Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2008
Aktenzeichen: 19 W (pat) 312/05
(BPatG: Beschluss v. 19.03.2008, Az.: 19 W (pat) 312/05)
Tenor
Das Patent 198 27 271 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Eingabe vom 25. Oktober 2005, wobei im Patentanspruch 10 der offensichtliche Schreibfehler "nach einem der Ansprüche 6 bis 10" berichtigt wird in "nach einem der Ansprüche 6 bis 9", Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Für die am 19. Juni 1998 im Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 26. August 2004 veröffentlicht worden. Es betrifft ein Online Erfassungssystem mit Auswerteteil für rad- und gleisbezogene Daten für Hochgeschwindigkeitszüge.
Gegen das Patent hat die K... GmbH mit Eingabe vom 26. November 2004, eingegangen am gleichen Tag, Einspruch erhoben, mit der Begründung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem in der älteren Anmeldung DE 198 26 422 C2 beschriebenen nicht neu sei, sowie dass die Gegenstände der Patentansprüche 4, 6 und 11 jeweils unzulässige Erweiterungen enthielten.
Die Einsprechende stellte mit Eingabe vom 26. November 2004 den Antrag, 1. das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, 2. hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Patentinhaber stellen mit Eingabe vom 25. Oktober 2005 sinngemäß den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Eingabe vom 25. Oktober 2005, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende hat mit Eingabe vom 18. Januar 2006 den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den Fall zurückgenommen, dass das Patent in antragsgemäß beschränktem Umfang aufrecht erhalten werde.
Der in Anlehnung an die Merkmalsanalyse der Einsprechenden mit Gliederungsziffern 1.1 bis 1.4 versehene geltende Patentanspruch 1 lautet:
"1.1 Vorrichtung zur online Erfassung und Auswertung von rad- und gleisbezogenen Daten für Hochgeschwindigkeitszüge zur Erhöhung der Zugsicherheit und Reduzierung von Gleisprüffahrten, 1.2 wobei Sensoren am Drehgestell oder Fahrgestell über der Lauffläche der Schiene angeordnet sind und 1.3 den Abstand zur Lauffläche während der Zugfahrt messen, und 1.4 wobei eine induktive, interferometrische (Laser), mechanische, kapazitive oder ultraschallgestützte Abstandsmessung vorgesehen ist."
Dem Patentgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, die Zugsicherheit während der Fahrt zu erhöhen und eine Reduzierung von Prüffahrten am Gleissystem zu erreichen (Abs. 0006 der Streit-PS).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die durch § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG für das vorliegende Einspruchsverfahren (Einspruch eingelegt am 15. November 2004, eingegangen am 16. November 2004) begründete Zuständigkeit des Senats wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 (X ZB 6/05) - Informationsübermittlungsverfahren II).
Der Einspruch ist zulässig, konnte jedoch keinen über die gemäß Hauptantrag beantragte Beschränkung hinausgehenden Erfolg haben.
Eine "Teilrücknahme" des Einspruchs beschränkt, anders als eine von vornherein beschränkte Einlegung des Einspruchs, den Streitgegenstand nicht (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG). Ob der Schriftsatz der Einsprechenden vom 18. Januar 2006 eine Teilrücknahme ausdrücken sollte, kann daher dahinstehen.
Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.
1. Fachmann Nach Überzeugung des Senats ist der hier zuständige Fachmann ein FH-Elektroingenieur mit Kenntnissen in der Überwachung und Prüfung von Schienenstrecken und Schienenfahrzeugen, dem insbesondere die Ermittlung und Verarbeitung von auf diesem Gebiet anfallenden Messwerten geläufig ist.
2. Zulässigkeit der Patentansprüche Der Patentanspruch 1 ist zulässig, da er aus dem erteilten Patentanspruch 1 (Merkmale 1.1 bis 1.3) - der aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 9 in Verbindung mit der Beschreibung Seite 1, letzter Absatz, letzter Satz und Seite 3, Absätze 1 bis 3 hervorgeht - und aus dem erteilten Patentanspruch 5 (Merkmal 1.4) - der mit dem ursprünglichen Patentanspruch 4 übereinstimmt - gebildet ist.
Die geltenden Patentansprüche 2 und 3 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 und 3, die auf Seite 3, Absätze 2 und 5 der ursprünglichen Unterlagen offenbart sind.
Der Patentanspruch 4 entspricht dem erteilten Patentanspruch 7, der aus Seite 10, vorletzter Absatz der ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen ist.
Der Patentanspruch 5 entspricht dem erteilten Patentanspruch 8, der aus Seite 5, Absatz 1 der ursprünglichen Unterlagen hervorgeht.
Der Patentanspruch 6 entspricht dem erteilten Patentanspruch 9 und geht aus den ursprünglichen Unterlagen Seite 6, Absatz 7 hervor.
Der Patentanspruch 7 entspricht dem erteilten Patentanspruch 10, der auf Seite 5, Absatz 6 in Verbindung mit Seite 11, Absatz 2 offenbart ist.
Der Patentanspruch 8 entspricht dem erteilten Patentanspruch 13 und ist den ursprünglichen Unterlagen Seite 11, Absatz 3 zu entnehmen.
Der Patentanspruch 9 entspricht dem erteilten Patentanspruch 14 und ergibt sich aus Seite 12, Absatz 4 der ursprünglichen Unterlagen.
Der Patentanspruch 10 entspricht dem erteilten Patentanspruch 15, der sich aus Seite 5, Absatz 6 der ursprünglichen Unterlagen ergibt.
3. Zum Widerrufsgrund nach § 21 (1) Nr. 4 Die Patentinhaber haben mit Eingabe vom 25. Oktober 2005 die erteilten, abhängigen Patentansprüche 4, 6 und 11 gestrichen. Damit sind die von der Einsprechenden als unzulässig erweitert angesehenen Gegenstände der erteilten Patentansprüche 4, 6 und 11 vom Patent nicht mehr umfasst.
4. Neuheit Die Vorrichtung des Patentanspruchs 1 ist neu.
Aus der älteren Anmeldung DE 198 26 422 C2 ist bekannt eine
"1.1 Vorrichtung zur online Erfassung (Abs. 0001: ...während der Fahrt kontinuierlich...überprüft) und Auswertung von rad- und gleisbezogenen Daten (Abs. 0014 und 0026) für Hochgeschwindigkeitszüge (Abs. 0002 Z. 1 und 2) zur Erhöhung der Zugsicherheit (Sp. 1 Z. 3, 4: Sicherheitsüberwachungsvorrichtung) und Reduzierung von Gleisprüffahrten (nachdem die Vorrichtung bereits auf einem betriebsmäßig verwendeten Schienenfahrzeug angeordnet ist, sind eigene Prüffahrten nicht mehr nötig), 1.2 wobei Sensoren (8) am Drehgestell (2) über der Lauffläche der Schiene (1) angeordnet sind (Fig. 1 i. V. m. Abs. 0026) und 1.3 den Abstand zur Lauffläche während der Zugfahrt messen (Abs. 0014 und 0026).
Im Gegensatz zum Merkmal 1.4 des Patentanspruchs 1 ist hier eine radargestützte Abstandsmessung vorgesehen (Abs. 0014 und 0026)
Die DE 195 44 217 A1 beschreibt eine Ultraschallprüfvorrichtung, bei der eine Ultraschallmessung zwischen am Umfang eines Prüfrades 1 verteilten und auf der Lauffläche nacheinander aufliegenden (Sp. 3 Z. 63 bis 66) Prüfkopfelementen 7 und der Lauffläche 3 durchgeführt wird (Fig. 1 i. V. m. Sp. 8 Z. 7 bis 12). Mittels einer Lasers 15 wird die Stellung des Prüfrades 1 gemessen (Fig. 1 i. V. m. Sp. 3 Z. 6 bis 14 i. V. m. Sp. 4 Z. 40 bis 47).
Eine Abstandsmessung durch am Drehgestell oder Fahrgestell über der Lauffläche der Schiene angeordnete Sensoren, derart, dass die Sensoren den Abstand zur Lauffläche während der Zugfahrt messen (Merkmale 1.2 und 1.3) ist in der Druckschrift jedoch nicht angesprochen. Es ist auch keine induktive, interferometrische (Laser), mechanische, kapazitive oder ultraschallgestützte Abstandsmessung vorgesehen (Merkmal 1.4).
Die weiteren noch im Verfahren befindlichen und von der Einsprechenden nicht aufgegriffenen Druckschriften bringen gegenüber dem abgehandelten Stand der Technik keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen werden muss.
5. Erfinderische Tätigkeit Die Vorrichtung des Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die DE 198 26 422 C2 ist als ältere Anmeldung gemäß § 3 (2) PatG zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht heranzuziehen.
Ausgehend von der DE 195 44 217 A1 kann der Fachmann nicht ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zu einer Vorrichtung gelangen, die insbesondere nach den Merkmalen 1.2 bis 1.4 ausgebildet ist, da die Druckschrift ihm schon keine Anregung gibt, von dem in ihr beschriebenen Prinzip der Ultraschallprüfung auf Störstellen zwischen am Umfang eines Prüfrades 1 angeordneten Prüfkopfelementen 7 und Lauffläche 3 abzugehen.
6. Rechtsbestand Mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag haben auch die hierauf direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 Bestand.
7. Schriftliches Verfahren Eine mündliche Verhandlung brauchte nicht durchgeführt zu werden, da die Patentinhaber eine solche nicht beantragt haben und die Einsprechende ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den Fall, dass antragsgemäß entschieden werde, zurückgenommen hat.
Bertl Gutermuth Dr. Kaminski Groß
Be
BPatG:
Beschluss v. 19.03.2008
Az: 19 W (pat) 312/05
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