Landgericht Bonn:
Beschluss vom 16. Mai 2008
Aktenzeichen: 11 T 52/07
(LG Bonn: Beschluss v. 16.05.2008, Az.: 11 T 52/07)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde werden die Ordnungsgeldentscheidung des Beschwerdegegners vom 15.11.2007 einschließlich der Festsetzung von Zustellungskosten und die Verwerfung des Einspruchs in der gleichen Entscheidung aufgehoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500 € wegen nicht erfolgter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt K hat der Schuldnerin mit Adressierung "c/o Herrn X als Insolvenzverwalter" (Beschwerdeführer) die Verhängung des Ordnungsgelds mit Verfügung vom 25.07.2007, zugestellt am 27.07.2007 angedroht. Dagegen hat der Beschwerdeführer Einspruch eingelegt. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Bundesamt K das bezeichnete Ordnungsgeld gegen die Schuldnerin unter Verwerfung des Einspruchs festgesetzt. Der Bescheid war in gleicher Weise adressiert wie die Verfügung vom 25.07.2007.
Gegen die mit gleicher Adressierung am 03.12.2007 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 17.12.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Bundesamt K tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen. Die der Neufassung der §§ 325, 335 HGB zugrunde liegenden Richtlinien der Europäischen Union gäben auch für Unternehmen in Insolvenz vor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßregeln für den Fall der Nichtoffenlegung der Rechnungslegungsunterlagen zu treffen hätten. Adressat des Ordnungsgeldverfahrens sei die insolvente Gesellschaft. Die Zustellung habe an den Insolvenzverwalter (Beschwerdeführer) erfolgen müssen. Das festgesetzte Ordnungsgeld sei Masseverbindlichkeit.
II.
1. Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 2 HGB statthafte sofortige Beschwerde ist auch im übrigen zulässig. Unschädlich ist, dass sich die Ordnungsgeldentscheidung - wie die Beschwerdegegnerin ausdrücklich vorträgt - nicht gegen den Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter sondern gegen die Schuldnerin richtet. Die Beschwerdebefugnis des Insolvenzverwalters folgt daraus, dass durch den angefochtenen Bescheid eine Masseverbindlichkeit begründet werden sollte. Dadurch wurde das Recht des Insolvenzverwalters zur Wahrung, Mehrung und Verwaltung der Masse tangiert.
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Schuldnerin ist nicht in der erforderlichen Weise am Ordnungsgeldverfahren beteiligt worden.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 22.04.2008 - 11 T 28/07 - in einem Parallelverfahren eines anderen Insolvenzverwalters einer anderen Aktiengesellschaft folgendes ausgeführt:
"a. Nach § 155 Abs. 1 S. 1 InsO bleiben die Pflichten des Schuldners zur Rechnungslegung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Die Rechnungslegungspflicht des § 325 Abs. 1 S. 1 HGB trifft die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften und zwar für die von ihnen repräsentierte Kapitalgesellschaft. Letzteres ist durch die Einfügung der Worte "für diese" in § 325 Abs. 1 S. 1 und § 325a Abs. 1 S. 1 HGB durch den Rechtsausschuss des Bundestages ausdrücklich klargestellt (s. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucksache 16/2781 vom 27.09.2006 S. 12, Begründung S. 81). § 335 Abs. 1 S. 1 HGB bezeichnet als Adressaten des Ordnungsgeldverfahrens die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft. Durch die angesprochene Einfügung der Worte "für diese" in § 325 Abs. 1 S. 1 und § 325a Abs. 1 S. 1 HGB sollte die Durchführung des Ordnungsgeldverfahrens gegen die Kapitalgesellschaft selbst (§ 335 Abs. 1 S. 2 HGB) ermöglicht werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, aaO S. 81). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert nichts an der Rechtsnatur der Schuldnerin und an der Organstellung innerhalb der Kapitalgesellschaft (s. Haas in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 3. A., § 91 Rdn. 29; Holzer, ZVI 2007, 401, 403). Träger der Rechnungslegungspflicht im Sinne von § 155 Abs. 1 S. 1 InsO bleiben damit die Organe der Kapitalgesellschaft für diese (s. auch LG Frankfurt a.M., ZIP 2007, 2325). Die Verpflichtung nach § 155 Abs. 1 S. 1 InsO ist zu unterscheiden von derjenigen des Insolvenzverwalters nach § 155 Abs. 1 S. 2 InsO. Bei letzterer handelt es sich um eine eigene Pflicht des Insolvenzverwalters (s. Kübler in Kübler/Prütting, InsO, § 155 Rdn. 3, 8; Hamburger Komm. InsO/Weitzmann, § 155 Rdn. 2).
b. Ebenso wie die Pflicht nach § 155 Abs. 1 S. 2 ist im Grundsatz die Pflicht des S. 1 vom Insolvenzverwalter zu erfüllen (jeweils aaO, so auch Schlauß, DB 2007, 2191, 2194). Dem daraus teilweise gezogenen Schluss, die Kapitalgesellschaft bzw. deren Organe könnten im Insolvenzfall nicht als Adressaten der Offenlegungspflicht des § 325 Abs. 1 HGB angesehen werden (so Kübler in Kübler/Prütting, InsO, § 155 Rdn. 73d; im Ergebnis auch Holzer, ZVI 2007, 401, 404; Grashoff, NZI 2008, 65, 69) vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Diese Auffassung berücksichtigt nicht die mögliche Sondersituation des Vorhandenseins insolvenzfreien Vermögens. Der Insolvenzverwalter kann in bezug auf insolvenzfreies Vermögen nicht rechnungslegungspflichtig sein (Maus, ZInsO 2008, 5 ff. bei Fn. 14). Das folgt aus dem Wortlaut des § 155 Abs. 1 S. 2 InsO. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die von den gleichen Autoren zutreffend betonte grundsätzliche Trennung zwischen der eigenen und der fremden Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus § 155 Abs. 1 S. 2 und 1 InsO bezüglich der Offenlegungspflicht außer Betracht bleiben sollte. Die Meinung, Kapitalgesellschaften in Insolvenz könnten nicht Adressaten des Ordnungsgeldverfahrens nach § 335 HGB sein, ist mit § 335 Abs. 1 S. 2 HGB nicht in Einklang zu bringen. Das Bundesamt K weist zutreffend darauf hin, dass das EHUG keine Ausnahmen für Kapitalgesellschaften in Insolvenz vorsieht.
c. Das entspräche auch nicht der bisherigen Rechtslage. Nach § 71 Abs. 3 GmbHG und § 270 Abs. 3 AktG kann im Fall der Liquidation unter Umständen von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer befreit werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Jahresabschluss trotz Liquidation der Kapitalgesellschaft aufzustellen ist. Diese Vorschriften sollen nach der Gesetzesbegründung zur InsO auf Insolvenzfälle entsprechend angewendet werden (s. OLG München ZIP 2008, 219 = WM 2008, 542 mwN; Schmidt-Räntsch, Insolvenzordnung mit Einführungsgesetz, 1995 § 155 Rdn. 1). Der Jahresabschluss war also schon vor dem Inkrafttreten des EHUG auch im Fall der Insolvenz aufzustellen. Er wäre auch gemäß § 325 Abs. 1 S. 1 aF HGB zum Handelsregister einzureichen gewesen. Dies dürfte lediglich wegen des Antragserfordernisses des § 335a S. 3 aF HGB keine praktische Bedeutung erlangt haben. Da § 155 InsO durch das EHUG unverändert geblieben ist, bestand schon nach altem Recht der Dualismus zwischen den Pflichten nach § 155 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO. Warum § 335 HGB in der Neufassung durch das EHUG nicht an diesen Dualismus anknüpfen sollte, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil ist durch die Einfügung in §§ 325 Abs. 1 S. 1, 325a Abs. 1 S. 1 HGB und die Schaffung von § 335 Abs. 1 S. 2 HGB ausdrücklich die Pflicht der Organe für die Gesellschaft betont und damit die differenzierende Regelung des § 155 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO der Sache nach bestätigt worden. Zwar lassen die Materialien zu § 155 InsO die Möglichkeit offen, dass ein ursprünglich vollkaufmännisches Unternehmen je nach Stand der Abwicklung nur noch einen minderkaufmännischen Geschäftsbetrieb im Sinne von § 4 Abs. 1 HGB aF erfordern könne und dadurch von den handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften nicht mehr erfasst werde. Auf Kapitalgesellschaften, um die es hier geht, ist dies aber nicht erstreckt worden (Schmidt-Räntsch, aaO).
d. Das Bundesamt K verweist ferner zutreffend darauf, dass mit dem EHUG EU-Richtlinien Rechnung getragen worden ist. Die Erste Richtlinie 68/151/EWG (ABl. Nr. L 065, S. 8) sieht in Art. 2 (1) f) vor, dass sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften (namentlich AG und GmbH) auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr zu erstrecken hat. Der EuGH hat bestätigt, dass diese Regelung uneingeschränkt umzusetzen und der Jahresabschluss offenzulegen ist (Rs C - 97/96, NZG 1998, 116, 117 Tz. 13 - 16 = ZIP 1998, 215 mit Anm. Schulze-Osterloh). Er hat festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat, dass sie keine geeigneten Sanktionen bezüglich der Einhaltung von Art. 2 (1) f) der Ersten Richtlinie 68/151/EWG getroffen hatte (Rs C-191/95, NZG 1998, 902 = ZIP 1998, 1716 mit Anm. Schulze-Osterloh). Mit diesen europarechtlichen Vorgaben wäre es nicht vereinbar, Kapitalgesellschaften in Insolvenz von den Offenlegungspflichten freizustellen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, für die vermögensrechtliche Sphäre der insolventen Kapitalgesellschaft sei ausschließlich der Insolvenzverwalter zuständig, den die maßgeblichen EU-Richtlinien nicht im Blickfeld hätten (so Kübler, aaO, § 155 Rdn. 74d mit 73d). Die vorliegend zu beurteilende Offenlegungspflicht ist wie dargelegt keine eigene des Insolvenzverwalters. Die europarechtlichen Vorgaben erfassen die eigene Verpflichtung der Organe der insolventen Kapitalgesellschaft für diese durchaus.
e. Die Kammer hält auch eine teleologische Reduktion der Offenlegungspflicht des § 325 Abs. 1 S. 1 HGB für den Fall der Einstellung des Unternehmens bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens für nicht angängig (aA MünchKomm InsO/Füchsl/Weishäupl, 2. A., § 155 Rdn. 8, 11). Das folgt bereits aus dem unter c. dargelegten Umkehrschluss aus §§ 71 Abs. 3 GmbHG, 270 Abs. 3 AktG. Wenn Jahresabschlüsse nach der gesetzlichen Regelung bei der Liquidation von Kapitalgesellschaften zu erstellen und offenzulegen sind, besteht kein Grund, dies in der Insolvenz anders zu behandeln (im Ergebnis ebenso Grashoff, NZI 2008, 65, 67). Es wird zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung aus § 155 Abs. 1 S. 2 InsO auch dem Gläubigerschutz dient (MünchKomm InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO, § 155 Rdn. 11). Insofern geht es insbesondere um die Deckung von Masseverbindlichkeiten (MünchKomm InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO). Über diesen Schutzzweck kann nicht mit der Erwägung hinweggegangen werden, die Frage der Deckung der Masseverbindlichkeiten stelle sich in allen Verfahren, bei denen aber auch die insolvenzspezifische Rechnungslegung zur Überwachung genüge (MünchKomm InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO). Denn dieser Schutzzweck wird gerade mit den gesetzlichen Offenlegungsvorschriften verfolgt. Wenn man ihn auch anders oder wenig aufwändig verfolgen könnte, ist das kein tauglicher Grund, der gesetzgeberischen Anordnung keine Folge zu leisten. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf die unter d. dargelegten europarechtlichen Vorgaben.
f. Die Verhängung von Ordnungsgeld nach § 335 HGB setzt Verschulden voraus. Dies ist in der Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzentwurf des EHUG allerdings in Zweifel gezogen worden (BT-Drucksache 16/960, S. 78 - 80). Zur Begründung ist ausgeführt, die Festsetzung von Ordnungsgeld nach der Vorgängerregelung des § 335a aF HGB habe nicht in erster Linie eine repressive strafähnliche Sanktion wegen des in der zurückliegenden Zeit erfolgten Verstoßes gegen die Offenlegungspflicht, sondern "- ebenso wie im Grundsatz das Zwangsgeld - ein Beugemittel, jedoch schärfer" zur Erzwingung einer alsbaldigen Vornahme der Offenlegung sein sollen (aaO, S. 79). Es handele sich um ein standardisiertes Verfahren mit dem Ziel, nach dem Verstreichen des gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegungszeitpunkts ... einen im 6-Wochen-Rhythmus ständig anwachsenden Druck auf den gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft auszuüben, um so die bereits überfällige Offenlegung so schnell wie möglich zwangsweise herbeizuführen (aaO). Es sprächen gewichtige Gründe dafür, dass das Ordnungsgeld nach § 335a aF HGB ein Verschulden nicht voraussetze. Dem vermag die Kammer für die Neufassung des § 335 HGB nicht zu folgen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 1, 3 HGB stellt eine Sanktion für das Unterlassen der Offenlegung des Jahresabschlusses dar (im Ergebnis wie hier Holzer, EWiR 2007, 593, 594). Insofern ist es zu unterscheiden von der Androhung nach § 335 Abs. 3 S. 1 und 4 HGB. Die Androhung verliert ihren Beugecharakter mit der Festsetzung des Ordnungsgeldes und der wiederholten Androhung. Ab diesem Zeitpunkt kann die Zahlbarkeit des festgesetzten Ordnungsgeldes (vorbehaltlich einer Abänderung der Ordnungsgeldentscheidung im Beschwerdeverfahren nach § 335 Abs. 4, 5 HGB) nicht mehr durch Nachholung der versäumten Handlung vermieden werden. Damit hat die Festsetzung des Ordnungsgeldes strafähnlichen Charakter. Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG zu § 890 ZPO (BVerfG NJW 1981, 2457 mwN; s. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. A., § 890 Rdn. 15). Die in § 335 Abs. 3 S. 1 HGB vorgesehene Möglichkeit der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die Unterlassung der Offenlegung mittels Einspruchs zu rechtfertigen, schließt damit die Möglichkeit der Berufung auf fehlendes Verschulden ein. Auch im Beschwerdeverfahren nach § 335 Abs. 4, 5 HGB ist das Verschuldensmerkmal zu prüfen (so auch LG Hagen ZIP 2007, 1766). Ausgehend von dem strafähnlichen Charakter des Ordnungsgelds ist das Verschulden positiv festzustellen, eine Vermutung wie in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB greift nicht ein.
g. Ausgehend von den dargelegten Grundlagen kann das Ordnungsgeldverfahren zwar gemäß § 335 Abs. 1 S. 2 HGB gegen die Kapitalgesellschaft durchgeführt werden. Diese muss dann aber ordnungsgemäß am Ordnungsgeldverfahren beteiligt werden. Für das der Ordnungsgeldentscheidung vorausgehende Verfahren nach § 335 Abs. 3 S. 1 - 3 HGB folgt das schon daraus, dass die Androhung des Ordnungsgeldes Beugecharakter hat. Der unter f. angeführten Stellungnahme des Bundesrats ist darin zuzustimmen, dass das Verfahren mit der jeweils zu wiederholenden Androhung dem Zweck dient, die überfällige Offenlegung so schnell wie möglich herbeizuführen. Dies entspricht den europarechtlichen Vorgaben (s.o. d.). Das erfordert die Beteiligung derjenigen Organe, von deren Willen die Offenlegung abhängt. Dies sind die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der jeweiligen Kapitalgesellschaft. Dass deren Verpflichtung in bezug auf die Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter zu erfüllen ist (s.o. b.), ändert daran nichts. Denn dies betrifft nur die Erfüllung der gesellschaftsrechtlichen Organpflicht durch den Insolvenzverwalter als Fremdpflicht. Wie unter f. ausgeführt, können sich die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft auf fehlendes Verschulden berufen. Auch deshalb müssen sie am Verfahren beteiligt werden. Ob eine Entlastung auch mit der Begründung möglich ist, ihnen fehle die Möglichkeit zur Erstellung des Jahresabschlusses im Hinblick auf die Erfüllung durch den Insolvenzverwalter nach § 155 Abs. 1 S. 2 InsO, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Aus der Anordnung der Pflichterfüllung durch den Insolvenzverwalter in § 155 Abs. 1 S. 2 InsO folgt jedenfalls nicht, dass die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft nicht am Verfahren gemäß § 155 Abs. 1 S. 1 InsO zu beteiligen wären (wie hier im Ergebnis Holzer, ZVI 2007, 401, 404). Für dies Ergebnis spricht auch die Regelung des § 335 Abs. 1 S. 2 HGB. Durch die Möglichkeit, das Ordnungsgeldverfahren gegen die Kapitalgesellschaft durchführen zu können, sollte "sichergestellt werden, dass die Zustellung - die auch in diesem Fall an die gesetzlichen Vertreter zu erfolgen hat - stets am Geschäftssitz erfolgen kann" (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, aaO S. 82; zutreffend Maus, ZInsO 2008, 5 ff. bei Fn. 20). Wird wie vorliegend das Ordnungsgeldverfahren gegen die Kapitalgesellschaft durchgeführt, ändert das nach dieser gesetzgeberischen Intention nichts an der Verpflichtetenstellung der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft und der Notwendigkeit, im Verfahren erforderliche Zustellungen an diese vorzunehmen. Wird dagegen wie hier die Zustellung an die "Kapitalgesellschaft c/o Insolvenzverwalter" zugestellt, fehlt es sowohl an der Zustellung an die gesetzlichen Vertreter als auch an der vom Rechtsausschuss intendierten Zustellung am Geschäftssitz der Kapitalgesellschaft. Wie von den betroffenen Insolvenzverwaltern teilweise vorgetragen wird, befindet sich der Geschäftssitz der Schuldnerin nicht etwa an der Anschrift des Insolvenzverwalters. Nach Auffassung der Kammer sind die Zustellungsvorschriften in dem hier ausgeführten Sinn strikt einzuhalten, weil dies zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (s. Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich ist. Die Möglichkeit, sich vor Gericht gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld zu verteidigen, hängt davon ab, dass der Betroffene zuvor ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden und die Zustellung der anfechtbaren Entscheidung so erfolgt ist, dass er die Anfechtungsmöglichkeit wahrnehmen kann. Das ist bei einer Zustellung "c/o Insolvenzverwalter" nicht gewährleistet. In Fällen der "Firmenbestattung" wird der Insolvenzverwalter jedenfalls nicht durchweg wissen, wer die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der insolventen Kapitalgesellschaft sind. Es gibt auch keinen gesetzlichen Grund, warum dem Insolvenzverwalter die Last auferlegt werden dürfte, die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft von dem Ordnungsgeldverfahren und darin erfolgten Zustellungen, die an diese zu richten gewesen wären, zu unterrichten.
h. Die nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft an dem Ordnungsgeldverfahren zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Ordnungsgeldentscheidung und der zugleich erfolgten Verwerfung des Einspruchs. Für eine Heilung der Zustellungsmängel ist nichts ersichtlich. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche möglich ist, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso kann offen bleiben, ob durch die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen die insolvente Kapitalgesellschaft eine Masseverbindlichkeit begründet wird."
Diese Ausführungen gelten auch für das vorliegende Verfahren.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 335 Abs. 5 S. 5 HGB. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Staatskasse aufzuerlegen. Die Entscheidung betrifft grundsätzliche Fragen des Ordnungsgeldverfahrens nach § 335 HGB nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Kapitalgesellschaft. Bei der Komplexität der Rechtslage war es angemessen, dass sich der Beschwerdeführer anwaltlich hat vertreten lassen.
Wert des Beschwerdegegenstands: 2.500.- €.
LG Bonn:
Beschluss v. 16.05.2008
Az: 11 T 52/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0aa31b9d61b0/LG-Bonn_Beschluss_vom_16-Mai-2008_Az_11-T-52-07