Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. November 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 119/03
(BPatG: Beschluss v. 11.11.2003, Az.: 27 W (pat) 119/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Februar 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der IR-Marke 736 376 zurückgewiesen worden ist.
2. Die Löschung der Marke 301 54 819 wird aufgrund des Widerspruchs aus der IR-Marke 736 376 angeordnet.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 301 54 819 für die Waren "Textile Bekleidung" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren IR-Marke 736 376 die in Deutschland für die Waren Cl 25: "Vêtements l'exception de chemises" geschützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil die Marken gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht verwechselbar seien. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sich der Gesamteindruck der angegriffenen Marke, insbesondere durch die Anfügung des Bestandteils "By Jenny G." von dem der Widerspruchsmarke unterscheide. Zudem seien die übereinstimmenden Bestandteile "X-Cape" jeweils unterschiedlich grafisch ausgestaltet. Trotz der Warenidentität sei der Abstand beider Marken daher groß genug, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr auszuschließen. Die hohen Anforderungen an eine assoziative Verwechslungsgefahr seien ebenfalls nicht gegeben.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Anordnung der Löschung der angegriffenen Marke anstrebt. Sie weist darauf hin, dass der Bestandteil "By Jenny G." für den Verkehr derart in den Hintergrund trete, dass allein der Bestandteil "X-Cape" die jüngere Marke präge. Bei einer Verkleinerung der jüngeren Marke auf die typische Größe eines Einnähetiketts sei der Bestandteil "By Jenny G." so klein, dass er nur noch schwer lesbar sei und deshalb vom Verkehr nicht mehr als Markenbestandteil wahrgenommen werde. Die Widersprechende trägt weiter vor, dass in dem vergleichbaren Fall "Dockers/Dockers by Gerli" (HABM R. 588/1999-3 vom 04.04.2001) dem Bestandteil "by Gerli" keine für den Gesamteindruck maßgebliche Bedeutung beigemessen worden sei. Sie meint, die Rechtsprechung des HABM sei auf den vorliegenden Fall anwendbar.
Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
II.
Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die angegriffene Marke ist daher im Register zu löschen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
In Anbetracht der Identität der durch die Marken erfassten Waren und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss ein jeder Hinsicht deutlicher Abstand zwischen den Marken gegeben sein, denn die Verwechslungsgefahr nimmt mit der Nähe der Waren zu und ist bei Identität der Waren, auf denen der Verbraucher den Marken im Geschäftsverkehr begegnet, besonders groß (stRspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 9222, 923 - Canon; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2001, 507 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2002, 342 - ASTRA/ESTRA-PUREN). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist dabei auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken sowohl im Bild als auch im Klang und in der Bedeutung hervorrufen, wobei insbesondere auf ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente abzustellen ist (vgl EUGH GRUR 1998, 387, 390 Nr. 23 - Sabèl/Puma).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze reicht der Abstand, den die angegriffene Marke zu der Widerspruchsmarke hält, nicht aus, um die Gefahr von Verwechslungen in klanglicher und bildlicher Hinsicht auszuschließen. In der angegriffenen Marke ist die ältere Marke "X-CAPE" klanglich identisch enthalten. Im Schriftbild weisen die Marken zwar einen Unterschied in der Schreibweise dieses Wortbestandteils auf. Dieser ist aber nicht so erheblich, dass dem Betrachter, der die Marken beim Vergleich in der Regel nicht unmittelbar nebeneinander sieht, sondern auf sein unvollkommenes Erinnerungsbild angewiesen ist (vgl EuGH aaO, S 509) - Lloyd), ein sicheres Auseinanderhalten möglich wäre. Für ihn steht der eigentümliche Fantasiebegriff "X-CAPE" im Vordergrund und nicht die sich jeweils im Rahmen des Werbeüblichen haltende Schreibweise. Begegnet er der Bezeichnung "X-CAPE" als Kennzeichen auf Bekleidungsstücken, liegt für ihn daher die Annahme einer Herkunft der Waren aus derselben betrieblichen Ursprungsstätte nahe.
Daran ändert auch der zusätzliche Bestandteil "By Jenny G." in der jüngeren Marke nichts. Der Verbraucher hat zwar gerade auf dem Modesektor ein ausgeprägtes Markenbewusstsein. Er achtet bei Bekleidung daher erfahrungsgemäß verstärkt auf den Hersteller- oder Designernamen (vgl BGH GRUR 1996, 406 - JUWEL; GRUR 1996, 774 - falkerun/LE RUN). Hiervon ist aber nur dann auszugehen, wenn der Name im Rahmen der Kennzeichnung ausreichend erkennbar hervortritt. Diese Voraussetzung ist bei der angegriffenen Marke nicht erfüllt, denn die Angabe "By Jenny G." ist nicht nur in wesentlich kleinerer Schrift wiedergegeben als der optisch dominierende Wortbestandteil, sondern vor allem auch in einem starken räumlichen Abstand unter diesem angeordnet. Wer seinen Hersteller- bzw Designernamen neben der eigentlichen Produktkennzeichnung derart unauffällig anbringt, kann nicht erwarten, dass er vom Verkehr auf dem Etikett überhaupt wahrgenommen wird, oder wenn sein Blick darauf fallen sollte, gegenüber dem dominierenden und einprägsamen Wortbestandteil "X-CAPE" nachhaltig in Erinnerung bleibt. Das gilt umso mehr, als der Vorname "Jenny" mit dem Buchstaben "G." als bloßer Initale des Nachnamens von Haus aus nicht dasselbe Gewicht und dieselbe Aussagekraft hat wie eine aus eine aus Vor- und Nachnamen bestehende vollständige Herstellerangabe. Unter diesen Umständen ist damit zu rechnen, dass sich ein erheblicher Teil des Verkehrs die angegriffene Marke allein an dem Bestandteil "X-CAPE" einprägt und sie im mündlichen Geschäftsleben, etwa beim Kauf der Waren im Laden oder bei mündlichen Bestellungen oder Empfehlungen, allein danach benennt, so dass im Ergebnis klangliche Identität mit der Widerspruchsmarke besteht und schriftbildlich eine verwechslungsbegründende starke Ähnlichkeit.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Für eine Kostenauferlegung besteht kein Anlaß (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Dr. Schermer Schwarz Dr. van Raden Na
BPatG:
Beschluss v. 11.11.2003
Az: 27 W (pat) 119/03
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