Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 15. Juni 2010
Aktenzeichen: 5 U 144/09

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 15.06.2010, Az.: 5 U 144/09)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.8.2009 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurück gewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte auch die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Kläger zu 7) zu tragen hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Beschlussfassungen der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.05.2008.

In der am 28.03.2008 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Einladung zu dieser Hauptversammlung heißt es u. a. (Bl. 423 d. A.):

"Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind gemäß § 17 der Satzung diejenigen Aktionäre berechtigt, die im Aktienregister eingetragen sind und sich spätestens am 26. Mai 2008 auf elektronischem Wege über die im Anschreiben an die eingetragenen Aktionäre genannte Internetseite bzw. schriftlich bei folgender Adresse oder einer anderen von der A AG im Zusammenhang mit der Unterrichtung über die Hauptversammlung genannten Adresse angemeldet haben:A AG€O1.Aktionäre, die im Aktienregister eingetragen sind, können ihr Stimmrecht auch durch einen Bevollmächtigten, z.B. ein Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung, ausüben lassen. In diesem Fall sind die Bevollmächtigten rechtzeitig anzumelden. Die schriftliche Vollmachterteilung kann auch per Telefax nachgewiesen werden. Die A AG behält sich vor, im Einzelfall die Vorlage der Originalvollmacht zu verlangen. €"

Die Satzung der Beklagten bestimmte u. a. Folgendes:

"§ 17(1) Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die im Aktienregister eingetragen und rechtzeitig angemeldet sind.€§ 18€(3) Das Stimmrecht kann durch Bevollmächtigte ausgeübt werden. Vollmachten, die nicht an ein anderes Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung erteilt werden, sind schriftlich oder auf einem von der Gesellschaft näher zu bestimmenden elektronischen Wege zu erteilen. Die Einzelheiten für die elek-tronische Vollmachterteilung werden zusammen mit der Einberufung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht."

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Auf der Hauptversammlung am 29.05.2008 wurden u. a. Beschlüsse gefasstzu TOP 2 über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2007,zu TOP 3 über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2007,zu TOP 4 über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2007,zu TOP 5 über die Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2008,zu TOP 9 über die Wahl der Herren Dr. C, Dr. D, Prof. Dr. E,F, G, Dr. H, K, J sowie Frau M zum Aufsichtsrat,zu TOP 10 über die Schaffung neuen genehmigten Kapitals sowiezu TOP 11 über die Ermächtigung zur Ausgabe von Options- bzw. Wandelgenussscheinen usw. und die Schaffung bedingten Kapitals.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Tagesordnung und des Verlaufs der Hauptversammlung wird auf das notarielle Protokoll nebst Anlagen (Bl. 707 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Kläger und ihre Streithelfer haben die Auffassung vertreten, dass sämtliche in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse wegen fehlerhafter Hinweise in der Ladung hinsichtlich der Voraussetzungen der Vollmachtserteilung sowie des Anmeldeerfordernisses für die Bevollmächtigten nichtig seien. Zudem seien die Beschlüsse nicht ordnungsgemäß beurkundet worden.

Darüber hinaus haben sie Auffassung vertreten, dass die Beschlussfassung zu TOP 2 anfechtbar sei, da ein Bilanzgewinn nicht habe verteilt werden dürfen. Gleiches gelte für die Entlastung des Aufsichtsrates (TOP 4), da die Bestellung von Herrn I für 5 Jahre im Vorstand nicht dem Deutschen Corporate Governance Kodex entspreche. Auch die Wahl zum Aufsichtsrat (TOP 9) sei anfechtbar. Denn hier sei der Vorschlag für Herrn H zu spät gekommen und zudem unzureichend gewesen. Eine "Wahl" habe nicht stattgefunden, da keine Gegenkandidaten aufgestellt gewesen seien. Zudem sei es nicht ordnungsgemäß gewesen, dass die Hauptversammlung insoweit durch Herrn Dr. C geleitet worden sei, da dieser selbst Kandidat war. Darüber hinaus sei Herr Dr. C als Aufsichtsrat ungeeignet. Ein Interessenkonflikt von Herrn Dr. C sei nicht offen gelegt worden.

Zu TOP 10 habe ein falscher Vorstandsbericht vorgelegen, weswegen auch diese Beschlussfassung anfechtbar sei. Zu TOP 11 sei dem Vertreter der Kläger zu 2. und 3. nicht Gelegenheit gegeben worden, einen Antrag zu stellen und zu begründen. Die Beschlussfassung zu TOP 11 sei zudem anfechtbar, da entgegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG weder der Ausgabebetrag noch die Grundlagen seiner Ermittlung angegeben worden seien. Die hier beschlossene Satzungsänderung decke sich im Übrigen nicht mit weiten Teilen des Beschlusses.

Darüber hinaus rügen die Kläger Fehler im Verfahren der Hauptversammlung, insbesondere unzulässige Redezeitbeschränkungen sowie Verstöße gegen die Gleichbehandlung der Aktionäre gemäß § 53 a AktG. Schließlich rügen sie die Nicht - bzw. Falschbeantwortung zahlreicher gestellter Fragen.

Die Kläger und ihre Streithelfer haben beantragt,

die Nichtigkeit der Beschlussfassungen zu TOP 2, 3, 4, 5, 9, 10 und 11 festzustellen, bzw. die Beschlussfassungen für nichtig zu erklären.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Antragstellungen (nicht alle Kläger haben alle genannten Beschlussfassungen angefochten) wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, S. 8) Bezug genommen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beschlussfassungen der Hauptversammlung vom 29.05.2008 weder nichtig noch anfechtbar seien. Die Hauptversammlung sei ordnungsgemäß einberufen, durchgeführt und beurkundet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 5 ff. (Bl. 1781 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 08.06.2009 hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (23 W 3/09) die Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 "freigegeben". Zur Begründung führt der 23. Senat aus, dass kein zur Nichtigkeit der Beschlüsse führender Einladungsmangel vorgelegen habe sowie jedenfalls die Beschlussfassungen zu TOP 10 und 11 auch nicht anfechtbar seien.

Mit Urteil vom 27.08.2009 hat das Landgericht Frankfurt am Main demgegenüber im Hauptsacheverfahren den Klagen in vollem Umfang stattgegeben. Im Gegensatz zum 23. Senat des Oberlandesgerichts vertritt das Landgericht die Auffassung, dass die Beschlüsse der streitgegenständlichen Hauptversammlung wegen zweier Einladungsmängel nichtig seien. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, S. 12 ff (Bl. 1788 ff. d. A.) Bezug genommen. Des Weiteren hat das Landgericht die Nebeninterventionen der Beteiligten zu 7., 8., 9. und 11. zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel auf Klageabweisung weiter. In ihrer Berufungsbegründung wendet sie sich vor allem gegen die Annahme von Einladungsmängeln, die zu einer Nichtigkeit aller gefassten Beschlüsse führten.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2009 die Klagen abzuweisen,hilfsweise,die Revision zuzulassen.

Die Kläger zu 1. bis 5. sowie der Streithelfer zu 7. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und nehmen im Übrigen auf ihren erstinstanzlich gehaltenen Vortrag Bezug.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 17.11.2007 (Bl. 1872 ff. d. A.) und ihre Schriftsätze vom 07.4.2010 (Bl. 2224 ff. d.A.) und 14.05.2010 (Bl. 2577 ff. d.A.) sowie auf die Schriftsätze des Klägers zu 1. vom 11.01.2010 (Bl. 1955 ff. d. A.) und 17.03.2010 (Bl. 2218 ff. d. A.), der Kläger zu 2. und 3. vom 16.03.2010 (Bl. 2180 ff. d. A.), des Klägers zu 4. vom 26.02.2010 (Bl. 2093 ff. d. A.) und 16.04.2010 (Bl. 2316 ff. d.A.), des Klägers zu 5. vom 03.03.2010 (Bl. 2138 ff. d. A.) und des Streithelfers zu 7. vom 11.09.2009 (Bl. 1838 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 29.01.2010 (Bl. 1972 ff. d. A.) hat der Senat auf dessen sofortige Beschwerde die Nebenintervention des Streithelfers zu 7. zugelassen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einem Rechtsfehler beruht und nach § 529 Abs. 1 ZPO abweichend von der ersten Instanz zugrunde zu legende Tatsachen fehlen oder keine andere Beurteilung veranlassen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die Einladung zu der streitgegenständlichen Hauptversammlung am 29.05.2008 gibt die Teilnahmebedingungen fehlerhaft an, was gemäß §§ 121 Abs. 3 S. 2, 241 Nr. 1 AktG a.F. zur Nichtigkeit der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse führt.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind von § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. alle Modalitäten erfasst, welche die Art und Weise oder die Form der Stimmrechtsausübung betreffen. Hierzu gehören auch Fragen der Vollmacht (Senatsbeschluss v. 19.06.2009, 5 W 6/09, zitiert nach Juris, Rdnr. 28 ff; ebenso Senatsbeschluss vom 15.07.2008, 5 W 15/08, AG 2008, S. 745, zitiert nach Juris, Rdnr. 22, Urt. vom 27.4.2010, 5 U 14/09) Hieran hält der Senat auch angesichts teilweiser abweichender Äußerungen anderer Oberlandesgerichte fest.

Die Gegenauffassung, wonach zu den €Bedingungen zur Teilnahme an der Hauptversammlung€ nur solche gehören sollen, die sich auf den Aktionär selbst unmittelbar beziehen (so z.B. OLG Bremen, Beschl. v. 1.12.2008, 2 W 71/08, AG 2009, S. 412, 414; KG, Urteil vom 21.9.2009, NZG 2009, 1389, zit. nach juris, Rn. 38) oder €lediglich Bestimmungen der Satzung zur Anmeldung und zur Legitimation der Aktionäre€ gehörten (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.07.2009, I - 17 W 34/09, nicht veröffentlicht) überzeugt nicht. Denn gemäß §§ 134 Abs. 3, 135 AktG können Aktionäre sich auf der Hauptversammlung vertreten lassen. Bestehen hinsichtlich dieser vom Gesetz vorgesehenen Vertretungsmöglichkeit einschränkende Bedingungen, durch welche bestimmte Vertreter von der Teilnahme an der Hauptversammlung und/oder der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen werden, hängt von diesen Bedingungen die Teilnahme nicht nur des Vertreters sondern auch des von ihm Vertretenen an der Hauptversammlung und die Ausübung seines Stimmrechts ab.

Ob € wie dies das Landgericht (Urteil, S. 15) annimmt € die Einladung zur der streitgegenständlichen Hauptversammlung dahingehend auszulegen ist, dass Bevollmächtigungen in jedem Fall (auch solche von Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen) schriftlich erfolgen müssen und ob hierin eine einschränkende Teilnahmebedingung gem. § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. liegt, kann für die Entscheidung dahinstehen.

Denn jedenfalls liegt ein Verstoß gegen Gesetz und Satzung darin, dass die Einladung eine rechtzeitige Anmeldung der Bevollmächtigten fordert.

Wie die Satzung einer Aktiengesellschaft (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 23.6.2009, 5 U 89/09, zit nach juris, Rn. 29 sowie z.B. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 23 Rn. 39 m.w.N.) ist auch die sich an alle Aktionäre richtende Einladung objektiv auszulegen. Dies bedeutet, dass die Angaben unter Berücksichtigung von Wortlaut, Zweck und systematischer Stellung aus sich selbst heraus auszulegen sind. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können hierbei nicht berücksichtigt werden. (Senat, Hüffer, a.a.O.).

Hiernach ist dem Landgericht darin zu folgen, dass die beiden Sätze "Aktionäre € können ihr Stimmrecht auch durch einen Bevollmächtigten, €, ausüben lassen. In diesem Fall sind die Bevollmächtigten rechtzeitig anzumelden."so verstanden werden können, dass in dem Fall einer Bevollmächtigung nicht bzw. nicht nur die Aktionäre selbst, sondern auch die Bevollmächtigten sich binnen der im Absatz zuvor genannten Frist (26.05.2008, also 3 Tage vor dem Termin der Hauptversammlung) anmelden müssen. Die Auffassung des 23. Senats (a.a.O., Rdn. 13), dass die Bestimmung unproblematisch sei, da sie lediglich impliziere, dass die Vollmacht vor Beginn der Abstimmung erteilt sein müsse, überzeugt hingegen nicht. Denn mangels anderer Bestimmungen im Gesetz oder der Satzung kann eine Bevollmächtigung noch auf der Hauptversammlung bis zum Zeitpunkt der Abstimmung über den jeweiligen Tagesordnungspunkt erteilt werden. Die Formulierung des zweiten Satzes der zitierten Einladungsregelung "in diesem Fall sind die Bevollmächtigten rechtzeitig anzumelden"kann von einem durchschnittlichen Aktionär hingegen so verstanden werden, dass die Anmeldung vor diesem (materiell-rechtlich ohnehin zwingenden) Zeitpunkt erfolgen muss. Angesichts dessen, dass zuvor für die Aktionäre,"zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts"eine Anmeldefrist bis zum 26.05.2008 genannt wurde, liegt es nahe, das Erfordernis einer "rechtzeitigen" Anmeldung auch des Bevollmächtigten dahin zu verstehen, dass jener eben auch bis zu diesem Termin angemeldet werden muss. Dies jedoch findet weder im Gesetz noch in der Satzung eine Grundlage und stellt deswegen eine unzulässige einschränkende Bedingung der Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung des Stimmrechts dar. Insbesondere dann, wenn z. B. ein Aktionär kurzfristig erkrankt oder aus anderen Gründen kurzfristig verhindert ist, besteht auch ein praktisches Bedürfnis, noch weniger als drei Tage vor der Hauptversammlung einen Vertreter bevollmächtigen zu können. Die anders zu verstehende Bestimmung in der Einladung ist geeignet, teilnahmewillige aber kurzfristig verhinderte Aktionäre von der Hauptversammlung fernzuhalten.

Ebenso wenig überzeugt die in dem von der Beklagten vorgelegten Rechtsgutachten von Prof. Dr. N (S. 24/25, Bl. 1924/1925 d.A.) vertretene Auffassung, dass €bei Lichte betrachtet € freilich der in Frage stehende Teil der Einladung zur Hauptversammlung die Bevollmächtigung während laufender Hauptversammlung überhaupt nicht€ regele und €von dem Erfordernis der Anmeldung des Stimmrechtsbevollmächtigten unberührt bleibt das Recht des Aktionärs, sich selbst anzumelden und sodann € gegebenenfalls auch noch während der Hauptversammlung € Stimmrechtsvollmacht zu erteilen€, was dann €indes € mit dem in der Einladung zur Hauptversammlung geregelten Erfordernis €rechtzeitiger€ Anmeldung des Stimmrechtsbevollmächtigten nichts zu tun€habe.

Entsprechend formuliert die Beklagte (Schriftsatz vom 7.4.2010, S. 13, Bl. 2236 d.A.):€Wird eine Vollmacht erst später(als 3 Tage vor der Versammlung)erteilt, muss der Bevollmächtigte nicht mehr angemeldet werden, sondern kann das Stimmrecht den Aktionär ungeachtet einer eigenen Anmeldung ausüben, sofern der Aktionär selbst rechtzeitig angemeldet war. Das ist selbstverständlich und entspricht dem Text der Einladung.€

Die Auffassung, dass ein Aktionär noch nach Ablauf der 3-Tages-Frist einen Vertreter bevollmächtigen kann und dieser sich nicht anmelden muss, ist zwar richtig. Wie ausgeführt kann die Einladung jedoch gerade anders verstanden werden, nämlich dahingehend, dass die Bevollmächtigten rechtzeitig anzumelden sind. Dafür, dass dies nur für Bevollmächtigungen vor Ablauf der 3-Tages-Frist gelten soll, enthält der Einladungstext keinen Anhaltspunkt.

Der Verstoß gegen § 121 Abs. 3 S. 2 AktG a.F. hat gemäß § 241 Nr. 1 AktG a.F. die Nichtigkeit der auf der Hauptversammlung der Beklagten am 29.08.2008 gefassten Beschlüsse zur Folge. Die Anordnung der Nichtigkeitsfolge für die Mitteilung falscher Bedingungen der Teilnahme und/oder der Stimmrechtsausübung dient dem Schutz der Aktionäre. Durch sie soll verhindert werden, dass Aktionäre von einer Teilnahme an der Hauptversammlung abgehalten werden, obwohl sie bzw. die von ihnen eingesetzten Vertreter tatsächlich die Voraussetzungen für eine Teilnahme erfüllen (vgl. Urteil des Senats vom 27.04.2010, 5 U 14/09).

Eine abweichende Rechtsfolge (evtl. nur Anfechtbarkeit oder gar überhaupt keine Rechtsfolge) lässt sich € entgegen der von Prof. Dr. N (Gutachten, S. 14 ff., Bl. 1914 ff. d.A.) vertretenen Auffassung € auch nicht aus der zum 1.11.2009 in Kraft getretenen Änderung der §§ 121 und 241 AktG herleiten. Nach der Neuregelung durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) führen nur noch Einladungsfehler hinsichtlich der Angabe von Firma, Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der Hauptversammlung zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse (§§ 241 Nr. 1 i.V.m. 121 Abs. 3 Satz 3 AktG n.F.), nicht aber die Mitteilung falscher Teilnahmebedingungen. § 121 Abs. 3 AktG n.F. wiederum differenziert zwischen €Voraussetzungen für die Teilnahme € und die Ausübung des Stimmrechts€(Satz 2 Nr. 1) und dem €Verfahren für die Stimmabgabe (u.a.) durch einen Bevollmächtigten.€ (Satz 2 Nr. 2 lit. a).

Mangels einer Rückwirkung der Gesetzesänderung zum 1.11.2009 gilt für die streitgegenständliche Hauptversammlung am 29.5.2008 das alte Recht. Im Übrigen erschließt sich € entgegen der Meinung von N € aus der Gesetzesänderung nicht, dass der Gesetzgeber (des Jahres 2009) der Auffassung war, die alte Regelung aus dem Jahr 1965 sei dahingehend auszulegen, dass § 121 Abs. 3 Satz 2 a.F. Bedingungen für die Anmeldung von Bevollmächtigten nicht umfasst. Denn Zweck der Neuregelung war es, die Nichtigkeit von Beschlüssen infolge von fehlerhaften Teilnahmebedingungen insgesamt (und nicht nur hinsichtlich der Teilnahme von Bevollmächtigten) abzuschaffen. Dass er eine Neuregelung für notwendig erachtete, belegt, dass auch der Gesetzgeber davon ausging, dass nach altem Recht Verstöße gegen § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. zur Nichtigkeit der Beschlussfassungen führen, was er rechtspolitisch nicht mehr für sinnvoll erachtete.

Was die Differenzierung in § 121 Abs. 3 Satz 2 Nr.1 und 2 AktG n.F. betrifft, so wird dort zwischen €Voraussetzungenfür die Teilname und die Ausübung des Stimmrechts€ und dem €Verfahrenfür die Stimmabgabe€ differenziert. Der im vorliegenden Zusammenhang relevante Begriff der €Bedingungenfür die Teilnahme € und die Ausübung des Stimmrechts€ (§ 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F.) findet sich in der Neufassung nicht. Die eingeführte Differenzierung lässt daher keinen Schluss auf ein Verständnis des Gesetzgebers im Sinne der Beklagten zu, schon gar nicht hinsichtlich des € maßgebenden - Gesetzgebers des Jahres 1965.

Der Einladungsmangel ist schließlich auch nicht derart geringfügig, dass die in § 241 Nr. 1 AktG angeordnete Nichtigkeitsfolge unangemessen wäre. Dies wäre der Fall, wenn sich der Fehler auf das Teilnahmerecht eines durchschnittlichen Lesers der Bekanntmachung schlechterdings nicht auswirkte oder die Aktionäre in keiner Weise beschwerte (vgl. Beschluss des Senats vom 13.03.2008, 5 W 4/08, zit. nach juris, Rn. 36). Wie ausgeführt ist es im vorliegenden Fall jedoch durchaus möglich, dass sich Aktionäre durch die fehlerhafte Formulierung der Einladung von einer Teilnahme an der Hauptversammlung abhalten ließen.

Da nach dem Ausgeführten die angefochtenen Beschlussfassungen insgesamt nichtig sind, kommt es auf die Frage, ob darüber hinaus weitere Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgründe bestehen, für die Entscheidung nicht an.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens war die Kostenentscheidung bezüglich des Streithelfers der Kläger zu 7. gem. § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen abzuändern, da seine Nebenintervention durch Beschluss des Senats vom mit Beschluss vom 29.01.2010 zugelassen worden ist. Die Pflicht der Beklagten, seine erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten zu tragen, folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 ZPO.

Die die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, insbesondere des Kammergerichts (Urteil v. 21.09.2009, 23 U 46/09, NZG 2009, S. 1389), zu der Frage, ob § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG auch Bedingungen hinsichtlich der Bevollmächtigung eines Stimmrechtsvertreters umfasst, wird gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO die Revision zugelassen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 15.06.2010
Az: 5 U 144/09


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