Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. August 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 332/03
(BPatG: Beschluss v. 12.08.2005, Az.: 14 W (pat) 332/03)
Tenor
Das Patent 198 48 467 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibung Seiten 2 und 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. August 2005.
Gründe
I Die Erteilung des Patents 198 48 467 mit der Bezeichnung
"Alkalisches Zink - Nickelbad"
ist am 27. Februar 2003 veröffentlicht worden.
Gegen dieses Patent ist am 26. Mai 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents sei ua gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen
(1) DE 295 04 276 U1
(4) DE 31 21 016 C2 und
(5) DE 37 12 511 A1 belegten Stand der Technik nicht patentfähig.
Die Patentinhaberin verfolgt ihr Patentbegehren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Patentansprüche 1 bis 4 weiter, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Alkalisches Zink-Nickel-Bad zur kathodischen Abscheidung von Zink/Nickel-Legierungsüberzügen, gekennzeichnet durchdie Verwendung von N-Benzyl-Nicotinat-Betain und Pentaethylenhexamin."
Zum Wortlaut der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Einsprechende ist der Ansicht, der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents sei durch den Stand der Technik nahe gelegt. Insbesondere wisse der Fachmann ausgehend von (1), dass die Komplexierung der Metallionen des Zink/Nickelbades über die Aminfunktion des Komplexbildners erfolge und es daher auf der Hand liege, ein Polyalkylenamin mit mehr Amingruppen als die in (4) oder (5) genannten Verbindungen einzusetzen. Überdies habe die Patentinhaberin keine Vorteile der nunmehr beanspruchten Kombination von Badbestandteilen gegenüber den bekannten Badzusammensetzungen nachweisen können. Der vorgelegte Vergleichsversuch sei jedenfalls nicht geeignet, einen vermeintlichen Vorteil zu belegen. Auch seien unzutreffende Beispiele miteinander verglichen worden. Im übrigen habe die Patentinhaberin in ihrer letzten Eingabe eine neue Aufgabe formuliert, die den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen sei.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen.
Sie macht geltend, dass der entgegen gehaltene umfangreiche Stand der Technik dem Fachmann keine Veranlassung gebe, den beanspruchten Komplexbildner Pentaethylenhexamin in Kombination mit dem Glanzbildner N-Benzyl-Nicotinat-Betain in einem Zink/Nickel - Elektroplattierungsbad zu verwenden. Vielmehr rege er übereinstimmend dazu an, substituierte Polyalkylenimine einzusetzen. Die Vorteile der beanspruchten Badzusammensetzung seien gegenüber dem nächst liegenden Stand der Technik durch Vergleichsversuche belegt worden; auch eine Modifikation der Aufgabe sei zulässig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II 1. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
2. Bezüglich der ursprünglichen Offenbarung des alkalischen Zink-Nickelbades nach den Ansprüchen 1 bis 4 bestehen keine Bedenken.
Die geltende Anspruch 1 lässt sich aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 in Verbindung mit dem ursprünglichen Anspruch 4 herleiten und basiert auf dem erteilten Anspruch 1. Die Ansprüche 2 bis 4 gehen auf die ursprünglichen Ansprüche 6 bis 8 bzw die erteilten Ansprüche 4 bis 6 zurück.
3. Das Zink-Nickel-Bad gemäß Anspruch 1 ist neu.
Das in der Entgegenhaltung (1) beschriebene alkalische Elektroplattierungsbad zur Abscheidung von Zink - Nickel - Legierungsüberzügen enthält als Glanzbildner zwar 1-Benzylpyridinium-3-carboxylat, dh N-Benzylnicotinatbetain, nicht aber den Komplexbildner Pentaethylenhexamin (Ansp 1 iVm Ansp 7 und 8).
Die Druckschrift (4) beschreibt ein polymeres Zusatzmittel für wässrigalkalische Zinkbäder auf Basis von mit Sauerstoff und/oder Schwefel enthaltenden Gruppen N-substituierten Polyalkyleniminen, die als Glanzbildner 1-Benzylpyridinium-3-carboxylat enthalten (Sp 2 Z 9 bis 17 und 39 bis 43).
(5) gibt ein alkalisches Elektroplattierungsbad zur Abscheidung von Zink - Nickel - Legierungsüberzügen mit anderen aliphatischen Aminen als das beanspruchte Pentaethylenhexamin, nämlich Monoethanolamin, Diethanolamin, Triethanolamin, Ethylendiamin, Diethylentriamin, Iminobispropylamin, Triethylentetramin, Tetraethylenpentamin, Hexamethylendiamin, N,N'-bis-(triaminopropyl)ethylendiamin, als Komplexbildner an (Ansp 1 und 4 iVm S 3 Z 45 bis 47).
Die übrigen, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften (2), (3) und (6) bis (26) liegen ferner und können die Neuheit des Gegenstandes des Streitpatents nicht in Frage stellen. Dies räumt auch die Einsprechende ein.
4. Das Zink-Nickel-Bad nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aufgabe des vorliegenden Patents ist es, ein galvanisches Elektroplattierungsbad für Zink - Nickel - Legierungsüberzüge zu schaffen, welches optisch ansprechende Zink - Nickelschichten mit homogener Zink - Nickel - Verteilung ermöglicht (Streitpatent S 2 Abs [0011]).
Die Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 gelöst mit einem - alkalischen Zink - Nickel - Bad zur kathodischen Abscheidung von Zink/Nickel - Legierungsüberzügen,
- welches N-Benzyl-Nicotinat-Betain und Pentaethylen-
hexamin verwendet.
Den nächst liegenden Stand der Technik beschreibt die Entgegenhaltung (1). Darin wird ein alkalisches Elektroplattierungsbad zur Abscheidung von Zink-Nickel-Legierungsüberzügen angegeben, welches eine vergleichbare Aufgabe löst (S 3 Abs 3). Als Komplexbildner werden zwar aliphatische Amine eingesetzt, im allgemeinen Verbindungen wie Monoethanolamin, Di- und Triethanolamin, Ethylendiamin, Tetraethylenpentamin oder Hexamethylendiamin, wobei aber außerdem der Zusatz von substituierten Tetrakisalkylendiaminen, insbesondere des N,N,N',N',-tetrakis-(2-hydroxypropyl)-ethylendiamins zwingend erforderlich ist (S 3 Abs 4 bis S 4 Abs 3 und S 5 Abs 5). In Kombination mit N-Benzyl-Nicotinat-Betain als Glanzbildner lässt sich damit eine deutliche Kornverfeinerung, eine Stabilisierung der Legierungszusammensetzung und daraus resultierend eine gleichmäßige Abscheidung erzielen (S 6 Abs 1 iVm Ansp 7 und 8). Eine Anregung dahingehend, das nächste Homologe zum Tetraethylenpentamin, das Pentaethylenhexamin, als Komplexbildner einzusetzen, erhält der Fachmann, hier ein Chemiker mit Erfahrung in der Galvanotechnik, indessen aus (1) nicht.
Wie bezüglich der Neuheit des Patentgegenstandes nach Anspruch 1 bereits ausgeführt, enthalten auch die Entgegenhaltungen (4) und (5) keine Hinweise auf die Verwendung von Pentaethylenhexamin als Badzusatz, so dass der Fachmann auch aus der Zusammenschau der Druckschriften (1) mit (4) oder (5) keine Anredung in Richtung auf die patentgemäße Lösung gemäß Anspruch 1 erhalten konnte.
Die Einsprechende hat hierzu zwar eingewandt, es sei schon deshalb naheliegend, auf das Pentaethylenhexamin zurück zu greifen, weil die Komplexbildung bekanntermaßen über die Aminfunktion erfolge und das Hexamin bei gleicher Molmenge ersichtlich bessere Komplexbildungseigenschaften aufweise. Für die Verwendung des nächst höheren Homologen Pentaethylenhexamin als Badzusatz spreche in diesem Zusammenhang zudem auch der niedrige Substitutionsgrad durch Carbamoyl- bzw Thiocarbamoylgruppen der in Druckschrift (4) angegebenen Polyalkylenimine (Ansp 1). Auch sei es für den Fachmann üblich, homologe Verbindungen systematisch auf bestimmte Wirkungen hin zu untersuchen, so dass er zwangsläufig auf die beanspruchte Badzusammensetzung habe stoßen müssen.
Dieser Einwand vermag jedoch nicht durchzugreifen.
Das 1981 angemeldete Patent (4) lehrt den Fachmann, zur Verbesserung der Abscheidung von Zinküberzügen aus wässrigalkalischen Bädern substituierte Polyalkylenimine zu verwenden (Sp 3 Z 9 bis 14 iVm Ansp 1). In dem in (5) im Jahr 1987 beschriebenen Elektroplattierungsbad werden dann die vorstehend genannten aliphatischen Amine zur Lösung der Aufgabe eingesetzt (Ansp 4 iVm S 3 Z 15 bis 25). Die Erfinder des zuletzt vor dem Streitpatent angemeldeten Gebrauchsmusters (1) haben den vom Stand der Technik gemäß (4) und (5) bereits einige Jahre zuvor eingeschlagenen Weg weiter verfolgt und neben den in Anspruch 4 von (5) beschriebenen Aminen weitere verzweigte Diamine als Komplexbildner vorgeschlagen (Ansp 1). Der Umstand, dass der Fachmann auch in der jüngsten Entgegenhaltung (1) somit das Homologe Pentaethylenhexamin nicht berücksichtigt, sondern den eingeschlagenen Weg fortgesetzt hat, spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass die von der Patentinhaberin im vorliegenden Fall gefundene Lösung nicht auf der Hand lag, sondern dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um zu ihr zu gelangen.
Die Einsprechende macht zudem geltend, das Bad nach Anspruch 1 weise keine Vorteile gegenüber dem Stand der Technik (1) auf; dies gehe auch aus dem von der Patentinhaberin vorgelegten Vergleichsversuch hervor. Dieser sei überdies schon deshalb nicht aussagekräftig, weil er unter anderen Voraussetzungen durchgeführt worden sei. Die Patentinhaberin gehe von nur 15 Minuten Abscheidedauer in der Hullzelle aus, während in (1) 30 Minuten Abscheidedauer vorgesehen seien. Auch vergleiche sie fälschlicherweise die Beispiele 1 und 2 mit dem Bad nach Anspruch 1 des Streitpatents. Dabei enthalte das Bad nach Beispiel 1 von (1) kein N-Benzyl-Nicotinat-Betain, so dass der Vergleich mit dem Vergleichsbeispiel aus (1) hätte erfolgen müssen. Dessen Ergebnisse belegten aber, dass eine Erhöhung der Stromausbeute durch die vermeintlich erfinderische Badzusammensetzung nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht vorliege (Tab S 1 des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Vergleichsversuchs iVm Vergleichsbeispiel 1 von (1)).
Die Ausführungen der Einsprechenden überzeugen indessen nicht.
Ausgehend von der gestellten Aufgabe, wonach optisch ansprechende Zink - Nickelschichten mit homogener Zink - Nickel - Verteilung ermöglicht werden sollen, hatte die Patentinhaberin keine Veranlassung, das Bad nach Vergleichsbeispiel 1 von (1) in ihren Vergleich einzubeziehen, weil schon das Aussehen des abgeschiedenen Überzuges, welches als amorph und mattgrau über den gesamten Stromdichtebereich beschrieben ist, der Lösung der Aufgabe nicht gerecht wird (Vergleichsbeispiel S 7 Abs "Aussehen"). Auch der damit erzielbare Nickelanteil mit überwiegend unter 8% im Überzug genügt nach den Ausführungen der Patentinhaberin nicht, um eine ausreichende Korrosionsbeständigkeit beim beschichteten Gut zu erreichen. Im Übrigen ist ein Vergleichsversuch gegenüber dem nächst gelegenen Stand der Technik durchzuführen (vgl Schulte PatG, 7. Aufl, § 1 Rn 356); dieser wird durch die in (1) beschriebene Badzusammensetzung repräsentiert (Ansp 1 iVm Ansp 7 und 8 und Beispiel 2). Er ergibt die im Vergleichsversuch dargestellten, gegenüber dem nächst liegenden Stand der Technik höheren Stromausbeuten (S 1 Vergleichsversuch).
Auch der Einwand der Einsprechenden die kürzere Abscheidedauer betreffend geht ins Leere, weil erst die patentgemäße Badzusammensetzung höhere Stromausbeuten mit entsprechend höheren Durchsatzraten ermöglicht. Die Patentinhaberin hat die nachgereichten Vorteile schlüssig dargelegt, so dass der Senat keinen Anlass gesehen hat, an ihrem Vorbringen zu zweifeln (S 2 Vergleichsversuch viertletzt Abs). Eigene Vergleichsversuche, die diese Angaben hätten widerlegen können, hat die Einsprechende hingegen nicht vorgelegt.
Es erübrigt sich auch, auf den in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwand der Einsprechenden einzugehen, wonach die ursprüngliche Offenbarung keine Aussage über die in Rede stehenden Vorteile enthalte. Sie müssen nicht ursprünglich mit offenbart sein, sondern können zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem entgegen gehaltenen Stand der Technik nachgebracht werden (Schulte PatG, 7. Aufl, § 4 Rn 126 mwN). Das Gleiche gilt für die monierte Modifikation der Aufgabe, die im Übrigen keinen Eingang in die Patentschrift gefunden hat.
Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen gehen nicht über die Lehren der vorstehend abgehandelten Druckschriften hinaus und führen den Fachmann ebenfalls nicht zum vorliegend beanspruchten Zink - Nickel - Bad. Auch eine Zusammenschau führt zu keinen weiteren Gesichtspunkten.
5. Nach alledem ist der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit; Anspruch 1 hat daher Bestand.
Das Gleiche gilt für die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4, die weitere, nicht platt selbstverständliche Ausführungsformen des Gegenstandes nach Anspruch 1 betreffen.
Schröder Harrer Gerster Schuster Na
BPatG:
Beschluss v. 12.08.2005
Az: 14 W (pat) 332/03
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