Oberlandesgericht Schleswig:
Beschluss vom 30. Juli 2009
Aktenzeichen: Not 1/09
(OLG Schleswig: Beschluss v. 30.07.2009, Az.: Not 1/09)
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 27. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Geschäftswert von 50.000,00 €.
Gründe
I.
Der ... geborene Antragsteller ist seit Januar ... als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht C und dem Landgericht D zugelassen. Im November ... wurde er bei dem Amtsgericht E und dem Landgericht F zugelassen, im Oktober 2001 erneut bei dem Amtsgericht C und dem Landgericht D. Dort schloss sich der Antragsteller mit mehreren Rechtsanwälten zu einer Sozietät (Kanzleisitz C) zusammen, in der er bis Ende 2007 verblieb. Unter dem 24. September 2007 erklärte er gegenüber der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer, dass er ab sofort jeweils an 2 Tagen in angemieteten Räumen in G auswärtige Sprechstunden abhalten werde.
Unter dem 10. Dezember 2007 teilte der Antragsteller der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer die Verlegung seiner Kanzlei mit Ablauf des 31. Dezember 2007 nach G mit. Dort werde er eine Bürogemeinschaft mit einem Rechtsanwalt und Notar H einrichten. Tatsächlich führt der Antragsteller seit Anfang 2008 seine Kanzlei in G.
Die Antragsgegnerin schrieb in ..., für den Amtsgerichtsbezirk H ... Notarstellen aus. Auf diese Ausschreibung - mit Bewerbungsschluss 31. Juli 2008 - gingen vier Bewerbungen ein, darunter die Bewerbung des Antragstellers. Zwischenzeitlich ist einer der vier Bewerber zum Notar bestellt, der Bewerbungsantrag eines weiteren der Bewerber bestandskräftig abgelehnt worden. Das Bewerbungsverfahren des neben dem Antragsteller noch verbleibenden Rechtsanwaltes ist bislang nicht abgeschlossen worden.
Der Direktor des Amtsgerichts C teilte in einem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts D vom 25. August 2008 mit, es seien beim Amtsgericht C keine Umstände bekannt, aus denen eventuelle Zweifel für eine persönliche und/oder fachliche Eignung des Antragstellers für das angestrebte Notaramt hergeleitet werden könnten. Es lägen auch keine weitergehenden Erkenntnisse vor, die gegen die Annahme sprechen könnten, dass der Antragssteller mindestens in der Zeit vom 1. August 2005 bis Dezember 2007 ohne Unterbrechung in dem Bezirk des Amtsgerichts C hauptberuflich in nicht unerheblichen Umfang anwaltlich tätig gewesen sei.
Der Direktor des Amtsgerichts H teilte unter dem 8. August 2008 dem Präsidenten des Landgerichts D mit, dass Angaben zur persönlichen und fachlichen Eignung des Antragstellers nicht gemacht werden könnten. Der Antragsteller sei bei dem Amtsgericht H in einem außerordentlich geringem Umfang tätig gewesen, so dass eine Beurteilung von dort aus nicht möglich sei.
Der Antragsteller selbst beantragte bereits in seinem Schreiben vom 30. Juli 2008 - nämlich seiner Bewerbung um eine der ausgeschriebenen Notarstellen -, von der Voraussetzung der örtlichen Wartezeit dispensiert zu werden. Er erfülle diese Voraussetzung nicht. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass derjenige Geschäftsbereich des Amtsgerichts C, in welchem er bis Dezember 2007 tätig gewesen sei, am 1. April 2009 dem Bezirk des Amtsgerichts H zugeschlagen werde. Durch die Zusammenlegung der Gerichte würden die bereits bestellten Notare aus den Amtsgerichtsbezirken C und H stillschweigend von § 5 Abs. 1 Nr. 4 AVNot dispensiert. Sie dürften nach der Zusammenlegung in dem gesamten, neu geschnittenen und vergrößerten Amtsbezirk tätig werden. Es sei deshalb sachlich nicht geboten, bei der Neuausschreibung von Notarstellen die Bewerber aus dem jeweils anderen Amtsgerichtsbezirk der in naher Zukunft zusammenzulegenden Amtsgerichte der Vorschrift über die örtliche Wartezeit zu unterwerfen.
Der Präsident des Amtsgerichts D schrieb unter dem 8. Oktober 2008 an die Antragsgegnerin und den Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Notarkammer, die Bestellung des Antragstellers zum Notar könne aus seiner Sicht nicht befürwortet werden, weil der Rechtsanwalt nicht sämtliche Grundvoraussetzungen erfüllen würde. Er erfülle nicht die Grundvoraussetzung der örtlichen Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO. Ein außergewöhnlicher Sachverhalt, der eine Abkürzung der Regelwartezeit oder gar einen gänzlichen Verzicht rechtfertigen würde, sei nicht ersichtlich. Die Neueinteilung der Amtsgerichtsbezirke greife in Bezug auf die Auflösung des Amtsgerichts C erst zum 1. April 2009. Ein Teil der Gemeinden würde dem Amtsgericht H und ein anderer Teil dem Amtsgericht D zugelegt. Die Ermittlung der im Jahr 2008 im Amtsgerichtsbezirk H ausgeschriebenen Notarstellen beruhe aber auf der bisherigen Rechtslage, die Zahlen des Amtsgerichtsbezirks C hätten dabei keine Berücksichtigung gefunden. Dies werde erst bei der Ermittlung der im Jahr 2009 auszuschreibenden Stellen der Fall sein. Bei der Entscheidung der Stellenbesetzung sei auf das Ende der Ausschreibungsfrist am 31. Juli 2008 abzustellen. Unter diesem Gesichtspunkt gebe es aber keinen außergewöhnlichen Sachverhalt, der eine Abkürzung der Wartezeit oder einen gänzlichen Verzicht rechtfertigen würde oder zwingend erscheinen lasse. Abweichende Überlegungen würden zudem einen Eingriff in die Rechtssicherheit und die Chancengleichheit potentieller Mitbewerber bedeuten. Auch für die zur Zeit in den Amtsgerichtsbezirken H und C amtierenden Notare gelte erst ab 1. April 2009 ein neuer Amtsbereich. Einen Dispens von der Beschränkung auf den jeweiligen Amtsbereich in Vorgriff auf die ab 1. April 2009 eintretende neue Rechtslage gebe es nicht. Eine eklatante Unterversorgung der rechtsuchenden Bevölkerung, die ein zwingendes Bedürfnis für das Absehen von der Regelwartezeit auslösen könne, bestehe nicht. Gegenwärtig würden im Amtsgerichtsbezirk H 42 Notare amtieren, wobei mit 2 Neubestellungen aus der laufenden Ausschreibung zu rechnen sei. Bei 42 Notaren und rückläufigem Beurkundungsaufkommen (2006: 32.834, 2007: 19.331) ergebe sich für 2006 eine durchschnittliche Beurkundungszahl von 781, für 2007 von 460 und bei 44 Notaren von 746 bzw. 439. Von dem Gesamtbeurkundungsaufkommen sei der größte Teil - 2006 72 % und 2007 59 % - auf Unterschriftsbeglaubigungen entfallen.
Der Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Notarkammer teilte der Antragsgegnerin unter dem 24. November 2008 mit, er könne die Bestellung des Antragstellers zum Notar nicht befürworten. Dieser erfülle derzeit nicht die Grundvoraussetzung der örtlichen Wartezeit. Es bestehe weder ein zwingendes Bedürfnis noch ein außergewöhnlicher Sachverhalt, der es rechtfertigen würde, von der Erfüllung der Regelwartezeit abzuweichen. Der Vorstand der Notarkammer schließe sich der ausführlichen Begründung des Landgerichtspräsidenten an.
Mit Verfügung vom 24. Februar 2009 - dem Antragsteller am 25. Februar 2009 zugestellt - teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie seiner Bewerbung um eine der ausgeschriebenen Notarstellen im Bezirk des Amtsgerichts H mangels Erfüllung der Voraussetzung der örtlichen Wartezeit nicht entsprechen könne. Zu dem für das Bewerbungsverfahren 2008 maßgeblichen Stichtag am 31. Juli 2008 sei der Antragsteller erst 7 Monate in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig gewesen. Ein zwingender Grund von der Wartezeit abzusehen liege nicht darin, dass der Amtsgerichtsbezirk C nunmehr ab 1. Oktober 2009 dem Amtsgerichtsbezirk H (teilweise) zugeschlagen werden solle. Damit sei nicht verbunden, dass der Antragsteller hinreichend mit den örtlichen Verhältnissen im früheren Amtsbereich des Amtsgerichts H vertraut sei. Ein zwingendes Bedürfnis, von der Regelwartezeit abzusehen, könne bei eklatanter Unterversorgung der rechtsuchenden Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen allerdings anzunehmen sein. Dieser Fall liege hier nicht vor. Die Zahl der Urkundsgeschäfte sei nämlich bedingt durch die Aufgabe des Standortes der X.Bank im Jahre 2007 weiter zurückgegangen (nämlich 2006 = 32.836 Gesamturkundsgeschäfte, 2007 = 19.331 Gesamturkundsgeschäfte und 2008 = 13.364 Gesamturkundsgeschäfte). Die im Amtsgerichtsbezirk H zur Zeit bestellten 40 Notarinnen und Notare seien bei der maßgebenden Messziffer von 400 Urkundsgeschäften in der Lage, den bestehenden Bedarf zu decken. Die Einhaltung der örtlichen Wartezeit werde auch zukünftig für erforderlich erachtet, wofür sich nämlich der Rechtsausschuss des Bundestags nach dem Ergebnis der Anhörung vom 11. November 2008 ausgesprochen habe.
Gegen diese Verfügung hat der Antragsteller am 27. Februar 2009 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei dem Notarsenat eingereicht. Er führte aus, die Antragsgegnerin weise in ihrer Verfügung zu Recht darauf hin, dass die Erfüllung der örtlichen Wartezeit den Zweck habe, sich mit den örtlichen Verhältnissen in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk vertraut zu machen. Dies sei aber nicht der jetzige Bezirk des Amtsgerichts H in seinem zum Zeitpunkt der Bewerbung gegebenen Zuschnitt, sondern derselbe in seinem künftigen, nunmehr ab 1. Oktober 2009 gegebenen räumlichen Umfang. Die Zusammenlegung der Gerichtsbezirke habe sich im Zeitpunkt der Bewerbung bereits aus dem Gesetz ergeben. Ab dem 1. Oktober 2009 würden bereits bestellte Notare aus dem Bezirk des aufzulösenden Amtsgerichts C in dem gesamten Amtsbezirk des Amtsgerichts H als Notar tätig werden dürfen, ohne sich in irgendeiner Weise mit den örtlichen Verhältnissen im früheren Amtsbereich des Amtsgerichts Ahrensburg vertraut gemacht haben zu müssen. Ebenso könnten bereits bestellte Notare im früheren Amtsbereich des Amtsgerichts H ab 1. Oktober 2009 im früheren Amtsbereich des Amtsgerichts C tätig werden, ohne sich dort mit den vorherrschenden örtlichen Verhältnissen hinreichend vertraut gemacht zu haben. Er, der Antragsteller, sei aber immerhin am Bewerbungsstichtag 7 Monate in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig gewesen, darüber hinaus in dem Amtsgerichtsbezirk C seit vielen Jahren bis zum 31. Dezember 2007. Er habe seit dem 1. August 2007 eine Zweigstelle im Bezirk des Amtsgerichts H unterhalten. Er sei deshalb besser mit den örtlichen Verhältnissen in dem neuen Amtsgerichtsbezirk H vertraut, als ein bereits im Amtsgerichtsbezirk C zum Notar bestellter Kollege. Er sei zudem besser mit den örtlichen Verhältnissen im Bereich des früheren Amtsgerichts C vertraut, als ein bisher im Amtsgerichtsbezirk H zum Notar bestellter Kollege.
Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten sei nicht hinnehmbar, von den bereits zugelassenen Notaren keine Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse im erweiterten Amtsbereich zu verlangen, anders dagegen von einem Bewerber um eine neu ausgeschriebene Stelle.
Des Antragsteller beantragt,
ihn unter Aufhebung der versagenden Verfügung der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2009 aufgrund der im Jahr 2008 im Bezirk des Amtsgerichts H erfolgten Notarstellenausschreibung zum Notar zu bestellen,
hilfsweise,
ihn unter Aufhebung der Verfügung der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2009 bei der Auswahl der Bewerber für die Besetzung der im Jahr 2008 im Bezirk des Amtsgerichts H ausgeschriebenen Notarstelle zu berücksichtigen.
Der Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin macht geltend:
Die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO seien in dem Fall des Antragstellers zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses unstreitig nicht gegeben gewesen. In dem bereits beschlossenen Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung sei es hinsichtlich der örtlichen Wartezeit bei der Regelung des geltenden Rechts verblieben. Aus den fortbestehenden Gründen der angefochtenen Entscheidung dürfte auch wegen der in diesem Bescheid berücksichtigten Tatsache, dass ein Teil des Amtsgerichtsbezirks C zum 1. Oktober 2009 dem Amtsgericht H zugewiesen werde, keine Veranlassung bestehen, von der Regelvoraussetzung der örtlichen Wartezeit abzuweichen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 111 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 BNotO, 39 Abs. 1 und 2 BRAO. Der Antrag ist aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Nach § 6 Abs. 2 Ziff. 2 BNotO a.F. soll in der Regel als Notar nur bestellt werden, wer bei Ablauf der Bewerbungsfrist seit mindestens 3 Jahren ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig ist. Diese bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 2. April 2009, BGBl I 696, noch geltende Fassung findet auf die vorliegende Fallkonstellation nach § 120 Abs. 1 BNotO n.F. weiterhin Anwendung. Dabei ist nur am Rande zu bemerken, dass sich hinsichtlich des Erfordernisses der örtlichen Wartezeit trotz einiger Diskussionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine wesentlichen Änderungen mit der Neufassung der BNotO ergeben haben. Vielmehr soll nach § 6 Abs. 2 Ziff. 2 BNotO n.F. als Notar weiterhin nur bestellt werden, wer nachweist, dass er bei Ablauf der Bewerbungsfrist die Tätigkeit als Rechtsanwalt in nicht unerheblichen Umfang seit mindestens 3 Jahren ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich ausübt. Amtsbereich ist nach § 10a Abs. 1 S. 1 BNotO der Bezirk des Amtsgerichts, in dem der Notar seinen Amtssitz hat.
Dem der Landesjustizverwaltung schon nach dem Wortlaut der Norm eingeräumten Ermessen, von der Erfüllung der örtlichen Wartezeit abzusehen, sind nach gefestigter Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs enge Grenzen gesetzt. Die Bestellung eines Bewerbers, der die örtliche Wartezeit nicht erfüllt, ist danach auf seltene Ausnahmefälle beschränkt. Sie kommt nur in Betracht, wenn angesichts eines ganz außergewöhnlichen Sachverhalts die Abkürzung aus Gerechtigkeitsgründen oder aus Bedarfsgründen zwingend erscheint (BGH NJW 2002, 968 ff. bei juris Rn. 5; NJW-RR 2009, 350 ff. bei juris Rn. 29). Zudem ist in der Rechtssprechung des BGH anerkannt, dass auch dann, wenn ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ein Absehen von der örtlichen Wartezeit nur in Frage kommt, wenn der Bewerber zusätzlich zum Vorliegen des Ausnahmefalles den Gründen für das Erfordernis der örtlichen Wartezeit auf andere Weise genügt (BGH NJW 2002, 968 f bei juris Rn. 8 und DNotZ 2007, 75 ff. bei juris Rn. 7 f).
Die örtliche Wartezeit soll gewährleisten, dass der sich um eine Notarstelle bewerbende Rechtsanwalt mit den örtlichen Verhältnissen für die Ausübung des Notaramtes hinreichend vertraut ist und außerdem eine Mindestgewähr dafür vorhanden ist, dass sich der Bewerber sich die erforderliche wirtschaftliche Grundlage für das Notariat und die organisatorischen Voraussetzungen für die Geschäfte geschaffen hat, wobei die wirtschaftliche Grundlage gerade an dem für das Notariat bestimmten Amtssitz zu schaffen ist (BGH NJW 2002, 968 ff. bei juris Rn. 8, 12).
Der Antragsteller räumt selbst ein, dass er die Voraussetzung der örtlichen Wartezeit bezogen auf den Bezirk des Amtsgerichts H, wie er bei Bewerbungsschluss am 31. Juli 2008 bestand und noch bis Ablauf des September 2009 bestehen wird, nicht erfüllt. Denn in diesen Amtsgerichtsbezirk hat der Antragsteller seine Kanzlei erst 7 Monate vor Ablauf der Bewerbungsfrist verlegt. In diesem Zusammenhang kann außen vor bleiben, ob bereits ab August/September 2007 von einer hauptberuflichen Tätigkeit des Antragstellers (auch) im fraglichen Amtsgerichtsbezirk deshalb gesprochen werden kann, weil er seinerzeit bereits zweimal wöchentlich nachmittags Sprechstunden in G angeboten hat. Auch unter Berücksichtigung dieser Zweigstelle läge seine Tätigkeit im Bereich des Amtsgerichtsbezirks H vor Ablauf der Bewerbungsfrist zeitlich unter einem Jahr.
Ein außergewöhnlicher Sachverhalt, in welchem die Bestellung eines Bewerbers trotz fehlender Erfüllung der örtlichen Wartezeit aus Bedarfsgründen zwingend erscheint, dürfte hier nicht vorliegen. Darauf beruft sich der Antragsteller auch nicht. Richtig ist zwar, dass tatsächlich im Juniheft ... ... Notarstellen für den Amtsgerichtsbezirk H ausgeschrieben worden sind, aber sich nur 4 Bewerber sich auf diese Ausschreibung beworben haben. Ein zwingendes Bedürfnis zur Bestellung des Antragstellers abgestellt auf den Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses und erst recht auf den gegenwärtigen Zeitpunkt fehlt dennoch. Die Ausschreibung von Notarstellen richtet sich nach § 4 BNotO, wonach nur so viele Notare bestellt werden, wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspricht. Gemäß § 3 Abs. 1 AVNot Schleswig-Holstein ist ein Bedürfnis für die Bestellung einer Notarin oder eines Notars in der Regel dann gegeben, wenn in einem Amtsgerichtsbezirk der Jahresdurchschnitt der Urkundsgeschäfte der in diesem Bezirk amtierenden Notarinnen und Notare unter Berücksichtigung einer weiteren Notarstelle in jedem der weiteren vorangegangenen Kalenderjahre mindestens 400 beträgt. Zu beachten sind also die Urkundsgeschäften der beiden vorausgehenden Kalenderjahre, mithin hier die Jahre 2006 und 2007. Die Urkundsgeschäfte lagen aber im Amtsgerichtsbezirk H im Jahre 2006 bei 32.836 und in 2007 immerhin noch bei 19.331. Gemessen daran war die seinerzeit vorhandene Zahl von 42 Notarinnen und Notaren - abgestellt auf das letzte Jahr - um 6 zu erhöhen (wenn nämlich 6 neue Stellen ausgeschrieben werden sollten). Es hätte sich dann noch ein Durchschnitt von 402 Urkundsgeschäften pro Notar/Notarin ergeben. Aus den Zahlen wird aber schon deutlich, dass es tatsächlich zu einem dramatischen Einbruch der Urkundsgeschäfte im Amtsgerichtsbezirk H gekommen ist, der seinen Grund darin findet, dass eine Hypothekenbank - nämlich die X.Bank- ihren Standort im Amtsgerichtsbezirk im Jahre 2007 aufgegeben hat. Deshalb war im Zeitpunkt des Bewerbungsbeschlusses absehbar, dass die Zahl der Urkundsgeschäfte für die Zeit ab 2008 weiter dramatisch zurückgehen würde. Tatsächlich sind in 2008 nur 13.364 Urkundsgeschäfte abgeschlossen worden, weshalb die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 2009 zu Recht ausführt, dass die in diesem Zeitpunkt noch im Amtsgerichtsbezirk bestellten 40 Notarinnen und Notare ohne weiteres in der Lage seien, bei der Messziffer von 400 Urkundsgeschäften diesen noch vorhandenen Bedarf (es verbleibt für jeden Notar gemessen an den Zahlen für 2008 nur eine Durchschnittszahl von 334) zu erfüllen. Geht es darum festzustellen, ob im Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses angesichts der mangelnden Erfüllung der örtlichen Wartezeit ein Ausnahmefall wegen bestehenden Bedürfnisses für die Zulassung eines Bewerbers zum Notariat vorliegt, muss auf das Bedürfnis in diesem Zeitpunkt abgestellt werden. Ein solches Bedürfnis kann ersichtlich nicht bejaht werden.
Der Antragsteller ist zu Unrecht der Auffassung, dass aber der zweite in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genannte Ausnahmefall - nämlich die Abkürzung der örtlichen Wartezeit aufgrund eines außergewöhnlichen Sachverhaltes aus Gerechtigkeitsgründen - vorliege. Eine solche Sachverhaltsgestaltung hatte etwa das OLG Celle in NdsRpfl 2000, 11 f gesehen. Dort hatte die Antragstellerin zwar etwa 4 Jahre im betreffenden Amtsgerichtsbezirk als Rechtsanwältin hauptberuflich gearbeitet, diese Zeit war aber durch Mutterschutz und Erziehungsurlaub unterbrochen worden. Der Bundesgerichtshof hat in einem anderen Sachverhalt einen Ausnahmefall aus Gerechtigkeitsgründen jedenfalls für möglich gehalten, wenn dem Bewerber nur noch wenige Monate fehlen und ein Bestehen auf die Einhaltung der vollen Wartezeit als unzumutbare Härte erscheint (DNotZ 2007, 75 ff. bei juris Rn. 7).
Eine vergleichbare Härtesituation liegt hier nicht vor. Im Bezirk des Amtsgerichts H war der Antragsteller zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses erst deutlich unter einem Jahr tätig. Der Antragsteller meint, er könne sich auf die Abkürzung der Regelwartezeit aus Gerechtigkeitsgründen unter dem Gesichtspunkt stützen, dass zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses die Auflösung des Amtsgerichts C und der Zuschlag von Teilen dieses Amtsgerichtsbezirkes - darunter C, wo der Antragsteller früher tätig war - zum Amtsgericht H festgestanden haben. Bereits mit dem Gesetz zur Neuordnung von Amtsgerichtsbezirken vom 4. Oktober 2006 (GVOBL 2006, 216) hat der Landesgesetzgeber in § ... die Aufhebung des Amtsgerichts C zunächst zum 1. April 2009 vorgesehen und in § 2 ... bestimmt, dass ein Teil des bisherigen Bezirkes des aufgehobenen Amtsgerichts C - darunter die Gemeinde C selbst - dem Amtsgericht H zugelegt werde. Mit Gesetz vom 12. Dezember 2008 (GVOBL S. 791) ist - nach Bewerbungsschluss, aber vor Erlass des angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin - der Termin zur Aufhebung des Amtsgerichts C auf den 1. Oktober 2009 verschoben worden.
Vor dem Hintergrund dieser absehbaren Änderung der Amtsgerichtsbezirke möchte der Antragsteller den für eine Abkürzung der Regelwartezeit aus Gerechtigkeitsgründen bestehenden außergewöhnlichen Sachverhalt vornehmlich aus einem Vergleich mit den bereits zugelassenen Anwaltsnotaren einerseits im Amtsgerichtsbezirk C und andererseits im Amtsgerichtsbezirk H begründen. Er macht geltend, dass die betreffenden Kollegen ab 1. Oktober 2009 ohne weiteres und ohne besondere Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse in dem zur Zeit jeweils benachbarten Bezirk ihre Notartätigkeit ausüben dürften (hinsichtlich des bisherigen Amtsgerichtsbezirks C allerdings beschränkt auf jene Teilgebiete, die dem Amtsgericht Ahrensburg zugelegt werden). Dies ergibt sich aber zwangsläufig aus § 10a Abs. 1 S. 1 BNotO, wonach der Amtsbereich des Notars der Bezirk jenes Amtsgerichts ist, in dem er seinen Amtsitz hat.
Der Vergleich des Antragstellers mit den bereits gegenwärtig amtierenden Notaren in den beiden Amtsgerichtsbezirken überzeugt nicht. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten muss sich der Antragsteller nämlich in erster Linie nicht mit den bereits zugelassenen Notaren vergleichen lassen, sondern mit anderen Rechtsanwälten, die die Zulassung zum Notaramt anstreben und sich im Bezirk des Amtsgerichts H bzw. insbesondere auch in dem Teil des Bezirks des Amtsgerichts C niedergelassen haben, der dem Amtsgerichtsbezirk H zugeschlagen werden soll. Der Bundesgerichtshof hat insoweit etwa mit Beschluss vom 24. Juli 2006 ausgeführt (DNotZ 2007, 75 ff., bei juris Rn. 8):
€...Die örtliche Wartezeit soll nicht nur verhindern, dass Bewerber, die die allgemeine Wartezeit zurückgelegt haben, sich für die Bestellung zum Notar den ihnen hierfür am günstigsten erscheinenden Ort ohne Rücksicht auf dort bereits ansässige Rechtsanwälte aussuchen. Sie soll vor allem eine gleichmäßige Behandlung aller Bewerber gewährleisten. Es dürfen diejenigen Bewerber nicht benachteiligt werden, die trotz an sich gegebener persönlicher und fachlicher Eignung für den Zweitberuf als Anwaltsnotar von einer Bewerbung mit Blick darauf absehen, dass die örtliche Wartezeit von ihnen noch nicht erfüllt ist. Auf das Erfordernis einer regelmäßigen örtlichen Wartezeit von mindestens drei Jahren können und dürfen sich alle Bewerber einstellen und ihre berufliche Planung sowie spätere Bewerbung entsprechend ausrichten...€
Aus Gerechtigkeitsgründen erscheint es deshalb gerade nicht möglich, für den Antragsteller bereits bezogen auf den Bewerbungsschluss 31. Juli 2008 und damit 14 Monate vor Änderung des Amtsgerichtsbezirks von dem Erfordernis der örtlichen Wartezeit abzusehen. Zu bedenken ist gegenteilig, dass eine Berücksichtigung seiner Bewerbung eine ungerechte Bevorzugung gegenüber jenen Interessenten um eine Notarstelle darstellen würde, die bereits viele Jahre in jenem Teilbezirk des Amtsgerichts C als Rechtsanwalt tätig sind, der ab 1. Oktober 2009 zum Amtsgericht H gehören wird. Deshalb hat der Präsident des Landgerichts D in seiner Stellungnahme vom 8. Oktober 2008 zu Recht ausgeführt, eine Ausnahmeregelung für den Antragsteller würde einen Eingriff in die Rechtssicherheit und Chancengleichheit potentieller Mitbewerber bedeuten.
Aber auch im Vergleich mit den bereits zugelassenen Notaren ist es aus Gerechtigkeitsgründen keineswegs erforderlich, für den Antragsteller von dem Erfordernis der örtlichen Wartezeit abzusehen. Denn die bereits zugelassenen Anwaltsnotare hatten zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses am 31. Juli 2008 und haben auch gegenwärtig einen Amtsbereich, der sich beschränkt auf den jeweiligen gegenwärtigen Bezirk ihres Amtsgerichts - also C oder H. Der Präsident des Landgerichts D hat insoweit darauf hingewiesen, dass es keinen Dispens von diesem Amtsbereich nach § 10a Abs. 2 BNotO im Vorgriff auf die neue Rechtslage gebe. Es ist im Übrigen zu bedenken, dass die fraglichen Notare in den beiden Amtsgerichtsbezirken nach der Vergrößerung des Amtsgerichtsbezirks H und der Auflösung des Amtsgerichtsbezirks C zwar einen größeren Amtsbereich zur Verfügung haben, andererseits zugunsten der Anwärter auf das Notaramt nun aber doch auch die Bedürfnisprüfung bezogen auf diesen vergrößerten Amtsbezirk des Amtsgerichts H stattfinden wird, wie der Landgerichtspräsident bereits angekündigt hat. Ergibt sich unter den Bedingungen des 1. Oktober 2009 bezogen auf den vergrößerten Amtsgerichtsbezirk und die beiden vorausgegangenen Kalenderjahren eine Unterbesetzung mit Notarinnen und Notare, weil der Jahresdurchschnitt der Urkundsgeschäfte pro Notar über 400 liegt, werden entsprechend neue Notarstellen ausgeschrieben. Dann aber dürfte der Antragsteller auch die örtliche Wartezeit erfüllen, nämlich bezogen auf diesen vergrößerten Amtsgerichtsbezirk unter Berücksichtigung seiner jahrelangen Tätigkeit in C.
Liegt damit ein außergewöhnlicher Sachverhalt nicht vor, der die Abkürzung der örtlichen Wartezeit rechtfertigen könnte, kommt es auf den zweiten Prüfungsschritt (vgl. dazu BGH NJW 2002, 968 ff. bei juris Rn. 8) nicht an, nämlich auf die Frage, ob den Gründen für das Erfordernis der örtlichen Wartezeit auf andere Weise genügt ist. Das ist hier aber ohnehin nicht der Fall. Der Antragsteller ist nicht aus anderen Gründen mit den örtlichen Verhältnissen - nämlich mit den gerichtlichen Verhältnissen, den Kollegen in der Rechtsanwaltschaft und den sonstigen örtlichen Bezügen im Amtsgerichtsbezirk H - bereits hinreichend vertraut. Die konkreten Verhältnisse beim Amtsgericht H kannte er vielmehr nur aus seiner weniger als einjährigen Tätigkeit in G. Der Direktor des Amtsgerichts H hat dementsprechend auch bescheinigt, dass der Antragsteller dort nur in einem außerordentlich geringen Umfang tätig gewesen sei, weshalb bei ihm eine Beurteilung nicht möglich sei. Es liegt zwar nahe, dass mit der Auflösung des Amtsgerichts C einige der dortigen Richter und auch der nicht richterlichen Beschäftigten in das Amtsgericht H wechseln, weshalb dann der Antragsteller insoweit ab Herbst 2009 eine gewisse örtliche Vertrautheit haben dürfte. Er kennt dann jedenfalls auch einen Teil der Rechtsanwaltskollegen aus mehrjähriger Tätigkeit, die nämlich in demjenigen Teil des Amtsgerichts C ihren Sitz behalten haben, der nunmehr H zugeschlagen wird. Das aber gilt alles erst ab Herbst 2009 und damit 14 Monate nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens. Diese Umstände können vom Antragsteller (erst) bei einer künftigen Ausschreibung von Notarstellen im vergrößerten Bezirk des Amtsgerichts H eingebracht werden.
Aus der Bescheinigung des Direktors des Amtsgerichts H ergibt sich auch bereits indirekt, dass der Antragsteller derzeit nicht die Gewähr dafür bietet, die wirtschaftlichen Grundlagen für das künftige Notariat aus seiner anwaltlichen Tätigkeit im Bereich des Amtsgerichts H geschaffen zu haben. Der Antragsteller baut in G seine Kanzlei erst kurzfristig auf, weshalb nicht ersichtlich ist, dass er dort bereits über die Kontakte und Mandanten verfügt, die eine sichere wirtschaftliche Grundlage darstellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 111 Abs. 4 S. 2 BNotO, 201 Abs. 1, 40 Abs. 4 BRAO, 13 a Abs. 1 FGG. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO.
OLG Schleswig:
Beschluss v. 30.07.2009
Az: Not 1/09
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