Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. März 1994
Aktenzeichen: 6 U 243/93
(OLG Köln: Urteil v. 18.03.1994, Az.: 6 U 243/93)
1. Bei der Feststellung der wettbewerblichen Eigenart ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Verletzungshandlung, also auf den Zeitpunkt des Marktzutritts des beanstandeten Produktes abzustellen.
2. Wird ein Gebrauchsgegenstand (hier: Gewürzständer) auf einer Konsumgütermesse verkaufsbereit vorgestellt und anschließend mit einigem Erfolg in den Verkauf gebracht, genügt dies regelmäßig, die erforderliche Bekanntheit als Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Herkunftstäuschung zu bejahen.
3. Ist dem Vertreiber eines nahezu identischen, in hohem Maße verwechslungsfähigen Konkurrenzproduktes die Marktpräsenz des Klageerzeugnisses bekannt, kann er jenes, soweit eine ästhetische Veränderung möglich ist, nicht mehr in den Verkehr bringen, ohne sich dem Vorwurf der Unlauterkeit seines Handelns auszusetzen.
4. Zur Schwächung der wettbewerblichen Eigenart durch konkurrierende Produkte
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 3. September 1993 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 392/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Gründe
E N T S C H E I D U N G S G R Ó N D E
Die Berufung des Antragsgegners ist zulässig, aber un-
begründet.
Das Landgericht hat zu Recht die von ihm erlassene einstweilige
Verfügung vom 22. Juni 1993 mit dem ange- fochtenen Urteil
bestätigt. Die Antragstellerin kann von dem Antragsgegner in dem
begehrten Umfang Unter- lassung verlangen. Das Anbieten,
Feilhalten, Bewerben, Vertreiben und bzw. oder das Inverkehrbringen
des be- anstandeten Gewürzständers verstößt unter dem Gesichts-
punkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung gegen die guten Sitten
des Wettbewerbs und ist damit unlauter im Sinne von § 1 UWG.
Wer ein Erzeugnis in den Verkehr bringt, das wettbe- werblich
eigenartige Merkmale eines fremden Produktes aufweist, mit denen
der Verkehr Herkunftsvorstellungen verbindet, handelt
wettbewerbswidrig, wenn er nicht die zur Vermeidung einer
Herkunftstäuschung nötigen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.
Dies gilt insbesondere dann, wenn das beanstandete Erzeugnis eine
Nachahmung des fremden Produkts darstellt (vgl. dazu
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 1 UWG Rdn. 450
m.w.N.). Aber auch ohne eine derartige Nachahmung kann es gemäß § 1
UWG zu mißbilligen sein, wenn der Wettbewerber mit seinem Erzeugnis
zu Lasten des Konkurrenten eine - vermeidbare - betriebliche Ver-
wechslungsgefahr herbeiführt (vgl. BGH GRUR 1969/292, 294
"Buntstreifensatin II"; Baumbach/Hefermehl, a.a.0. § 1 UWG Rdn.
474).
Das von der Antragstellerin beanstandete Verhalten des
Antragsgegners ist in dieser Weise wettbewerbswidrig.
Die Gestaltung des von der Antragstellerin vertriebenen
Gewürzständers weist wettbewerbliche Eigenart auf, denn sie ist
geeignet, im Verkehr als kennzeichnend und damit als unterscheidend
für die betriebliche Herkunft des Produkts zu wirken (vgl. BGH GRUR
1986/673, 675 "Beschlagprogramm"). Sie weist eine Kombination von
Merkmalen auf, die der Gestaltung in ihrer Gesamtheit eine
einprägsame Besonderheit gegenüber vergleichbaren
Konkurrenzprodukten verleihen.
Hierzu trägt, wie schon vom Landgericht zutreffend aus- geführt,
insbesondere die turmartige Konstruktion des Gewürzständers bei,
der den Gesamteindruck maßgeblich bestimmt. Die Verwendung von
hölzernen Grund- und Deckplatten, die durch vier Holzstreben
miteinander verbunden sind, vermittelt den Eindruck eines massiven
und soliden Regals. Zugleich entsteht der Eindruck von Leichtigkeit
und Transparenz dadurch, daß auf jeder der vier Seiten des Turms
eine Holzstrebe nur etwa die hal- be Seitenfläche bedeckt und dabei
in doppelter Funktion einerseits vier Gewürzgläser aufnimmt,
andererseits gleichzeitig als hintere Stütze der im angrenzenden
Seitenteil eingebrachten Gewürzgläser dient. Durch die- se
Gestaltungselemente entsteht in ihrem Zusammenwirken eine
ästhetisch sehr eigenwillige und ansprechende Konstruktion, die dem
Verbraucher in einprägsamer Weise auf kleinstem Raum eine Vielzahl
von Gewürzgläsern gleichsam griffbereit präsentiert.
Der Senat hat danach ebenso wie das Landgericht keine Zweifel,
daß der Gewürzständer der Antragstellerin von Hause aus in hohem
Maße geeignet ist, als betrieblicher Herkunftshinweis zu
dienen.
Das von dem - insoweit darlegungspflichtigen - Antrags- gegner
vorgetragene und glaubhaft gemachte Produktum- feld führt zu keiner
anderen Beurteilung der wettbe- werblichen Eigenart des
Gewürzständers der Antragstel- lerin.
Abzustellen ist dabei im Rahmen des § 1 UWG auf den Zeitpunkt
der Verletzungshandlung, hier also auf den Zeitpunkt des
Marktzutritts des beanstandeten Produkts des Antragsgegners (vgl.
BGH WRP 1976/377 "Ovalpuderdo- se"; BGH GRUR 1985/876, 878
"Tchibo/Rolex"). Würde man auch Produkte berücksichtigen, die
gleichzeitig oder später als das nach § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung beanstandete
Produkt auf dem Markt erscheinen, würde dem Betroffenen letzt- lich
die Möglichkeit zur rechtlichen Gegenwehr genommen werden, weil
jeder der Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der betreffenden
Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer verweisen könnte (vgl.
BGH GRUR a.a.0. "Tchibo/Rolex"). Selbst wenn man aber in diesem
Zusammenhang mit dem Antragsgegner von einer Marktein- führung
seines Produkts schon im Februar 1992, späte- stens jedoch im
November 1992 ausgeht, gab es zu keinem dieser Zeitpunkte auf dem
deutschen Markt in relevanter Weise Konkurrenzprodukte, deren
Gestaltung geeignet gewesen wäre, die wettbewerbliche Eigenart des
Gewürz- ständers der Antragstellerin zu schwächen oder gar völ- lig
in Frage zu stellen.
Das von dem Zeugen St. angeblich unter seiner Firma "ST. G."
verkaufte Produkt ist schon deshalb ohne Belang, weil es unstreitig
allenfalls bis 1985 verkauft worden ist; insbesondere aber lassen
weder der Vortrag des Antragsgegners noch die vorgelegten
eidesstattli- chen Versicherungen des Zeugen St. erkennen, in
welchem Umfang dieses Produkt auf dem deutschen Markt vertreten
war. Ohne eine derartige Angabe ist jedoch eine Beurteilung,
inwieweit dieses Produkt der Gestaltung des Gewürzständers der
Antragstellerin die Eigenschaft nehmen könnte, als Hinweiszeichen
zu wirken, nicht möglich. Im übrigen sind die Angaben des Zeugen
St. in dessen eidesstattlichen Versicherungen angesichts ihrer
Widersprüchlichkeit wenig überzeugend. In der in der ersten Instanz
vorgelegten eidesstattlichen Versi- cherung des Zeugen heißt es
hierzu unter Ziffer 4., er - der Zeuge - habe versucht, einen
solchen Gewürz- ständer zu produzieren und zu vertreiben, aus
kaufmän- nischen Erwägungen aber von diesem Plan jedoch wieder
abgelassen. In der in der zweiten Instanz überreichten
eidesstattlichen Versicherung behauptet dagegen der Zeuge in Ziffer
2., er habe den Gewürzständer impor- tiert, in Deutschland auf den
Markt gebracht und auch verkauft.
Hinzu kommt schließlich, daß nach dem Vortrag des An-
tragsgegners und den Angaben des Zeugen St. nicht beur- teilt
werden kann, ob und in welcher Weise der von dem Zeugen St.
erwähnte Gewürzständer Àhnlichkeiten mit dem Gewürzständer der
Antragstellerin aufweist; Abbildungen des Gewürzständers des Zeugen
St. sind nämlich nicht zu den Akten gereicht worden.
Ob und wann die Firma K.F. Corporation aus Taiwan welche Mengen
von Gewürzständern in der Bundesrepublik vertrieben hat (und nur
auf den inländischen Markt kommt es im Streitfall an), ist von dem
Antragsgegner in beiden Instanz nicht vorgetragen worden. Dieses
Pro- dukt vermag daher ebenfalls nicht die wettbewerbliche Eigenart
des Gewürzständers der Antragstellerin zu den hier maßgeblichen
Zeitpunkten zu beeinträchtigen.
Das von dem Antragsgegner weiterhin angeführte Produkt der Firma
Testrut ist gleichermaßen nicht geeignet, die wettbewerbliche
Eigenart des Gewürzständers der An- tragstellerin zu tangieren.
Abgesehen davon, daß dieses Produkt nach Auskunft der Firma T. erst
Mitte 1992 importiert worden ist, läßt sich weder den vorgelegten
Schreiben der Firma T. noch dem Vortrag des Antrags- gegners
entnehmen, seit wann dieses Produkt in welchen Mengen vertrieben
worden ist.
Ebenso unzureichend ist der Vortrag des Antragsgegners im
Schriftsatz vom 25. Februar 1994 zu dem angeblich schon vor 1990
durch die Firma K. in Deutschland vertriebenen Gewürzständer. Der
Senat vermag weder zu beurteilen, ob dieser Gewürzständer
tatsächlich im we- sentlichen mit dem von der Antragstellerin
vertriebenen Gewürzständer identisch ist, wie von dem Antragsgegner
behauptet, noch ist zu erkennen, wann genau in welchem Umfang
dieses Produkt auf den deutschen Markt gelangt ist.
Die Behauptung des Antragsgegners, bei dem Gewürzstän- der der
Antragstellerin handele es sich um eine gemein- freie traditionelle
Form aus Thailand, die dort seit Jahrzehnten bekannt sei und - auch
zum Export - ver- trieben werde, vermag dem Antragsgegner ebenfalls
nicht zum Erfolg zu verhelfen. Wie schon vom Landgericht aus-
geführt, kommt es vorliegend auf den inländischen Markt an. Die von
dem Antragsgegner mit der Berufungsbegrün- dung vorgelegten
Unterlagen (englischer Prospekt der Firma T. Group sowie die
Bestätigung der Firma S. S.) sind viel zu nichtssagend, um einen
Vertrieb der dort abgebildeten bzw. erwähnten Produkte in der
Bundesrepu- blik (Wann€ An wen€ In welchen Mengen€) glaubhaft zu
machen. Àhnlich vage sind die entsprechenden Angaben zu dieser
Behauptung in den eidesstattlichen Versicherun- gen des
Antragstellers und des Zeugen St..
Schließlich ist unerheblich, ob es seit Herbst 1993 weitere
Anbieter von drehbaren Gewürzständern gibt, wie in den
eidesstattlichen Versicherungen des Antrags- gegners und des Zeugen
St. erwähnt. Aus den bereits angeführten Erwägungen kommt es im
Streitfall auf das Jahr 1992 an; zudem hat die Antragstellerin mit
den zu der Berufungserwiderung vorgelegten Anlagen hinreichend
glaubhaft gemacht, daß sie jeden vermeintlichen Nachah- mer des von
ihr vertriebenen Gewürzständers auf Unter- lassung in Anspruch
nimmt.
Mit dem Landgericht ist weiterhin die Verkehrsbekannt- heit des
von der Antragstellerin vertriebenen Produkts zu bejahen. Dieser
Gewürzständer war schon im Jahre 1992 ausreichend auf dem
inländischen Markt bekannt, daß sich die Gefahr von Verwechselungen
in bezug auf seine Herkunft ergeben konnten, wenn verwechslungs-
fähige Produkte in den Verkehr gelangten (vgl. zur
Verkehrsbekanntheit im Sinne von § 1 UWG Baumbach/He- fermehl,
a.a.0. § 1 UWG Rdn. 457 m.w.N.). Für die Zeit nach 1992 gilt keine
andere Beurteilung.
Auf eine Verkehrsbekanntheit des Gewürzständers der
Antragstellerin bereits aufgrund eines Vertriebs dieses Produkts
durch die Firma Ka. vor Beginn des Vertriebs durch die
Antragstellerin konnte allerdings nicht ab- stellt werden. Zwar ist
eine Präsentation des Produkts durch die Firma Ka. auf den Messen
in den Jahren 1990 und 1991 von der Antragstellerin hinreichend
glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der sonstigen Verkaufsaktivitäten
der Firma Ka. bis Februar 1992 hätte es jedoch ange- sichts des
Bestreitens des Antragsgegners eines konkre- teren Vortrags (nebst
Glaubhaftmachung) bedurft als die bloße Angabe der Antragstellerin,
die Firma Ka. habe ihr Produkt auf der Messe nicht nur ausgestellt,
son- dern auch verkauft. Auf die Marktpräsenz und den Ver- kauf des
Produkts durch die Firma Ka. im Ausland kam es vorliegend ohnehin
nicht an.
Eine ausreichende Verkehrsbekanntheit des Gewürzstän- ders der
Antragstellerin ergibt sich jedoch aufgrund deren eigener
Verkaufsanstrengungen. Die Antragstelle- rin hat hierzu glaubhaft
gemacht, daß sie das Produkt nicht nur auf der Frankfurter
Frühjahrsmesse "Ambiente" im Februar 1992 verkaufsbereit
vorgestellt hat. Glaub- haft gemacht ist vielmehr auch, daß das
Produkt unmit- telbar im Anschluß daran in den Verkauf gelangt ist
und auf dem Markt präsent war (und bis heute präsent ist).
Ausweislich der von der Antragstellerin hierzu vorgelegten
eidesstattlichen Versicherungen hat die An- tragstellerin danach
bis zum 31. Dezember 1992 bereits 6.400 Stück des Gewürzständers
verkauft, was bei einem Abgabepreis von 34,95 DM bis 39,95 DM sowie
einem Verkaufspreis gegenüber dem Letztabnehmer von 80,-- DM bis
90,-- DM nicht als unbeachtlich angesehen werden kann. Hinzu kommt,
daß das Produkt der Antragstellerin, wie von dieser ebenfalls
glaubhaft gemacht, schon ab 1. Juli 1992 bei He. und ab 1. Oktober
1992 bei K. gelistet war, was die von der Antragstellerin behaupte-
te Marktpräsenz eindrucksvoll unterstreicht. Zu berück- sichtigen
ist schließlich weiterhin die von der Antrag- stellerin vorgelegte
bzw. durch eidesstattliche Versi- cherung glaubhaft gemachte
Bewerbung ihres Produkts be- reits im Jahre 1992.
Im Jahre 1993 hat die Antragstellerin von dem - natur- farbenen
- Gewürzständer 10.588 Stück abgesetzt und ist - insoweit
unstreitig - auch heute noch mit ihrem Pro- dukt auf dem Markt
vertreten.
Der Gewürzständer des Antragsgegners ist jedoch dem von der
Antragstellerin vertriebenen Gewürzständer nach dem maßgeblichen
Gesamteindruck der Produkte derart ähn- lich, daß bei einem nicht
unbeachtlichen Teil der um- worbenen Verbraucher
Verwechslungsgefahr besteht.
Nicht nur der flüchtige (End-)Verbraucher wird zumin- dest zu
dem Schluß gelangen, beide Produkte stammten von demselben
Hersteller oder jedenfalls aus organisa- torisch oder in sonstiger
Weise verbundenen Herkunfts- stätten.
Zu Recht gelangt das Landgericht in der angefochtenen
Entscheidung zu der Feststellung, daß das Modell des Antragsgegners
gegenüber dem "Ka.-Gewürzständer" keine signifikanten Abweichungen
aufweist, die etwas an der Óbereinstimmung der beide Modelle
prägenden Formgebung zu ändern vermögen. Die sehr einprägsame
Turmkonstruk- tion mit den bei der Beschreibung des Ka.-Produkts
bereits geschilderten besonderen Anordnungen der Ge- würzgläser ist
letztlich identisch. Die geringfügigen Abweichungen in den Maßen
der Gestelle fallen nur auf, wenn man beide Modelle nebeneinander
sieht, was aber nicht der alltäglichen Verkaufssituation der
Produkte entspricht. Zudem können diese Abweichungen nichts an der
Identität der charakteristischen Formgestaltung der Konstruktion
aus der Sicht des Verbrauchers selbst bei aufmerksamer Betrachtung
beider Produkte ändern.
Die von dem Antragsgegner angeführten Unterschiede der sich
gegenüberstehenden Gewürzständer bei der Gestaltung der
Gewürzgläser - Verschlüsse sowie den Ge- würzgläsern als solche
(einschließlich der goldfarbenen Bauchbinde der Gläser bei dem
Produkt des Antragsgeg- ners) - führen zu keiner anderen
Beurteilung. Zwar mögen diese Unterschiede - wenn sie von dem
flüchtigen Verbraucher, der beide Produkte nicht nebeneinander
sieht, sondern das Produkt des Antragsgegners aus seiner Erinnerung
mit dem Produkt der Antragstellerin vergleicht, überhaupt bemerkt
werden- eine unmittel- bare Verwechslungsgefahr auszuschließen. Sie
lassen jedoch die Identität der Modelle hinsichtlich ihrer die
Gestaltung prägenden Elemente insbesondere bei dem Holzgestell und
der Art und Weise der Anbringung der Gewürzgläser unberührt. Zudem
betreffen die genannten Abweichungen mit den Glasverschlüssen
Elemente, die sich geradezu zu einer geringfügigen Variation des
Modells unter Beibehaltung der charakteristischen Grundform
anbieten. Die unterschiedliche Gestaltung der Verschlußkappen der
Gewürzgläser einschließlich der übrigen Abweichungen bei den
Gewürzgläsern wird daher die Verbraucher allenfalls veranlassen, in
dem Produkt des Antragsgegners ein leicht abgewandeltes Schwester-
modell des Gewürzständers der Antragstellerin zu sehen, mit der
Folge, daß diese Verbraucher zumindest einer mittelbaren
Verwechslungsgefahr unterliegen. Jedenfalls werden diese
Verbraucher angesichts der weitgehenden Óbereinstimmungen der
Produkte in ihrer maßgeblichen prägenden Gestaltung annehmen, die
Hersteller beider Produkte seien geschäftlich, organisatorisch oder
in sonstiger Weise miteinander verbunden, und darauf zwanglos die
auffälligen Óbereinstimmungen der sich ge- genüberstehenden
Produkte zurückführen. Auch hinsicht- lich dieser Verbraucher
besteht danach eine Verwechs- lungsgefahr (im weiteren Sinne).
Das Landgericht hat zutreffend in der unterschiedlichen
Verpackung der Produkte der Parteien (Pappkarton bei der
Antragstellerin, Klarsichtschrumpffolie bei dem Produkt des
Antragsgegners) ebenfalls kein Merkmal gesehen, welches geeignet
wäre, der vorstehend aufge- zeigten Verwechslungsgefahr
entgegenzuwirken. Bei der Bewerbung der Produkte in den
Verkaufsstätten und in den Katalogen werden die Produkte dem
Verbraucher unverpackt präsentiert, wobei die vom Antragsgegner
verwandte Schrumpffolie ohnehin als bloßer Schutz der Gläser vor
dem Herausfallen aus dem Regal und nicht als eigenständige
Verpackung erscheint. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, worauf das
Landgericht zu Recht hinweist, daß der Verpackung bei den in Rede
stehenden Produkten über die bloße Schutz- und Transportfunktion
keine weitere Aufgabe zukommt, und die Verpackung auch deshalb
ungeeignet ist, die Vorstellungen des Verbrau- chers von der
Herkunft des Gewürzständers zu beein- flussen.
Die von dem Antragsgegner weiterhin als Unterschied der sich
gegenüberstehenden Produkte genannten Klebeschild- chen, die seinem
Modell beigefügt sind, begründen eben- falls keine relevante
Abweichung zwischen den sich ge- genüberstehenden Gewürzständern.
Im Gegenteil: Es liegt aus den von der Antragstellerin in der
Berufungserwi- derung angeführen Gründen nahe, diese Schildchen zur
Kennzeichnung der Gewürzgläser nicht auf die Bretter, sondern auf
die Verschlußkappen der Gewürzgläser auf- zukleben, da andernfalls
beim Zurückstellen der Gläser zunächst das passende Schildchen
gesucht werden muß, was sehr umständlich ist. Werden die Schildchen
aber auf den Verschlußkappen der Gewürzgläser angebracht, werden
zusätzliche Àhnlichkeiten des Produkts des An- tragsgegners mit dem
Modell der Antragstellerin herge- stellt.
In welcher Weise schließlich der von dem Antragsgegner in der
Berufungsbegründung als wesentlicher Unterschied bezeichnete
Umstand, daß der Antragsgegner seine Gewürze im Gegensatz zu der
Antragstellerin von einem deutschen Lieferanten bezieht, die
Herkunftsvorstellun- gen des Verbrauchers hinsichtlich der in Rede
stehenden Gewürzständer beeinflussen kann und nicht lediglich als
unmaßgebliche Variante betrachtet wird, wenn er über- haupt bemerkt
wird, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Der Tatbestand des § 1 UWG ist jedoch auch in subjekti- ver
Hinsicht erfüllt.
Hierbei kann mit dem Vortrag des Antragsgegners davon
ausgegangen werden, daß das beanstandete Produkt bereits auf der
Frankfurter Frühjahrsmesse im Februar 1992 präsentiert worden ist
und dieses Produkt aus den - bestrittenen - Behauptungen des
Antragsgegners keine Nachahmung des Gewürzständers der
Antragstellerin darstellt. Dennoch ist dem Antragsgegner der
Vorwurf zu machen, unlauter gehandelt zu haben.
Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen des Antragsgeg- ners in
der ersten Instanz einschließlich der Angaben des Antragsgegners in
dessen (erstinstanzlicher) ei- desstattlichen Versicherung vom 13.
Juli 1993 war der streitbefangene Gewürzständer im Februar 1992
trotz seiner Messepräsentation noch nicht verkaufsbereit, aus
welchen Gründen auch immer. Das Produkt des Antragsgeg- ners ist
danach vielmehr erst im November 1992 auf dem Markt eingeführt
worden, also frühestens ca. 8 Monate nach der Messepräsentation des
"Ka.-Gewürzständers" durch die Antragstellerin auf der Frankfurter
Früh- jahrsmesse 1992 und dem Beginn der schon dargestellten
erfolgreichen Verkaufsaktivitäten der Antragstellerin ab Ende
Februar 1992.
Soweit der Antragsgegner in der Berufungsinstanz geltend macht,
sein Produkt sei auf der Frankfurter Frühjahrsmesse 1992 nicht nur
ausgestellt, sondern auch zum Kauf angeboten worden und eine
Vielzahl von Kunden (Wer€ Wieviele€) hätten bereits ihre Order
avisiert, führt dies zu keiner Vorverlegung des Zeitpunkts des
Marktzutritts des beanstandeten Produkts von (frühe- stens)
November 1992 auf Februar 1992. Dieser Vortrag des Antragsgegners
einschließlich der dazu in zweiter Instanz vorgelegten
eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners selbst sowie der
Zeugen St. und Sa. begegnet schon im Hinblick auf das
erstinstanzliche Vorbringen des Antragsgegners und den dort
überreichten eidesstattlichen Versicherungen des Antragsgegners und
der genannten Zeugen beachtlichen Bedenken. In der in der ersten
Instanz überreichten eidesstattlichen Versi- cherungen der Zeugen
St. und Sa. ist ebenso wie in der schon angeführten
eidesstattlichen Versicherung des An- tragsgegners vom 13. Juli
1993 nämlich noch keine Rede von einem verkaufsbereiten Anbieten
des Gewürzständers auf der Frankfurter Frühjahrsmesse 1992 und bzw.
oder von schon avisierten Aufträgen von Kunden.
Im übrigen ergibt sich aber selbst aus dem Berufungs- vorbringen
des Antragsgegners einschließlich der dazu vorgelegten
Glaubhaftmachungsmittel noch keine Markt- einführung des
beanstandeten Produkts vor (frühestens) November 1992: Order für
das Produkt waren danach vorher (in unbekannter Zahl von
nichtbenannten Kunden) lediglich avisiert, jedoch noch nicht fest
zugesagt; zudem ist der Gewürzständer nach den eigenen Darlegun-
gen des Antragsgegners frühestens im November 1992 aus- geliefert
worden (in unbekannter Menge an nicht konkret benannte
Verkaufsstätten). Der beanstandete Gewürzstän- der war nach dem
Vorbringen des Antragsgegners von Fe- bruar 1992 bis November 1992
wegen Lieferproblemen des Gewürzlieferanten noch nicht einmal
verkaufsbereit.
Auch nach dem zweitinstanzlichen Vortrag des Antrags- gegners
ist somit das beanstandete Produkt frühestens im November 1992 als
verkaufsbereites Produkt auf dem Markt erschienen und konnte
dementsprechend erst ab diesem Zeitpunkt auf die Vorstellung des
Verkehrs - insbesondere auch des Endverbrauchers - hinsichtlich der
Herkunftsstätte eines derartigen Gewürzständers einwirken. Bezogen
auf diesen Zeitpunkt - November 1992 - war aber die Antragstellerin
schon seit ca. 8 Monaten mit ihrem Produkt erfolgreich auf dem
Markt.
Die Markteinführung des Gewürzständers der Antragstel- lerin war
jedoch dem Antragsgegner nach dessen Angaben in der
eidesstattlichen Versicherung vom 13. Juli 1993 schon bekannt, noch
ehe das beanstandete Produkt im November 1992 erstmals vertrieben
worden ist. In dieser Situation durfte der Antragsgegner nicht mit
einem Pro- dukt auf den Markt gehen, welches mit dem Konkurrenz-
Produkt der Antragstellerin nahezu identisch und aus den
dargelegten Gründen in einem hohen Maße verwechs- lungsfähig ist
(vgl. dazu BGH GRUR 1969/292, 294 "Bunt- streifensatin II";
Baumbach/Hefermehl, a.a.0. § 1 UWG Rdn. 474). Er mußte sich
vielmehr bemühen, durch zumut- bare Veränderungen des eigenen
Produkts einen ausrei- chenden Abstand zu dem schon auf dem Markt
befindlichen Ka.-Gewürzständer zu schaffen, um dieser
Verwechslungs- gefahr und der dadurch verursachten
Herkunftstäuschung entgegenzuwirken. Zu derartigen Veränderungen
war der Antragsgegner auch ohne weiteres in der Lage. Techni- sche
oder funktionelle Notwendigkeiten für die ästheti- sche Gestaltung
des Produkts in der Weise der Produkt- gestaltung des
Gewürzständers der Antragstellerin sind nicht gegeben. Selbst die
von dem Antragsgegner in der Berufungsbegründung angeführten
angeblichen Industrie- standards für die Dicke der Holzbretter, der
Kantenfrä- sung u.s.w. vermögen nicht glaubhaft zu machen, daß ein
Gewürzständer gerade so gestaltet sein muß, wie dies bei dem von
der Antragstellerin vertriebenen Produkt der Fall ist.
Eine Unzumutbarkeit für den Antragsgegner, das eigene Produkt
nur in einer veränderten Gestaltung auf den Markt zu bringen,
ergibt sich ebenfalls nicht daraus, daß der Antragsgegner
ausweislich seiner eidesstatt- lichen Versicherung vom 13. Juli
1993 erst von der Markteinführung des Gewürzständers der
Antragstellerin erfahren haben will, als die "Konzeption" seines
Pro- dukts bereits fertig und dessen Markteinführung schon
beschlossen gewesen sei. Diese Umstände können ebenso wie die
vorliegend zugunsten des Antragstellers unter- stellte Tatsache,
daß sein Produkt keine Nachahmung des von der Antragstellerin
vertriebenen Gewürzständers ist, allenfalls Anlaß geben, die
Verwechslungsgefahr großzügiger zu beurteilen und bereits geringere
Abwei- chungen der sich gegenüberstehenden Produkte ausreichen zu
lassen (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl, a.a.0. § 1 UWG Rdn. 474).
Wegen der weitgehenden des von dem Antrags- gegner angebotenen
Produkts mit dem Gewürzständer der Antragstellerin vermag aber auch
eine derartige Beur- teilungsweise der Verwechslungsgefahr im
Streitfall das Vorgehen des Antragsgegners nicht als lauter
erscheinen zu lassen. Ersichtlich hat sich der Antragsgegner in
keiner Weise bemüht, durch Veränderungen der die Form- gestaltung
prägenden Elemente zumindest einen gewissen Abstand seines Produkts
zu dem Ka.-Produkt zu schaffen.
Schließlich ist die Antragstellerin aktivlegitimiert, den danach
bestehenden Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG gegenüber dem
Antragsgegner geltend zu machen. Nach den von der Antragstellerin
vorgelegten eidesstattli- chen Versicherungen ist hinreichend
glaubhaft, daß sie seit 1991 einen Exklusivvertrag mit der Firma
Ka. für Deutschland zum Vertrieb des Gewürzständers hat. Sie wird
damit selbst unmittelbar durch den Vertrieb des beanstandeten
Produkts des Antragsgegners verletzt (vgl. dazu BGH GRUR 1988/620,
621 "Vespa-Roller"; Baum- bach/Hefermehl, § 1 UWG Rdn. 474
m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit der Verkündung rechtskräftig, § 545 Abs. 2
ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 18.03.1994
Az: 6 U 243/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0a07a6dd9a5b/OLG-Koeln_Urteil_vom_18-Maerz-1994_Az_6-U-243-93