Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Oktober 2001
Aktenzeichen: 19 W (pat) 30/00
(BPatG: Beschluss v. 24.10.2001, Az.: 19 W (pat) 30/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. September 1999 aufgehoben. Das Patent 37 33 518 wird mit den erteilten Unterlagen aufrechterhalten.
Gründe
I Die Patentabteilung 15 des Deutsche Patentamt- und Markenamtes hat das mit der am 3. Oktober 1987 eingegangenen Anmeldung beantragte und mit der Bezeichnung "Doppelschließzylinder" erteilte Patent 37 33 518 im Einspruchsverfahren durch Beschluß vom 17. September 1999 mit dem hilfsweise beantragten, mit redaktionellen Änderungen versehenen Patentanspruch 1, im übrigen mit den erteilten Unterlagen beschränkt aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Sie verteidigt ihr Patentbegehren mit dem erteilten Patentanspruch 1:
"Doppelschließzylinder mit einem eine türinnen- und türaußenseitige Zylindergehäusehälfte aufweisenden Zylindergehäuse mit jeweils einer Zylinderbohrung und mit in jeweils einer Bohrung des Zylindergehäuses gelagerten, jeweils einen von der vorderen Stirnfläche ausgehenden Schlüsselkanal aufweisenden Kernen, welche einen radial vorstehenden Bund aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß der Bund (31) des durch die türinnenseitige Bohrung (9) hindurch in die türaußenseitige Bohrung (8) eingesteckten, und zusätzlich gegen axiale Verlagerung gesicherten Kerns (10) in eine, die größere türinnenseitige Kernbohrung gebildete, im Bereich der türaußenseitigen Gehäusehälfte liegenden Ringnut (30) eintaucht und hinter einer die Ringnutvorderwand bildenden Anschlagschulter (30Ô) des Zylindergehäuses (2) liegt und daß der Durchmesser der türinnenseitigen Bohrung (9) demjenigen des Bundes (31) entspricht."
Die Patentinhaberin ist der Meinung, daß die EP 0 296 337 A1 gemäß § 3 Abs 2 PatG nur insoweit berücksichtigt werden dürfe, als deren Offenbarung durch das deutsche Gebrauchsmuster 87 06 551 gedeckt sei, aus dem eine Priorität in Anspruch genommen sei. Da das deutsche Gebrauchsmuster jedoch nicht offenbare, daß beide Kerne jeweils einen radial vorstehenden Bund aufweisen, was im geltenden Patentanspruch 1 aber gefordert werde, könne die Europäische Offenlegungsschrift dieses Merkmal auch nicht neuheitsschädlich enthalten. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei daher neu und beruhe im übrigen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
Die ordnungsgemäß geladene Einsprechende ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat sich auch sonst nicht im Beschwerdeverfahren geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil der gewerblich anwendbare Doppelschließzylinder des Patentanspruchs 1 patentfähig ist.
Dem Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahmen konnte nicht nachgegangen werden, weil sich die Einsprechende, die diesen Widerrufsgrund im Einspruchsverfahren vorgebracht hatte, im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat.
Als zuständiger Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjährigen beruflichen Erfahrungen in der Konstruktion von mechanischen Schließsystemen anzusehen.
Die beim geltenden Patentanspruch 1 unklare Textpassage "..., die größere türinnenseitige Kernbohrung gebildete, ...." ist dahingehend zu verstehen, daß die Zylinderkernbohrung 9 gegenüber der Zylinderkernbohrung 8 durchmessergrößer ist, wobei sich das rückwärtige Ende der Zylinderkernbohrung 8 zu einer Ringnut 30 erweitert, welche in Ihrem Durchmesser demjenigen der Bohrung 9 entspricht, wie es in der Patentschrift Spalte 3 Zeilen 45 bis 49 erläutert ist.
Die Europäische Offenlegungsschrift 0 296 337, mit Anmeldetag vom 30. April 1988, beansprucht ua die Priorität des deutschen Gebrauchsmusters 8 706 551, das am 7. Mai 1987 angemeldet wurde. Die Figur 1 des deutschen Gebrauchsmusters zeigt einen als Halbzylinder ausgebildeten Schließzylinder, dessen Kern 12 einen radial vorstehenden Bund (Ringvorsprung) 31 aufweist (S 7 Abs 1). Im Zusammenhang mit einem Doppelschließzylinder wird der Fachmann daraufhingewiesen, daß der Einsatz eines Kerns mit Vorsprung ebenfalls möglich ist (S 7 Abs 1), und daß der in den Figuren 2 bis 4 zur Hälfte dargestellte Doppelschließzylinder im wesentlichen aus denselben Bauteilen wie der Halbzylinder der Figur 1 besteht (S 8 Abs 1). Hierbei liest der Fachmann jedoch nicht automatisch mit, daß der zweite, türinnenseitige Kern ebenfalls einen radial vorstehenden Vorsprung (Ringvorsprung) aufweist. Denn ein derartiger Vorsprung ist für die Funktion dieses Kerns nicht zwingend notwendig: für die Befestigung des Kerns im Zylinder wird ein Halteelement, wie zB ein Sicherungsring, benötigt, der auch die notwendige Fixierung übernehmen kann. Da aus dem deutschen Gebrauchsmuster somit nicht bekannt ist, daß beide Kerne einen radial vorstehenden Bund aufweisen, kann die Europäische Offenlegungsschrift dieses Merkmal auch nicht neuheitsschädlich enthalten. Der Doppelschließzylinder des Patentanspruchs 1 ist somit gegenüber der Europäischen Offenlegungsschrift 0 296 337 gemäß PatG § 3 Abs 1 iVm Abs 2 2. neu.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird die Europäische Offenlegungsschrift 0 296 337 gemäß PatG § 4 Satz 2 nicht in Betracht gezogen.
Die übrigen noch genannten, in der mündlichen Verhandlung aber weder vom Senat noch von der Beteiligten aufgegriffenen Entgegenhaltungen liegen vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 weit entfernt; sie bringen auch keine Gesichtspunkte, die auf ein Naheliegen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 hinweisen, wie sich aus der insoweit zutreffenden Begründung der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts in ihrem Aufrechterhaltungsbeschluß (S 7 Abs 4) vom 17. September 1999 im einzelnen nachvollziehbar ergibt, auf den hier verwiesen wird (vgl BGH "Leistungshalbleiter", GRUR 1993, S 896 f).
Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die hierauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 Bestand.
Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Dr.-Ing. Kaminski Pr
BPatG:
Beschluss v. 24.10.2001
Az: 19 W (pat) 30/00
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