Landgericht Köln:
Urteil vom 20. Juli 2005
Aktenzeichen: 26 O 225/04
(LG Köln: Urteil v. 20.07.2005, Az.: 26 O 225/04)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger, ein bundesweit agierender gemeinnütziger Verbraucherschutzverein auf dem Gebiet des Versicherungswesens, wurde mit Wirkung zum 1.1.2001 in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 22a AGBG a.F. eingetragen, die der Liste nach § 4 UKlaG entspricht. Die Beklagte ist eine Krankenversicherungsgesellschaft. Bis Ende 2003 bezog die Beklagte in die mit Versicherungsnehmern geschlossenen Krankenversicherungsverträge Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, Teil I Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 94) §§ 1-18 und Teil II Tarifbedingungen der L AG TB) Nr. 1-37 (Bl. 31 ff. d.A), ein. Auf diese Regelungen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. U.a. war darin unter § 1 Abs. 2 AVB eine Regelung betreffend "medizinisch notwendige Heilbehandlung" enthalten und unter § 5 Abs. 2 AVB eine Möglichkeit einer Einschränkung der Leistungspflicht der Beklagten geregelt. Nachdem sich der Bundesgerichtshof früher in einem Urteil vom 30.11.1977 (VersR 77, 267 ff.) mit der Formulierung "medizinisch notwendige Heilbehandlung" befasst hatte, entschied er durch Urteil vom 12.3.2003 (VersR 2003, 581 ff.) zu den inhaltsgleichen MB/KK 76. Die Beklagte veranlasste in der Folgezeit ein sog. Treuhänderverfahren gemäß § 178 g Abs. 3 Satz 1 VVG. Der seit 1.1.2000 als Bedingungstreuhänder der Beklagten eingesetzte Rechtsanwalt Dr. M stimmte schließlich mit Schreiben vom 11.11.2003 (Bl. 96-112 des Anlagenheftes) einer Änderung der Tarifbedingungen in einem sog. Treuhänderverfahren zu.
Nachdem die Genehmigung des Treuhänders vorlag, schrieb die Beklagte ab November 2003 nach dem Vortrag des Klägers ihre Bestandsversicherten mit einem Schreiben nebst Anlagen wie aus dem Muster gemäß Anlagen K 3a bis K 3g (Bl. 39-50 d.A.) ersichtlich und nach dem Vortrag der Beklagten entsprechend den Mustern gemäß Anlage B 9 oder B 10 zur Klageerwiderung vom 25.9.2004 (Bl. 113-116 des Anlagenheftes) an, wobei dem Anschreiben weitere Unterlagen entsprechend den Anlagen B 11-B 16 zur Klageerwiderung (Bl. 117-130 d.A. des Anlagenheftes) beigefügt gewesen sein sollen.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 22.1.2004 (Bl. 51 ff. d.A.) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte lehnte dies mit Anwaltsschreiben vom 5.2.2004 (Bl. 59 ff. d.A.) ab.
Der Kläger macht geltend, die Beklagte könne sich aus einer Reihe von Gründen nicht auf die streitgegenständlichen, ab November 2003 an die Versicherungsnehmer verschickten, einseitig geänderten Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen berufen. Die Beklagte müsse zudem die Folgen ihres Handelns beseitigen. Im übrigen sei dem Kläger hilfsweise die beantragte Veröffentlichungsbefugnis zuzusprechen.
Der Kläger beantragt:
I. Die Beklagte hat es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungs-
geldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft
von bis zu 6 Monaten.
zu unterlassen,
sich bei der Regulierung von Schadenfällen in der Kranken-
versicherung gegenüber den Bestandsversicherten auf die
nachfolgende genannten, ab November 2003 an die Ver-
sicherungsnehmer verschickten, geänderten Versicherungs-
bedingungen und Tarifbestimmungen zu berufen:
1. Ergänzung zu § 1 Abs. 1a MB/KK 94 ("Preisliche
Angemessenheit im Allgemeinen"):
"[Nr. 1] Preisliche Angemessenheit
Die Aufwendungen für Heilbehandlungen und sonst
vereinbarte Leistungen werden - soweit sich aus § 4
MB/KK 94 einschließlich der Mummern 9 bis 13 TB
nichts anderes ergibt - bis zu angemessenen Beträgen
anerkannt."
2. Ergänzung zu Nr. 11 Abs. TB ("Preisliche Angemessen-
heit bei Heilmitteln"):
"[Nr. 11 Definitionen]
Die Erstattung von Heilmittelkosten richtet sich nach den
in der Heilmittelliste genannten Leistungsinhalten und
Höchstsätzen, sofern der Tarif nichts anderes vorsieht.
Ändern sich Leistungsinhalte oder angegebene Höchst-
sätze bei der als Vergleichsbasis herangezogenen Heilmittelliste des Bundes, wird der Versicherer mit
Zustimmung des Treuhänders die Inhalte und Höchst-
preise entsprechend anpassen.
Die neuen Leistungsinhalte bzw. Höchstsätze gelten dann für Behandlungen, die a 1. des übernächsten
Monats nach Benachrichtigung der Versicherungsnehmer
oder später beginnen, sofern nicht mit Zustimmung des
Treuhänders ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist."
II. Die Beklagte wird verurteilt,
1. dem Kläger (hilfsweise: einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit
verpflichteten Berufe, der im Falle der Nichteinigung durch das Gericht
zu benennen ist) durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses
Auskunft darüber zu erteilen,
welchen Versicherungsnehmern sie ab November 2003 geänderte
Versicherungsbedingungen und/oder Tarifbedingungen gem. Nr. I.
zugeschickt hat in Verbindung mit der Behauptung, dass diese ab dem
01. Januar 2004 gültig seien;
2. den in dem Verzeichnis gemäß Nr. II. 1. aufgelisteten Versicherungs-
nehmern ein Schreiben zu übermitteln, in welchem sie richtig stellt,
dass sie unter Nr. I aufgeführten Versicherungs- und Tarifbedingungen
unwirksam sind und dass insoweit die bis 31. Dezember 2003 gültigen
Versicherungsbedingungen und Tarifbedingungen unverändert
Fortgelten, weshalb Schadenfälle, die in der Zwischenzeit unter
Berufung auf die Versicherungsbedingungen und Tarifbedingungen
gemäß Nr. I. reguliert wurden, unverzüglich nachreguliert werden;
3. dem Kläger (hilfsweise: einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit
verpflichteten Berufe, der im Falle der Nichteinigung durch das
Gericht zu benennen ist) vor Versendung der Richtigstellungsschreiben
gemäß Nr. 2. Gelegenheit zur Überprüfung und Sicherstellung zu
geben, dass jeder Versicherungsnehmer gemäß Nr. 1 ein Richtig-
stellungsschreiben gemäß Nr. 2 erhält.
III. Hilfsweise wird dem Kläger die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel
mit der Bezeichnung der verurteilten Beklagten auf deren Kosten im Bundesanzeiger zu veröffentlichen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt dem Begehren des Klägers im einzelnen unter Darlegung einer Reihe von Gründen entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst vorgelegter Unterlagen Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Der gemäß §§ 3, 4 UKlaG aktivlegitimierte Kläger kann aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Unterlassung gemäß dem Klageantrag zu Ziff. I. verlangen.
Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG hinsichtlich der Verwendung der streitgegenständlichen Klauseln gegenüber der Beklagten zu.
Nach § 1 UKlaG kann auf Unterlassung geklagt werden, wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307-309 BGB unwirksam sind, verwendet werden. D.h. § 1 UKlaG schützt gegen den Inhalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nicht jedoch gegen die Art ihrer Einbeziehung (BGH VersR 02, 1498; Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 1 UKlaG Rn 1).
Der Kläger hat u.a. eindeutig selbst ausgeführt und dies z.B. in der Klageschrift, Seite 14 oben, auch ausdrücklich, daß die Unwirksamkeit der einseitig veränderten streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen hier entgegen § 1 UKlaG nicht aus den §§ 307-309 BGB selbst folgt. Vielmehr hat der Kläger geltend gemacht und das z.B. im Schriftsatz vom 29.8.2004, S. 13 (Bl. 124 d.A.) auch weiterhin, daß § 1 UKlaG hier, obwohl es um die geltend gemachte Einbeziehung geänderter Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag gehe, in gleicher Weise gelte. Letzteres kann jedoch nach Auffassung der Kammer gerade auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht angenommen werden. Auch für eine entsprechende erweiternde Auslegung von § 1 UKlaG gibt es insoweit keinen begründeten Anhaltspunkt.
Soweit der Kläger weiterhin geltend macht, es gehe dennoch um einen Fall unangemessener Benachteilung durch die streitgegenständlichen Klauseln im Sinne von § 307 BGB jedenfalls deshalb, weil die streitgegenständlichen Klauseln von der Beklagten einseitig nachträglich in die bestehenden Versicherungsverträge einbezogen worden seien, kann auch dieser Beurteilung nach der dargestellten Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden.
Es macht insoweit dafür, ob das Verbandsklageverfahren gemäß § 1 UKlaG, worum es für die vorliegende Entscheidung zunächst geht, eröffnet ist oder nicht, keinen wesentlichen Unterschied, ob es um die Frage einer ursprünglichen Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen Vertrag bei Vertragsschluß oder um die Frage einer späteren Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen bestehenden Vertrag geht.
Soweit sich der Kläger insoweit auch auf einen Verstoß der Beklagten gegen die Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 5.4.1993 beruft, kann sein diesbezügliches Vorbringen bereits deshalb im vorliegenden Verbandsklageverfahren zu keiner anderen Beurteilung führen, weil auch diese Richtlinie in den vom Kläger angeführten Passagen voraussetzt, daß der Gegner derartige zu mißbilligende Klauseln als solche verwendet, während es nach den vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Verfahren nicht darum, sondern um die Frage der Einbeziehung von Klauseln, die die Beklagte dann verwenden will, geht.
Weiter ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht aus § 2 UKlaG.
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG kann, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwider handelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze), auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Vorliegend geht es jedoch nicht um ein Handeln der Beklagten außerhalb der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Vielmehr geht es um die Verwendung von der Beklagten in die Versicherungsverträge einbezogener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, so daß § 2 UKlaG nicht einschlägig ist.
Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 UKlaG sind Normen, die dem Schutz des Verbrauchers dienen. Das ist der Fall, wenn der Verbraucherschutz der eigentliche Zweck des Gesetzes ist. Das Gesetz kann auch anderen Zwecken dienen; hat der Verbraucherschutz jedoch nur untergeordnete Bedeutung oder ist er nur eine zufällige Nebenwirkung, so ist § 2 Abs. 1 UKlaG nicht anwendbar (Palandt/Bassenge, § 2 UKlaG Rn 5). Der Kläger hat insoweit keine von der Beklagten verletzte Bestimmungen vorgebracht, bei denen es sich nach Auffassung der Kammer um Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG handeln würde.
Auch insoweit kann die vom Kläger mit Rücksicht auf die Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen begehrte richtlinienkonforme Auslegung nichts zugunsten des Klägers ändern.
Im übrigen wäre die Kammer als Instanzgericht nach Art 234 EGV auch nicht zu einer Vorlage an den EuGH verpflichtet.
Schließlich hat der Kläger auch einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 UWG nicht schlüssig vorgetragen.
§ 3 UWG setzt unlautere Wettbewerbshandlungen voraus, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bedeutet "Wettbewerbshandlung" jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen zu fördern. Maßnahmen, die der Durchführung, Beendigung oder Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses dienen, haben in der Regel keinen Marktbezug und stellen damit keine Wettbewerbshandlung dar. Auch das von dem Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten in Form der Einbeziehung geänderter Versicherungsbedingungen in bestehende Versicherungsverträge stellt danach keine Wettbewerbshandlung dar, denn es geht um den Vorwurf eines Fehlverhaltens in einer bestehenden Vertragsbeziehung (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., 2004, § 2 UWG Rn 53; BGH VersR 02, 1498 zu §§ 1, 3 UWG a.F.).
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, daß auch die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu Ziff. II. und III. als Folgeanträge schon aus den vorstehend dargestellten Gründen keinen Erfolg haben kann.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
LG Köln:
Urteil v. 20.07.2005
Az: 26 O 225/04
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