Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. August 2009
Aktenzeichen: 23 W (pat) 20/08
(BPatG: Beschluss v. 18.08.2009, Az.: 23 W (pat) 20/08)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Auf die am 18. November 1997 eingegangene Patentanmeldung hat die Prüfungsstelle für Klasse G08C des Deutschen Patentund Markenamts das nachgesuchte Patent 197 51 092 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Kommunikationssystem und Verfahren zur Informationsübertragung für Fahrzeuge" unter Berücksichtigung der im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften -DE2053025A (Druckschrift D1) sowie -"Intelligente Systeme für die Verkehrstelematik" in DE-Z.: Funkschau Nr. 24/1996, S. 77 -79 (Druckschrift D2)
erteilt.
Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 10. Februar 2000.
Gegen das Patent hat legte die Einsprechende mit Schriftsatz vom 26. April 2000 (eingegangen beim Deutschen Patentund Markenamt am 4. Mai 2000) Einspruch erhoben.
Sie stützt ihren Einspruch auf eine ISO-Norm -ISO / CD 11992 (Druckschrift E1)
bestehend aus den Teilschriften -ISO / CD 11992-1 (Druckschrift E1-1), -ISO / CD 11992-2 (Druckschrift E1-2) -und -ISO / CD 11992-3 (Druckschrift E1-3)
sowie auf die US-Patentschriften -US 5 223844 (Druckschrift E2), -US 6 638077 (Druckschrift E3) und -US 5 673305 (Druckschrift E4).
Die Patentinhaberin hat im Einspruchsverfahren das Streitpatent nach Hauptantrag im Rahmen der erteilten Vorrichtungsansprüche 1 bis 8 ohne die erteilten Verfahrensansprüche 9 und 10 verteidigt. Hilfsweise reichte sie einen auf ein drahtloses Kommunikationssystem abgestellten Anspruchssatz 1 bis 8 ein (Hilfsantrag 1).
Nach Prüfung des für zulässig erklärten Einspruchs hat die Patentabteilung 32 des Deutschen Patentund Markenamts das Streitpatent mit Beschluss vom 30. Januar 2004 widerrufen.
In den Beschlussgründen ist ausgeführt worden, dass sowohl das erteilte Kommunikationssystem nach Anspruch 1 des Hauptantrags -hier wegen einer fehlenden Neuheit zum Stand der Technik nach Druckschrift E1 -als auch das beschränkt verteidigte Kommunikationssystem nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hier wegen einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich einer Kombination der Druckschriften E1 und D1 bzw. E2 -nicht patentfähig sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 1. April 2004 eingegangene und mit Schriftsatz vom 20. Januar 2009 begründete Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt ihr Patent unverändert mit den Ansprüchen 1 bis 8 nach Hauptund Hilfsantrag 1 aus dem Einspruchsverfahren und reicht diese wortidentisch erneut ein.
Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden die Verfahrensbeteiligten noch auf die dem Senat zur Kenntnis gelangte Druckschrift -N.A.Lobo; "Specification on the Dynamic Chanel Selection (DCS) in DECT", Proc. of the BCS-FARCS 7th Refinement Workshop, Bath, 3 -5 July 1996, Springer, ISBN 3-540-76104-7
(Druckschrift E5)
hingewiesen. Im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung nannte die Einsprechende als Nachweis der Verwendung des DECT-Standards bei Kfz-Anwendungen die weitere Druckschrift -DE 195 31 415 A1 (Druckschrift E6).
Nach Abgabe einer vorläufigen Einschätzung der Sachlage durch den Senat, u. a. mit Verweis auf die Druckschriften D1 und E5, trägt die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009 vor, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag jeweils im Hinblick auf die Druckschriften E1 und E6 nicht neu sei. Hilfsweise führt sie aus, dass dieser unter Berücksichtigung derselben Druckschriften nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe.
Auch der hilfsweise verteidigte Gegenstand beruhe unter Zugrundelegung der vorstehend genannten Druckschriften nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Im Übrigen sei der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert, da sein Gegenstand über den erteilten Patentgegenstand hinausgehe und zudem nicht ursprungsoffenbart sei.
Die Patentinhaberin führt hierzu sinngemäß aus, dass die jeweils verteidigten Gegenstände nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 zulässig und im Übrigen patentfähig seien. Hilfsweise reicht sie mit den Hilfsanträgen 2 bis 6 weitere Anspruchssätze ein, deren Gegenstände unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Standes der Technik ebenfalls patentfähig seien.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 32 des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. Januar 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
erteilte Patentansprüche 1 bis 8, erteilte Beschreibung (Hauptantrag).
Hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht mit Schriftsatz vom 20. Januar 2009, erteilte Beschreibung (1. Hilfsantrag).
Weiter hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009, erteilte Beschreibung (2. Hilfsantrag). Weiter hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009, erteilte Beschreibung (3. Hilfsantrag).
Weiter hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009, erteilte Beschreibung (4. Hilfsantrag).
Weiter hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009, erteilte Beschreibung (5. Hilfsantrag).
Weiter hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009, erteilte Beschreibung (6. Hilfsantrag).
Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der erteilte und nach Hauptantrag unverändert verteidigte Anspruch 1 lautet:
"1. Kommunikationssystem zur bidirektionalen, digitalen Informationsübertragung zwischen Fahrzeugen, von denen jedes aufweist: -eine Sende-/Empfangseinheit -eine Synchronisationseinheit, die einem empfangenen Sender einen Übertragungskanal zuordnet,
-einen Prozessor, der Information über den Status des Fahrzeugs an die Sende-/Empfangseinheit ausgibt oder von der Empfangseinheit empfangene Information auswertet."
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 konkretisiert das Kommunikationssystem in der ersten Anspruchszeile als "Drahtloses Kommunikationssystem".
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 berücksichtigt die von der Einsprechenden vorgetragenen Einwände hinsichtlich der Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und konkretisiert den Streitpatentgegenstand nunmehr als "Schnurloses Kommunikationssystem".
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 schränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 im Merkmal zum zweiten Spiegelstrich weiter ein: Das Merkmal lautet hierbei (Änderungen zum Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterstrichen):
"... -eine Synchronisationseinheit, die einem empfangenen Sender eines anderen Fahrzeugs einen Übertragungskanal zuordnet,..."
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 schränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 weiter ein. Der Anspruchswortlaut lautet (Änderungen zum Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 unterstrichen):
"1. Schnurloses Kommunikationssystem zur bidirektionalen, digitalen Informationsübertragung zwischen Fahrzeugen, das ausgebildet ist, eine direkte Verbindung zwischen den Fahrzeugen aufzubauen, wobei jedes Fahrzeug aufweist: -eine Sende-/Empfangseinheit -eine Synchronisationseinheit, die einem empfangenen Sender eines anderen Fahrzeugs einen Übertragungskanal zuordnet,
-einen Prozessor, der Information über den Status des Fahrzeugs an die Sende-/Empfangseinheit ausgibt oder von der Empfangseinheit empfangene Information auswertet."
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 schränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 durch Anfügen der Merkmale des erteilten Anspruchs 7 weiter ein. Das angefügte Merkmal lautet hierbei:
"... -eine zusätzliche Sende-/Empfangseinheit zur Übertragung von Notfallinformation, wenn sich das Fahrzeug in enger Nähe zu dem Fahrzeug befindet, das die Notfallinformationen sendet."
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 schränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 durch Einfügen der Merkmale des erteilten Anspruchs 3 im Merkmal zum zweiten Spiegelstrich weiter ein. Das entsprechende Merkmal lautet jetzt (Änderungen unterstrichen):
"... -eine Synchronisationseinheit, die einem empfangenen Sender eines anderen Fahrzeugs einen Übertragungskanal zuordnet, wobei die Synchronisationseinheit einer Mehrzahl von Sendern jeweils einen eigenen Kanal zur Überwachung der Bewegungsbilder der zugehörigen Fahrzeuge zuordnet,..."
Wegen der weiteren, abhängigen Ansprüche 2 bis 8 nach Hauptantrag wird auf die Streitpatentschrift verwiesen, wegen der weiteren, abhängigen Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 und wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009 als nicht begründet, denn die mit dem jeweiligen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen 1 bis 6 verteidigten Kommunikationssysteme beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Dieser ist hierbei als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von mobilen Kommunikationssystemen vertrauter Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Fachhochschulabschluss zu definieren.
1.) Die Zulässigkeit des Einspruchs ist auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen (vgl. BGH BlPMZ 1972, 173, Leitsatz b) -"Sortiergerät"). Im vorliegenden Fall bestehen gegen die Zulässigkeit des Einspruchs insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und dazu der erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents sowie dem Stand der Technik nach Druckschrift D1 unter Einbeziehung des fachmännischen Wissens und Könnens hergestellt, d. h. die Tatsachen im einzelnen angegeben hat, aus denen sich ergeben soll, dass das Patent zu widerrufen ist (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz, 251, li. Sp., Abs. 1-"Epoxidation"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 91 bis 97 und 105).
2.) Die Frage der Zulässigkeit der Patentansprüche nach den jeweiligen Anspruchssätzen nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 6 kann jedoch dahinstehen, denn die Beschwerde der Patentinhaberin hat im Umfang des Hauptantrags und sämtlicher Hilfsanträge schon deshalb keinen Erfolg, weil die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und E5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhen (vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 -"Elastische Bandage").
3.) Nach Angaben der erteilten Beschreibung betrifft das Streitpatent ein Kommunikationssystem zur bidirektionalen, digitalen Informationsübertragung für Fahrzeuge. Hierbei ist aus dem Stand der Technik nach Druckschrift D1 ein Warnsystem zur Verhinderung von Auffahrunfällen bekannt, bei welchem in Fahrzeugen eine Funksendeund Empfangsanlage vorgesehen ist, die beim Betätigen der Fahrzeugbremse ein Funksignal für andere Fahrzeuge ausstrahlt und die die entsprechenden, von anderen Fahrzeugen stammenden Funksignale empfängt und einer Warneinrichtung für den Fahrzeugführer zuleitet (vgl. Streitpatentschrift, Sp. 1, zweiter Abs.). Ferner sind bidirektionale Systeme zur Kommunikation von Fahrzeugen mit einer Zentralstelle bekannt, wobei hierbei in nachteiliger Weise kein unmittelbarer Informationsaustausch mit Fahrzeugen in der näheren Umgebung erfolgt (vgl. Streitpatentschrift, Sp. 1, dritter Abs.).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Kommunikationssystem zur lokalen Informationsübertragung von verkehrsrelevanter Information für Fahrzeuge bereitzustellen (vgl. Streitpatent, Sp. 1, vierter Abs.).
Diese Aufgabe wird durch das Kommunikationssystem zur bidirektionalen, digitalen Informationsübertragung zwischen Fahrzeugen nach Anspruch 1 nach Hauptantrag gelöst. Beim erfindungsgemäßen Kommunikationssystem kann in vorteilhafter Weise auf externe Sendestationen und Vermittlungsanlagen verzichtet werden, da diese in der Lage sind, direkte Verbindungen zwischen den Fahrzeugen aufzubauen (vgl. Streitpatentschrift, Sp. 1, vorletzter Abs.).
Hierzu ist bei der in Rede stehenden Lehre vorgesehen, dass die Informationsübertragung zwischen den Fahrzeugen bidirektional und digital erfolgt. Das dem Fahrzeug zugeordnete Kommunikationssystem weist hierzu eine Sende/Empfangseinheit mit einer Synchronisationseinheit auf, welche einem empfangenen Sender [eines anderen Fahrzeugs] einen Übertragungskanal zuordnet. Ferner weist das jeweilige Kommunikationssystem einen Prozessor auf, der Information über den Status des Fahrzeugs an die Sende-/Empfangseinheit ausgibt. Auch die entsprechenden Kommunikationssysteme der Hilfsanträge lösen die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe. Diese konkretisieren das nach Hauptantrag verteidigte, erteilte Kommunikationssystem durch die Hinzunahme weiterer Merkmale. So enthält die jeweilige Lehre nach Hilfsantrag 1 bzw. 2 das zusätzliche Merkmal der drahtlosen bzw. schnurlosen Kommunikation. Die Lehre nach Hilfsantrag 3 konkretisiert das Kommunikationssystem durch die Zuordnung des empfangenen Senders zu einem anderen Fahrzeug. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 lehrt den Aufbau einer direkten Verbindung zwischen den Fahrzeugen. Schlussendlich wird das verteidigte schnurlose Kommunikationssystem mit den Ansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 5 und 6 durch das Anbzw. Einfügen der Merkmale der Ansprüche 7 bzw. 3 an den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 am weitesten eingeschränkt.
Über die Lehre der jeweiligen Ansprüche hinausgehend ist in der zugehörigen Beschreibung offenbart, dass die Sende-/Empfangseinheit und die Synchronisationseinheit in einem DECT-Modul integriert sind, was für den gewünschten lokalen Datenaustausch im Nahbereich besonders geeignet ist (vgl. Streitpatent, Spalte 3, Zeilen 9 bis 13).
4.) Die nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 verteidigten Kommunikationssysteme beruhen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2009 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns, welcher hier als berufserfahrener, mit der Entwicklung von Fahrzeugkommunikationssystemen vertrauten Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Fachhochschulabschluss anzusetzen ist.
a) Das Kommunikationssystem nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist dem Fachmann durch die Lehren der Druckschriften D1 und E5 nahegelegt.
Denn aus der Druckschrift D1 ist in Worten des Streitpatents ein Kommunikationssystem zur bidirektionalen Informationsübertragung zwischen Fahrzeugen (Straßenfahrzeuge) bekannt, von denen jedes eine Sende-/Empfangseinheit aufweist (Funksende-/Empfangseinheit). Die bidirektionale Ausgestaltung des Kommunikationssystems ergibt sich hierbei direkt aus dem Vorsehen einer kombinierten Sende-/Empfangseinheit.
Dem von der Patentinhaberin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Einwand, Druckschrift D1 lehre ausschließlich eine in Richtung nachfolgender Fahrzeuge gerichtete Informationsübertragung, was dazu führe, dass die Informationsübertragung nicht bidirektional sein könne, kann nicht gefolgt werden, da die angeführte Ausgestaltungsform der Lehre der Druckschrift D1 nur vorzugsweise zu entnehmen ist (vgl. D1, Seite 3, zw. Abs., Mitte). Die unter Schutz gestellte allgemeine Lehre des Anspruchs 1 der D1 ist hierauf nicht beschränkt.
Druckschrift D1 lehrt in Übereinstimmung zum Streitpatent (vgl. hierzu Beschreibung, Spalte 3, letzter Abs.) weiter, dass die übertragenen Informationen einer Warneinrichtung für den Fahrzeugführer zugeleitet werden (vgl. D1, Anspruch 1). Dies impliziert dem Fachmann einen Prozessor, der die von der Empfangseinheit empfangene Information auswertet. Somit ist zumindest die zweite Alternative des letzten Merkmals des Anspruchs 1 aus der Druckschrift D1 vorbekannt.
Der Duckschrift D1 ist der Hinweis zu entnehmen, die Sendeund Empfangsanlagen so auszubilden, dass sie für den Empfang und die Sendung von, z. B. in Zahlen vorliegenden Informationen von in der Straßenoberfläche angebrachten Meldepunkten geeignet sind. Diese Informationen werden anschließend einer Recheneinheit zugeführt (vgl. D1, Seite 7, Zeilen 1 bis 5 sowie Seite 7, erster Abs. le. Satz). Hier liest der Fachmann bereits zum Prioritätszeitpunkt der Druckschrift D1 eine digitale Datenübertragung der übertragenen und einer Recheneinheit zugeleiteten Zahlen mit (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 330-333 -"Elektrische Steckverbindung"), womit auch das Merkmal der digitalen Datenübertragung aus der Druckschrift D1 vorbekannt ist.
Was die konkrete Ausgestaltung der Funksignalübertragung anbelangt, lehrt Druckschrift D1, dass die Reichweite des Kommunikationssystems vorteilhafterweise im Nahbereich von ca. 200 m liegt (vgl. Seite 8, 2. Abs., Mitte, "Als maximale Reichweite erscheinen 200 m angebracht") und dass das Kommunikationssystem eine Zuordnung der Fahrzeuge zu einem Bewegungsbild erlaubt (vgl. hierzu Druckschrift D1, Anspruch 11, "...zusammen mit dem eigentlichen Nachrichteninhalt des Funksignals auch ein Kriterium für den Abstand des Fahrzeugs, das Ursprung des Funksignals ist, abgestrahlt wird,...").
Der Fachmann wird bei der Ausführung der Lehre der Druckschrift D1 -schon aufgrund eines freien Zugangs zu den entsprechenden Übertragungsbändern wahlweise und völlig beliebig auf ihm zur Verfügung stehende, bekannte Funkübertragungs-Standards zurückgreifen, welche die vorstehend genannten vorteilhaften Ausgestaltungsmerkmale der Funkübertragung aufweisen. Unter die Vielzahl dem Fachmann bekannter Funkübertragungs-Standards fällt zum Anmeldetag des Streitpatents der hinsichtlich der Kanalvergabe im Übertragungsband in Druckschrift E5 beschriebene DECT-Übertragungsstandard. Dieser besitzt eine vorteilhafte Reichweite im Bereich von 200 m. Bei einer Informationsübertragung mit dem DECT-Übertragungsstandard ordnet die Empfangseinheit dem empfangenen Sender mit der ihm eigenen dynamische Kanalzuordnung (Dynamic Channel Selection / Allocation bzw. DCS/CDA), in Worten des Streitpatents durch eine Synchronisationseinheit, der ausgehenden Information zum empfangenen Sender einen freien Kanal zu, um die vom empfangenen Sender angeforderte Informationen vorteilhafterweise ohne Zeitverzögerung aussenden zu können, was zu einem kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen den beiden oder gegebenenfalls mehreren an der Übertragung teilnehmenden, abwechselnd als Sender bzw. Empfänger operierenden Sende-/Empfangseinheiten führt. Hierdurch besteht die Möglichkeit einer eineindeutigen Fahrzeugzuordnung zum Erstellen eines entsprechenden Bewegungsbilds (vgl. hierzu Druckschrift E5, Seite 9, 4.1, letzte 5 Zeilen verwiesen, "The portable parts (pps) also belong to different DECT systems. These two systems are not synchronised. Their slots may overlap. Thus, the frequency may be occupied by the first pp when it ist time fort he second pp to transmit. The solution is fort he second pp to either skip a whole slot (thus guaranteeing the end of the first activity) or to select a frequency where there is no activity. It is better to find another frequency than wait for another time slot. This critical requirement that makes a distributed control possible).
Somit ergibt sich bei der nahezu völlig beliebigen Auswahl des DECT-Übertragungsstandards für die Funkübertragung gemäß der Lehre der Druckschrift D1 das noch fehlende Merkmal zum zweiten Spiegelstrich des Anspruchs 1 nach Hauptantrag, im Sinne eines dem DECT-Übertragungsstandard inhärenden Merkmals, zwingend (vgl. hierzu auch Streitpatent, Spalte 3, Zeilen 9 und 10, "Die Sende-/Empfangseinheit und die Synchronisationseinheit sind in einem DECT-Modul integriert.").
Die Auswahl des DECT-Übertragungsstandards zur Funkübertragung, und damit verbunden des Merkmals zum zweiten Spiegelstrich, aus der Vielzahl bekannter Übertragungsverfahren begründet keine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns. Denn wenn für den Fachmann mehrere Alternativen in Betracht kommen, können mehrere für ihn naheliegend sein (vgl. BGH GRUR 2008, S. 56, S. 59, re. Sp. Abs. [25] -Injizierbarer Mikroschaum").
Den Argumenten der Patentinhaberin, wonach die Verwendung des DECT-Übertragungsstandard als Übertragungsstandard die erfindungsgemäße (direkte) bidirektionale Kommunikation zwischen den Fahrzeugen ausschließe, kann nicht gefolgt werden. Denn gerade das Streitpatent offenbart im Zusammenhang mit der dort gegebenen allgemeinen technischen Lehre die Verwendung von DECT-Modulen mit integrierter Sende-/Empfangsund Synchronisationseinheit (vgl. Beschreibung, Spalte 3, Zeilen 9 und 10). Hierbei impliziert die von der Patentinhaberin gewählte Bezeichnung "DECT-Modul" dem Fachmann zwingend die Verwendung des DECT-Übertragungsstandards zur Informationsübertragung, wodurch der DECT-Übertragungsstandard Teil der -ein bidirektionales Kommunikationssystem betreffenden -Lehre des Streitpatents ist.
Zusammenfassend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag unter Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift D1 sowie dem, beispielsweise in Druckschrift E5 dokumentierten fachmännischen Wissen zum DECT-Übertragungsstandard nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
b) Das Kommunikationssystem des jeweiligen Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen1 und 2 unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag durch seine Ausgestaltung als "drahtloses" bzw. "schnurloses" Kommunikationssystem.
Beide einschränkenden Merkmale sind jedoch aus der Lehre der Druckschrift D1 vorbekannt (Funkübertragung). Insofern wird hinsichtlich der Patentfähigkeit der so eingeschränkten Vorrichtung auf vorstehende Ausführungen zur Patentfähigkeit verwiesen.
Die jeweiligen Kommunikationssysteme nach den Ansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sind daher ebenfalls nicht erfinderisch.
c) Die Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 schränkt das Kommunikationssystem nach Hilfsantrag 2 dahingehend ein, dass die Synchronisationseinheit den Übertragungskanal einem empfangenen Sender eines anderen Fahrzeugs zuordnet.
Auch dieses zusätzliche Merkmal führt zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit, denn das Merkmal ergibt sich, wie vorstehend erläutert, zwingend bei der völlig beliebigen Auswahl des DECT-Verfahrens zur Funkübertragung bei der Lehre der Druckschrift D1.
Das Kommunikationssystem nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
d) Mit Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 wird das Kommunikationssystem nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 durch die Aufnahme des zusätzlichen Merkmals, "...das ausgebildet ist, eine direkte Verbindung zwischen Fahrzeugen aufzubauen,..." weiter eingeschränkt. Gemäß den Ausführungen des Patentinhabers in der mündlichen Verhandlung soll dies eine Informationsübertragung über Basisstationen, beispielsweise im GSM-Standard, ausschließen.
Der direkte Aufbau einer Verbindung zwischen Fahrzeugen ist aber bereits aus der Druckschrift D1 bekannt; somit ist auch dieses zusätzlich aufgenommene Merkmal ebenfalls nicht geeignet, die Patentfähigkeit der Vorrichtung zu begründen.
Auch das Kommunikationssystem nach Hilfsantrag 4 beruht nach vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
e) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 schränkt das Kommunikationssystem nach d) durch das Anfügen des Merkmals des erteilten Patentanspruchs 7 ein, wonach das Kommunikationssystem eine zusätzliche Sende-/Empfangseinheit zur Übertragung von Notfallinformation, wenn sich das Fahrzeug in enger Nähe zu dem Fahrzeug befindet, das die Notfallinformationen sendet aufweist.
Hierzu lehrt Druckschrift D1, im Fahrzeug eine einschaltbare Funksendeanlage zur Übertragung von Notfallinformation vorzusehen (vgl. D1, Anspruch 8, Warnsignale) wenn sich das Fahrzeug in enger Nähe, mithin in Reichweite der Sendeeinrichtung zum sendenden Fahrzeug befindet. Die betreffende zusätzliche Funksendeanlage hierbei redundant zum Kommunikationssystem auszugestalten ist dabei für den Fachmann naheliegend und kann die erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
Mithin ist auch das Kommunikationssystem nach Hilfsantrag 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhend.
f) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 schränkt das Kommunikationssystem nach d) durch das Einfügen des Merkmals des erteilten Patentanspruchs 3 dahingehend ein, dass die Synchronisationseinheit einer Mehrzahl von Sendern jeweils einen eigenen Kanal zur Überwachung der Bewegungsbilder der zugehörigen Fahrzeuge zuordnet.
Diese Einschränkung ist nicht geeignet, die erfinderische Tätigkeit des Fachmanns zu begründen. Denn ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 ergibt sich dieses Merkmal bei der nahezu völlig beliebigen Wahl des DECT-Standards und der damit verbundenen, in der Druckschrift E5 beschriebenen, dynamischen Kanalwahl zur Funkübertragung zwingend.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 6 beruht daher unter Berücksichtigung der Lehren der Druckschriften D1 und E5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Zusammenfassend sind somit die jeweiligen Ansprüche 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 nicht rechtsbeständig.
5.) Mit den jeweiligen nicht rechtsbeständigen Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die entsprechenden rückbezogenen Ansprüche (vgl. BGH GRUR 2007, 862, Leitsatz -"Informationsübermittlungsverfahren II" m. w. N.).
6.) Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Herr Dr. Tauchert Lokys Dr. Hock Maile ist pensionsbedingt gehindert zu unterzeichnen.
Lokys Pr
BPatG:
Beschluss v. 18.08.2009
Az: 23 W (pat) 20/08
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