Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2001
Aktenzeichen: 29 W (pat) 3/00
(BPatG: Beschluss v. 04.07.2001, Az.: 29 W (pat) 3/00)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die farbige Wort-Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endesoll für die Waren und Dienstleistungen
"Druckereierzeugnisse; Unternehmensberatung; Finanzwesen, Finanzberatung"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer durch einen Beamten des höheren Dienstes ergangen ist, zurückgewiesen, weil der angemeldeten Kennzeichnung jegliche Unterscheidungskraft fehle und einer Eintragung außerdem ein Freihaltungsbedürfnis entgegenstehe. Es handele sich um eine den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres verständliche rein sachbezogene Angabe in werbeüblicher graphischer Ausgestaltung. Zahlreiche Titel von Druckschriften enthielten das Wort "Tip" und damit verbunden die nähere Bezeichnung des Sachgebiets, auf das sich die Tips beziehen. Mit "Tip" bezeichne man einen nützlichen Hinweis, einen guten Rat, der durchaus auch in schriftlicher oder elektronischer Form vermittelt werden könne. Im Unterscheid zu schutzfähigen Bezeichnungen für Druckschriften wie "Berliner Allgemeine" handele es sich im vorliegenden Fall erkennbar um einen Sachhinweis redaktioneller Art. Eine Verkehrsdurchsetzung sei von der Anmelderin nicht belegt worden. Der Erinnerungsprüfer hat besonders hervorgehoben, dass Steuertips immer wieder in Büchern, Zeitschriften etc. angeboten werden und dass dem Wort daher jedenfalls die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis fehle.
Die Anmelderin ist der Ansicht, die angemeldete Kennzeichnung sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Nach ständiger Rechtsprechung könnten Wort- oder Bildelemente nur dann zurückgewiesen werden, wenn sie einen unmittelbaren Warenbezug aufwiesen. Die Markenstelle habe aber nicht belegt, dass die angemeldete Darstellung in der konkret angemeldeten Form von den Konkurrenten der Anmelderin tatsächlich benötigt werde. Es handele sich auch nicht um eine übliche Darstellungsweise, sondern um eine durch einen Grafiker geschaffene, in einer besonderen Schrift und einer außergewöhnlichen Farbe gehaltene eigenartige, prägnante, phantasievolle Wiedergabe. Insbesondere könne die Farbe die Schutzfähigkeit begründen. Auch sei nach der neuen deutschen Rechtschreibung "Tipp" mit zwei p zu schreiben. Außerdem sei die Bedeutung des Wortes wegen vieler Interpretationsmöglichkeiten von "Tip" unklar. Aus diesen Gründen sei die angemeldete Marke weder freihaltungsbedürftig noch fehle ihr jegliche Unterscheidungskraft. Es seien im übrigen einige Marken mit dem Bestandteil "Tip" und andere vergleichbare Marken vom Deutschen Patent- und Markenamt und vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eingetragen worden. Zudem deute sich eine Wandlung der Rechtsprechung auf europäischem Gebiet zur Frage der Unterscheidungskraft an. Aus diesen Gründen fehle der angemeldeten Marke weder jegliche Unterscheidungskraft noch bestehe ein Freihaltungsbedürfnis.
Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuhebenund regt an, im Falle der Zurückweisung der Beschwerde die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen und/oder die Angelegenheit dem EuGH vorzulegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten sowie auf das Ergebnis einer vom Senat durchgeführten Recherche, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, Bezug genommen.
II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat in der Sache hat jedoch keinen Erfolg. Die angemeldete Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen, weil der Kennzeichnung für sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen jedenfalls jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die angemeldete Marke stellt ein graphisch ausgestaltetes Wort dar, das von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen als werbeübliche Sachangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden wird.
1. Kann einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich auch sonst um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"; WRP 2000, 741 "LOGO"; BGH WRP 2001, 35 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"). Dies ist hier der Fall. Die angemeldete Wortkombination eignet sich als Hinweis auf die Beschaffenheit oder Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, denn sie nimmt auf eine konkrete vorteilhafte Eigenschaft der Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Marke in werbeüblicher, leicht verständlicher Form Bezug und wirkt wegen dieses im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts für sämtliche dieser beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Sachhinweis, nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb (vgl. BGH MarkenR 1999, 347, 348 f "ABSOLUT"; BGH WRP 1999, 1169, 1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES").
2. Wie die Internet-Recherche des Senats belegt, wird der Begriff "Steuertip" - auch in der alten Schreibweise, die neben der neuen zulässig ist - häufig im Sinne von "steuerlicher Hinweis", "Hinweis auf steuerliche Vorschriften und/ oder Steuersparmethoden" von vielen verschiedenen Unternehmen wie zB Herstellern von Druckereierzeugnissen oder auch von einer Wirtschafts- und Steuerkanzlei verwendet. Ein anderes Verständnis als die genannte Bedeutung in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist daher äußerst fernliegend, was besonders für das Verständnis von "Tip" als englisches Wort im Zusammenhang mit dem vorangestellten deutschen Begriff "steuer" gilt. Die Bedeutung der angemeldeten Wortzusammensetzung stellt einen Sachhinweis für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen sowie den Gegenstand der Waren oder Dienstleistungen dar.
3. Auch die grafischen Komponenten machen die angemeldete Kennzeichnung nicht schutzfähig, wobei es für die Schutzfähigkeit nicht auf den Aufwand für die Erstellung der Grafik ankommt, sondern allein darauf, ob der Verkehr darin einen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sieht. Die grafische Ausgestaltung des Wortes in einer relativ gedrungenen, fett gedruckten Outline-Schrift gehört zum üblichen Formenschatz und ist z.B. mit weit verbreiteten Schreibprogrammen wie Microsoft Word oder StarOffice und darin enthaltenen Schriften, die viele vergleichbare Schrifteffekte ermöglichen, leicht zu erstellen. Auch gibt es vielerlei Schriften mit Schatteneffekten auf einschlägigen Websites. In Schriftenkatalogen kommen sehr ähnliche und teilweise wesentlich kompliziertere vergleichbare Schriften vor. Die Hervorhebung von sachbeschreibenden Wörtern durch Farben - besonders durch die Signalfarbe Rot in den verschiedensten Tönen und Schattierungen sind ebenfalls übliche Gestaltungsmittel in der Werbung. Der Verkehr wird die Art der Ausgestaltung daher nicht als Hinweis für einen bestimmten Betrieb ansehen (vgl. dazu auch Althammer/Ströbele, § 8 Rn 59, 145).
Auf die Frage, ob die angemeldete Kennzeichnung sämtliche Waren und Dienstleistungen hinreichend konkret und unmittelbar beschreibt, dass auch ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) gegeben ist, braucht daher nicht mehr eingegangen werden.
4. Diesem Ergebnis können nicht nach Ansicht der Anmelderin vergleichbare Eintragungen des Deutschen Patent- und Markenamts und des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt entgegengehalten werden. Zum einen handelt es sich bei der Marke - anders als bei den meisten der zitierten Marken, deren Eintragung zum Teil allerdings nicht ganz unproblematisch erscheint - um eine für die entscheidungserheblichen Waren und Dienstleistungen klare, unmissverständliche Sachangabe, die keine noch so geringe Unterscheidungskraft besitzt. Solche Marken aber sind auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs und des HABM schutzunfähig. Zweitens ist die Frage der Schutzfähigkeit nicht anhand von Entscheidungen über Drittzeichen, sondern jeweils im Einzelfall zu beurteilen (vgl. zur ähnlichen Problematik von Paralleleintragungen BGH GRUR 1989, 420, 421 "KSÜD"; BlPMZ 1998, 248 "Today").
5. Der Senat sieht keinen Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert. Vielmehr beruht die Entscheidung des Senats auf anerkannten Grundsätzen zur Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses und der Unterscheidungskraft; die Problematik des vorliegenden Falls liegt auf tatsächlicher Ebene.
6. Auch eine Vorlage zum EuGH ist nicht veranlasst. Zwischen dem vorliegenden Fall und der Marke "Baby-Dry", um die es bei dem von der Anmelderin zitierten Verfahren vor dem EuGH geht, bestehen in der Bildung der Marken keinerlei Gemeinsamkeiten. Auch den Schlussanträgen des Generalanwalts lässt sich keine hier entscheidungserhebliche abweichende Rechtsauffassung entnehmen. Im übrigen ist zu bedenken, dass bei Paralleleintragungen im Ausland und als Gemeinschaftsmarke unterschiedliche territoriale Rechtskreise betroffen sind, die voneinander abweichen. Aus diesem Grund lassen sich hieraus keinerlei Rechte auf Eintragung in der Bundesrepublik Deutschland ableiten, auch wenn dies ein Indiz für die Schutzfähigkeit sein kann (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl. 1997, § 8 Rn. 85, 86 ff.; vgl. auch EuG MarkenR 2001, 36, 39 Ziff. 47 "electronica"). Zwar ist eine europarechtskonforme Auslegung der nationalen Vorschriften, mit denen die Markenrechtsrichtlinie umgesetzt wurde, geboten, um eine Harmonisierung der Rechtsanwendung im europäischen Binnenmarkt zu erreichen. Die konkrete Ausgestaltung des nationalen Markenrechts, die stets im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigenden nationalen Verkehrsgepflogenheiten und die nationale Verkehrsauffassung können jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl 1997, § 8 Rn. 87; Beschluss 27 W (pat) 38/97 vom 23. Juni 1998 "SHOE4YOU"). Diese Meinung vertreten auch Beschwerdekammern des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (vgl. HABM, R172/98-3 vom 28.4.1998 GRUR Int. 1999, 962 "ToxAlert"; vgl. auch HABM R 436/1999-1 "Waschmitteltablette" Diario Official 4/2001, S. 713, 736; R 225/1999-2 "PERSUASION" Diario Official 4/2001, S. 738, 762). Im übrigen entfalten Paralleleintragungen lediglich gewisse Indizwirkungen gegen das Vorliegen eines Freihaltungsbedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), nicht aber gegen den im vorliegenden Fall ebenfalls gegebenen Schutzversagungsgrund des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), weil sich die Unterscheidungskraft ausschließlich nach der Auffassung der inländischen Verkehrskreise richtet (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl 1997, § 8 Rn. 22, 57). Diese kann sich aber von den Auffassungen ausländischer Verkehrskreise im Einzelfall stark unterscheiden, so dass es insbesondere bei diesem Schutzversagungsgrund eine irgendwie geartete Bindung an die Entscheidungspraxis des Harmonisierungsamtes ebenso wenig geben kann wie diejenige der Patent- und Markenämter oder der Gerichte anderer Staaten (vgl. Beschluss 27 W (pat) 38/97 vom 23. Juni 1998 "SHOE4YOU"; Beschluss vom 9. April 1999 33 W (pat) 303/98 "Glätte-Killer").
Baumgärtner Pagenberg Guth Cl/Ko Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/D16222.3.gif
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Beschluss v. 04.07.2001
Az: 29 W (pat) 3/00
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