufwendungsersatz und Vergütung des Betreuers durch das Vormundschaftsgericht im Verfahren gemäß § 56g Abs. 1 FGG festgesetzt werden (vgl. OLG Frankfurt NJW 2004, 373; BayObLG FamRZ 2001, 866/867 je m.w.N.).
Tritt der Tod des Betroffenen während des Vergütungsfestsetzungsverfahrens ein, so unterbricht dies das Verfahren nicht, da sich dessen Gegenstand nicht verändert. Das Verfahren wird mit den Rechtsnachfolgern des Betroffenen fortgesetzt. Da der Tod des Betroffenen bereits vor der landgerichtlichen Entscheidung eingetreten ist, war er bei der Vergütungsfestsetzung durch das Beschwerdegericht zu berücksichtigen. Insoweit weicht der Sachverhalt hier von dem durch das Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall ab, in dem die Betroffene erst während des Rechtsbeschwerdeverfahrens starb und der Senat eine Haftungsbeschränkung der Erben lediglich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage für möglich ansah (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1912 f).
2. Nach dem Tod des Betreuten wird der Vergütungsanspruch des Betreuers zur Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1609/1610; FamRZ 2001, 866/867; Senatsentscheidung FamRZ 2006, 508/509). Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens ist die Haftungsbeschränkung des Erben nach § 1836e Abs. 1 Satz 3, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen. Nach dem Wortlaut des § 1836e BGB ist die Haftungsbeschränkung für den Erben zwar nur im Fall des Regresses der Staatskasse vorgesehen. Da jedoch wegen gleicher Interessenlage kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung ersichtlich ist und eine offenbare Gesetzeslücke besteht, hat sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein die Auffassung durchgesetzt, dass die Haftungsbeschränkung des § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann gilt, wenn der Erbe nach dem Tod des Betroffenen unmittelbar auf die noch nicht festgesetzte Betreuervergütung und Auslagenersatz in Anspruch genommen werden soll (vgl. BayObLG aaO; Senat aaO; OLG Frankfurt aaO je m.w.N.).
Auch wenn nach den im bisherigen Verfahren bekannt gewordenen Vermögensverhältnissen des Betroffenen nicht von einer Dürftigkeit des Nachlasses auszugehen sein wird, kann ohne nähere, dem Beschwerdegericht obliegende Feststellungen zum Wert des Nachlasses im gemäß § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls weder Vergütung noch Aufwendungsersatz gegen die Erben festgesetzt werden.
Der Beschluss des Landgerichts war daher aufzuheben und die Angelegenheit zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
OLG München:
Beschluss v. 09.07.2008
Az: 33 Wx 119/07
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