Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. Februar 2005
Aktenzeichen: I-15 U 106/04

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.02.2005, Az.: I-15 U 106/04)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Februar 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zu-rückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin wollte 50.000,00 DM anlegen und wandte sich deshalb im Februar 2000 an die Beklagte, deren Kundin sie seit vielen Jahren war. Sie unterzeichnete schließlich am 7. Februar 2000 nach im einzelnen zwischen den Parteien streitigen Gesprächen in der ihre Konten führenden Geschäftsstelle der Beklagten einen "Vermögensverwaltungsauftrag ........" mit dem Anlageprofil "X". Dieser Auftrag sah die bankmäßige Vermögensverwaltung durch die schweizerische Y AG vor. Die Anlage hatte ausschließlich in Investmentanteilen zu erfolgen. Im Anlageprofil "X" war eine Beimischung von Aktienfonds zwischen 20% und 60% vorgesehen (Anlage B3). Die Anlage entwickelte sich verlustreich. Die Klägerin ließ die Kündigung der Anlage erklären. Die Y AG teilte den damaligen Anwälten der Klägerin mit Schreiben vom 4. März 2003 mit, dass das Depot inzwischen aufgelöst sei, sich ein Kursverlust von 6.765,53 EUR ergeben habe und in der gesamten Laufzeit Gebühren von 1.027,12 EUR angefallen seien.

Die Klägerin hat behauptet:

Sie sei Anfang Februar 2000 bei Herrn J, einem Kundenberater der Beklagten, vorstellig geworden. Dieser habe ihre Wünsche - der Betrag habe möglichst risikoarm, aber gewinnbringend bei der Beklagten angelegt werden sollen - aufgenommen und erklärt, er werde etwas Passendes heraussuchen und ihr vorlegen. Die Beratung am 7. Februar 2000 sei dann zu ihrer Überraschung nicht durch Herrn J., sondern Frau G. durchgeführt worden. Die dreiminütige Beratung habe sich indessen auf die Vorlage vorbereiteter Dokumente beschränkt, welche sie ohne sie zu lesen unterschrieben habe. Dabei habe sie noch mehr scherzhaft festgestellt, dass die Anlage des Geldes auch wirklich sicher sei, was ihr seitens der Frau G. bestätigt worden sei. Ende Januar 2000 habe sie den Begrüßungsbrief der Y AG erhalten. Auf Nachfrage bei der Beklagten habe man ihr erklärt, es handele sich um ein auf deren Veranlassung eröffnetes Depot, in welchem die Geldanlage verwaltet werde.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass - dies zeige die Kürze der Gespräche mit Herrn J. und Frau G. - keine ausreichende Beratung stattgefunden habe. Deshalb sei ihr gar nicht aufgefallen, dass das Geld im Ausland habe angelegt werden sollen und sie mit einer ihr unbekannten Privatbank kontrahiert habe. Sie sei auch über die Anlageform selbst nicht unterrichtet worden und habe erst durch das Schreiben der Y AG von dem Umfang der Beimischung von Aktienanteilen erfahren. Einer derartigen Anlage hätte sie, wäre sie genügend beraten worden, nicht zugestimmt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.792,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht:

Der Inhalt des angeblichen Beratungsgesprächs zwischen der Klägerin und Herrn J. könnten nach der langen Zeit nicht mehr nachvollzogen werden. Die maßgebliche Akte beinhalte keine Gesprächsnotizen oder Vermerke über die von der Klägerin behaupteten Gespräche. Herr J. hätte, hätte die Klägerin eine risikoarme Anlage gewünscht, die streitgegenständliche Vermögensverwaltung nicht empfohlen. Keinesfalls habe die Klägerin am 7. Februar 2000 ein Beratungsgespräch mit Frau G. geführt. Die Kontoeröffnungsunterlagen seien durch ihre Mitarbeiterin K. ausgefüllt worden. Es sei ausgeschlossen, dass sich das Beratungsgespräch auf drei Minuten beschränkt habe, denn das für derartige Verkaufsgespräche vorgegebene Schema, an das sich Frau K. bei sämtlichen Kunden gehalten habe, erfordere eine wesentlich intensivere Beratung. Auch die schriftlichen Unterlagen hätten unmissverständlich verdeutlicht, dass die Anlage in der S. erfolge. Die Beklagte hat zudem die Verjährungseinrede erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin nach § 37a WpHG verjährt seien.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, mit der diese geltend macht:

§ 37a WpHG greife nicht an, denn die Beklagte hafte nicht nur wegen eines etwaigen Fehlers bei der Wertpapieranlage, sondern aufgrund eines Fehlverhaltens ihrer Mitarbeiter im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrags. Überdies sei die Beklagte verpflichtet gewesen, sie über den Beratungsmangel beim Abschluss des Vertrags am 7. Februar 2000 und die laufende Verjährung zu informieren. Durch ihre Nachfrage, was es mit dem Schreiben der Y AG vom 14. Februar 2000 auf sich habe, habe der Beklagten klar sein müssen, dass sie nicht verstanden habe, dass ihr Geld "hochspekulativ in der S." angelegt worden sei und sie einen eigenständigen Vertrag mit einer ausländischen Bank abgeschlossen habe. Hier habe eindeutig Aufklärungsbedarf bestanden. Die Beklagte habe auf die Verjährungsfrist nach § 37a WpHG hinweisen müssen, damit sie sich über ihr weiteres Vorgehen habe klar werden können.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf zu Aktenzeichen 3 O 445/03 zu verurteilen, an sie 7.792,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, der von der Klägerin unterschriebene Vertragstext sei in jeder Hinsicht klar gewesen. Träfen die von ihr bestrittenen Behauptungen der Klägerin zum Unterbleiben jeglicher Beratung oder Aufklärung zu, so bedeute dies nichts anderes, als dass diese ihr bei der Anlage freie Hand eingeräumt habe. Anfang 2000 sei eine Anlage - wie die getätigte - in keiner Weise zu beanstanden gewesen. Überdies greife die Verjährungseinrede durch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf die im zweiten Rechtszug zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1.

Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung eines Geschäftsbesorgungs- oder Beratungsvertrags der Parteien durch die Klägerin ist jedenfalls nach § 37a WpHG verjährt.

Nach dieser Vorschrift verjährt der Anspruch des Kunden gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.

a)

Das WpHG findet nach seinem § 1 Abs. 1 Anwendung. Es ist danach auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen anzuwenden.

Die Beklagte, bei der es sich überdies um ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 2 Abs. 4 WpHG handelt, hat im Streitfall eine Wertpapiernebendienstleistung nach § 2 Abs. 3a Ziffer 3 WpHG erbracht, nämlich eine Beratung bei der Anlage in Wertpapieren. Von einer Anlageberatung ist auszugehen, wenn die fachkundige Bewertung und Beurteilung der Anlage im Hinblick auf die Anlageziele und die Risikotragungsfähigkeit des Anlegers geboten und geschuldet wird (Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 3. Auflage 2003, § 2 WpHG, Rn. 74a).

So liegt es hier nach dem Vortrag der Klägerin. Diese will sich im Februar 2000 an die Beklagte gewendet haben, um von dort eine Beratung darüber zu erhalten, wie sie 50.000,00 DM möglichst risikoarm, aber gewinnbringend, anlegen könne. Die Beklagte bestreitet zwar den von der Klägerin vorgetragenen Zeitablauf und den von dieser angegebenen Hergang der Gespräche mit ihren, der Beklagten, Mitarbeitern. Sie bestreitet aber nicht den Kern des Vortrags der Klägerin, dass diese nämlich mit dem Wunsch nach Beratung an sie, die Beklagte, herangetreten sei.

Die Beratung bezog sich auf die Anlage in Finanzinstrumenten. Zu diesen zählen die Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 und damit auch Investmentanteile nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG. Die Beratung führte zum Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags zwischen der Klägerin und der Y AG. Gegenstand dieses Vertrags war die Vermögensanlage ausschließlich in Investmentanteilen, deren Verwahrung im Depot möglich war.

b)

Es kommt danach darauf an, ob die Beratung, deren Fehlerhaftigkeit die Klägerin geltend macht, unter § 37a WpHG fällt. Die Klägerin stellt das mit der Begründung in Abrede, es gehe nicht darum, dass die Beklagte die ihr obliegende Wertpapierdienstnebenleistung schlecht erbracht habe, sondern darum, dass die auf einer vorgelagerten Stufe aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag der Parteien geschuldete Beratung dazu, welche Anlageform gewählt werden solle, schlecht gewesen sei. Zunächst einmal habe die Beklagte dazu beraten müssen, ob angesichts der Wünsche der Klägerin überhaupt eine Anlage in Wertpapieren in Betracht komme oder der Anlagebetrag nicht besser auf ein Sparbuch eingezahlt werden solle.

Dadurch wird die Anwendung des § 37a WpHG indessen nicht ausgeschlossen. Die Auslegung der Vorschrift hat sich an ihrem Wortlaut zu orientieren. Die fehlerhafte Beratung muss mit einer Wertpapierdienstleistung oder einer Wertpapierdienstnebenleistung "im Zusammenhang" stehen. Ein derartiger Zusammenhang lässt sich im Streitfall nicht leugnen. Der Klägerin ist freilich zuzugeben, dass sich ein Beratungsvorgang, der die Anlage einer Geldsumme zum Gegenstand hat und hinsichtlich der Anlageform zunächst offen ist, abstrakt in die Phasen des "ob" - ob also überhaupt in Wertpapieren angelegt werden soll - und des "wie" - also die Auswahl des Wertpapiers - zerlegen lässt. Eine derartige Betrachtung lässt sich aber in der Praxis nicht durchhalten und vernachlässigt die enge sachliche, räumliche und zeitliche Verquickung beider Phasen. Diese sind in der Regel - und auch im Streitfall sind gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich - Gegenstand einer einheitlichen Beratung und lassen sich praktisch nicht trennen. So hängt das "Ob" häufig davon ab, welche Varianten es innerhalb des "Wie" überhaupt gibt. Denkbar ist, dass der Berater dem Kunden etwa neben dem Sparbuch gleich eine ganze Palette weiterer Anlagemöglichkeiten, darunter verschiedene Wertpapiere, präsentiert und der Anleger aus dieser Palette das ihm am günstigsten scheinende Angebot wählt ohne dass überhaupt problematisiert wird, ob es sich dabei um ein Wertpapier handelt. Die Entscheidung zwischen Sparbuch und Wertpapier ist nicht unbedingt eine solche zwischen "schwarz und weiß", da es durchaus - etwa festverzinsliche - Wertpapierformen gibt, die einem Sparbuch, soweit Sicherheit und Rendite betroffen sind, entsprechen. Gegen die gekünstelte Trennung der Beratungspflichten in solche, die sich auf das "ob" und andere, welche sich auf das "wie" beziehen, spricht zudem die Entstehungsgeschichte des § 37a WpHG. Der Gesetzgeber hat diese Verjährungsvorschrift insbesondere deshalb geschaffen, weil er die bei In-Kraft-Treten der Regelung geltende dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. für die Haftung von Pflichten aus Informations- und Beratungspflichten sowie von Schutzpflichten aus culpa in contrahendo als zu lang angesehen hat. Die langen Fristen wurden als im internationalen Vergleich unüblich bezeichnet sowie als Hemmnis bei der Beratung von Aktienanlegern wegen des unüberschaubar langen Zeitraums einer möglichen Haftung angesehen (KG, NJW 2004, 2755, 2756; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 3. Auflage, § 37a WpHG, Rn. 6). Diese Erwägungen erlauben keine Unterscheidung danach, ob sich die Beratung auf die Anlageform Wertpapier schlechthin oder nur auf die Auswahl eines bestimmten Wertpapiers bezieht. Anderenfalls würde der Zweck der Verkürzung der Verjährungsfrist - die Ermutigung der Bank dazu, bei der Anlageberatung neben risikoarmen Papieren, bei denen das Risiko einer möglichen Kostenbelastung besser kalkulierbar ist, trotz der schwer einschätzbaren Risiken auch Aktien als Möglichkeit ins Spiel zu bringen (Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 3. Auflage, § 37a WpHG, Rn. 1) - verfehlt.

c)

Mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere im Februar 2000 ist der Schaden entstanden. Die Verjährungsfrist begann daher zu diesem Zeitpunkt (vgl. KG, NJW 2004, 2755). Ein Vermögensschaden entsteht auch bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung bereits dann, wenn jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht wird, den er sonst nicht abgeschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Daher ist in den Fällen, in denen ein Bankkunde risikoreiche und daher seinen Bedürfnissen nicht entsprechende Wertpapiere kauft, bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Schaden entstanden (Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 3. Auflage, § 37a WpHG, Rn. 7).

Für den Beginn der Verjährungsfrist ist nicht etwa erst auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem tatsächlich Kursverluste eingetreten sind. Es müsste dann konsequenterweise schon bei der Beurteilung, ob ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, und nicht erst bei der Frage der Verjährung auf diesen Zeitpunkt ankommen. Dies würde dazu führen, dass erst nach Ablauf des vorgesehenen Anlagezeitraums wegen einer möglichen Kurserholung beurteilt werden könnte, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist. Der Kunde hätte es in der Hand, die weitere Kursentwicklung abzuwarten, ohne Gefahr zu laufen, dass sein Schadensersatzanspruch verjährt.

d)

Vergleichsverhandlungen, die zu einer Hemmung der Verjährung hätten führen können, haben die Parteien - jedenfalls während des Laufs der Verjährungsfrist - nicht geführt. Das den Schadensersatzanspruch der Klägerin zurückweisende Schreiben der Beklagten datiert vom 7. April 2003. Die Verjährungsfrist lief schon im Februar 2003 ab. Die Einreichung der Klage beim Landgericht Düsseldorf am 6. August 2003 unterbrach die Verjährung nicht.

2.

Ein weiterer, sogenannter sekundärer Ersatzanspruch, der der Beklagten gem. § 249 BGB die Einrede der Primärverjährung verwehrte, steht dem Kläger nicht zu. Derartige Ansprüche waren unter der Geltung der §§ 51b BRAO a.F., 68 StBerG a.F. im Bereich der freien Beratungsberufe anerkannt. So hatte ein Mandant, dessen primärer Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrags verjährt war, einen weiteren (sekundären) Ersatzanspruch, wenn der Rechtsanwalt den Schaden in Gestalt der Primärverjährung verursacht hatte, indem er im Rahmen der umfassenden vertraglichen Beratungspflicht eine bis zum Mandatsende entstandene (sekundäre) Pflicht, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regresshaftung und deren kurze Verjährung gem. § 51b BRAO a.F. hinzuweisen, schuldhaft verletzt hatte (vgl. BGH, NJW 2000, 1263, 1264). Diese sekundäre Pflicht entstand, wenn der Rechtsanwalt Anlass hatte zu prüfen, ob er durch eine Pflichtverletzung den Mandanten geschädigt hatte und ein sorgfältiger Rechtsanwalt dabei seine mögliche Haftpflicht erkennen konnte (vgl. BGH, NJW 1985, 2250) und galt auch für die Primärverjährung nach § 68 StBerG a.F.. Mehrere zeitliche Schranken waren hierbei zu beachten. Der Anlass zur Prüfung der eigenen Tätigkeit musste nach Begehung des Fehlers und vor Eintritt der Primärverjährung liegen, außerdem bestand die Pflicht nur bis zum Ende des Mandats (OLG Celle, NJOZ 2004, 658, 659).

Nachdem §§ 51b BRAO a.F., 68 StBerG a.F. mit Wirkung ab dem 15. Dezember 2004 durch Art. 4 Nr. 1 sowie Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, Seite 3214) aufgehoben wurden, wird im Schrifttum diskutiert, ob an der verjährungsrechtlichen Sekundärhaftung des Rechtsanwalts und des Steuerberaters festgehalten werden kann (Mansel/Budzikiewicz, Verjährungsanpassungsgesetz: Neue Verjährungsfristen, insbesondere für die Anwaltshaftung und im Gesellschaftsrecht, NJW 2005, 321, 325). Im Streitfall bedarf diese Frage allerdings keiner Entscheidung.

Es erscheint schon zweifelhaft, ob sich die Grundsätze der Sekundärverjährung überhaupt auf § 37a WpHG übertragen lassen. Der Gesetzgeber hätte die Sekundärverjährung zusammen mit der Vorschrift des § 37a WpHG eingeführt, wenn er diese hätte anwenden wollen. Mit der Einführung des § 37a WpHG war vom Gesetzgeber - wie bereits ausgeführt - die Verkürzung der als zu lang angesehenen Verjährung beabsichtigt. Im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung kann dann nicht die Intention des Gesetzgebers in das Gegenteil verkehrt werden (KG, NJW 2004, 2755, 2757). Zudem lassen sich die Beratungsleistungen einer Bank nicht ohne weiteres mit denen eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters vergleichen. Letztere erbringen Dienste höherer Art, die aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übertragen zu werden pflegen (§ 627 Abs. 1 BGB). Ein derartiges Vertrauen wird einer Bank als vergleichsweise großem und anonymem Organisationsgebilde nicht ohne weiteres entgegen gebracht.

Entscheidend ist aber letztlich, dass die Beklagte keinen Anlass hatte zu prüfen, ob die Klägerin aufgrund eines Beratungsfehlers beim Gespräch am 7. Februar 2000 einen Schaden erlitten hatte. Ein Anspruch der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung lässt sich nicht daraus herleiten, dass es die Beklagte unterlassen habe, sie über einen angeblichen Beratungsmangel beim Gespräch am 7. Februar 2000 und die laufende Verjährungsfrist zu informieren. Die Klägerin macht hier geltend, die Beklagte habe erkennen müssen, dass sie, die Klägerin, die Zusammenhänge nicht verstanden habe, als sie sich nach der Bedeutung des Schreibens der Y AG vom 14. Februar 2000 erkundigt habe. Die Klägerin gibt jedoch auch an, ihr sei zu dem Schreiben erklärt worden, dass es sich um ein auf Veranlassung der Beklagten eröffnetes Depot handele, in dem die Geldanlage, die sie, die Klägerin, am 7. Februar 2000 veranlasst habe, verwaltet werde. Sie trägt nicht etwa vor, dass sie sodann weiter nachgefragt oder zu erkennen gegeben habe, dass ihr noch etwas unklar sei und sie, hätte sie alles richtig begriffen, mit einer Anlage in der S überhaupt nicht einverstanden gewesen wäre. Vielmehr begnügte sich die Klägerin mit der ihr erteilten Auskunft. Bei dieser Sachlage musste sich der Beklagten nicht der Verdacht aufdrängen, die Klägerin habe das Anlagekonzept weder verstanden noch hätte sie es bei richtigem Verständnis gebilligt.

Die Beklagte musste auch nicht wegen des Umstands, dass die Vermögensverwaltung zu Verlusten führte, das Vorliegen einer Beratungspflichtverletzung erwägen. Sie war nicht einmal gehalten, die Entwicklung der Anlage zu beobachten, da, soweit die Vermögensverwaltung betroffen war, nicht sie, sondern die Y AG Vertragspartnerin der Klägerin war. Dass die Beklagte trotzdem Kenntnis von der Wertentwicklung erhielt, ist von der Klägerin nicht dargetan. Kann danach weder von einer derartigen Kenntnis der Beklagten noch von ihrer Obliegenheit sich diese zu verschaffen, ausgegangen werden, so bestand erst recht keine Pflicht, die Klägerin auf die drohende Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche nach § 37a WpHG hinzuweisen.

3.

Die Klägerin hat schließlich auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 2 WpHG. Es kann dahin stehen, ob die Klägerin einen Verstoß der Beklagten gegen deren sich aus § 31 Abs. 2 WpHG ergebenden Informations- und Beratungspflichten substantiiert dargelegt hat und es sich bei der Vorschrift um ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB handelt. Ein derartiger deliktischer Anspruch wäre jedenfalls gleichfalls nach § 37a WpHG verjährt.

Einzelnen Stimmen im Schrifttum (Ellenberger, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageberatung, WM 2001, Sonderbeilage Nr. 1/2001, Seite 16; Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 3. Auflage, § 37a WpHG, Rn. 6) wollen § 37a WpHG zwar unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung (Regierungsbegründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucksache 13/8933, S. 59, 97) nur auf vertragliche Ansprüche anwenden, nicht hingegen auf deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB.

Dem vermag der Senat - auch unter Berücksichtigung der einhelligen Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum (KG, NJW 2004, 2755, 2756; weitere Einzelnachweise bei Kritter, Die Verjährung nach § 37a WpHG - eine Zwischenbilanz, BKR 2004, 261, 263, Fußnote 27), zu folgen, soweit aus vorsätzlichem Handeln herrührende deliktische Ansprüche betroffen sind, nicht jedoch in bezug auf mit Fahrlässigkeit begründete Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB.

In der Regierungsbegründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz heißt es bloß, es sei nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen, inwieweit sich die kurze Verjährungsfrist des § 37a WpHG auch auf konkurrierende Ansprüche erstrecke. Hiernach verbleibe es in jedem Fall bei der vorsätzlichen Verletzung von Informationspflichten und der vorsätzlich fehlerhaften Anlageberatung, d.h. dem Anlagebetrug, bei der Regelverjährung für deliktische Ersatzansprüche. Aus den allgemeinen Grundsätzen folgt keineswegs zwangsläufig, dass aus Fahrlässigkeit resultierende deliktische Ansprüche dem Anwendungsbereich des § 37a WpHG entzogen sind.

Im Einzelnen gilt vielmehr folgendes:

Bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung, die beide aus demselben Sachverhalt hergeleitet werden, handelt es sich zwar um eine echte Anspruchskonkurrenz, so dass grundsätzlich auch jeder Anspruch seiner eigenen Verjährungsfrist unterliegt (BGH, NJW 1987, 2008). Ein Schuldner, der nicht nur seine Vertragspflichten, sondern auch seine gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Pflichten verletzt und daher unter Umständen auch Dritten gegenüber ersatzpflichtig werden kann, darf nämlich nicht gegenüber denjenigen Opfern privilegiert werden, die mit ihm einen Vertrag abgeschlossen haben (BGH, NJW-RR 1993, 1113). Etwas anderes gilt aber dann, wenn und soweit die Befugnis des Geschädigten, nach der Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche auf die aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Ansprüche ausweichen zu können, den Zweck der besonders kurz bemessenen vertraglichen Verjährungsfristen vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde (BGH, NJW-RR 1993, 1113). Unter diesem Gesichtspunkt werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beispiel Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der vermieteten Sache auch insoweit der kurzen Verjährungsfrist des § 558 Abs. 1 unterworfen (BGH, NJW 1985, 798, 799). Dies kann auch bei der Anspruchskonkurrenz zwischen Kaufvertrags- und Deliktshaftung so sein, wenn das Integritätsinteresse des Käufers völlig deckungsgleich mit seinem Äquivalenzinteresse ist (BGH, NJW-RR 1993, 1113).

Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben. Die der Beklagten aus dem Beratungsvertrag und aus §§ 31, 32 WpHG entstehenden Verpflichtungen sind gleich und schützen dasselbe Interesse, nämlich eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann keinen unbeteiligten Dritten schädigen, wie sonst im Deliktsrecht, sondern allein die Partner des Beratungsvertrags. Für dieses Verhältnis soll nach der Entscheidung des Gesetzgebers, sofern kein - hier nicht in Betracht kommendes - vorsätzliches Verhalten vorliegt, die kurze Verjährung des § 37a WpHG eingreifen. Der Wille des Gesetzgebers ging dahin, die 30-jährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB a.F. für eine Falschberatung aus positiver Vertragsverletzung

oder culpa in contrahendo radikal abzukürzen (Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 3. Auflage, § 37a WpHG, Rn. 1), bezog sich also primär auf den vertraglichen Anspruch. Die langen Fristen wurden als im internationalen Vergleich unüblich bezeichnet sowie als Hemmnis bei der Beratung von Aktienanlegern wegen des unüberschaubar langen Zeitraums einer möglichen Haftung angesehen. Diese Erwägungen tragen auch eine Einbeziehung der deliktischen Ansprüche. Diese verjähren zwar auch nur in drei Jahren, sind aber ähnlich unkalkulierbar. Der Verjährungsbeginn und damit mittelbar das Ende der Frist hingen nach § 852 BGB a.F. von subjektiven, für die Bank nicht kalkulierbaren Voraussetzungen ab, nämlich der Kenntnis vom Eintritt des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen. Insbesondere die Kenntnis vom Schaden kann erst lange nach der Beratung eintreten, auch wenn man als Schadensereignis bereits den Abschluss des nachteiligen Erwerbsvorgangs ansieht. Eine Kenntnis von dieser Nachteiligkeit kann bei dem Kunden erst Jahre später eintreten, etwa weil es erst nach dieser Zeit zum Eintritt von Anlageverlusten kommt und die Beratung aus diesem Grunde erst dann hinterfragt wird. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns von der Bank darzulegen und zu beweisen wären, was ihr bei den subjektiven Voraussetzungen des § 852 BGB a.F. bzw. der §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. anders als bei § 37a WpHG nur sehr schwer möglich wäre. Hinzu kommt ein entscheidendes weiteres Argument. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung kann - abgesehen von den Fällen einer betrügerischen Anlageberatung i.S. des § 263 StGB und der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) - regelmäßig nur in Verbindung mit § 31 WpHG als Schutzgesetz, unterstellt, dieses ist überhaupt als solches zu betrachten, entstehen. Zu Ansprüchen aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 37a WpHG ergibt sich dabei die Besonderheit, dass das Schutzgesetz in § 37a WpHG eine selbstständige Verjährungsregelung enthält. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es gerechtfertigt, auf den Anspruch aus unerlaubter Handlung grundsätzlich die Verjährungsregel aus dem Schutzgesetz anzuwenden.

4.

Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 7.792,65 EUR festgesetzt.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 23.02.2005
Az: I-15 U 106/04


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