Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 36/06
(BPatG: Beschluss v. 30.11.2009, Az.: 19 W (pat) 36/06)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 15. September 1997 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Steuerung", die die Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung DE 296 17 837 vom 14. Oktober 1996 in Anspruch nimmt, wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G05B durch am 18. Mai 2006 verkündeten Beschluss mit Datum vom 19. Mai 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, der Anmeldegegenstand betreffe keine Erfindung im Sinne des § 1 PatG.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G05B des Deutschen Patentund Markenamtes vom 19. Mai 2006 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: -Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, -Beschreibung und 20 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 18, vom Anmeldetag 15. September 1997.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Merkmalsgliederung:
F1 Steuerung (ST) mit Mitteln zum Steuern eines technischen Prozesses und Mitteln zur Steuerung einer Bewegung einer Verarbeitungsmaschine, F2 mit einem während eines Steuerbetriebs durch eine von der Steuerung (ST)
umfasste CPU-Einheit ausführbaren, Softwaremodule umfassenden Steuerprogramm, dadurch gekennzeichnet, dass F3 das Steuerprogramm zum Steuern des technischen Prozesses eine Prozesssteuerungsfunktionalität und zur Steuerung der Bewegung der Verarbeitungsmaschine eine Bewegungssteuerungsfunktionalität vereint, F4 indem es zumindest zwei Softwaremodule (1) umfasst, F4.1 die ihrerseits F4.2 mindestens ein zur Bewegungssteuerung vorgesehenes sequentielles Programm (4a, 4b) und F4.3 mindestens ein einerseits zur Prozesssteuerung und andererseits zum Aufruf wie auch zur Koordination des oder jedes sequentiellen Programms (4a, 4b) vorgesehenes zyklisches Programm (3a, 3b) umfassen, F5 wobei jedes sequentielle Programm (4a, 4b) und jedes zyklische Programm (3a, 3b) einen Variablenund Konstantendeklarationsteil (5) umfasst, F6 wobei die Softwaremodule jeweils einen Deklarationsteil (2) umfassen, auf welchen die Programme des jeweiligen Softwaremoduls (1) zugreifen und in welchem Variablen und/oder Datenstrukturen und/oder Bewegungsprofile hinterlegt sind.
Als Aufgabenstellung nennt die Anmelderin (Seite 2, Zeilen 19 bis 26 der ursprünglichen Unterlagen):
"eine Steuerung der eingangs genannten Art anzugeben, welche die Verwirklichung von Prozessfunktionalitäten sowie von technologischen Bewegungsabläufen von Verarbeitungsmaschinen vereinfacht. Darüber hinaus ist ein Programmiergerät zu schaffen, das die Erstellung für eine derartige Steuerung vereinfacht."
Die Patentanmelderin ist der Auffassung, bei der von ihr angemeldeten Steuerung sei erstmals vorgesehen, ein vollständig modulares Steuerprogramm für Verarbeitungsmaschinen anzugeben, bei dem aus einem zyklischen Programmteil heraus ein oder mehrere sequentielle Programmteile aufgerufen würden.
Diese Modularität werde dadurch erreicht, dass sowohl das Softwaremodul in einem Kopfteil als auch die einzelnen zyklischen und sequentiellen Programmteile jeweils separate Konstantendeklarationsteile hätten.
Hierzu gebe es keinerlei Anregung aus dem bekannt gewordenen Stand der Technik.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die fristund formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach § 1 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 4 PatG nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Aus der bereits im Zurückweisungsbeschluss zitierten Druckschrift (1) JONES K.: "IEC 1131-3 programming for motion control" lEE Colloquium on Configurable ServoControl Systems, 1994, 6/1 -6/3 ist Folgendes bekannt: eine F1 Steuerung (Seite 6/1, linke Spalte, 3. Absatz: Flexible Machinery Controller) mit Mitteln zum Steuern eines technischen Prozesses (Zusammenfassung: applicable to distributed multitasking motion control systems) und Mitteln zur Steuerung einer Bewegung einer Verarbeitungsmaschine (Seite 6/1, linke Spalte, 3. Absatz, letzter Teilsatz: controlling up to 30 tightly coordinated axes)
F2 mit einem während eines Steuerbetriebs durch eine von der Steuerung umfasste CPU-Einheit (Seite 6/2, linke Spalte, "5. FMC Hardware") ausführbaren, Softwaremodule umfassenden Steuerprogramm (Seite 6/1, rechte Spalte: 2. Languages), wobei F3 das Steuerprogramm zum Steuern des technischen Prozesses eine Prozesssteuerungsfunktionalität (Titel PCL -Programming und Seite 6/1, linke Spalte, Absatz 2: Live data may then me monitored and displayed ... for that application) und zur Steuerung der Bewegung der Verarbeitungsmaschine eine Bewegungssteuerungsfunktionalität vereint (motion control), F4 indem es zumindest zwei Softwaremodule (Seite 6/1, linke Spalte, Absatz 2: "predefined control elements held within one or more libraries") umfasst, F4.1 das seinerseits (Seite 6/1, linke Spalte, Absatz 1: "hierarchical programming")
F4.2 mindestens ein zur Bewegungssteuerung vorgesehenes sequentielles Programm (Seite 6/1, rechte Spalte, Absatz 3: "sequential control algorithms") und F4.3 mindestens ein einerseits zur Prozesssteuerung und andererseits zum Aufruf wie auch zur Koordination des oder jedes sequentiellen Programms vorgesehenes zyklisches Programm (Seite 6/1, rechte Spalte, letzter Absatz: "highlevel textual language designed for structured programming") umfasst.
Für jeden Fachmann, der hier als Diplom-Ingenieur mit Hochschuloder zumindest Fachhochschulabschluss der Fachrichtung Elektrotechnik anzunehmen ist, der mit dem Entwurf von Softwareprodukten für die Prozessleittechnik und die Maschinensteuerung beauftragt ist und daher die einschlägigen Programmiersprachen beherrscht, ist dabei selbstverständlich, dass sowohl F5 jedes sequentielle Programm und jedes zyklische Programm einen Variablenund Konstantendeklarationsteil umfasst, als auch F6 die Softwaremodule jeweils einen Deklarationsteil umfassen, auf welchen die Programme des jeweiligen Softwaremoduls zugreifen und in welchem Variablen hinterlegt sind.
Das Wissen des Fachmann bezüglich der Variablenund Konstantendeklaration ist beispielsweise durch die der Anmelderin bereits aus dem Prüfungsverfahren bekannten Druckschrift:
(4) A. Diepgen: "Einsatz von Hochsprachen in Anpasssteuerungen" in "ZwF" 84 (1989) 9, Seiten 495 bis 499, belegt.
Dort wird eine Steuerung von Verarbeitungsmaschinen (Seite 495, linke Spalte, Absatz 3, 1. Zeile: "Werkzeugmachinen") beschrieben, die einen zyklischen Programmteil (Hochsprache) und daraus heraus aufgerufenen sequentielle Programmteile (SPS-Programmierung) aufweist.
Dabei gibt es sogenannte "Privatdaten" (Seite 497, rechte Spalte, letzter Absatz), die nur innerhalb des laufenden Bausteins Gültigkeit haben. Dies sind mit anderen Worten ausgedrückt, die in Merkmal F5 des Patentanspruchs 1 genannten Variablenund Konstantendeklarationsteile der sequentiellen und zyklischen Programme.
Daneben gibt es sogenannte "globale Variablen" (Seite 498, linke Spalte, Satz 2 und 3). Dies entspricht dem im Merkmal F6 des Patentanspruchs 1 genannten Deklarationsteil, auf welchen die Programme des jeweiligen Softwaremoduls zugreifen und in welchem Variablen hinterlegt sind.
Somit ist im Patentanspruch 1 lediglich das Grundwissen des Fachmanns wiedergegeben, soweit die darin genannten Merkmale nicht bereits aus der Druckschrift (1) bekannt sind.
Mit dem nicht gewährbaren Patentanspruch 1 fallen auch die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3.
Somit war die Beschwerde zurückzuweisen.
Bertl Kirschneck Dr. Scholz J. Müller prö
BPatG:
Beschluss v. 30.11.2009
Az: 19 W (pat) 36/06
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