Bundesgerichtshof:
Urteil vom 6. Juni 2002
Aktenzeichen: I ZR 307/99

(BGH: Urteil v. 06.06.2002, Az.: I ZR 307/99)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. November 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte bewirbt und vertreibt unter der Bezeichnung "Bodensee-Tafelwasser" ein Tafelwasser, das sie aus dem Bodensee gewinnt.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat die Werbung und den Vertrieb des Tafelwassers unter dieser Bezeichnung als wettbewerbswidrig beanstandet. Hierzu hat sie vorgetragen, der Hinweis auf eine bestimmte geographische Herkunft sei ausschließlich natürlichen Mineralwässern vorbehalten.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungsanzeigen oder sonst werblich Tafelwasser als "Bodensee-Tafelwasser" zu bezeichnen und/oder unter dieser Bezeichnung in den Verkehr zu bringen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, das beanspruchte Verbot setze voraus, daß die angesprochenen Verkehrskreise das von ihr mit "Bodensee-Tafelwasser" bezeichnete Produkt für ein natürliches Mineralwasser hielten, was nicht der Fall sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG Karlsruhe ZLR 2000, 199).

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Beklagten verwendete Bezeichnung "Bodensee-Tafelwasser" falle zwar dem Wortlaut nach unter das in § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 der Mineral-und Tafelwasser-Verordnung geregelte Verbot, auf eine bestimmte geographische Herkunft eines Tafelwassers hinzuweisen. "Bodensee-Tafelwasser" sei eine Angabe über eine bestimmte geographische Herkunft des Tafelwassers, deren Verwendung nach dem Wortlaut der Mineral-und Tafelwasser-Verordnung ausgeschlossen sei.

Das Verbot sei jedoch im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Irreführungsschutz im Wege teleologischer Reduktion einschränkend auszulegen. Die Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern (80/777/EWG, ABl. EG Nr. L 229, S. 1 v. 3.8.1980) untersage nur diejenigen Angaben, die zu einer Verwechslung mit einem natürlichen Mineralwasser führen könnten. Entsprechendes habe für das Verbot der Mineralund Tafelwasser-Verordnung zur Verwendung von Hinweisen über eine bestimmte geographische Herkunft bei einem Tafelwasser zu gelten. Denn das nationale Recht könne keine höheren Anforderungen an das Wettbewerbsverhalten stellen, als sie nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der Mineralwasser-Richtlinie und der Etikettierungsrichtline (Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür -ABl. EG Nr. L 33 v. 8.2.1979, S. 1) vorgesehen seien, weil anderenfalls die Warenverkehrsfreiheit behindert werde. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften des Art. 9 Abs. 1 lit. b Mineralwasser-Richtlinie und des Art. 2 Abs. 1 der Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG vom 18. Dezember 1978 gingen von einer konkreten Irreführungsgefahr aus; eine lediglich abstrakte Verwechslungsgefahr genüge dagegen nicht. Die Gefahr einer konkreten Verwechslung mit einem natürlichen Mineralwasser sei bei der Bezeichnung "Bodensee-Tafelwasser" mit dem von der Beklagten beworbenen und vertriebenen Tafelwasser nicht gegeben. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher werde bei der Bezeichnung des Tafelwassers der Beklagten ohne weiteres erkennen, daß es sich nicht um ein Mineralwasser, sondern um ein aus dem Bodensee entnommenes Wasser handele, was der Wahrheit entspreche.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG i.V. mit § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 der Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser (Mineralund Tafelwasser-Verordnung; BGBl. I 1984, 1036 in der Fassung vom 29.10.2001, BGBl. I 2785) nicht zu, läßt sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht halten.

1.

Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Verbotstatbestand des § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO seinem Wortlaut nach erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung darf Tafelwasser nicht unter Bezeichnungen, Angaben, sonstigen Hinweisen oder Aufmachungen gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden, die auf eine bestimmte geographische Herkunft des Tafelwassers hinweisen. Es handelt sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand, d.h. es bedarf keiner Feststellung einer konkreten Irreführungsgefahr. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, Hinweise auf die geographische Herkunft bei Tafelwasser unabhängig von deren Eignung, Verwechslungen mit einem natürlichen Mineralwasser herbeizuführen, auszuschließen (vgl. BayObLGSt 1992, 105, 106; Zipfel/Rathke/Stelz, Lebensmittelrecht, Bd. V, C 435, Mineral-und Tafelwasser-Verordnung, § 15 Rdn. 12).

Die Bezeichnung "Bodensee-Tafelwasser" weist -wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat -auf eine bestimmte geographische Herkunft des von der Beklagten vertriebenen Tafelwassers hin.

2.

Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Verbotstatbestand des § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO sei aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben im Wege teleologischer Reduktion dahin einzuschränken, daß eine bestimmte Herkunftsangabe nur bei Vorliegen einer konkreten Irreführungsgefahr zu untersagen ist (ebenso: von Jagow, ZLR 2000, 204; a.A. BayObLGSt 1992, 105, 107; Quentin, Kommentar zur Mineral-und Tafelwasser-Verordnung, S. 88; offengeblieben in: Zipfel/Rathke/Stelz aaO, C 435, Mineral-und Tafelwasser-Verordnung, § 15 Rdn. 12).

a) Ob diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO bereits aus den Vorschriften der Mineralwasser-Richtlinie folgt, kann im Ergebnis offenbleiben. Zwar setzt § 15 Abs. 1 MTVO, der auf § 19 Nr. 4 lit. c LMBG beruht, Art. 9 Abs. 1 lit. b der Mineralwasser-Richtlinie um (vgl. Begründung zur Mineral-und Tafelwasser-Verordnung, abgedruckt in: Zipfel/Rathke/Stelz aaO, C 435, Mineral-und Tafelwasser-Verordnung, Vorbem. Rdn. 7), der unter anderem die Verwendung von Angaben und Bezeichnungen untersagt, die bei in Art. 9 Abs. 1 lit. b Mineralwasser-Richtlinie näher bezeichnetem Trinkwasser zu Verwechslungen mit einem natürlichen Mineralwasser führen können. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob der nationale Verordnungsgeber allein aufgrund des Art. 9 Abs. 1 lit. b Mineralwasser-Richtlinie gehindert ist, in nationalen Vorschriften einen abstrakten Schutz vor Verwechslungen eines Tafelwassers mit einem natürlichen Mineralwasser vorzusehen. Denn die in Art. 10 Abs. 1 der Mineralwasser-Richtlinie vorgesehene Harmonisierungspflicht betrifft nur den Verkehr mit natürlichem Mineralwasser und nicht mit Tafelwasser.

Anders als die Revision meint, sieht Art. 9 Abs. 1 lit. b der Mineralwasser-Richtlinie keinen abstrakten Irreführungsschutz vor. Aus der Vorschrift läßt sich daher nicht die Zulässigkeit des in § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO vorgesehenen abstrakten Gefährdungstatbestandes ableiten. Art. 9 Abs. 1 lit. b der Mineralwasser-Richtlinie untersagt nur die Verwendung von Angaben, die zur Verwechslung mit einem natürlichen Mineralwasser führen können. Dies setzt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, die Eignung zu einer konkreten Irreführung der Verbraucher voraus; eine nur abstrakte Irreführungsgefahr reicht hierzu nicht. Denn die Mineralwasser-Richtlinie ergänzte nach der sechsten Begründungserwägung die allgemeinen Regeln der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. EG Nr. L 33 v. 8.2.1979, S. 1). Diese Richtlinie ist ersetzt worden durch die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. EG Nr. L 109 v. 6.5.2000, S. 29). Die Etikettierungsrichtlinien 79/112/EWG vom 18. Dezember 1978 und 2000/13/EG vom 20. März 2000 gehen ebenfalls von einem konkreten Irreführungsschutz aus (vgl. hierzu nachfolgend unter II 2 b). Für eine hiervon abweichende wesentlich strengere Ausgestaltung des Irreführungsschutzes in der Mineralwasser-Richtlinie bestehen keine Anhaltspunkte.

Entgegen der Meinung der Revision läßt sich für die Annahme, Art. 9 Abs. 1 lit. b Mineralwasser-Richtlinie enthalte ein abstraktes Irreführungsverbot, auch nichts aus einem Vergleich mit der Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie gewinnen. Der unterschiedliche Wortlaut dieser Vorschriften gibt keinen Anhalt dafür, daß Art. 9 Abs. 1 lit. b anders als Art. 9 Abs. 1 lit. a Mineralwasser-Richtlinie einen abstrakten Schutz enthält.

Da die teleologische Reduktion des § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO nicht aus der Mineralwasser-Richtlinie folgt, ist die von der Revision aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis des Irreführungsschutzes des Art. 9 Abs. 1 lit. b dieser Richtlinie zur Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts-und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung (ABl. EG 1984 L 250, S. 17) in der Fassung der Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 (ABl. EG 1997 L 290, S. 18), die in Art. 7 ein höheres nationales Schutzniveau zuläßt, im Streitfall ohne Bedeutung.

Erfolglos zieht die Revision diese Auslegung des Art. 9 Abs. 1 lit. b Mineralwasser-Richtlinie (konkreter Irreführungsschutz) unter Hinweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25.2.1981 -Rs 56/80 (Slg. 1981, 583 = GRUR 1981, 430 -Klosterdoktor) in Zweifel. Aus dieser Entscheidung ergibt sich für die dort maßgeblichen Art. 8, 18 und 43 der Verordnung Nr. 355/79 des Rates vom 5. Februar 1979 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und Traubenmoste (ABl. EG Nr. L 59, S. 99) kein abstraktes Irreführungsverbot (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.1981 -I ZR 149/77, GRUR 1982, 423, 424 = WRP 1982, 405 -Schloßdoktor/Klosterdoktor).

b) Der nationale Verordnungsgeber war und ist jedoch aufgrund der Etikettierungsrichtlinien 79/112/EWG vom 18. Dezember 1978 und 2000/13/EG vom 20. März 2000 gehindert, in § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO einen über einen konkreten Irreführungsschutz hinausgehenden abstrakten Gefährdungstatbestand vorzusehen. Einem strengeren nationalen Schutz steht Art. 18 Abs. 1 der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG vom 20. März 2000 entgegen, der mit der Regelung in Art. 15 Abs. 1 der Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG vom 18. Dezember 1978 übereinstimmt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht durch die Anwendung nicht harmonisierter einzelstaatlicher Vorschriften verbieten, die die Etikettierung und Aufmachung einzelner Lebensmittel oder der Lebensmittel im allgemeinen regeln. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EWG vom 20. März 2000 (= Art. 2 Abs. 1 lit. a Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG vom 18. Dezember 1978) setzt ein Verbot voraus, daß die Art und Weise der Etikettierung geeignet ist, den Käufer irrezuführen. Dem genügt eine lediglich abstrakte Gefahr einer Irreführung nicht (vgl. hierzu: EuGH, Urt. v. 16.7.1998 -Rs. C-210/96, Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795, 796 f. Tz. 28 ff. = WRP 1998, 848 -Gut Springenheide; Urt. v. 9.2.1999 -Rs. C-383/97, Slg. 1999, I-731 = ZLR 1999, 237, 243 Tz. 33 und Tz. 41 -van der Laan; Urt. v. 4.4.2000 -Rs. C-465/98, Slg. 2000, I-2297 = GRUR Int. 2000, 756, 758 Tz. 33 = WRP 2000, 489 -naturrein; vgl. auch EuGH, Urt. v. 28.1.1999 -Rs. C-303/97, Slg. 1999, I-513 = GRUR Int. 1999, 345, 348 Tz. 38 = WRP 1999, 307 -Sektkellerei Kessler; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 3 Rdn. 66; a.A. LG Trier LRE 38, 269; Meier, EuZW 1994, 391, 393). Dieser Schutzstandard ist im Geltungsbereich der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG vom 20. März 2000 für den nationalen Gesetzgeber nach Art. 18 Abs. 1 grundsätzlich verbindlich (vgl. zu Art. 15 Abs. 1 der Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG vom 18.12.1978: BVerwGE 89, 320, 325 f. -becel;

Reese, WRP 1998, 1035, 1038; Sack, WRP 1999, 399, 402). Für das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen nach Art. 18 Abs. 2 der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG vom 20. März 2000 von dem Grundsatz des Art. 18 Abs. 1 abgewichen werden kann, ist nichts ersichtlich. Gegenteiliges macht die Revision auch nicht geltend.

Folgt aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 MTVO bereits, daß diese Bestimmung die Gefahr einer konkreten Irreführung voraussetzt, kommt es nicht darauf an, ob ein abstrakter Irreführungsschutz mit Art. 28 EG vereinbar ist.

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, daß das Berufungsgericht die konkrete Gefahr einer Verwechslung des mit "Bodensee-Tafelwasser" bezeichneten Tafelwassers der Beklagten mit einem natürlichen Mineralwasser verneint hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, aufgrund der angegriffenen Bezeichnung handele es sich für einen durchschnittlichen und verständigen Verbraucher bei dem Produkt der Beklagten nicht um ein natürliches Mineralwasser. Dies ergebe sich eindeutig aus der Bezeichnung "Bodensee-Tafelwasser".

Zwar ist die Feststellung der Verkehrsauffassung Aufgabe des Tatrichters. In der Revisionsinstanz ist sie daher nur darauf zu überprüfen, ob die Vorinstanz den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft und ihre Beurteilung frei von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2001 -I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527 -Elternbriefe, m.w.N.).

Mit Recht macht die Revision allerdings geltend, das Berufungsgericht habe Umstände außer acht gelassen, aus denen sich ein abweichendes Verkehrsverständnis ergebe. Herkunftsbezeichnungen seien traditionell natürlichen Mineralwässern vorbehalten. Den meisten Verbrauchern sei auch nicht bekannt, ob sich an einem bestimmten geographischen Ort Quellen befänden. Davon ist auch das Landgericht in seiner Entscheidung ausgegangen (LGU S. 7). Mit diesem Sachvortrag der Klägerin und den seiner Entscheidung entgegenstehenden Feststellungen des Landgerichts hat sich das Berufungsgericht -verfahrensfehlerhaft -nicht auseinandergesetzt. Es hat keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, ob durch die von der Beklagten verwendete geographische Herkunftsbezeichnung im Bewußtsein der Verbraucher nicht eine Nähe zu natürlichem Mineralwasser hergestellt wird, die zu entsprechenden Verwechslungen führt und ob die Bezeichnung als Bodensee-Tafelwasser ausreicht, derartige Verwechslungen auszuschließen. Die Klägerin hatte in diesem Zusammenhang geltend gemacht, auch amtlich anerkannte natürliche Mineralwässer enthielten die Bezeichnung von Flüssen und Seen. Weiter hat das Berufungsgericht sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung "Bodensee-Tafelwasser" nicht dahin auffassen, es handele sich um Wasser aus der Region um den Bodensee, und ob es deshalb zu Verwechslungen mit einem natürlichen Mineralwasser kommen kann (vgl. von Jagow, ZLR 2000, 204, 207).

Die entsprechenden Feststellungen wird das Berufungsgericht im erneut eröffneten Berufungsrechtszug nachzuholen haben. Dabei wird es zu prüfen haben, ob es aufgrund eigener Sachkunde beurteilen kann, wie die angegriffene Bezeichnung aufzufassen ist, oder ob, wie die Revision geltend macht, die Einholung eines demoskopischen Gutachtens erforderlich ist.

III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurerneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Erdmann RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg ist infolge Starck Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert.






BGH:
Urteil v. 06.06.2002
Az: I ZR 307/99


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