Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 9. Juni 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 16/15
(BGH: Beschluss v. 09.06.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 16/15)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 26. Januar 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem 15. Juli 1974 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit dem Kläger am 17. Januar 2014 zugestelltem Bescheid vom 14. Januar 2014 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO müssen im Zulassungsantrag die Gründe dargelegt werden, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Hierfür gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen, wie sie die Rechtsprechung zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) entwickelt hat. Daher müssen die aus Sicht des Antragstellers in Betracht kommenden Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO benannt und hinreichend erläutert, d.h. die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 4/12, AnwBl. 2012, 553 Rn. 2 und vom 23. Februar 2011 - AnwZ (Brfg) 4/10, juris Rn. 4, jeweils m.w.N.).
Nach Maßgabe dieser an die Begründung des Zulassungsantrags zu stellenden Anforderungen bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags. Dort wird weder ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benannt noch näher zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm Stellung genommen.
2. Unabhängig hiervon hat der Zulassungsantrag auch in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 m.w.N.).
Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 14. Januar 2014 in Vermögensverfall befunden. Über sein Vermögen ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - M. vom 23. April 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden, mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).
aa) Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind die Vermögensverhältnisse erst dann wieder geordnet, wenn dem Schuldner nach dem hier maßgeblichen Insolvenzrecht durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO a.F.) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 53/13, juris Rn. 8; vom 9. Juli 2013 - AnwZ (Brfg) 20/13, juris Rn. 5; vom 23. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 23/12, juris Rn. 3; jeweils m.w.N.). Daran fehlte es vorliegend zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 14. Januar 2014.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Verzögerung des die Restschuldbefreiung ankündigenden, schließlich am 5. Mai 2014 ergangenen Beschlusses nach § 291 InsO a.F. (Anlage K 12) dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, führt dies zu keiner anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage. Nachdem aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Vermögensverfall vermutet wird, können im Hinblick auf einen ausreichenden Schutz der Interessen der Rechtsuchenden geordnete Vermögensverhältnissen des Rechtsanwalts nur unter den vorgenannten Voraussetzungen angenommen werden. Liegen sie nicht vor, kann - unabhängig von dem Grund für das Fehlen eines Beschlusses nach § 291 InsO a.F. - noch nicht von (wieder) geordneten Vermögensverhältnissen ausgegangen werden. Die Feststellung der Voraussetzungen eines Beschlusses nach § 291 InsO a.F., insbesondere zu einem Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO, bleibt dem Insolvenzgericht vorbehalten. Sie konnte vorliegend nicht durch die Beklagte gleichsam vorweggenommen werden.
Im Übrigen kann nicht angenommen werden, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 14. Januar 2014 bereits ein Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 291 InsO a.F. ergangen wäre, wenn die mit Beschlüssen des Insolvenzgerichts vom 2. Dezember 2013 und 2. Januar 2014 (Anlagen K 5, 6) festgesetzten Fristen für den Widerspruch gegen Forderungsanmeldungen ordnungsgemäß veröffentlicht worden wären. Das Insolvenzgericht hat, nachdem die Widerspruchsfrist schließlich aufgrund seines Beschlusses vom 13. Februar 2014 (Anlage K 10) ordnungsgemäß veröffentlicht worden war, mit Beschluss vom 12. März 2014 (Anlage K 11) gemäß § 5 Abs. 2 InsO das schriftliche Verfahren für die Verfahrensabschnitte "Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen" und "Schlusstermin gemäß § 197 InsO" angeordnet und den Beteiligten für den Widerspruch gegen Forderungsanmeldungen und für Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung eine weitere Frist von sieben Wochen bis zum 30. April 2014 gesetzt. Wären dieser Beschluss und eine entsprechende Fristsetzung bereits nach Ablauf der mit Beschluss vom 2. Dezember 2013 bis zum 20. Dezember 2013 gesetzten Widerspruchsfrist erfolgt, wäre ein Beschluss nach § 291 InsO a.F. ebenfalls nicht bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 14. Januar 2014 ergangen.
bb) Soweit der Kläger beanstandet, er habe - entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs - mit Schriftsätzen vom 1. Oktober 2014 und 12. Januar 2015 die Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse nachgewiesen und eine substantiierte Vermögensaufstellung vorgelegt, betrifft dies lediglich die Hilfsüberlegungen des Anwaltsgerichtshofs zur Sach- und Rechtslage "bei Anwendung der bisherigen Rechtsprechung" (Seite 7 f. der Entscheidungsgründe), das heißt bei Berücksichtigung eines Wegfalls des Widerrufsgrundes nach Erlass des Widerrufsbescheids. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist indes - wie ausgeführt - allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens und damit vorliegend auf den dem Kläger am 17. Januar 2014 zugestellten Widerrufsbescheid vom 14. Januar 2014 abzustellen.
b) Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Soweit er rügt, vom Anwaltsgerichtshof nicht darauf hingewiesen worden zu sein, dass dieser sich "urplötzlich" auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats berufen wolle, nach der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen ist (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.), trifft dies nicht zu. Zwar hat der Anwaltsgerichtshof mit Schreiben vom 3. April 2014 auf die bisherige, für die Zeit vor der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts maßgebliche Senatsrechtsprechung hingewiesen. Er hat ausgeführt, dass ein an dieser Rechtsprechung orientierter Vortrag, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung im Verlaufe des Verfahrens entfallen sein könnten, bisher fehle. Der Anwaltsgerichtshof hat anschließend jedoch mit Schreiben vom 21. November 2014 darauf hingewiesen, dass die Klage aus den zutreffenden Erwägungen der Beklagten vom 18. November 2014 keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Die Beklagte hatte in ihrem Schriftsatz vom 18. November 2014 unter anderem unter Hinweis auf die neuere Senatsrechtsprechung ausgeführt, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung maßgebliche Zeitpunkt sei der Zeitpunkt des Abschlusses des Widerrufsverfahrens, der Wegfall der Widerrufsgründe sei weder im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof noch im Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof zu berücksichtigen. Mit weiteren Schreiben vom 15. Januar 2015 hat der Anwaltsgerichtshof den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 14. Januar 2014 abzustellen sei.
Im Übrigen gibt die Kritik des Klägers an der Begründung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks. 16/11385) dem Senat keine Veranlassung, von seiner neueren, auf dieser Änderung des Verfahrensrechts beruhenden Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft abzuweichen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg König Remmert Quaas Schäfer Vorinstanz:
AGH München, Entscheidung vom 26.01.2015 - BayAGH I - 1 - 4/14 -
BGH:
Beschluss v. 09.06.2015
Az: AnwZ (Brfg) 16/15
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