Landgericht Hagen:
Urteil vom 28. Februar 2007
Aktenzeichen: 10 S 234/06
(LG Hagen: Urteil v. 28.02.2007, Az.: 10 S 234/06)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts J vom 23.11.2006 (41 C 263/06) wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass vorgerichtliche Kosten nur in Höhe von 26,39 € berechtigt sind.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(Urteil und Tatbestand gemäß den §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO)
I.
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. An dem Unfall am 19.09.2005 waren der Pkw der Klägerin und ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Pkw beteiligt. Das Fahrzeug der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt auf dem Q-Platz einer Videothek in J geparkt und wurde von dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug beim Rückwärtsfahren beschädigt. Der Unfall wurde ausschließlich von dem Fahrer des bei der Beklagten versicherten Pkw´s verursacht.
Nachdem die Klägerin am 22.09.2005 mit dem von ihr beauftragten Prozessbevollmächtigten ein dreißigminütiges Beratungsgespräch geführt hatte, meldete dieser mit Schreiben vom selben Tage den Schaden der nichtvorsteuerabzugsberechtigten Klägerin mit knapp 1.000,00 € einschließlich der Gutachterkosten an. Die Beklagte rechnete den Schaden mit Schreiben vom 29.09.2005 ab. Zu der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorbehaltenden Geltendmachung weiter Schadensersatzansprüche, insbesondere des Nutzungsausfallschadens, kam es nicht mehr. Mit Schreiben vom 14.11.2005 rechnete der Prozessbevollmächtigte gegenüber der Beklagten mit einer 1,3 Geschäftsgebühr ab.
Die Beklagte hat den Schaden mit einer Kürzung im Bereich der Auslagenpauschale von 25,00 € auf lediglich 20,45 € und mit Ausnahme der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren zu 100 % reguliert. Von den geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 151,38 €, eine 1,3 Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert in Höhe von 971,85 €, hat die Beklagte unter Zugrundelegung eines Gebührensatzes von 0,9 einen Betrag in Höhe von 106,49 € gezahlt. Mit der Klage verfolgt die Klägerin die Zahlung der restlichen Gebührenansprüche ihrer Prozessbevollmächtigten sowie 27,55 € vorgerichtliche Kosten.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die 1,3 Gebühr vorliegend deshalb nicht gerechtfertigt sei, weil es sich nach Schwierigkeit und unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 31.10.2006 (VI ZR 261/05) entwickelten Grundsätze um eine unterdurchschnittliche Sache handele.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Zahlung der geltend gemachten Gebührenansprüche der Klägerin in Höhe von 44,89 € verurteilt.
Bei den von der Klägerin geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um eine erforderliche Aufwendung der Rechtsverfolgung, die diese nach § 7 StVG erstattet verlangen kann. Den für die Klägerin tätigen Prozessbevollmächtigten steht eine Geschäftsgebühr gemäß Anlage 1 zum RVG Nr. 2300 VV zu. Der Gebührenrahmen liegt zwischen 0,5 und 2,5. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist, mithin überdurchschnittlich gewesen ist. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr im Sinne der Nummer 2300 VV der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs oder der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftragsgebers nach billigem Ermessen. Es entspricht der Vorstellung des Gesetzgebers, wie der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung klargestellt hat, dass in durchschnittlichen Fällen die Schwellengebühr von 1,3 eine Regelgebühr darstellt und ähnliche Funktionen erfüllt, wie die 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und steht im Einklang mit der Bestimmung, dass bei überdurchschnittlichen, bei umfangreichen oder schwierigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts eine Geschäftsgebühr über 1,3 gerechtfertigt ist. Hieraus zieht die Kammer in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs den Schluss, dass nur bei unterdurchschnittlichen Fällen die Festsetzung einer Geschäftsgebühr von 1,3 als unbillig angesehen werden kann. Dabei ist nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein Spielraum von 20 % zuzugestehen.
Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgenommene Abrechnung einer 1,3 Gebühr ist danach noch nicht zu beanstanden. Bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall handelt es sich gerade noch um einen im Vergleich zu anderen Angelegenheiten durchschnittlichen Fall. Die Bearbeitung des streitgegenständlichen Unfalls war in zeitlicher Hinsicht von durchschnittlichem Umfang, zumal die Klägervertreter die eintrittspflichtige Versicherung zunächst anschreiben mussten, nachdem sie die Angelegenheit mit der Klägerin besprochen hatten. Dadurch, dass sie ein entsprechendes Anspruchsschreiben verfassen mussten unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich von demjenigen, den der BGH zu beurteilen hatte. Dort brachte die Mandantin bereits die schriftliche Bestätigungder Eintrittspflicht der gegnerischen Haftpflichtversicherung mit zum Informationsgespräch beim Prozessbevollmächtigten. Die dortige Beklagte hatte nämlich bereits unaufgefordert ihre Eintrittspflicht prinzipiell bejaht.
Es ist ferner im Hinblick auf die Höhe des Schadens von einer Angelegenheit auszugehen, die für die Klägerin von knapp durchschnittlicher Bedeutung ist. In Ermanglung näherer Anhaltspunkte ist auch von durchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Klägerin auszugehen. Dass diese unterdurchschnittlich seien, ist jedenfalls nicht erkennbar geworden.
Zusammenfassend ist die Bestimmung einer 1,3 Gebühr durch den Klägervertreter damit als noch im Rahmen des billigen Ermessens angesiedelt und nicht zu beanstanden.
Die Höhe des verlangten Gebührenanspruchs ist unstreitig richtig berechnet und der bereits gezahlte Anteil auf die Rechtsanwaltsvergütung ist zutreffend berücksichtigt worden. Der vom Amtsgericht zuerkannte Zinsanspruch ist zutreffend berechnet und von der Berufung nicht angegriffen worden.
Der Berufungsklägerin steht auch die 0,65-fache anrechnungsfreie Geschäftsgebühr nach einem Gegenstand bis 300,00 € und einem Mehrwertsteuersatz von 16 % mit 26,39 € zu. Dabei ist für die Berechnung der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG nicht der gekürzte 0,65-fache Wert der Geschäftsgebühr, sondern der 1,3-fache Ausgangswert der Geschäftsgebühr zugrunde zu legen, sodass die Post- und Telekommunikationspauschale 6,50 € beträgt, denn die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG bleibt für die außergerichtliche Tätigkeit erhalten. Die zu berücksichtige Mehrwertsteuer beträgt daher 3,64 €. Die zugrundezulegende 0,65-fache anrechnungsfreie Geschäftsgebühr beträgt also im vorliegenden Fall 26,39 €. Dementsprechend war das angefochtene Urteil hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten abzuändern.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO und § 708 Nr. 10 ZPO.
LG Hagen:
Urteil v. 28.02.2007
Az: 10 S 234/06
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