Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2009
Aktenzeichen: 29 W (pat) 76/08
(BPatG: Beschluss v. 30.09.2009, Az.: 29 W (pat) 76/08)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. April 2008 und vom 5. September 2008 aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Für die Waren und Dienstleistungen
"Software zum Gedächtnistraining; magnetische und optische Datenträger, insbesondere Bildund Tonträger, die Spiele und Lernsowie Anleitungsmaterial zum Thema Gedächtnistraining beinhalten; Lehrund Unterrichtsapparate; Druckereierzeugnisse aller Art, insbesondere Bücher, Fachbücher, Zeitschriften, Magazine und Handbücher, Broschüren, Prospekte, Kataloge; Kalender; Plakate, Poster; Transparente; Wandtafeln; Beschriftungen aus Papier und Pappe für Messestände; Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterialien sowie Werbeträger jeglicher Art aus Papier, Pappe und Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Spiele, insbesondere zur Schulung des Gedächtnisses, insbesondere Brettspiele, Gesellschaftsspiele, Kartenspiele, Spielkarten; Veranstaltung und Durchführung von Messen; Veranstaltung und Durchführung von Tagungen, Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren, Fortbidungen, Workshops (Ausbildung) und/oder Ausstellungen mit insbesondere unterhaltenden, pädagogischen, sportlichen und/oder kulturellen Inhalten; Veranstaltung und Durchführung von unterhaltenden, sportlichen und/oder kulturellen Aktivitäten, insbesondere Gedächtnistraining, -übungen und/oder -spiele; Veranstaltung und Durchführung von pädagogischen Prüfungen"
ist die Wortmarke 306 02 341.5 Fitte Birneam 13. Januar 2006 angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 22. April 2008 die Anmeldung in vollem Umfang und auf die daraufhin eingelegte Erinnerung mit Beschluss vom 5. September 2008 die Anmeldung teilweise zurückgewiesen und zwar für die Waren und Dienstleistungen Software zum Gedächtnistraining; magnetische und optische Datenträger, insbesondere Bildund Tonträger, die Spiele und Lernsowie Anleitungsmaterial zum Thema Gedächtnistraining beinhalten; Lehrund Unterrichtsapparate; Druckereierzeugnisse aller Art, insbesondere Bücher, Fachbücher, Zeitschriften, Magazine und Handbücher, Broschüren, Prospekte, Kataloge; Kalender; Plakate, Poster, Transparente; Wandtafeln; Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Spiele, insbesondere zur Schulung des Gedächtnisses, insbesondere Brettspiele, Gesellschaftsspiele, Kartenspiele, Spielkarten; Veranstaltung und Durchführung von Tagungen, Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren, Fortbildungen, Workshops (Ausbildung) und/oder Ausstellungen mit insbesondere unterhaltenden, pädagogischen, sportlichen und/oder kulturellen Inhalten; Veranstaltung und Durchführung von unterhaltenden, sportlichen und/oder kulturellen Aktivitäten, insbesondere Gedächtnistraining, -übungen und/oder -spiele.
Zur Begründung ist ausgeführt worden, dem angemeldeten Zeichen fehle insoweit jegliche Unterscheidungskraft. Die Wortfolge "Fitte Birne" werde ohne weiteres im Sinn von "leistungsfähiger, schlauer Kopf" verstanden; sie werde auch bereits beschreibend verwendet. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen fassten beachtliche Teile des angesprochenen inländischen Verkehrs "Fitte Birne" als einen salopp formulierten thematischen Hinweis auf den Inhalt und die Produktbestimmung der Waren und Dienstleistungen auf. Die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG seien nicht gegeben. Aus einer nur teilweisen, z. B. gebietsmäßig beschränkten Verkehrsgeltung könne kein Anspruch auf Eintragung der Marke hergeleitet werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders und Beschwerdeführers. Er vertritt die Auffassung, die Wortfolge "Fitte Birne" habe keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt und existiere nicht im Sprachgebrauch. Die Wortkombination "Fitte Birne" werde allein vom Beschwerdeführer genutzt. In Anlehnung an die Veranstaltungen und Angebote des Beschwerdeführers würden Begriffe wie "fitter Kopf" oder "fitter Kopf durch fitter Körper" verwendet. Das Zeichen stelle eine saloppe bzw. humoristische Abwandlung dar, der die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft zukomme. Mit der Benutzung des Eigenschaftswortes "fit" in Verbindung mit dem spielerisch abgewandelten Begriff "Birne", der eher für Kopf als für Gehirn stehe, erfolge eine originelle Prägung. Ein schützenswertes Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit der Begriffskombination sei nicht ersichtlich. Auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei nicht gegeben, da eine beschreibende Aussage nur angedeutet werde. Im Hinblick auf eine mögliche Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG habe der Beschwerdeführer im Verfahren vor der Markenstelle vorgetragen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung "Fitte Birne" dem Unterrichtsmaterial und den Veranstaltungen des Beschwerdeführers zuordneten. Es sei aber nicht möglich, Unterlagen vorzulegen, die flächendeckend und bundesweit eine Verkehrsdurchsetzung nachweisen könnten. Das Zeichen "Fitte Birne" werde ausweislich der Internetrecherchen von selbständigen Gedächtnistrainern verwendet, die aber Vereinsmitglieder des Beschwerdeführers seien und von dort ihr Unterrichtsmaterial und Schulungen erhielten. Die Einholung eines zusätzlichen demoskopischen Gutachtens führe zu einem Aufwand, der vom Beschwerdeführer nicht geleistet werden könne. Die Zahl der Kurse, die unter der Bezeichnung "Fitte Birne" angeboten würden, liege bei ca. ... Kursangeboten mit ... Trainerinnen, das Unterrichtsmaterial werde mit ... Exemplaren aufgelegt und in einer Höhe von ... Exemplaren verkauft. Der Beschwerdeführer weist darüber hinaus nochmals auf die aus seiner Sicht vergleichbaren Eintragungen "Fitte Schule" (Nr. 304 73 454) und "Fitte Kids" (Nr. 303 31 331) hin, für deren Eintragung der Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung nicht erforderlich gewesen sei.
Der Beschwerdeführer beantragt daher sinngemäß die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angemeldete Marke weist auch für die von der Markenstelle des Deutschen Patentund Markenamts zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf und ist auch nicht freihaltebedürftig nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
1. Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung besitzt eine Marke dann, wenn sie geeignet ist, die Waren und/oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen stammend zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027,1029 -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2003, 1050 -Cityservice). Auch dieses Eintragungshindernis ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm zugrunde liegt, und das darin besteht, den freien Warenund Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2002, 804, 805, 809 -Philips). Für kennzeichnungsrechtliche Monopole ist damit nur Raum, wenn diese geeignet sind, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und/oder Dienstleistungen zu garantieren und damit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen. Kann demnach einer Marke ein für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr -etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (vgl. BGH a. a. O. -Cityservice; BGH GRUR 1999, 1089 -YES). Darüber hinaus besitzen nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH und des BGH keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (vgl. BGH GRUR 2006, 850 -FUSSBALL WM 2006; BPatG MarkenR 2007, 35, 37 -BuchPartner).
Maßgeblich für die Schutzfähigkeit zusammengesetzter Ausdrücke ist, ob der durch die Kombination bewirkte Gesamteindruck über die Zusammenfügung sachbezogener Elemente hinausgeht und der damit entstandenen Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung zukommt (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 -SAT.2; GRUR Int. 2005, 1012, 1014 -BioID; BGH GRUR 2001, 162, 163 -RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION). Dies ist vorliegend zu bejahen.
1.1. In ihrer Gesamtheit ist die angemeldete Wortfolge nicht nachweisbar. Der Zeichenbestandteil "Fit" bedeutet u. a. "in guter körperlicher Verfassung, trainiert, leistungsfähig, sportlich durchtrainiert" (vgl. DIE ZEIT, Lexikon in 20 Bänden, S. 571) oder "gesund, leistungsfähig, gut in Form" (vgl. WAHRIG, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl., 2006, S. 525); der Zeichenteil "Birne" stellt einen umgangssprachlichen, eher scherzhaften Ausdruck für "Kopf" dar (vgl. WAHRIG, a. a. O., S. 278). Somit ergibt sich für die angemeldete Wortkombination der Sinngehalt "leistungsfähiger Kopf".
1.2. Zwar können auch bisher noch nicht lexikalisch nachweisbare oder nicht verwendete Bezeichnungen als verständliche Sachaussagen erkannt und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise aufgefasst werden (vgl. EuGH a. a. O. -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Der angemeldeten Wortfolge kommt jedoch kein beschreibender Aussagegehalt zu, der so deutlich und unmissverständlich hervortritt, dass er für das Publikum unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist.
In Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen, die sich auf die Schulung bzw. das Training des Gedächtnisses beziehen bzw. beziehen können, kommt in der angemeldeten Begriffskombination zwar zum Ausdruck, dass die betreffenden Waren und Dienstleistungen die Leistungsfähigkeit des Kopfes fördern (können), weshalb das Vorliegen einer thematischen Aussage zu bejahen wäre. Die umgangssprachliche Bezeichnung "Birne" ist indes ein Synonym für den Kopf als Körperteil in seiner äußeren Erscheinungsform (vgl. http://wortschatz.unileipzig.de; Duden, Synonymwörterbuch, 3. Aufl., S. 556), nicht aber für Begriffe wie "Gehirn" oder "Gedächtnis", auf die das Attribut "leistungsfähig" allein zutreffen kann. Ein möglicher beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Bereich des Gedächtnistrainings in Form einer thematischen Aussage erschließt sich daher nur mittelbar. Das beschreibende Verständnis der angemeldeten Wortfolge bedarf eines gedanklichen analytischen Zwischenschritts, der dazu führt, dass die Bezeichnung "Fitte Birne" -bedingt durch die umgangssprachliche, saloppe Wortwahl und die dadurch gegebene gewisse Originalität -keinen im Vordergrund stehenden Sinngehalt und auch keinen so engen Bezug in Form eines notwendigen funktionellen Zusammenhangs zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweist, der zum Verlust der Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis führen würde (vgl. BPatG 29 W (pat) 43/04 print24; BPatG GRUR 2007, 58 -BuchPartner). Wie sich aus den Senatsrecherchen ergibt, wird die Wortfolge "Fitte Birne" zudem nur in Verbindung mit dem Beschwerdeführer im Sinne eines Herkunftshinweises verwendet.
1.3. Der Begriffskombination "Fitte Birne" fehlt es auch nicht deshalb an der erforderlichen Unterscheidungskraft, weil sie eine allgemeine Werbebotschaft enthält. Der Verkehr wird in ihr nicht auf Anhieb einen Sachhinweis auf ein Themenangebot von Waren und Dienstleistungen verstehen, das die Gedächtnisleistung fördert.
1.4. Ebenso handelt es sich bei dem beanspruchten Zeichen nicht um ein Wort als solches. Geläufigen alltäglichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache fehlt im Allgemeininteresse die notwendige Unterscheidungskraft, wenn sie der Verkehr nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2006, 850 -FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2007, 1071, 1072 -Kinder II). Gegen die Annahme, das angemeldete Zeichen werde ausschließlich als alltägliches Wort der deutschen Sprache aufgefasst, spricht der Umstand, dass es sich um eine umgangssprachlich noch hinreichend originelle Wortkombination handelt, deren Sinngehalt vom Verkehr nicht auf Anhieb erfasst wird.
1.5.
Auch ist nicht davon auszugehen, dass die Bezeichnung "Fitte Birne" infolge ihres überragenden Bekanntheitsgrads (vgl. BGH a. a. O. -FUSS-BALL WM 2006) nicht als betrieblicher Herkunftshinweis gesehen wird.
2.
Die Wortkombination "Fitte Birne" ist für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen auch nicht freihaltebedürftig nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen dienen können (vgl. EuGH GRUR 2004, 146 -DOUBLE-MINT).
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zur Unterscheidungskraft bietet sich das angemeldete Zeichen nicht als Merkmalsangabe für die von der Markenstelle des Deutschen Patentund Markenamts zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen an. Es liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, die vernünftiger Weise erwarten lassen, dass in Zukunft Mitbewerber das beanspruchte Zeichen als Sachhinweis im Zusammenhang mit diesen Waren und Dienstleistungen benötigen. Mangels eines eindeutig beschreibenden Aussagegehalts ist für die Wortfolge "Fitte Birne" in ihrer Gesamtheit nämlich kein Interesse der Mitbewerber an einer beschreibenden Verwendung erkennbar, zumal die angemeldete Begriffskombination ausweislich der Internetrecherchen allein auf den Beschwerdeführer hinweist.
Grabrucker Kopacek Dr. Kortbein Hu
BPatG:
Beschluss v. 30.09.2009
Az: 29 W (pat) 76/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0acc9d42b77b/BPatG_Beschluss_vom_30-September-2009_Az_29-W-pat-76-08