Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. August 2013
Aktenzeichen: 9 U 253/12

(OLG Köln: Urteil v. 13.08.2013, Az.: 9 U 253/12)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 09.11.2012 - 32 O 76/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil werden für vorläufig vollstreckbar erklärt. Den Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klägerin ist die U-Stiftung i.L., die vormals Q-Stiftung hieß, welche 2003 gegründet und anerkannt wurde. Zweck der Stiftung ist die Förderung von Naturschutz und Landschaftspflege, Kunst, Kultur, Denkmalspflege, Tierschutz, Entwicklungshilfe, Erziehung, Bildung, Jugend- und Altenhilfe sowie öffentliche Gesundheitspflege. Zuständige

Stiftungsaufsicht ist die Bezirksregierung Düsseldorf. Der Beklagte zu 1), der Volljurist ist, war seit Gründung als Vorstand der Stiftung tätig. Die Beklagte zu 2) war seit 2005 als stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende bestellt.

In § 8 Abs.1 der Stiftungssatzung heißt es :

" Der Vorstand verwaltet die Stiftung. Er hat insbesondere folgende Aufgaben.

a) Verwaltung des Stiftungsvermögens,

b) Vergabe der Erträgnisse des Stiftungsvermögens und von Spenden,

c) Buchführung über den Bestand und Veränderung des Stiftungsvermögens sowie über die Einnahmen und Ausgaben der Stiftung,

d) Vorlage einer Jahresabrechnung mit Vermögensübersicht und eines Berichts über die Erfüllung des Stiftungszwecks an das Kuratorium und die Aufsichtsbehörde innerhalb von drei Monaten nach Ablauf eines Kalenderjahres,

d) Anzeige jeder Änderung der Zusammensetzung des Vorstandes an die Aufsichtsbehörde."

Nach § 11 der Stiftungssatzung obliegt dem Kuratorium u.a. die Wahl und die Abberufung der Vorstandsmitglieder sowie die Überwachung und Beratung des Vorstandes.

Wegen weiteren Einzelheiten wird auf die Satzung der Stiftung ( K 1, Bl. 1 ff. AH ) wird Bezug genommen

Im Jahr 2004 erhielt die Stiftung für das Jahr 2003 die Steuerbegünstigung der "Gemeinnützigkeit" zuerkannt. Dies hatte eine Befreiung für 2003 von der Körperschafts-, Gewerbe- und Schenkungssteuer zur Folge.

Ab 2006 forderte die Stiftungsaufsicht und später auch das Finanzamt N den Beklagten zu 1) fortlaufend ohne Erfolg auf, ordnungsgemäß erstellte Jahresabrechnungen mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Stiftungszwecke für die Jahre 2004, 2005 und 2006 einzureichen. Im Herbst 2008 wandte sich die Stiftungsaufsicht zudem an die Beklagte zu 2). Sie informierte diese über die Sachlage und forderte sie auf, eine umgehende Klärung herbeizuführen, und zwar die Vorlage der Jahresabrechnungen zu veranlassen und für den Fall der Gemeinnützigkeitsaberkennung, eine Pflichtverletzung gegenüber dem Vorstand festzustellen. Bei weiteren Pflichtverletzungen müsse der Beklagte zu 1) abberufen werden. Mit Schreiben vom 29.10.2008 wies der zuständige Finanzbeamte den Beklagten zu 1) ausdrücklich auf den Verlust der Gemeinnützigkeit hin, wenn weiter die Jahresabrechnungen ausblieben. Im März 2009 beschied das Finanzamt in N, dass der Stiftung rückwirkend die Steuerbegünstigung für die Erhebungsjahre 2004 bis 2007 aberkannt werde.

Dadurch entstand eine Steuerforderung gegenüber der Stiftung in Höhe von 17.542,43 €, die die Stiftung bezahlte.

Im April 2009 ordnete die Stiftungsaufsicht gegenüber der Beklagten zu 2) förmlich an, die Berichte für 2004 bis 2007 vorzulegen, sowie gegenüber dem Vorstand eine Pflichtverletzung mit Hinweis der Haftung für die Nichtvorlage der Jahresrechnungen geltend zu machen. Zudem wurde angeordnet, dass der Vorstand einen Wirtschaftsprüfer für die Erstellung der Jahresabrechnungen zu beauftragen habe. Diesen Anordnungen kam die Beklagte zu 2) nicht nach.

Im Herbst 2009 wurden Vorstand und Kuratorium abberufen sowie die Stiftung aufgehoben. Die Stiftungsaufsicht gab zudem den Beklagten auf, dass sie alle stiftungsrelevanten Unterlagen ordnen und komplett der Stiftungsaufsicht zusenden sollten. Das geschah nicht. Im März 2010 kam es zu einem Liquidationsverfahren betreffend das Vermögen der Klägerin.

Mit Schreiben vom 10.02.2011 forderte die Liquidatorin, Rechtsanwältin K, unter Fristsetzung 04.03.2011 die Beklagten zur Zahlung der Steuerschulden auf.

Mit der Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten gesamtschuldnerisch Schadensersatz in Höhe des Steuerschadens nebst Zinsen sowie Feststellung hinsichtlich der Kosten der Liquidation. Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte zu 1) sei seinen Aufgaben zur Vorlage der Jahresabrechnungen über Jahre hinweg nicht nachgekommen. Den im Jahre 2006 vorgelegten "Einnahme- und Ausgabenübersichten" mangele es an Nachweisen. Die Beklagte zu 2) habe ihre Kontrollpflichten verletzt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen an sie

17.542,43 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

seit dem 05.03.2011 zu zahlen und

2. die Feststellung, dass die Beklagten zur Zahlung von

Schadensersatz in Höhe der noch unbezifferten Kosten der

Liquidation verpflichtet sind.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, sie hätten die notwendigen Informationen den Behörden zugeleitet. Diese hätten Sitzungsprotokolle des Kuratoriums und des Vorstandes erhalten und seien über die Stiftungsaktivitäten für 2003 bis 2008 informiert worden. Seit 01.01.2006 liege der Verwaltungssitz der Stiftung in L mit der Anschrift der Privatadresse des Beklagten zu 1). Dies sei auch im Stiftungsregister eingetragen worden. Die Steuerbescheide seien jedoch weiterhin an den alten Stiftungssitz Xstraße 12 in N versandt worden, so dass die Beklagten die Bescheide, insbesondere die Aberkennung der Gemeinnützigkeit, nie erhalten hätten. Bemühungen seien an der Untätigkeit der Stifterin Frau C und der Beschlussunfähigkeit des Kuratoriums gescheitert.

Das Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben.

Es hat ausgeführt, der Beklagte zu 1) hafte nach den §§ 86, 27 Abs. 3, 664-670 BGB analog, 280 Abs.1 S. 1 BGB wegen der Verletzung seiner satzungsgemäßen und gesetzlichen Pflichten. Eine Schadensersatzhaftung des Vorstandes gegenüber der Stiftung komme in Betracht, wenn dieser gegen die im Hinblick auf die Vermögensverwaltung konkretisierten Sorgfaltspflichten (vgl. § 80 Abs. 2 BGB, 4 Abs.1 StiftG NRW) verstoßen habe. Dies gelte bei Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften und Satzungsnormen. Der Beklagte zu 1) sei seiner Verpflichtung aus § 34 AO, die steuerlichen Pflichten der Stiftung zu erfüllen, nicht nachgekommen. Die Nachweis nach § 63 Abs.1, 3 AO habe er nicht erbracht. Diese Pflichtverletzung habe er auch zu vertreten. Er habe die Vermutung aus § 280 Abs.1 S.1 BGB nicht widerlegt. Nach § 6 Abs. 4 Satzung hafteten die Organe nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Der Beklagte zu 1) sei trotz Hinweis des Finanzamtes vom 29.10.2008 in grob fahrlässiger Weise untätig geblieben. Der Einwand, er habe keine Steuerbescheide erhalten, führe nicht zur Exkulpation. Sämtliche Bescheide seien zwar nicht an die Anschrift Dstraße 12 in L versandt worden, aber an ein auf seinen Namen lautendes Postfach mit der Nummer 2xxxx4 in L, so dass er die Korrespondenz hätte wahrnehmen können und müssen. Selbst wenn die Steuerbescheide an die Xstraße 12 in N versandt worden wären, der Beklagte zu 1) die Verwaltung aber von L aus getätigt habe, hätte er die Steuerbescheide wahrnehmen müssen. Der Stiftungssitz habe ausweislich des Stiftungsregisterauszuges vom 19.06.2006 in N gelegen und nicht in L. Dem Schreiben vom 19.01.2006 an die Stiftungsaufsicht sei nicht zu entnehmen, dass neben der Namensänderung ab dem 01.01.2006 auch über eine Sitzverlegung durch Beschluss entschieden worden sei. Erst aus dem Sitzungsprotokoll vom 11.04.2009 gehe hervor, dass eine Sitzänderung nach Köln beschlossen worden sei. Die Beklagte zu 2) hafte gemäß den §§ 116, 93 Abs. 2 AktG analog, § 280 Abs.1 S. 1 BGB. Sie habe ihre Kontrollpflichten gemäß § 11 der Satzung und § 4 StiftG NRW verletzt, indem sie der ihr obliegenden Kontrolle nicht nachgekommen sei und das Fehlverhalten des Vorstandes zum Nachteil der Stiftung zugelassen habe. Sie hätte den Vorstand anhalten müssen, die erforderlichen Unterlagen beizubringen oder einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen. Diese Pflichtverletzungen habe sie auch zu vertreten. Sie sei von der Stiftungsaufsicht mit Schreiben vom 13.03.2009 persönlich darüber informiert worden, dass die Gemeinnützigkeit versagt werden könne, wenn keine Unterlagen vorgelegt würden. Ihr Handeln sei grob fahrlässig gewesen. Für den Steuerschaden aus den Bescheiden 28.07.2009, 22.07. 2010, 22.11.2010 und 15.11.2011 sei sie mitverantwortlich.

Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Der Beklagte zu 1) habe gegen §§ 8 Abs.1 Satzung und 4 Abs.1 , 7 Abs.1 StiftG NRW verstoßen. Er habe für 2004 bis 2006 trotz Aufforderungen der Behörde keine den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Jahresabrechnungen vorgelegt. Die im August 2006 eingereichte "Einnahmen- und Ausgabenübersichten" seien fehlerhaft erstellt und hätten die Belege vermissen lassen. Für 2007 und 2008 habe er keine Abrechnung vorgelegt und die förmliche Anordnung der Stiftungsaufsicht mit Frist 02.06.2009 habe er nicht befolgt. Er hätte im Oktober alle streitgegenständlichen Unterlagen herausgeben können und müssen. Zu diesem Zeitpunkt sei das Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Duisburg noch nicht eröffnet gewesen. Jedenfalls grob fahrlässig habe er die ordnungsgemäße Stiftungsverwaltung unterlassen. Gesamtschuldnerisch damit hafte die Beklagte zu 2) wegen der Verletzung der Überwachungspflichten aus dem korporationsrechtlichen Verhältnis. Eine Exkulpation sei nicht ersichtlich. Sie stütze sich zwar darauf, dass sie wegen mangelnder Beschlussfähigkeit des Kuratoriums bzw. der Unerreichbarkeit der Stifterin nicht habe handeln können, dies sei aber nicht zutreffend. Wie ihr die Stiftungsaufsicht unter dem 31.03.2009 ausdrücklich mitgeteilt habe, hätte sie rechtlich gebotenen Maßnahmen auch ergreifen können, wenn die Stifterin C nicht erreichbar sei. Die Beklagten hätten der Stiftung einen Schaden zugefügt, so dass sie schließlich von der Stiftungsaufsicht nach § 9 Abs. 2 StiftG NRW hätten abberufen werden müssen. Die Stiftungsaufsicht sei wegen Unmöglichwerden des Stiftungszwecks,

§ 87 Abs.1 BGB, gezwungen gewesen, die Stiftung nach § 10 StiftG NRW aufzuheben, was die Liquidation nach § 47 BGB und die entsprechenden Kosten zur Folge gehabt habe. Auf das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen wird ergänzend Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholen den erstinstanzlichen Vortrag und machen u.a. geltend, die Kammer habe sich in keiner Weise mit dem gestellten Aussetzungsantrag auseinandergesetzt. Es sei bekannt, dass die Staatsanwaltschaft im Besitz der Unterlagen sei und deshalb eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht möglich sei. Man könne nunmehr noch sechs Schriftstücke vorlegen, die hätten rekonstruiert werden können. Hinsichtlich der Möglichkeit der Exkulpation verweisen die Beklagten darauf, dass das Landgericht nicht beachtet habe, dass der Zugang der Bescheide und das Schreiben vom 29.10.2008 gemäß § 122 Abs. 2 AO von der Behörde nicht bewiesen sei. Es könne demnach dahin stehen, dass der Beklagte zu 1) zu den Räumen Wiesenstraße 12 seit dem 01.01.2006 keinen Zugang gehabt habe. Hinsichtlich der Sitzverlegung sei kein Beschluss eingereicht worden, weil die Aufsicht vorab mitgeteilt habe, dass sie einer Sitzverlegung nicht zugestimmen würde. Die Aufstellung einer Jahresrechnung nach § 7 StiftG NRW sei sowohl der Bezirksregierung Düsseldorf als auch den Finanzbehörden übermittelt worden. Mit den Behörden sei vereinbart gewesen, dass die weiteren Aufstellungen nach Erhalt des Bescheides erstellt würden. Auf diesen Bescheid warte man immer noch. Der Beklagte zu 1) habe sich ganz an den Weisungen orientiert. Er habe der Stifterin in ihrer Eigenschaft als Kuratoriumsvorsitzende an dem Tage, an welchem er die Abberufung erhalten habe, die Unterlagen der Stiftung übersandt. Gegen die Anordnungen der Bezirksregierung habe der Beklagte Rechtsmittel eingelegt. Im übrigen habe das Landgericht nicht beachtet, dass der Beklagte zu 1) nicht wirksam zum Vorsitzenden bestimmt sei, weil Prof. Dr. X2 den Vorstandbestellungsbeschluss nicht unterschrieben habe.

Der Beklagten zu 2) sei es auf Grund der Vertretungsregelung nicht möglich gewesen, den Beklagten zu 1) anzuweisen, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Die Kosten der Liquidation seien der Klägerin anzulasten.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die

Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochten Urteil. Sie macht insbesondere geltend, ein Anspruch auf Aussetzung habe nicht bestanden. Alle Unterlagen hätten dem Beklagten zu 1) vorliegen müssen. Ein Antrag auf Akteneinsicht sei nicht gestellt. Der Sitz der Stiftung sei Xstraße in N gewesen. Der Vorstand habe dort die Post erhalten. Wenn das Finanzamt zusätzlich diese auch an das Postfach übersende, sei dies überobligatorisch. Gebe der Beklagte zu 1) ein Postfach an, müsse er auch sicherstellen, dass Schriftstücke in seinen Empfangsbereich gelangen können. Der Zugang sei erstinstanzlich nicht angezweifelt worden. Der Beklagte zu 1) zeige selber auf, dass er in Kontakt mit dem Finanzamt gestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

1. Soweit die Beklagten geltend machen, das Verfahren hätte gemäß den §§ 247, 251 ZPO ausgesetzt werden müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Umstand, dass beide Beklagten nach ihrem Vorbringen nicht über Unterlagen verfügen, berechtigt nicht zur Aussetzung. Ein Fall des abgeschnittenen Verkehrs mit dem Prozessgericht ist nicht anzunehmen. Aber auch eine Aussetzung nach § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit oder § 149 ZPO wegen Verdachts einer Straftat kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Einzelheiten dazu haben die Beklagten auch nicht vorgetragen.

2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß den §§ 86, 27 Abs. 3, 664 ff., 280 Abs.1 S.1 BGB in Höhe von 17.542,43 € zu.

a) Der Stiftungsvorstand haftet gegenüber der Stiftung gemäß § 280 Abs.1 BGB für die Verletzung von Geschäftsführerpflichten aus den §§ 86, 27 Abs. 3 BGB. Wie im Verein ist der Stiftungsvorstand zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung mit treuhänderischer Funktion verpflichtet (vgl. Seifart / v. Camphausen, Stiftungsrechtshandbuch, 3. Aufl., § 8 Rn 288; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 11. Aufl., Rn 3383 ff.). Auf Grundlage des Stiftungsgeschäfts und der Stiftungssatzung ist der Stiftungsvorstand an den sich daraus ergebenden Auftrag gebunden. Dieser beinhaltet die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks (§ 80 Abs. 2 BGB, § 4 Abs.1 StiftG NRW). Zu den wesentlichen Pflichten des Stiftungsvorstandes gehört die ordnungsgemäße Verwaltung und Erhaltung des Stiftungsvermögens (§ 8 Abs.1 der Stiftungssatzung der Klägerin). Die Haftung auf Schadensersatz bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen. Verstöße gegen zwingende gesetzliche Vorschriften und gegen die Satzung begründen eine Haftung des Vorstandes (vgl. Kiethe, NZG 2007, 810; siehe auch BGH NJW 2008, 1589, Rz.9). So liegt es hier.

Der Beklagte zu 1) ist nach § 34 AO zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten verpflichtet. Nach § 63 Abs.1 und 3 AO muss der Vorstand im Hinblick auf die steuerbegünstigten Zwecke der Stiftung den Nachweis führen, dass ihre tatsächliche Geschäftsführung den Erfordernissen des Absatz 1 entspricht, und zwar durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben. Dieser Pflicht ist der Beklagte zu 1) nicht nachgekommen. Als Folge der Pflichtverletzung kam es zur Schätzung der Einkünfte durch die Finanzbehörde und zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

Bedenken an der Eigenschaft des Beklagten zu 1) als Vorstand der Klägerin bestehen nicht. Soweit die Beklagten nunmehr die Wirksamkeit der Berufung in das Vorstandsamt bestreiten, handelt es sich um neues Vorbringen, dass der Senat nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht beachten darf.

b) Der Beklagte zu 1) hat aber auch einen Verstoß gegen die Stiftungssatzung im Hinblick auf die Vermögensverwaltung begangen. Nach § 8 Abs. 1 a) der Satzung muss der Vorstand das Stiftungsvermögen verwalten. Das bedeutet ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne des Stiftungszwecks und damit keine Herbeiführung einer Vermögenseinbuße. Für das Jahr 2003 wurde von ihm eine Abrechnung erstellt (Bl. 58 ff. AH). Für die Jahre 2004, 2005 und 2006 waren die Abrechnungen nicht ordnungsgemäß im Sine von § 7 Abs.1 StiftG NRW. Sowohl die Stiftungsaufsicht (Bl. 88 ff. AH) als auch das Finanzamt N (Bl. 97, 99 ff. AH) forderten vergeblich ordnungsgemäße Abrechnungen. Es kam dann als Folge des Pflichtverstoßes zur Aufhebung der Gemeinnützigkeit rückwirkend für die Perioden ab 2004 (Bl. 101 ff.).

c) Die Pflichtverletzungen hat der Beklagte zu 1) auch zu vertreten. Die Vermutung des § 280 Abs.1 S. 2 BGB hat er nicht widerlegt. Nach § 6 Abs. 4 der Satzung haften die Organe nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, unabhängig von der Regelung in den §§ 31 a, 86 BGB.

Vorliegend ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste und naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was jedermann einleuchten müsste (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 277 Rn 5 ). Das ist anzunehmen.

Dass dem Beklagten zu 1), der Volljurist ist, seine Abrechnungspflichten bewusst waren, ergibt sich aus der erstellten Abrechnung für 2003 (Bl. 58 ff. AH).

Im übrigen ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag in der Berufungsbegründung, dass er in unverantwortlicher Weise untätig geblieben ist. Er hat vorgetragen, dass er für 2006 auf der Basis der Anlagen zum Merkblatt zur Aufstellung einer Jahresrechnung nach § 7 Abs.1 StiftG NRW unter Berücksichtigung des Inhalts des Schreibens der Bezirksregierung Düsseldorf vom 09.10.2006 eine Abrechnung erstellt habe. Diese Aufstellung sei sowohl der Bezirksregierung Düsseldorf als auch den Finanzbehörden übermittelt worden. Mit diesen Behörden sei vereinbart worden, dass die weiteren Aufstellungen für die übrigen Jahre nach Erhalt eines Bescheids seitens der Finanzbehörden übersandt würden. Auf diesen Bescheid warte er noch heute. Es liegt auf der Hand, dass er nach seinem eigenen Vortrag insoweit Veranlassung zur Nachfrage bei den Behörden gehabt hätte. Keinesfalls durfte er völlig untätig bleiben.

Hinzu kommt, dass der Beklagte zu1 ) eingeräumt hat, dass Steuerbescheide sowie der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an die Anschrift Xstraße 12 in N gesandt worden sind (Bl. 97, 119 AH) und an das auf seinen Namen lautende Postfach 2xxxx4 in L. Die Zusendung an die Anschrift Xstraße 12 war korrekt und damit wirksam. Dass eine Verlegung des Stiftungssitzes beschlossen worden sei, ist nicht belegt. Dem Schreiben der Q - Stiftung -Q2 vom 19.01.2006 an die Bezirksregierung Düsseldorf (Bl. 179 AH) betreffend "Satzungsänderung, Namensänderung und Änderung des Vorstandes" ist nichts anderes zu entnehmen. Die Sitzänderung ergibt sich erst aus dem Protokoll vom 11.04.2009 (Bl. 177, 178 AH "mit sofortiger Wirkung"). Im Schreiben des Beklagten zu 1) vom 21.07.2008 ist noch die Rede davon, dass die Verwaltung der Stiftung "nach L wechseln" soll (Bl. 84 AH). Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis des Beklagten zu 1) auf § 122 AO nicht zutreffend (dazu Urt. des BFH BStVBl. II 1995,41 - XI R 31/94) und entlastet den Beklagten zu 1) nicht. Der Zugang an die Anschrift Xstraße 12 ist unstreitig. Der Beklagte zu 1) hätte sich in jedem Fall um den Posteingang kümmern müssen, was er unstreitig nicht getan hat. Die von ihm behaupteten Rechtsmittel bei Bezirksregierung und Innenminister sind nicht belegt. Zur Frage der Fristwahrung und zum Ergebnis wird nichts vorgetragen. Eine Entlastung vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist insoweit nicht zu erkennen.

Wer über Jahre hinweg in Kenntnis der Problematik der Gemeinnützigkeit der Stiftung untätig bleibt und als Volljurist naheliegende Überlegungen nicht anstellt, handelt grob fahrlässig.

3. Die Beklagte zu 2) haftet als stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende gemäß den §§ 280 Abs.1 BGB i.V. mit den §§ 116, 93 Abs.2 S.1 AktG entsprechend gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) im gleichen Umfang.

a) Die Beklagte zu 2) ist ihren Überwachungspflichten als Kuratoriumsmitglied nicht nachgekommen. Dem Kuratorium einer Stiftung kommen als typische Aufgaben Prüfungs- und Überwachungspflichten zu (vgl. Seifart/ v. Campenhausen, a.a.O., § 8 Rn 80). Insoweit sind die Vorschriften zum Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, §§ 116, 93 Abs.2 AktG, in entsprechender Anwendung ergänzend heranzuziehen (vgl. Küntzel, DB 2004, 2303, 2307 mit weiteren Nachweisen). Der Pflichtenkreis des Kuratoriums entspricht dem eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers. Das Rechtsverhältnis des Kuratoriums zur Stiftung wird von der Satzung bestimmt. § 11 der Satzung der Klägerin legt den Aufgabenkreis des Kuratoriums fest. Danach hat das Kuratorium u.a. die Aufgabe der Überwachung des Vorstandes und der Sorge für eine möglichst nachhaltige Verwirklichung des Stifterwillens. Hiergegen hat die Beklagte zu 2) gröblich verstoßen. Sie hat den Beklagten zu 1) nicht kontrolliert und ließ die Fehlentwicklung zu. Sie hätte nach den Grundsätzen einer ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführung auf die pflichtgemäße Abgabe der Steuerunterlagen gemäß der Abgabenordnung drängen müssen. Sie hätte Sorge tragen müssen, dass der Finanzbehörde die nötigen Steuerunterlagen übersandt werden. Dazu hätte sie den Vorstand dringend und nachhaltig auffordern müssen, die erforderlichen Unterlagen beizubringen oder sich gegebenenfalls Hilfe zu versichern.

b) Den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit hat die Beklagte zu 2) nicht zu widerlegen vermocht. Sie war deutlich durch verschiedene Schreiben zum Tätigwerden aufgefordert worden. Es handelt sich um die Schreiben der Stiftungsaufsicht vom 08.09.2008 (Bl. 88 AH), 13.01.2009 (Bl. 90 AH), 13.03,2009 (Bl.92 AH), 31.03.2009 (Bl. 93 AH) und 21.04.2009 (Bl. 95 AH).

Insbesondere im Schreiben vom 13.03.2009 ist auf die Gefahr des Entzuges der Gemeinnützigkeit hingewiesen. Das Kuratorium habe die Pflichtverletzungen des Vorstandes festzustellen.

Angesichts der hartnäckigen Nichtbeachtung dieser Schreiben ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen.

c) Der Schaden von 17.542,43 € ergibt sich aus den vorliegenden Steuerbescheiden zur Körperschaftsteuer und Schenkungssteuer (Bl. 101 ff. AH).

4. Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

a) Der Klägerin steh ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs.1 ZPO zu. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Der Umfang des von den Beklagten zu verantwortenden Liquidationsschaden ist noch ungewiss.

b) Die Feststellungsklage ist auch begründet.

aa) Der Beklagte zu 1) haftet nach den §§ 86, 27 Abs.3, 667 - 670, 280 Abs.1 S.1 BGB.

Der Beklagte zu 1) hat gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen, § 8 Abs.1 der Stiftungssatzung, §§ 4, 7 StiftG NRW. In den Jahren 2004 bis 2006 hat der Beklagte zu1) der Stiftungsaufsicht keine ordnungsgemäßen Abrechnungen vorgelegt. Die im August 2006 eingereichten "Einnahmen- und Ausgabenübersichten" für die Geschäftsjahre 2004 bis 2006 waren fehlerhaft und enthielten nicht die erforderlichen Belege. Die Zusendung von Mustern für die ordnungsgemäße Erstellung einer Jahresabrechnung durch die Aufsichtsbehörde ließ er unbeachtet. Für die Jahre 2007 und 2008 wurden von ihm überhaupt keine Jahresabrechnungen vorgelegt. Der Anordnung der Stiftungsaufsicht, die Berichte bis 02.06 2009 vorzulegen, kam er nicht nach. Er beauftragte auch entgegen der Anordnung der Aufsichtsbehörde keinen Wirtschaftsprüfer, der nach den gesetzlichen Vorgaben die Pflichten hätte erfüllen können. Er hätte auch nach Beendigung seiner Tätigkeit 2009 der Stiftungsaufsicht alle maßgeblichen Unterlagen herausgeben müssen und können.

Diese Pflichtverletzungen hat der Beklagte auch gemäß § 280 Abs.1 S.2 BGB zu vertreten. Vom Vorwurf der grob fahrlässigen Pflichtverletzung im Hinblick auf die Stiftungsverwaltung hat er sich nicht entlasten können.

Der Hinweis des Beklagten zu 1) auf das Ermittlungsverfahren, geht fehl. Die Belege waren zunächst bei ihm vorhanden. Ob er die Unterlagen an die Stifterin übersandt hat, ist nicht entscheidend. Trotz Aufforderung kam er der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht nach. Soweit er geltend macht, die Erstellung der jährlichen Berichte sei wegen fehlender Beschlussfähigkeit des Kuratoriums nicht möglich gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Erforderlichkeit eines dahingehenden Beschlusses ist aus der Satzung nicht ersichtlich und auch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Im übrigen hat Beschlussfähigkeit bis Ende 2005 bestanden. Eine Unterstützungspflicht seitens der Behörde ist nicht anzunehmen. Die von der Aufsicht vorgelegten Musterabrechnungen hat er zudem ignoriert.

bb) Die Beklagte zu 2) haftet als stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende nach § 280 Abs.1 S.1 BGB, und zwar wegen der engen Verknüpfung der Pflichten gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1).

Die Beklagte zu 2) hätte die Pflichtverletzungen gegenüber dem Vorstand feststellen müssen. Sie ist ihren Pflichten als Kuratoriumsmitglied nach § 11 der Stiftungssatzung nicht nachgekommen. Förmliche Anordnungen der Stiftungsaufsicht, tätig zu werden, ließ sie unbeachtet. Gegebenenfalls hätte sie gemäß der Satzung den Vorstand abberufen müssen und sich notfalls anwaltlicher Hilfe bedienen müssen.

Auch insoweit ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Naheliegende Überlegungen wurden nicht angestellt. Eine Exkulpation ist nicht anzunehmen. Soweit sie sich auf fehlende Beschlussfähigkeit beruft, kann dem nicht gefolgt werden. Die Stiftungsaufsicht hatte sie insbesondere mit Schreiben vom 31.03.2009 (Bl. 93 f AH) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Unerreichbarkeit der Frau C als Stifterin die Organe die rechtlich gebotenen Maßnahmen durchführen könnten (§ 7 Abs.1 StiftG NRW). Auch dieses Schreiben hat sie unbeachtet gelassen.

cc) Dass durch die Pflichtverletzungen der Beklagten die Liquidation und der entsprechende Schaden verursacht worden sind, liegt auf der Hand. Die Pflichtverletzungen der Beklagten hatten die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zur Folge und die Abberufung nach § 9 Abs.2 StiftG . Nachdem Handlungsunfähigkeit eingetreten war, konnte der Stiftungszweck nicht mehr erfüllt werden, § 87 Abs.1 BGB. Die Stiftung wurde nach § 10 StiftG NRW aufgehoben. Anschließend kam es nach § 47 BGB zur Liquidation. Die dadurch verursachten Kosten haben die Beklagten zu tragen.

5. Der nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 04.07.2013, der neues Vorbringen enthält, hat dem Senat vorgelegen, aber keine Veranlassung einer anderen Beurteilung und Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben.

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 49.542,43 €






OLG Köln:
Urteil v. 13.08.2013
Az: 9 U 253/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0880a6b392f7/OLG-Koeln_Urteil_vom_13-August-2013_Az_9-U-253-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share