Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 30. September 2003
Aktenzeichen: 4 U 96/03

(OLG Hamm: Urteil v. 30.09.2003, Az.: 4 U 96/03)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 1. August 2003 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegnerin untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel E" zu werben:

Müde€ Gestresst€ Ausgepowert€

Leistungsfähigkeit Vitalität Antriebskraft Energie

E. und Du hat die Power

wie in der Anzeige in der Ausgabe der Bildzeitung vom 22. Mai 2003 (kopierte Anlage A 2).

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie sich dagegen wendet, dass ihr die Werbung für ihr Präparat "E.", wie sie im Tenor des Senatsurteils wiedergegeben ist, untersagt worden ist, ist unbegründet. Soweit der Antragsteller im Senatstermin das begehrte Verbot ausdrücklich auf die konkrete Verletzungsform wie in der Anzeige in der Ausgabe der Bildzeitung vom 22. Mai 2003 bezogen hat, liegt darin lediglich eine Klarstellung des Begehrens. Denn der Antragsteller hat sich von Anfang an gegen die konkrete Verletzungshandlung, die besagte Anzeige vom 22. Mai 2003, gewandt, wie bereits in der Abmahnung vom 30. Mai 2003 (s. Anlage 4) und sodann auch in der Antragsbegründung deutlich geworden ist.

Soweit die Antragsgegnerin rügt, das Landgericht habe gegen § 139 ZPO verstoßen, indem es in der mündlichen Verhandlung geäußert habe, das Begehren der Antragstellerin sei kaum begründet, und ihm dann doch stattgegeben habe, ohne ihr Gelegenheit zu geben, zu der geänderten Ansicht Stellung zu nehmen, hilft ihr das schon aus tatsächlichen Erwägungen nicht weiter. Laut Protokoll hat das Landgericht lediglich darauf hingewiesen, das Bestehen eines Verfügungsanspruchs könne nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage eventuell fraglich sein. Darin liegt aber gerade keine Festlegung im Hinblick auf die die noch zu treffende Enscheidung, so dass vor diesem Hintergrund für die Antragsgegnerin keine Veranlassung bestehen konnte, im Termin vor dem Landgericht von weiteren Ausführungen Abstand zu nehmen.

Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO scheidet schon im Hinblick auf die erfolgte Klarstellung des Begehrens des Antragstellers aus.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bestehen gegen die Antragsbefugnis des Antragstellers nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG keine Bedenken. So hat der Senat den Antragsteller auch in seinen jüngsten Entscheidungen auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel für prozessführungsbefugt angesehen. Bei der Beantwortung der Frage, welche Gewerbetreibenden und in welcher Zahl dem Antragsteller angehören, die Waren gleicher oder verwandter Art vertreiben, ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der Waren verwandter Art nicht eng auszulegen ist. Es reicht aus, dass die beiderseitigen Waren sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz der Ware des einen Mitbewerbers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Dann ist aber nicht allein auf die Mitglieder des Antragstellers abzustellen, die Nahrungsergänzungsmittel herstellen und/oder vertreiben, sondern auch auf die, die mit der Herstellung und dem Vertrieb von Lebensmitteln, von Naturheilmitteln und diätetischen Mitteln befasst sind, und auf die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, die bekanntermaßen Vitamine herstellen (vgl. dazu BGH GRUR 1997, 541 ff, 542 - Produkt - Interview). Die entsprechenden Mitgliedsunternehmen des Antragstellers sind danach nach Anzahl und Größe als repräsentativ anzusehen, wie der Senat in der Vergangenheit unverändert festgestellt hat.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist schließlich nicht rechtsmissbräuchlich nach § 13 Abs. 5 UWG. Selbst dann, wenn der Antragsteller es in einem anderen Verfahren unterlassen haben sollte, Werbeaussagen, die den vorliegenden ähnlich sind, anzugreifen, kann allein daraus nicht darauf geschlossen werden, der Antragsteller verfolge hier überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und diese erschienen als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des Vorgehens des Antragstellers.

Die Antragsgegnerin verstößt mit der beanstandeten Anzeige gegen § 1 UWG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 a LMBG. Danach liegt eine verbotene irreführende Werbung für Lebensmittel insbesondere dann vor, wenn diesen Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht gesichert sind.

Die Antragsgegnerin legt ihrem Ergänzungsnahrungsmittel "E.", also ein Lebensmittel, in der Werbung eine Wirkung bei, die ihm so nicht zukommt.

Dabei richtet sich die Werbung entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin an alle Bildzeitungsleser und nicht nur an die jüngere Generation. Denn auch die ältere Generation kennt als Teil des Kreises des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers nicht nur "müde", sondern auch die Begriffe "gestresst" und "ausgepowert". Es wird auch nicht ein besonderer Verbraucherkreis mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel in Form von Vitaminpräparaten angesprochen, sondern allgemein der Leser, der Erschöpfungszustände aufweist.

Die Antragsgegnerin suggeriert ausgehend von diesen Begriffen nicht nur ein allgemein positives Lebensgefühl, sondern misst mit ihren Werbeaussagen ihrem Präprarat konkrete Wirkung bei. Dabei ist auf den Inhalt der gesamten Anzeige abzustellen, wie sie sich den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen auch die Senatsmitglieder zählen, darstellt, und die Gegenstand des Verbots ist. Mit der Anzeige wird der Leser zunächst gefragt, ob bei ihm Erschöpfungszustände - charakterisiert durch die Begriffe "müde", "gestresst", "ausgepowert" - vorliegen. In dem unteren Teil der Anzeige wird ihm dann suggeriert, dass er diesem Erschöpfungszustand durch die Einnahme des Präparats der Antragsgegnerin abhelfen kann. Den Begriffen "müde", "gestresst" und "ausgepowert" werden nicht nur die Begriffe "Leistungsfähigkeit", "Vitalität", "Antriebskraft" und "Energie" gegenübergestellt, sondern es heisst dort ausdrücklich "E. und Du hast die Power". Der Erschöpfungszustand wird also durch die Einnahme des Präparats der Antragsgegnerin beseitigt, indem die erforderliche Kraft zurückgegeben wird.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist diese Aussage nicht so zu verstehen, dass es hier allein um Erschöpfungszustände handelt, die auf Vitaminmangel beruhen, denn eine solche Einschränkung enthält die Werbung gerade nicht. In ihr wird im Gegenteil ganz generell auf Erschöpfungszustände hingewiesen, die bekanntermaßen auch andere Ursachen als Mangelerscheinungen im Vitaminhaushalt haben können, wie auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede stellt.

Bei solchen Erschöpfungszuständen soll das Präparat der Antragsgegnerin gleichfalls wirken. Insoweit ist das Landgericht aber zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass derartige Wirkungen wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind, letztlich aber auch von der Antragsgegnerin selbst nicht behauptet werden.

In dem Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 a LMBG liegt zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG.

Einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c LMBG hat der Antragsteller dagegen nicht dargetan, zumal die Antragsgegnerin ihrem Präparat nicht den Anschein eines Arzneimittels gibt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 30.09.2003
Az: 4 U 96/03


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