Landgericht Köln:
Urteil vom 1. Dezember 2006
Aktenzeichen: 81 O 186/06
(LG Köln: Urteil v. 01.12.2006, Az.: 81 O 186/06)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verband zur förderung gewerblicher Interessen, zu dessen Mitgliedern mittelbar und unmittelbar eine Vielzahl von Mitbewerbern der Beklagten - einem bekannten Kaufhausunternehmen - zählen.
Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung der Abmahnpauschale in Anspruch wegen der aus dem Antrag ersichtlichen Werbung in Anspruch, in der es u.a. heißt:
"Beim Kauf von Produkten der abgebildeten Marken, ab einem Wert von 45,00 €, erhalten Sie eine exklusive Strandtasche als Geschenk.*"
Der Sternchenhinweis ist wie folgt erläutert:
"*solange der Vorrat reicht"
Er hält eine solche Ankündigung für einen Verstoß gegen § 4 Nr.4 UWG, wonach bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wegen der in diesem Zusammenhang in erhöhtem Maße bestehenden Gefahr von Missbrauch die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Zugaben klar und eindeutig angegeben werden müssten; der Hinweis "solange der Vorrat reicht" stelle keine hinreichende Aufklärung dar. Er beruft sich hierzu u.a. auf die Kommentierung bei Harte/Henning (UWG, § 4 Nr.4, Rdn.32) und vermisst die Mitteilung der Menge der vorrätigen Strandtaschen: es könnten sich um ganz wenige Exemplare handeln oder auch um eine Vielzahl, angesichts der sich der Interessent mit seiner Kaufentscheidung Zeit lassen könne. Das Schweigen der Beklagten verschaffe ihr einen Freibrief, dem Verbraucher bereits nach kürzester Zeit mitzuteilen, er komme leider zu spät, der Vorrat sei vergriffen. Bestätigt sieht sich der Kläger in seiner Auffassung durch eine Entscheidung des OLG Köln vom 9.9.2005 - 6 U 96/05 (GRUR-RR 2006, 57) -, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- zu unterlassen,
wie nachstehend wiedergegeben mit der Ankündigung
"Beim Kauf von Produkten der
abgebildeten Marken, ab einem Wert
von 45,00 €, erhalten Sie eine
exklusive Strandtasche als Geschenk.*"
und dem Zusatz
"*solange der Vorrat reicht"
zu werben, wenn weitere Erläuterungen zum dem Hinweis "solange der Vorrat reicht" nicht erfolgen:
(es folgt eine Darstellung der Produkte)
an den Kläger € 176,56 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, mit dem Hinweis auf den Kauf von Produkten der abgebildeten Marken ab einem Wert von € 45,00 als Voraussetzung für den Erhalt der Strandtasche die "Bedingungen für die Inanspruchnahme" klar und deutlich genannt zu haben. Der (zu Beginn der Aktion) zur Verfügung stehende Vorrat gehöre nicht dazu, sondern allenfalls die Tatsache, dass beim Kauf noch Zugabeprodukte vorhanden sind; sie beruft sich ergänzend auf das durch das oben genannte Senatsurteil abgeänderte Urteil der erkennenden Kammer vom 27.5.2006 - 81 O 62/05 - und führt dies näher aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann von der Beklagten nicht wie begehrt Unterlassung verlangen, denn die Vorschrift des § 4 Nr.4 UWG verlangt nicht die Angabe der Vorratsmenge; in Folge dessen steht ihm auch kein Anspruch auf die Abmahnpauschale zu.
An dieser - bereits im Urteil vom 27.Mai 2005 geäußerten - Auffassung hält das Gericht nach nochmaliger intensiver Überprüfung und nach Berücksichtigung der Auffassung des Senates fest, weil eine Einschränkung der Werbefreiheit in Bezug auf
wahre
und
nicht irreführende
Angaben nur dann durch § 4 Nr.4 UWG gerechtfertigt sein kann, wenn diese Einschränkung auch nur geeignet ist, den Zweck der gesetzlichen Regelung spürbar zu fördern.
Auszugehen ist zunächst davon, dass § 4 Nr.4 UWG vom Wortlaut her die Angabe der Vorratsmenge nicht vorschreibt, sondern sich hierzu überhaupt nicht verhält. Andererseits ist es vom Sinn der Regelung her (spezieller Informationsbedarf des Verbrauchers auf Grund der beim Einsatz von Verkaufsförderungsmaßnahmen in nicht unerheblichem Maße bestehenden Missbrauchsgefahr) geboten, dem Werbenden Informationen abzuverlangen, die über eine Vermeidung von bloßen Irreführungen hinausgehen.
Vom Gesetzeswortlaut ausgehend hält die Kammer es nach wie vor für näher liegend, unter "Bedingungen für die Inanspruchnahme" Umstände zu verstehen, die der Verbraucher selbst gestalten muss, um in den Genuß der ausgelobten Vorteile zu kommen, denn auch wenn sich die Geltung der gesetzlichen Regelung selbstverständlich nicht auf die in der Gesetzesbegründung genannten Modalitäten von Kundenbindungsprogrammen beschränkt, handelt es sich dabei um geradezu typische Aktivitäten des Verbrauchers, über deren Tragweite er "klar und eindeutig" aufgeklärt werden muss. Wenn man das Gesetz - wie der Senat a.a.O. Seite 58 - rein objektiv versteht, also als "ein zukünftiges Ereignis jedweder Art", wird es schwerfallen, z.B. die Öffnungszeiten des werbenden Unternehmens nicht darunter zu fassen: es gehört sicher zu einer solchermaßen verstandenen "Bedingung für die Inanspruchnahme", dass das Ladenlokal geöffnet ist und angesichts der heutigen individuellen Unterschiede in den Öffnungszeiten wäre die entsprechende Angabe im Zusammenhang mit der Auslobung der Zugabe für den Verbraucher sicherlich hilfreich. Außerdem erscheint der Hinweis der Beklagten zutreffend, wonach nicht die Zahl der bei Aktionsbeginn vorhandenen Taschen maßgebend ist, sondern deren Vorhandensein beim Kauf, wobei sich die Frage anschließt, ob § 4 Nr.4 UWG bei mehrfachem Erscheinen der Anzeige - z.B. 3 Tage lang - deren tägliche Anpassung bis zum Redaktionsschluss des jeweiligen Mediums verlangt; hierbei ergeben sich schon bei einem Ladenschluss von 20.00 Uhr erhebliche praktische Schwierigkeiten, die zur vom Gesetz sicher nicht bezweckten Unmöglichkeit einer Werbung mit Zugaben führen könnten.
Vorstehende Überlegungen mögen aber letztlich dahinstehen, denn auch wenn man die "Bedingung" objektiv versteht, könnte sie nur dann zur Angabe der Vorratszahl verpflichten, wenn diese Zahl den befürchteten Missbrauch verhindern oder zumindest spürbar weniger wahrscheinlich werden ließe, denn nur wenn das Gebot Sinn macht, kann es Eingriffe in die freie Gewerbebetätigung rechtfertigen.
Dies ist nicht der Fall.
Der befürchtete Missbrauch besteht darin, dass einem interessierten Kunden schon frühzeitig mitgeteilt wird, die Zugabe sei bereits vergriffen. Dies kann sowohl dann geschehen, wenn die Vorratszahl angegeben war als auch dann, wenn sie verschwiegen worden ist, denn der Kunde ist weder in dem einen noch in dem anderen Fall in der Lage zu prüfen, ob tatsächlich der (unerwartet€) große Ansturm von Kunden stattgefunden hat oder nicht. Bereits im früheren Urteil der Kammer ist darauf hingewiesen worden, dass eine Zahlenangabe (z.B. 50 Stück) dem Verbraucher nicht bei seiner Entscheidung hilft, ob es sich lohnt, am Abend zum Beispiel des ersten Tages der Werbeaktion das Ladenlokal aufzusuchen oder nicht, zumal dann nicht, wenn der Werbende eine Mehrzahl von Filialen betreibt, deren Kundenfrequenz natürlicher Weise unterschiedlich ist. In beiden Fällen ist es einem unlauter vorgehenden Kaufmann möglich, dem Kunden die Zugabe vorzuenthalten.
Ein solchermaßen sinnloser Zusatz (oder alternativ das völlig Unterlassen eines Hinweises auf die Begrenztheit des Vorrates an Zugabeexemplaren) kann auf der Grundlage des geltenden Gesetzestextes nicht verlangt werden, nachdem - hierauf ist erneut hinzuweisen - die zu erläuternde Angabe in sich wahr und auch im Zusammenhang nicht irreführend ist. Es gibt kein allgemeines Transparenzgebot, wie auch in der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zum Urteil I ZR 33 und 97/04 vom 26.10.2006 betreffend die Werbung für das "(Bezeichnung des Projektes)" nochmals zum Ausdruck kommt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: € 50.176,56
LG Köln:
Urteil v. 01.12.2006
Az: 81 O 186/06
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0913e2455bfb/LG-Koeln_Urteil_vom_1-Dezember-2006_Az_81-O-186-06