Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 19. Juni 2013
Aktenzeichen: 27 W 52/13

(OLG Hamm: Beschluss v. 19.06.2013, Az.: 27 W 52/13)

1. Zur deutlichen Unterscheidbarkeit im Sinne von § 30 Abs. 1 HGB, wenn sich zwei Firmen (hier GmbH & Co. KG) nur durch eine aufsteigende Ziffernfolge voneinander unterscheiden.

2. Zur Anmeldepflicht der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft und deren Beschwer nach § 59 Abs. 2 FamFG.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 12.04.2013 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Essen vom 04.04.2013 aufgehoben.

Das Registergericht wird angewiesen, die Beteiligte zu 1. in das Handelsregister einzutragen.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 €.

Gründe

I.

Die vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Komplementärin der Beteiligten zu 1., die Beteiligte zu 2., haben zum Handelsregister die Verlegung des Sitzes der Beteiligten von Mülheim nach Essen zur Eintragung angemeldet.

Das Registergericht hat die Anmeldung mit dem angefochtenen Beschluss vom 04.04.2013 zurückgewiesen, weil die Firma der Gesellschaft im Handelsregister nicht mehr frei sei. Es sei festgestellt worden, dass eine Firma "J I GmbH & Co. KG" bereits eingetragen sei und sich die Firmierung der beiden Gesellschaften lediglich durch eine andere römische Ziffer unterscheidet.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerechte Beschwerde der Beteiligten, mit der die Abänderung des Beschlusses und die beantragte Eintragung begehrt wird.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1.

Durch die Zurückweisung der Anmeldung ist nicht die Gesellschaft, sondern sind die anmeldenden Gesellschafter beschwert (§ 59 Abs. 2 FamFG). Denn die Gesellschafter und nicht die Personenhandelsgesellschaft sind anmeldepflichtig (OLG Hamm, 15. ZS, DB 2008, 982 = FGPrax 2008, 78; Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rn. 2455 f.). Dementsprechend hat der Senat das Beschlussrubrum klargestellt und legt die "für die Beschwerdeführerin" eingelegte Beschwerde als solche der Beteiligten zu 2. aus.

2.

Zwar hat das Registergericht des neuen Sitzes zu Recht die Voraussetzungen nach § 30 Abs. 1 HGB geprüft (vergleiche nur Krafka/Willer/Kühn, 8. Auflage, Registerrecht, Rn. 348) und unter Bezugnahme auf eine in der älteren Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung (OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.11.1976, 20 W 910/76 - n.v., zitiert und Inhalt referiert von Kreimer, Rechtspfleger 1980, 388; AG Frankfurt, Rechtspfleger 1980, 388; Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Auflage, § 30 HGB, Rn. 16 m.w.N.; Burgard in Staub, 5. Auflage, § 30 HGB, Rn. 31 m.w.N.) ausgeführt, es fehle an einer deutlichen Unterscheidbarkeit zweier Firmen im Sinne von

§ 30 HGB, wenn diese nur durch Hinzufügen einer aufsteigenden Ziffernfolge voneinander unterschieden würden. Diese Auffassung teilt der Senat jedoch nicht. Vielmehr überzeugt vorliegend die Gegenauffassung, wonach Ordnungszahlen ein zulässiges Unterscheidungskriterium sind und der Anforderung der deutlichen Unterscheidbarkeit im Sinne von § 30 HGB genügen (Heidinger in Münchner Kommentar, 3. Auflage, § 30 HGB, Rn. 33 m.w.N.; Ammon in Röhricht/Graf von Westphalen, 2. Auflage, § 30 HGB, Rn. 20; Schlinghoff in Oetker, 2. Auflage, § 30 HGB, Rn. 10; Kögel, Die deutliche Unterscheidbarkeit von Firmennamen, Rechtspfleger 1998, 317, 321).

Die Unterscheidbarkeit ist nach allgemeiner Meinung anhand der Auffassung des allgemeinen Rechtsverkehrs zu beurteilen (Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., Rn. 16). Sich deutlich unterscheiden heißt jede (ernstliche, auch "erweiterte") Verwechslungsgefahr ausschließen (vgl. nur Baumbach/Hopt, 35. Auflage, § 30 HGB, Rn. 4 f.). Entscheidend ist der Gesamteindruck bzw. das Klangbild für Auge und Ohr (BGHZ 46, 12).

Diesen Anforderungen genügt die hier verwendete römische Ziffer "II" innerhalb des Firmennamens der Beteiligten zu 2., so dass eine ernstliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist.

Die Zahl wird wie Worte der Umgangssprache verwendet, allerdings in einem ungewöhnlichen und auffallenden Zusammenhang (Kögel, a.a.O., S. 321, der treffend von einem "optischen Stolperstein" spricht). Der ansonsten aus Worten bestehende Firmenname wird klar und hervorgehoben unterbrochen, auch wenn die Zahl relativ weit nach hinten gestellt worden ist und - isoliert betrachtet - die ersten drei Worte beider Firmen identisch sind.

Es kommt entgegen der Ansicht des oben genannten Beschlusses des OLG Frankfurt (a.a.O.) keine entscheidende Bedeutung zu, dass Firmennamen oft zur Abkürzung schlagwortartig - unter Verwendung der Firmenanfänge - gebraucht werden; maßgeblich für die nach § 30 I HGB geforderte deutliche Unterscheidbarkeit ist der gesamte Firmenname.

Gegen eine restriktive Gesetzesanwendung spricht ferner das nach der Entscheidung des OLG Frankfurt (a.a.O.) in Kraft getretene Handelsrechtsreformgesetz (HRefG v. 22.06.1998, BGBl. I S. 1474). Es hat zwar nicht zu einer Änderung des

§ 30 I HBG geführt, aber die §§ 18-20 HGB a. F. verändert und zu einer Liberalisierung des Firmen- und Firmenbezeichnungsrechts geführt (vgl. dazu in Bezug auf Buchstabenfolgen BGH, NJW-RR 2009, 273, juris-Rn. 5 ff.; OLG Hamm, 15. ZS, FGPrax 2008, 78, juris-Rn. 14 ff., insbes. Rn. 19 m.w.N.; ferner betr. Zahlen Heidinger in Münchner Kommentar, § 18 HGB, Rn. 21 m.w.N.); darauf weist die Beteiligte zu 2. zutreffend hin unter ergänzender Bezugnahme auf die Novellierung des Markengesetzes (vgl. §§ 3 I und 8 I Nr. 2 MarkenG). Die Verwendung von Ordinalzahlen und deren Verwendung, um eine "Gruppenzugehörigkeit" zu dokumentieren, ist dementsprechend im Wirtschaftsleben weit verbreitet.

Auch die IHK Essen hat im Übrigen in ihrer Stellungnahme vom 11.03.2013 keine Bedenken gegen die Eintragung der Firma erhoben.






OLG Hamm:
Beschluss v. 19.06.2013
Az: 27 W 52/13


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