Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 314/04
(BPatG: Beschluss v. 13.09.2006, Az.: 7 W (pat) 314/04)
Tenor
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Gegen das Patent 197 04 315 mit der Bezeichnung Verwendung eines metallischen Dichtsystems zum Abdichten von porösen Bauteilen, dessen Erteilung am 30. Oktober 2003 veröffentlicht worden ist, hat die A... KG in B...
am 27. Januar 2004 Einspruch erhoben.
Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende neben der schon im Prüfungsverfahren u. a. berücksichtigten Druckschrift:
DE 33 06 759 A1 u. a. auch noch die JP 5904 7563 A und EP 0 701 051 B1 genannt.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, aber unter Ersetzung des Patentanspruchs 1 und Beschreibung Seite 1 durch den Patentanspruch 1 und Beschreibung Seite 1 jeweils vom 23. August 2006.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:
Verwendung eines metallischen Dichtsystems aus einer einlagigen oder mehrlagigen Metalldichtung mit mindestens einer Durchgangsöffnung zum Abdichten von zwei Bauteilen gegeneinander, wobei das Dichtsystem durch die Metalldichtung aus Stahl und mindestens eine zusätzliche metallische Adapterplatte aus Federstahl, die Durchgangsöffnungen aufweist, die mindestens zu den Durchgangsöffnungen der Metalldichtung korrespondieren, gebildet ist, zum Abdichten der Bauteile, wobei mindestens ein abzudichtendes Bauteil aus Leichtmetall besteht und eine poröse und mit Lunkern versehene Oberfläche aufweist, wobei die Adapterplatte mindestens zwischen dem poröse Oberflächen aufweisenden Bauteil und der Metalldichtung angeordnet ist, und dass die Adapterplatte mindestens auf der der porösen Oberfläche zugewandten Seite mindestens partiell mit einer elastischen oder plastischen oder klebenden Schicht versehen ist.
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 4 sind auf die weitere Ausgestaltung der Verwendung nach dem geltenden Patentanspruch 1 gerichtet.
Gemäß Abs. [0007] der geltenden Beschreibung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Dichtsystem für die Verwendung zum Abdichten von Bauteilen mit Lunkern vorzuschlagen.
II.
1. Der Einspruch ist durch das PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 in der Fassung des Kostenbereinigungsgesetzes Art. 7 Nr. 37 vom 13. Dezember 2001, geändert durch das Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes Art. 1 Nr. 2 vom 9. Dezember 2004 dem Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zur Entscheidung zugewiesen.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet und führt zum Widerruf des Patents.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung dar, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der zuständige Fachmann ist ein Maschinenbau-Ingenieur mit langjähriger Erfahrung bei der Entwicklung von Metalldichtsystemen, insbesondere für den Fahrzeugbau.
Laut Spalte 1, Zeilen 27 - 38 der Patentschrift hat es sich gezeigt, dass vor allem beim Abdichten von zwei Bauteilen gegeneinander, die eine poröse und/oder mit Lunkern versehene Oberfläche aufweisen, Dichtprobleme auftreten. Eine Ursache für diese Dichtprobleme ist demnach darin zu sehen, dass im Bereich der Verbrennungskraftmaschinen die Zylinderkopfdichtung meist zwar gesickt ist, dadurch aber auf die Oberfläche lediglich eine Linienpressung ausgeübt wird, die nicht in allen Fällen in der Lage ist, alle auf der Bauteiloberfläche vorhandenen Lunker, vor allem wenn diese größere Durchmesser, z. B. bis zu 2 oder 3 mm, aufweisen, abzudichten. Diese Problematik tritt dabei bei Bauteilen aus Leichtmetall auf.
Der Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 lässt offen, ob überhaupt linienförmige Pressungen, die z. B. durch Sicken in der Dichtung verursacht werden könnten, in dem ein- oder mehrlagigen Metalldichtung des aus Metalldichtung und Adapterplatte bestehenden Dichtsystems auftreten oder nicht. Auch zur Adapterplatte gibt es im geltenden Patentanspruch 1 keinerlei Angaben, ob diese plan sein soll oder profiliert sein kann.
Lediglich in dem einzigen Ausführungsbeispiel nach Figur 2 der Patentschrift und der darauf gerichteten Beschreibung ergeben sich Hinweise auf den Profilaufbau des gesamten Dichtsystems. In diesem Ausführungsbeispiel sind Sicken in den Lagen 6 und 8 der Metalldichtung vorhanden. Diese Sicken sind mit radialem Abstand um die Brennraumdurchgangsöffnung der gefalzten und zwischen den Lagen 6 und 8 angeordneten Lage 7 zugewandt. Der Fachmann entnimmt dieser Darstellung, dass die Sicken dort entlang der Sickenkopflinie eine Linienpressung auf die Zwischenplatte 7, aber nicht auf die der Bauteiloberfläche (Zylinderblock 2) zugewandte Adapterplatte 4 entwickeln. Der im Ausführungsbeispiel der Patentschrift dargestellte mehrlagige Aufbau zeigt im Übrigen Parallelen zu einem Ausführungsbeispiel des Dichtungssystems der JP 5904 7563 A (vgl. dort z. B. Fig. 2).
Die Dichtung nach Patentanspruch 1 mag zwar neu sein, sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die DE 33 06 759 A1 zeigt die Verwendung eines metallischen Dichtsystems aus einer einlagigen (z. B. Fig. 2, elastische Hartmetallplatte bzw. Grundplatte 4) oder mehrlagigen (Fig. 5, zusätzlich zur Grundplatte 4 Zwischenplatten 28) Metalldichtung (2) mit mindestens einer Durchgangsöffnung (18) zum Abdichten von zwei Bauteilen (Zylinderkopf 10, Zylinderblock 12) gegeneinander. Das Dichtsystem ist gebildet durch die Metalldichtung aus Stahl und mindestens eine zusätzliche metallische Adapterplatte (Hilfsplatte 6), die Durchgangsöffnungen aufweist, die mindestens zu den Durchgangsöffnungen (18) der Metalldichtung korrespondieren. Mindestens ein abzudichtendes Bauteil weist eine mit Fehlern oder Rissen versehene Oberfläche auf. Die Adapterplatte (Hilfsplatte 6) ist mindestens zwischen dem mit Fehlern und Rissen versehenen Oberflächen aufweisenden Bauteil und der Metalldichtung angeordnet. Weiter zeigt die genannte Druckschrift auch noch, dass die Adapterplatte (6) mindestens auf der der mit Fehlern und Rissen versehenen Oberfläche zugewandten Seite mit einer elastischen oder plastischen oder klebenden Schicht (8) versehen ist (Seite 8, letzter Abs. in Verbindung mit Fig. 2). Dabei stellen bei dem bekannten Dichtungssystem die Sicken (Wulst 16) der Grundplatte (4) die Dichtwirkung her. Vorzugsweise liegt die Härte der Grundplatte (4) im Bereich HV 300 bis 450 (Seite 6, 3. Abs.). Die Hilfsplatten 6 sollen gemäß der DE 33 06 759 A1 (Anspruch 1) weicher als die Grundplatte sein.
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 vom Stand der Technik gemäß der DE 33 06 759 A1 dadurch, dass die zu verbindenden Teile nicht explizit als Leichtmetallteile kenntlich gemacht sind, neben den Oberflächenschäden in Form von Fehlern und Rissen nicht explizit auch Lunker genannt werden und schließlich die Hilfsplatten nicht aus Federstahl bestehen.
Leichtmetallzylinderköpfe bzw. -Blöcke waren zum Zeitpunkt der Anmeldung in der Großserie unbestritten bekannt (vergl. Sp. 1, Z. 10 der in der Streitpatentschrift zitierten EP 0 725 241 A1). Diese Motorenteile werden üblicherweise im Gussverfahren hergestellt. Dabei stellen sich auch Fehler an den Gussteilen ein. Gussfehler in Form von Lunkern oder poröse Oberflächen sind, ob im Leichtmetallguss oder auch im Stahlguss, nicht vermeidbar und dem Fachmann geläufig, wie schon der Hinweis auf Fehler und Risse in der DE 33 06 759 A1 zeigt.
Auch unter Beachtung des Hinweises in der DE 33 06 759 A1, dass härtere Adapterplatten unerwünschte Resultate im Hinblick auf die Linienpressung zeigen könnten (S. 8, Abs. 2), offenbart diese Druckschrift zumindest eine gezielte Abstimmung von mehreren, hier ebenfalls wie beim Streitpatent drei, Metalllagen zu einem Zylinderkopfdichtsystem.
Eine gezielte Abstimmung von mehreren Metalllagen für ein Zylinderkopfdichtsystem entnimmt der zuständige Fachmann auch der EP 0 701 051 B1, die in den im Folgenden zitierten Stellen mit der vorveröffentlichten Offenlegungsschrift EP 0 701 051 A1 übereinstimmt. Deren Figur 7 zeigt ein Dichtsystem, ebenfalls dreilagig mit einer mittig zwischen zwei elastischen Metallplatten 5 und 7 angeordneten Lage 6, die ebenfalls aus Metall besteht. Zumindest die Lage 5 erfüllt dabei die Funktion einer Adapterplatte aus Federstahl (vergl. im Abs. [0026]: elastic metal plate, hardness of HV 300-500). Gemäß Absatz [0027] ist die Lage 5 doppelt beschichtet (fluorrubber 12 and acrylic rubber 13). Die Beschichtungen 12 und 13 sind laut Abs. [0023] dem Zylinderkopf zugewandt. Der Beschichtung der Lage 5 kommt dabei eine erhöhte Dichtwirkung gegenüber der zugeordneten Zylinderkopfkontaktfläche zu. Den aus der EP 0 701 051 B1 bekannten Aufbau eines Dichtungssystems wird der zuständige Fachmann zu der Lösung der gestellten Aufgabe schon deshalb in Betracht ziehen, da er in dieser Druckschrift ein Dichtsystem erkennt, das eine flächenhafte Pressung mit hoher Dichtwirkung auf den zugeordneten Zylinderkopf überträgt, die durch die Beschichtung der Lage 5 im Sinne der gestellten Aufgabe vorteilhaft ergänzt wird.
Darüber hinaus zeigt die EP 0 701 051 B1 sogar vorteilhafte Ausbildungen im Sinne der dem Streitpatent unterlegten Linienpressungs- und Lunkerproblematik, zu deren Lösung im geltenden Patentanspruch 1 keine darauf speziell ausgerichteten Merkmale genannt sind. So erkennt der zuständige Fachmann in dieser Druckschrift ein Dichtsystem, das einen linienförmigen Druck einer Sicke in eine flächenhafte Pressung mit hoher Dichtwirkung auf das zugeordnete Bauteil, in diesem Fall auf den Zylinderkopf überträgt. Die mit einer Sicke 16 versehene Lage 6 besteht aus einem weicheren Material als die dem Zylinderkopf zugewandte Platte aus Federstahl. Die Sicke 16 ist dabei so ausgebildet, dass die vorspringende Dichtlinie der elastischen Platte (Lage 5) zugewandt ist. Die in der EP 0 701 051 B1 dargestellte linienförmige Pressung der Sicke 16 führt durch die härtere Lage 5 zu einer flächenhaften Pressung an der zugeordneten Fläche am Zylinderkopf. Die Lage 5 wandelt als Adapterplatte eine Linienpressung in eine Flächenpressung in Richtung auf den Zylinderkopf um.
Somit gelangt der Fachmann in nahe liegender Weise vom Stand der Technik nach der DE 33 06 759 A1 unter Hinzuziehung der EP 0 701 051 B1 zu einer Verwendung eines Dichtsystems gemäß dem geltenden Patentanspruch 1.
Gemäß der Figur 6 der EP 0 701 051 B1 weist die Adapterplatte, d. h. die Lage 5 selbst auch eine Sicke auf. Soweit die Patentinhaberin geltend macht, dass das Dichtsystem gemäß dieser Druckschrift im Gegensatz zum Patentgegenstand eine gesickte Adapterplatte (Lage 5) enthielte, führt das zu keiner anderen Beurteilung in der Sache, da der geltende Patentanspruch 1 und auch die übrigen Patentunterlagen eine solche Ausbildung nicht ausschließen.
Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.
BPatG:
Beschluss v. 13.09.2006
Az: 7 W (pat) 314/04
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