Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 18. Oktober 1995
Aktenzeichen: 2 Ws 292/93
(OLG Hamm: Beschluss v. 18.10.1995, Az.: 2 Ws 292/93)
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.
Die dem Beschwerdeführer für das erstinstanzliche Verfahren zustehende Vergütung wird anderweitig auf 3.551,56 DM festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.
Gründe
Der Beschwerdeführer war vor Anklageerhebung als Wahlverteidiger seines Mandanten tätig, zwischen Eingang der Anklageschrift vom 3. Februar 1992 am 10. Februar 1992 und Erlaß des Eröffnungsbeschlusses vom 13. März 1992 wurde er am 20. Februar 1992 vom Vorsitzenden der IV. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Dortmund zum Verteidiger bestellt. Die Hauptverhandlung fand vor dieser Strafkammer im Mai und Juni 1992 an insgesamt sieben Hauptverhandlungstagen statt. Der Mandant wurde am 10. Juni 1992 wegen fortgesetzten unerlaubten Handeltreibens mit einer nicht geringen Menge Heroin zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. Juni 1992 für seien Mandanten eingelegte und mit Schriftsatz vom 16. Juni 1992 begründete Revision wurde vom Bundesgerichtshof durch Beschluß vom 18. Dezember 1992 gem. §349 Abs. 2 StPO verworfen.
Angehörige des Mandanten des Beschwerdeführers zahlten an diesen in Teilbeträgen insgesamt 3.900 DM, und zwar am 24.09.91 500 DM, 27.09.91 1.000 DM, 12.02.92 400 DM, 24.04.92 1.000 DM und 29.06.92 1.000 DM. Nach der zusammenfassenden Darstellung des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren lagen diesen Zahlungen folgende Vereinbarungen zugrunde: Sein Mandant habe ihn gebeten, einen zuverlässigen Dolmetscher und Übersetzer zu besorgen. Daraufhin habe er die Dienste der in seinem Anwaltsbüro als Auszubildende beschäftigten ... einer ... Staatsangehörigen, angeboten. Sein Mandant sei damit einverstanden gewesen, 2,50 DM pro übersetzte Zeile und 55 DM pro Dolmetscherstunde zu zahlen. Weiterhin sei mit den Verwandten seines Mandanten für die Vorbereitung der Hauptverhandlung ein Honorar von 5.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer mit der Maßgabe vereinbart worden, daß die eingehenden Beträge zunächst auf die Übersetzer- und Dolmetscherauslagen und dann erst auf das Verteidigerhonorar verrechnet werden sollten. Nach der Auflistung des Beschwerdeführers vom 7. Oktober 1992 übersetzte Frau Özder in der Zeit vom 31. Mai 1991 bis zum 27. März 1992 insgesamt 398 Zeilen, woraus sich bei einem Zeilengeld von 2,50 DM ein Betrag von 995 DM ergibt. Für insgesamt 14 Stunden Dolmetschertätigkeiten von Frau ... bei Haftbesuchen seines Mandanten am 8. Juli und 8. Oktober 1991 sowie am 24. Februar 1992 errechnet der Beschwerdeführer in der bezeichneten Auflistung 770 DM. Den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von 1.765 DM leitete er an Frau ... nicht weiter. Nach seiner Auffassung handelt es sich um eine von ihm unter Einsatz von Frau ... erbrachte Dienstleistung (Serviceleistung) eigener Art. Deswegen ist nach seiner Auffassung der Gesamtbetrag von 1.765 DM von den 3.900 DM vorab abzuziehen und sodann von dem danach verbleibenden Betrag von 2.135 DM die darin enthaltene Mehrwertsteuer. Bei dem so errechneten Nettobetrag von 1.872,81 DM entfällt nach der Argumentation des Beschwerdeführers eine Anrechnung auf seine gesetzlichen Gebühren von insgesamt 2.460 DM (200 DM + 400 DM + 6 × 310 DM) für die erste Instanz.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts Dortmund hat dem Beschwerdeführer am 16. Februar 1993 einen Vorschuß auf die diesem zustehende Vergütung für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von 2.944,09 DM aufgrund folgender Berechnung bewilligt:
Gebühren
2.460,00 DM
Auslagen
544,20 DM
Zwischensumme
3.004,20 DM
14 % MWSt.
420,59 DM
weitere Zwischensumme
3.424,79 DM
Auslagen für Dolmetscher ...
959,30 DM
Vergütungsanspruch
4.384,09 DM
anzurechnen
1.440,00 DM
Vorschuß
2.944,09 DM.
Der angerechnete Betrag ergibt sich aus der Gesamtzahlung von 3.900 DM abzüglich der Gebühren von 2.460 DM. Die Gesamtsumme der Auslagen setzt sich aus folgenden Beträgen zusammen:
Fotokopiekosten
215,00 DM
Auslagenpauschale
30,00 DM
Fahrtkosten
124,20 DM
Abwesenheitsgeld
175,00 DM
Summe der Auslagen
544,20 DM.
abgelehnt. Nach ihren Ausführungen beziehen sich die in der Auflistung des Beschwerdeführers vom 7. Oktober 1992 aufgeführten Dolmetscher- und Übersetzungskosten auf die Verteidigertätigkeit des Beschwerdeführers in dieser Sache (wahrscheinlich Übersetzungen der an den Verteidiger gerichteten Briefe des in U-Haft einsitzenden Mandanten; Besprechung mit dem Angeklagten in der JVA ...). Bei der Berechnung des Anrechnungsbetrages sei ohne Belang, ob der Vorschuß einen Mehrwertsteueranteil enthalte. Für die Berechnung i.S.d. §101 Abs. 1 BRAGO sei allein der tatsächlich geleistete Betrag maßgeblich.
Die Rechtspflegerin hat der gegen ihre Entscheidung gerichteten Erinnerung des Beschwerdeführers nicht abgeholfen. Der Vorsitzende der Strafkammer hat die Erinnerung durch den angefochtenen Beschluß "aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung" verworfen. Die dagegen gerichtete, nach §98 Abs. 3 BRAGO zulässige Beschwerde des bestellten Verteidigers hat nur teilweise Erfolg.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, daß von den insgesamt erhaltenen 3.900 DM vorab der von ihm errechnete Betrag von 1.765 DM für von Frau ... erbrachte Übersetzungs- und Dolmetscherleistungen abzuziehen sei, vermag auch der Senat nicht zu folgen. Zwar sind Zahlungen für tatsächliche Auslagen, die im Zusammenhang mit der Verteidigertätigkeit des Rechtsanwalts diesem entstehen, nicht nach §101 BRAGO anrechenbar (so für Reisekosten OLG Stuttgart im Beschluß vom 09.11.1978 in AnwBl. 1979, 195 = Justiz 1979, 108 = Rpfleger 1979, 78 = KostRsp. BRAGO §101 Nr. 6 vgl. ferner OLG Düsseldorf in AnwBl. 1987, 339 = JurBüro 1986, 573 = Rpfleger 1986, 71). Bei dem vom Beschwerdeführer errechneten Betrag von 1.765 DM handelt es sich jedoch - bis auf einen geringfügigen Anteil - nicht um tatsächliche, sondern fiktive Auslagen, weil der Beschwerdeführer diesen Betrag nicht an Frau ... weitergeleitet hat. Mit der Frage, ob und inwieweit der Beschwerdeführer für die Heranziehung von Frau ... zu Dolmetscherleistungen einen Auslagenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat, hat sich der Senat im Beschluß 2 Ws 149/92 vom 16. Juni 1992 mit dem Ergebnis auseinandergesetzt, daß der Beschwerdeführer lediglich Anspruch auf Ersatz der anteiligen Ausbildungsvergütung hat, die er der Auszubildenden Frau ... tatsächlich gezahlt hat, ohne daß deren Arbeitskraft für die Dauer ihrer Inanspruchnahme als Dolmetscherin dem Rechtsanwaltsbüro zugute gekommen ist. Es geht dabei um den vom Beschwerdeführer nach den Grundsätzen des bezeichneten Senatsbeschlusses vom 16. Juni 1992 richtig auf 128,52 DM errechneten Betrag.
Nun sind allerdings anerkanntermaßen im Rahmen des §101 Abs. 1 BRAGO nur solche Zahlungen anrechenbar, welche Tätigkeiten betreffen, für die dem gerichtlich als Verteidiger bestellten Rechtsanwalt ein Gebührenanspruch gegen die Staatskasse zusteht (vgl. z.B. OLG Bamberg in JurBüro 1991, 1347). Bietet der Rechtsanwalt wie der Inhaber eines Dolmetscher- und Übersetzungsunternehmens entsprechende, von einer bei ihm angestellten Arbeitskraft zu erbringende Leistungen an, so geht es dabei zwar nicht um eine von der BRAGO erfaßte Tätigkeit in der Strafsache. Von entscheidender Bedeutung ist aber hier die Verquickung der Sondervereinbarung mit der Honorarvereinbarung, weil diese Verquickung auf eine Umgehung der zwingenden Anrechnungsvorschrift hinauslaufen kann. Das kommt insbesondere in der mit der Sondervereinbarung verbundenen Verrechnungsklausel zum Ausdruck. Eine solche Sondervereinbarung ist jedenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse im Verhältnis zu dieser als unwirksam anzusehen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl., Rdnr. 1 zu §101 BRAGO).
Soweit der Beschwerdeführer hilfsweise geltend macht, daß der Gesamtbetrag von 3.900 DM allenfalls in Höhe des nach Abzug der darin enthaltenen Mehrwertsteuer von 14 % (= 478,95 DM) verbleibenden Betrages von 3.421,05 DM anrechenbar sei, schließt sich der Senat dieser Auffassung an. Von dieser Rechtslage geht das OLG Düsseldorf, das in seinem Beschluß vom 6. August 1987 (in JurBüro 1987, 1800, 1801) bei der Berechnung nach §101 BRAGO anrechenbaren Zahlung von dem "nach Abzug der Mehrwertsteuer verbleibenden Betrages" spricht, offenbar als selbstverständlich aus. Gleiches gilt für die Ausführungen von Hansens (BRAGO, 8. Aufl., Rdnr. 3 zu §101), wonach dann, wenn das vereinbarte Honorar bereits die gesetzliche Umsatzsteuer enthält, diese vor den Berechnungen herauszurechnen ist. Demgegenüber hat der Vorsitzende der XVII. Strafkammer des Landgerichts Dortmund in einem Beschluß vom 13. September 1991 - 14 (XVII) M 11/91 sich auf den Standpunkt gestellt, daß schon nach dem eindeutigen und insbesondere nicht §25 Abs. 2 BRAGO einbeziehenden Wortlaut des §101 Abs. 2 BRAGO Umsatzsteuer bei der Vergleichsberechnung "außen vor" zu bleiben habe, und zwar auch angesichts der näher dargelegten Art der Entstehung dieser Vorschrift und nach ihrem Sinn und Zweck. Ob man unter Berücksichtigung der Ausführungen von Brieske (in StV 1995, 331 ff - "zur Anrechnungspflicht des §101 Abs. 2 BRAGO"), der allerdings zur Frage des Abzugs des Umsatzsteueranteils keine Stellung nimmt, von einem eindeutigen Wortlaut des §101 BRAGO sprechen kann, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls gibt der Wortlaut dieser Vorschrift keine ausdrückliche Antwort auf die bezeichnete Frage. Bei dieser Rechtslage gibt der Senat der vom Beschwerdeführer näher ausgeführten Überlegung den Vorzug, daß mehr dafür spricht, daß sich der Rechtsanwalt erhaltene Zahlungen nur in dem Umfang anrechnen lassen muß, in denen er sie nicht quasi als Durchlaufposten an den Fiskus als Umsatzsteuer weiterleiten muß. Danach sind entgegen dem angefochtenen Beschluß nicht 1.440 DM, sondern nur 961,05 DM (3.421,05 DM./. 2.460 DM) anrechenbar.
Danach errechnet sich der dem Antragsteller zustehende Vergütungsanspruch abschließend wie folgt:
Gebühren
2.460,00 DM
Auslagen
544,20 DM
Zwischensumme
3.004,20 DM
14 % MWSt. darauf
420,59 DM
weitere Zwischensumme
3.424,79 DM
Auslagen für Dolmetscher ...
959,30 DM
Auslagen für Frau ...
128,52 DM
weitere Zwischensumme
4.512,61 DM
anzurechnen
961,05 DM
Vergütungsanspruch
3.551,56 DM.
Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nach §98 Abs. 4 BRAGO nicht zu treffen.
OLG Hamm:
Beschluss v. 18.10.1995
Az: 2 Ws 292/93
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