Oberlandesgericht München:
Urteil vom 18. Mai 2011
Aktenzeichen: 20 U 4879/10
(OLG München: Urteil v. 18.05.2011, Az.: 20 U 4879/10)
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.06.2010, Az: 10 O 5691/07, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 44.720,25 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrte von den Beklagten aus abgetretenem Recht des Zedenten M. M. Schadensersatz wegen Erwerbs von Aktien auf Grund falscher bzw. unterbliebener Ad-hoc-Mitteilungen.
Der Zedent erwarb am 11.10.2000 1.200 Aktien der Beklagten zu 1), deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte zu 2) und deren Finanzvorstand der Beklagte zu 3) war, zu Kursen zwischen EUR 38,70 und EUR 38,99. Er legte insgesamt einen Betrag von EUR 47.062,04 an.
Der Kurs der Aktie der Beklagten zu 1) lag am 30. Oktober 1997 (Börseneinführung) bei 18,15 €, stieg bis Februar 2000 auf knapp 116,00 € und sank in der Folgezeit bis Ende November 2000 auf ca. 20,00 € ab, ehe er nach einer von der Beklagten zu 1) am 1. Dezember 2000 herausgegebenen Gewinnwarnung auf deutlich unter 10,00 € abstürzte. Am 12.12.2000 kaufte der Zedent nochmals Aktien, um den Kursverlust langfristig kompensieren zu können. Diese Aktien sind nicht streitgegenständlich. Am 13.07.2001 verkaufte der Zedent die streitgegenständlichen 1.200 Aktien zu einem Kurs von EUR 1,96.
Die Beklagte zu 1) gab im Laufe des Jahres 2000 folgende Sekundärmarktinformationen heraus:
1. Ad-hoc-Mitteilung vom 21. Februar 2000 über den Erwerb der J. H. Company (im Folgenden JHC).
2. Ad-hoc-Mitteilung vom 22. März 2000 zur Übernahme der S. Investment Ltd. (im Folgenden Formel 1-Gruppe) für 1,8 Mrd. US-Dollar (Anlage BK 1).
3. Ad-hoc-Mitteilung vom 08.05.2000 mit Prognosen zu Umsatz und EBITDA (Anlage BK 2).
4. Einen als Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 bekannt gegebenen Quartalsbericht über die Halbjahreszahlen des Unternehmens (Anlage BK 3).
5. Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000, die abändernde Ausführungen zu der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 machte (Anlage BK 4). Danach stürzte der Kurs von EUR 55,80 auf EUR 39,90.
6. Wiederholte öffentliche Prognosen der Beklagten zu 2) und 3) in der Zeit vom 8. Mai 2000 bis zum 28. November 2000, nach denen für das Jahr 2000 ein Umsatz von ca. 1,6 Mrd. DM und ein Gewinn vor Steuern von ca. 600 Mio. DM zu erwarten sei.
7. In einer Gewinnwarnung vom 1. Dezember 2000 (Anlage BK 5) wurde die Umsatzerwartung auf 1,38 Mrd. DM bei einem Fehlbetrag von 350 Mio. DM korrigiert. Am 2. Mai 2001 bezifferte der Vorstand der Beklagten zu 1 schließlich den Konzernverlust mit 2,8 Mrd. DM.
Die Klägerin trug vor, die Beklagten zu 2) und 3) hätten seit spätestens August 2000 gewusst, dass ihre zuvor im Mai 2000 abgegebenen Umsatz- und Gewinnprognosen für die Beklagte zu 1) nicht eintreten würden. Dennoch sei hierauf in der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 bewusst nicht eingegangen, sondern im Gegenteil die Umsatz- und Gewinnprognosen aus der Ad-hoc-Mitteilung vom 08.05.2000 aufrecht erhalten worden, was parallel hierzu in Interviews von den Beklagten zu 2) und 3) bestätigt worden sei. Die erforderliche Kapitalmarktinformation zum Gewinneinbruch sei in rechtswidriger Weise bis zum 01.12.2000 hinausgezögert worden. Veranlasst durch den Inhalt der Mitteilung vom 09.10.2000 habe der Zedent am 11.10.2000 die streitgegenständlichen Aktien gekauft.
Die Klägerin verlangte von den Beklagten daher aus abgetretenem Recht Schadensersatz. Den Beklagten lägen wegen falscher Information des Kapitalmarktes Gesetzesverstöße und deliktisches Handeln zur Last. Sie hätten die Klägerin bzw. den Zedenten so zu stellen wie er ohne den von ihnen veranlassten Aktienkauf stehen würde, also das im Rahmen dieses Aktiengeschäftes verlustig gegangene Kapital zu ersetzen.
Die Klägerin beantragte in erster Instanz zuletzt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu Schadensersatz in Höhe von EUR 44.720,25 nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagten beantragten Klageabweisung.
Nur die Ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000 habe irrtümlich falsche Angaben enthalten. Die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 sei in sich korrekt gewesen. Die Notwendigkeit einer Gewinnwarnung vor dem 01.12.2000 sei nicht erkennbar gewesen. Man habe weder sittenwidrig gehandelt noch in sonstiger Form deliktische Tatbestände verwirklicht. Die Kausalität der angeblichen Informationsversäumnisse der Beklagten zur Anlageentscheidung des Zedenten wurde bestritten.
Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 15.06.2010 nach Anhörung des Zedenten die Klage abgewiesen, da es der Klagepartei nicht gelungen sei, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB als allein in Betracht kommender Anspruchsgrundlage im Zusammenhang mit den im Jahr 2000 herausgegebenen Ad-hoc-Mitteilungen nachzuweisen. Auch der Umstand, dass eine Gewinnwarnung noch nicht in der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 enthalten, sondern erst am 01.12.2000 herausgegeben worden sei, begründe keine Haftung der Beklagten. Zur Begründung verweist das Landgericht auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 22.01.2009 zum Verfahren 23 U 2461/08. Danach sei für die Frage der Rechtzeitigkeit der Gewinnwarnung zu berücksichtigen, dass Gewinnprognosen immer unsicher und von verschiedenen Faktoren abhängig seien. Mitteilungspflichtig seien nach § 15 WpHG in der bis zum 30.04.2002 geltenden Fassung nur Tatsachen. Eine Verpflichtung, eine Einschätzung zu korrigieren, könne sich erst dann ergeben, wenn aufgrund veränderter Tatsachen frühere Prognosen nicht mehr aufrechterhalten werden könnten. Nicht jede nachträgliche Veränderung führe bereits zu einer Mitteilungspflicht. Auch sei hier von Bedeutung, dass die letzte Gewinnprognose längere Zeit zurück liege und daher an Aussagekraft stark abgenommen habe, so dass eine Berichtigungsverpflichtung abzulehnen sei.
Darüber hinaus verneinte das Landgericht die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit. Die erforderliche Kausalität habe nicht nachgewiesen werden können.
Ergänzend wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre Ansprüche nurmehr gegenüber der Beklagten zu 1) weiterverfolgt.
Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Das Landgericht habe sich mit dem verfahrensgegenständlichen Klagevortrag nur rudimentär befasst und sei im Wesentlichen auf hier nicht entscheidungserhebliche Ad-hoc-Mitteilungen eingegangen, was den Verdacht nahelege, dass eine standardisierte Entscheidung ergangen sei. Das Landgericht habe ersichtlich verkannt, dass die Klägerin den vormaligen Beklagten zu 2) und 3), deren Verhalten sich die Beklagte zu 1) gemäß § 31 BGB zurechnen lassen müsse, in diesem Verfahren vorwerfe, die erstmals am 08.05.2000 per Ad-hoc-Mitteilung herausgegebenen Umsatz- und Gewinnprognosen bis zum 01.12.2000 unverändert aufrechterhalten und in Interviews bekräftigt zu haben, obwohl man seit August 2000 davon Kenntnis gehabt habe, dass hohe Beträge, die Eingang in diese Prognose gefunden hatten, nicht in der angenommenen Höhe bzw. vollständig entfallen würden. Hierfür beruft sich die Klägerin auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Z. vom 29.10.2010, erholt im Verfahren des Oberlandesgerichts München, AZ: 19 U 4542/06, welches die Klägerin als Anlage K 308 vorlegt. Daher hätten die Prognosen gemäß § 15 WpHG a.F. unverzüglich, spätestens jedoch mit der hier streitgegenständlichen Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000, nach unten korrigiert werden müssen. Die entsprechende Kapitalmarktinformation sei rechtswidrig, schuldhaft und sittenwidrig bis zum 01.12.2000 hinaus gezögert worden, was das Landgericht rechtsfehlerhaft verneint habe. Die Zurückhaltung der Information habe keinen anderen Zweck gehabt, als den Börsenpreis positiv zu beeinflussen. Zeitgleich hätten die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) im streitgegenständlichen Zeitraum massiv eigene Aktien der Beklagten zu 1) verkauft, um sich auf unlautere Weise zu bereichern. Auch die Kausalitätsanforderungen habe das Landgericht verkannt.
Mit Schriftsatz vom 29.03.2011 ergänzte die Klägerin ihre Berufungsbegründung dahingehend, dass der Zedent seine Kaufentscheidung auch auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000 gestützt habe. Im Schriftsatz vom 04.05.2011 ergänzt die Klägerin weiter, dass in der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 eine Richtigstellung zum Lizenzvertrag zwischen E.TV und der J. GmbH & Co. KG gefehlt habe und bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sei, dass auch die Ad-hoc-Mitteilungen vom 22.03.2000 und vom 08.05.2000 aus ihrer Sicht unrichtig gewesen seien.
Die Klägerin beantragt daher,
I. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 15.06.2010 (AZ. 10 O 5691/07) wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin EUR 44.720,25 nebst 4% Zinsen pro Jahr aus EUR 47.062,04 vom 13.10.2000 bis 16.07.2001 und aus EUR 44.720,25 seit 17.07.2001 bis Rechtshängigkeit sowie Zinsen pro Jahr in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit aus dem sich ergebenden Gesamtbetrag zu zahlen.
II. Höchst vorsorglich: Die Revision wird zugelassen
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als richtig. Sie weist den Vorwurf zurück, die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2010 habe wegen der fehlenden Gewinnwarnung gemäß vorgefasster Absicht der vormaligen Beklagten zu 2) und 3) einen falschen Eindruck über die Ertragssituation der Beklagten zu 1) hervorrufen sollen. Aktienverkäufe in dem von der Klägerin behaupteten Umfang werden bestritten. Sie weist den Vorwurf einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung zurück. Die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2010 habe keine falschen Angaben enthalten und sei rechtzeitig erfolgt. Eine vorzeitige Gewinnwarnung habe sich nicht als offenkundig und einem sittlichen Gebot entsprechend aufgedrängt. Vorher sei diese Entwicklung nicht absehbar gewesen, da Gegenstand der Beklagten zu 1) volatile Großgeschäfte seien, die kurzfristigen Einfluss auf die Gewinnsituation nähmen. Sie verwahrt sich gegen die Verwendung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Z. vom 29.10.2010 (K 308) als verspäteten neuen Sachvortrag.
Die Kausalität habe das Landgericht zu Recht als nicht erwiesen angesehen.
Die Beklagte zu 1) hat den vormaligen Beklagten zu 2) und 3) den Streit verkündet, die im Berufungsverfahren mit Schriftsätzen vom 20.12. und 27.12.2010 beigetreten sind.
Der Streithelfer der Beklagten zu 1) aus erster Instanz, Rechtsanwalt Dr. B., ist der Beklagten zu 1) auch in zweiter Instanz mit Schriftsatz vom 10.12.2010 beigetreten.
Alle Streithelfer beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie unterstützen die Argumentation der Beklagten zu 1).
Für die hier entscheidende Vorlagefrage, ob die am 01.12.2000 veröffentlichte Gewinnwarnung hätte spätestens am 08.10.2000 erfolgen müssen und hierdurch Schadensersatzansprüche gemäß § 826 BGB begründet sein können, ist derzeit kein Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) anhängig. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG kommt daher nicht in Betracht.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle samt Anlagen und die Hinweise des Senats Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte zu 1) haftet der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
401. Die Grundsätze der Prospekthaftung können nicht herangezogen werden, da eine Ad-hoc-Mitteilung im Sinne des § 15 Abs. 1 WpHG in der Fassung vom 09.09.1998 die an einen "Prospekt" im Sinne der Prospekthaftungsgrundsätze zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Sie ist anlassbezogen auf neue, bislang nicht veröffentlichte Einzeltatsachen, die lediglich die bereits bekannten Informationen für den Sekundärmarkt ergänzen. Dabei erhebt die Bekanntgabe einer solchen kapitalmarktbezogenen Einzelinformation - anders als ein Emissionsprospekts - erkennbar nicht den Anspruch, eine das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung zu sein (so BGH vom 19.07.2004, II ZR 218/03; II ZR 217/03; II ZR 402/02 €Infomatec-Entscheidung€).
2. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus unerlaubter Handlung, begangen durch die vormaligen Beklagten zu 2) und 3), die der Beklagten zu 1) gemäß § 31 BGB zuzurechnen wäre, liegen ebenfalls nicht vor. Da die Klägerin Ersatz eines Vermögensschadens begehrt, kommen nur Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz oder aus § 826 BGB in Betracht.
a) Die Beklagte zu 1) haftet nicht wegen einer Schutzgesetzverletzung der vormaligen Beklagten zu 2) und 3).
43a.1) Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 15 WpHG a.F., 88 BörsG a.F. scheidet aus, da §§ 15 WpHG a.F., 88 BörsG a.F. keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind (BGH vom 19.07.2004, II ZR 218/03; II ZR 217/03; II ZR 402/02).
44a.2) Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, weil die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 nicht den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG erfüllt.
Zwar ist die Strafvorschrift des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB (BGH a.a.O. m.w.N.). § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG soll das Vertrauen potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre der Gesellschaft in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die Geschäftsverhältnisse schützen.
Die Beklagten haben jedoch durch die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 nicht die Verhältnisse der Gesellschaft "in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) unrichtig wiedergegeben.
Unter "Übersichten über den Vermögensstand" sind alle Zusammenstellungen von Zahlenmaterialien, insbesondere alle Arten von Bilanzen zu verstehen, die einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen. Darunter fallen ersichtlich nicht Ad-hoc-Mitteilungen, die - wie im vorliegenden Fall - nur jeweils einzelne Geschäftsaussagen bekanntgeben.
Als "Darstellungen über den Vermögensstand" gelten nur solche Berichte, die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken. Das war zwar bei der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000 der Fall (BGH vom 16.12.2004 1 StR 420/03). Nicht aber bei der Teilbereiche erfassenden Mitteilung vom 09.10.2000.
a.3) Auch eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 iVm § 264a StGB ist zu verneinen.
Zwar hat die Strafnorm drittschützenden Charakter und ist damit Schutzgesetz. Um den Tatbestand des § 264a StGB zu erfüllen, muss aber u.a. die fehlerhafte Information "in Prospekten" oder "in Darstellungen oder Übersichten" über den Vermögensstand erfolgen. Die Ad-hoc-Mitteilungen vom 09.10.2000 ist jedoch - wie oben ausgeführt - weder "Prospekt" noch "Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand".
a.4) Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB scheidet aus, weil hier eine Absicht der Beklagten, sich oder einem Dritten "stoffgleich" zu Lasten des Vermögens der Klägerin einen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht feststellbar ist. Gemäß § 263 StGB muss der Täter einen Vermögensvorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, dass dieser Vorteil "die Kehrseite des Schadens" ist (BGHSt 6, 115, 116). Eine - lediglich mittelbare - Begünstigung der Beklagten zu 1) oder der vormaligen Beklagten zu 2) und 3) selbst durch einen infolge der Ad-hoc-Mitteilung steigenden Aktienkurs reicht nicht aus (BGH a.a.O.).
b) Die Beklagte zu 1) haftet nicht gemäß § 826 BGB wegen einer ihr gemäß § 31 BGB zurechenbaren vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Zedenten durch die vormaligen Beklagten zu 2) und 3).
Der Tatbestand des § 826 BGB ist aus vier Elementen zusammengesetzt, nämlich Eintritt eines Schadens, Verursachung dieses Schadens durch ein Verhalten des Täters, Sittenwidrigkeit des ursächlichen Verhaltens und Vorsatz des Schädigers (Münchener Kommentar/Wagner BGB 5. Aufl. 2009 § 826 Rn. 7).
b.1) Im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 konnte die Klägerin nicht beweisen, dass die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) diese Tatbestandselemente verwirklicht haben. Das Vorliegen der ersten beiden Tatbestandselemente kann dahinstehen, da der Klägerin jedenfalls der Nachweis nicht gelungen ist, dass die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) in der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 gemäß § 15 Abs. 1 WpHG a.F. offenbarungspflichtige Informationen vorsätzlich unterlassen und sich insoweit objektiv sittenwidrig verhalten haben.
Der Senat geht von einem Unterlassensvorwurf aus, da die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 - den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt - in ihrer Aussage nicht falsch, sondern unvollständig ist. Die Mitteilung beschränkt sich nach ihrem Wortlaut auf €nachträgliche Hinweise€ zur Ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000. Dabei ist weder die Angabe falsch, dass bei JHC der Umsatz phasenverschoben zu erfassen ist, noch dass eine solche Phasenverschiebung innerhalb desselben Geschäftsjahres umsatz- und gewinnneutral für das Jahresergebnis ist. Es fehlt in diesem Zusammenhang allerdings - den klägerischen Vortrag als richtig unterstellt - der Hinweis, dass die Umsatz- und Gewinnziele aus der Ad-hoc-Mitteilung vom 08.05.2000 generell in Frage stehen bzw. wahrscheinlich nicht mehr erreichbar sind und dass der Lizenzvertrag zwischen E.TV und der J. GmbH & Co. KG erst nach dem 30.06.2000 geschlossen wurde.
56Die Ad-hoc-Mitteilung enthält somit keine falsche Aussage, sondern ist allenfalls unvollständig. Der Rückschluss, die Mitteilung sei in ihrer positiven Aussage falsch, weil sie zugleich die Information enthalte, es gebe keine weiteren gemäß § 15 WpHG a.F. offenbarungspflichtigen Tatsachen, verbietet sich bereits aus dem Charakter der Ad-hoc-Mitteilung als anlassbezogener Einzelinformation hinsichtlich neuer, bislang nicht veröffentlichter Einzeltatsachen, die lediglich die bereits bekannten Informationen für den Sekundärmarkt ergänzen und keinen Anspruch auf eine das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung erheben (so BGH vom 19.07.2004, II ZR 218/03; II ZR 217/03; II ZR 402/02 €Infomatec-Entscheidung€).
57b.1.1) Unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags erfordert der Vorsatznachweis gemäß § 826 BGB im streitgegenständlichen Sachverhalt den Nachweis, dass die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) Kenntnis von der Unvollständigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 hatten und deshalb wussten, dass Wertpapierkäufe auf fehlerhafter Tatsachengrundlage getätigt werden würden (BGH vom 19.07.2004, II ZR 402/02 juris RZ 45), wobei dolus eventualis ausreicht. Dies ist hier nicht der Fall.
Die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) bestreiten, die Notwendigkeit einer Gewinnwarnung im Oktober 2000 erkannt zu haben, da Geschäftsgegenstand der Beklagten zu 1) volatile Großgeschäfte mit sehr kurzfristiger Auswirkung auf die Gewinnsituation gewesen seien, so dass man an die Gewinnrealisierung bis Ende November 2000 geglaubt habe. Sie berufen sich also auf eine Fehleinschätzung der Situation und eine Unterschätzung begründeter Risiken, was zwar eine Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstands gewesen sein mag, aber allein den Vorwurf vorsätzlichen oder gar sittenwidrigen, schädigenden Verhaltens nicht trägt (OLG Düsseldorf vom 27.01.2010 15 U 230/09 juris RZ 67). Die Beklagten berufen sich insbesondere darauf, dass zum damaligen Zeitpunkt drei große Transaktionen im Verhandlungsstadium gewesen seien, nämlich die Veräußerung von Rechten an der CTW/S. W. Foundation, der Abschluss eines Lizenzvertrages mit der K.-Gruppe (€Pro7-Deal€) und der Abschluss einer Nutzungsvereinbarung mit der T-O. International AG. Nach den von ihnen damals erwarteten Verläufen dieser Geschäfte, die man in verschiedene Forecasts eingestellt habe, hätte die ursprüngliche Prognose erreicht werden können. Soweit sich aus der Put-Option im Rahmen des Formel-I-Geschäftes massive wirtschaftliche Schwierigkeiten der Beklagten zu 1) ergaben, fanden - auch nach klägerischem Vortrag - im September 2000 Gespräche u.a. mit der K.-Gruppe zur Lösung dieser Probleme und eventuellen Anteilsübernahme statt. Die K.-Gruppe stieg tatsächlich im Frühjahr 2001 in die S./SLEC ein (siehe ordentliche Hauptversammlung der E.TV & Merchandising AG TOP 7 Anlage K 58). Der Einwand der Beklagtenseite angesichts der laufenden Verhandlungen und des Geschäftsgegenstandes der Beklagten zu 1) am 09.10.2000 noch keine Gewinnwarnung für erforderlich gehalten zu haben, ist daher nicht zu widerlegen, zumal dem Emittenten, hier also den vormaligen Beklagten zu 2) und 3), zur Beurteilung eines komplexeren Sachverhalts ein Prüfungszeitraum zuzubilligen ist (Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, Strafrechtliche Nebengesetze, 179. Ergänzungslieferung 2010, § 15 WpHG Rn. 8).
Soweit die Klägerin zur wirtschaftlichen Schieflage der Beklagten zu 1) im September 2000 und der Kenntnis der Beklagten zu 2) und 3) hiervon substantiiert vorgetragen hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Das von der Klägerin hierzu vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Z., welches dieser am 29.10.2010 in einem Parallelverfahren vor dem 19. Senat des Oberlandesgerichts München, AZ: 19 U 4542/06, (Anlage K 308) erstattet hat, wertet der Senat als klägerischen Parteivortrag. Auch danach war im Oktober 2000 die Realisierung der Gewinnprognose aus dem Mai 2000 lediglich €unwahrscheinlich€, nicht aber unmöglich oder offenkundig nicht erreichbar. Zum 30.09.2000 waren 49% des prognostizierten Umsatzes und 33% des prognostizierten EBITDA erreicht.
Die Beklagten können sich daher mit Erfolg darauf berufen, über Gewinngefährdung und Gewinnerwartung reflektiert und dann darauf gehofft zu haben, dass sich ihre Prognose realisieren werde. Sie mögen damit Offenbarungspflichten bewusst fahrlässig, aber noch nicht vorsätzlich verletzt haben.
Ein wirksames Beweisangebot der Klägerin zu einer entgegen gesetzten Überzeugung der Beklagten zu 2) und 3) im September/Oktober 2000 vom Scheitern der Beklagten zu 1), als innerer Tatsache liegt nicht vor. Wiederholt wurde der Zeuge Dr. G. angeboten zum Beweis der Tatsache, dass spätestens Anfang August das Erreichen der Prognosen nicht mehr realistisch war und dass die Beklagten mit einem Erreichen nicht mehr gerechnet hätten. Der Beweisantritt erfüllt die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an die Beweisaufnahme über eine innere Tatsache gestellt hat, nicht. Danach ist der Antrag auf Vernehmung eines Zeugen über nicht bei ihm eingetretene innere Tatsachen nur erheblich, wenn die Umstände schlüssig dargelegt sind, aufgrund deren er Kenntnis von der inneren Tatsache erlangt hat (vgl. BGH vom 03.03.2011, III ZR 330/09 juris RZ 15 m.w.Nw.). Hier fehlt jeglicher Vortrag dazu, auf Grund welcher Umstände der Zeuge Dr. Göbel die Erkenntnis der vormaligen Beklagten zu 2) und 3) im August 2000 von einem wirtschaftlichen Scheitern der Beklagten zu 1) sollte bezeugen können. Soweit Dr. G. zu den tatsächlichen Geschäftsvorfällen bei der Beklagten zu 1) benannt ist, ist eine solche Beweisaufnahme angesichts des von der Klägerin hierzu vorgelegten Sachverständigengutachtens, dessen Inhalt sie sich schriftsätzlich zu eigen gemacht hat und welches der Senat zu Gunsten der Klägerin als richtig unterstellt, nicht mehr erforderlich.
Ob die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) es daneben bewusst unterlassen haben die Darstellung zum Lizenzvertrag zwischen E.TV und der J. GmbH & Co. KG in der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 richtig zu stellen, kann dahinstehen. Die Klägerin hat sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen, dass diese Information für die Anlageentscheidung des Zedenten kausal gewesen sei. Im Gegenteil wurde in der Berufungsbegründung gerügt, das Landgericht habe sich Sachverhalten zugewandt, die für den klägerischen Anspruch nicht entscheidungserheblich seien und völlig verkannt, dass die Klägerin den Beklagten zu 2) und 3) in erster Linie vorwerfe, die erstmals am 08.05.2000 per Ad-hoc-Mitteilung herausgegebenen Umsatz- und Gewinnprognosen bis zum 01.12.2000 unverändert aufrechterhalten zu haben.
Dessen ungeachtet besteht auch kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass am 09.10.2000 aus Sicht der vormaligen Beklagten zu 2) und 3) noch Klarstellungsbedarf bestanden hätte, nachdem nach den Feststellungen des Bundesgerichtshof im Urteil vom 16.12.2004, AZ: 1 StR 420/03, der Lizenzvertrag zwischen E.TV und der J. GmbH & Co. KG nach dem 30. Juni 2000 tatsächlich geschlossen wurde und sich damit dementsprechend auf die Jahresumsatzzahlen ausgewirkt haben dürfte.
b.1.2) Auch bei Unterstellung eines pflichtwidrigen Unterlassens der vormaligen Beklagten zu 2) und 3) scheitert der klägerische Anspruch zudem am Nachweis der Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens.
65In den vom Bundesgerichtshof bejahten Fällen der Informationsdelikthaftung aus § 826 BGB lag stets ein positives Handeln der Vorstandsmitglieder vor, die als Aktionäre zugleich von dem Kursanstieg profitierten, den die von ihnen verbreiteten falschen Tatsachen verursacht hatten (BGH vom 19.07.2004, II ZR 218/03; II ZR 217/03; II ZR 402/02 €Infomatec-Entscheidung€). In der Literatur ist umstritten, ob die Sittenwidrigkeit auch für den Fall des pflichtwidrigen Unterlassens von Mitteilungen (vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, AG 2008, 681, 683; Fleischer, ZIP 2005, 1805, 1807 m.w.N.) bzw. ohne Eigennutz der Handelnden (vgl. Fleischer a.a.O. m.w.N.) festzustellen ist. Die wohl herrschende Lehre bejaht diese Möglichkeit, wenn zu dem rechtswidrigen Schweigen eine verwerfliche Motivation, etwa die angestrebte persönliche Bereicherung, hinzutritt (Fleischer a.a.O. Seite 1806 m.w.Nw.). Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung verletzt ein Unterlassen die guten Sitten nur, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht (z.B. Verstoß gegen die Informationspflicht gemäß § 15 WpHG a.F.) nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (vgl. BGH vom 10.07.2001, VI ZR 160/00).
Dies konnte die Klägerin bislang nicht überzeugend darlegen und beweisen.
In Betracht käme einzig das Argument des Eigennutzes, sofern sich die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) durch den unzeitigen Verkauf selbst gehaltener Aktien bereichert hätten. In diesem Zusammenhang ist zunächst daraufhin zu weisen, dass durch die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 der Aktienkurs nicht gestiegen ist, also gepuscht wurde, sondern deutlich gefallen ist. Die Beklagten haben sich hierdurch nicht bereichert, sondern Verluste gemacht. Ein Vorwurf des Eigennutzes wäre den Beklagten im konkreten Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Ad-hoc-Mitteilung nur dann zu machen, wenn sie unter Ausnutzung der unterbliebenen Gewinnwarnung den noch moderaten Kurssturz ausgenutzt und in engem zeitlichen Zusammenhang nach dem 09.10.2000 und vor dem 01.12.2000 Aktien verkauft hätten. Dies aber ist weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen.
Soweit die Klägerin bereits im Schriftsatz vom 28.11.2003 (Seite 129 ff.) zu den Aktienverkäufen der vormaligen Beklagten zu 2) und 3) vorträgt, ist dem nur zu entnehmen, dass bis Ende Dezember 2000 auf erhebliche Aktienverkäufe geschlossen wird. Beweis zu konkreten Aktienverkäufen vor dem 01.12.2000 wird nicht angeboten. Die Beklagte zu 1) räumt ein, dass der vormalige Beklagte zu 2) am 16./17.02.2000 200.000 Aktien (= 0,3% seines Kapitals) verkauft habe. Der vormalige Beklagte zu 3) habe am 14.07.2000 50.000 Aktien und am 27.10.2000 weitere 400.000 Aktien verkauft. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte zu 1) Verkäufe und verweist darauf, dass Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I, AZ: 305 Js 52373/00, gegen die vormaligen Beklagten zu 2) und 3) wegen des Vorwurfs verbotener Insidergeschäfte gemäß § 170 Abs. 2 StGB eingestellt worden seien. Der beigetretene vormalige Beklagte zu 2) bestreitet ebenfalls Verkäufe im relevanten Zeitraum. Bis auf diese, von der Beklagtenseite eingeräumten, Verkäufe trägt die Klägerin zu - auch nur ungefähren - Verkaufszeitpunkten und Kursen weder vor noch bietet sie Beweis an. Dies reicht für einen Eigennutznachweis im Zusammenhang mit der konkret vorgeworfenen Tathandlung nicht aus. Insbesondere ist der Verkauf vom 27.10.2000 nicht geeignet, dem vormaligen Beklagten zu 3) die Ausnutzung einer von ihm geschaffenen Kurssituation vorzuwerfen. Er beruft sich auf eine unfreiwillige Verwertung der damals verpfändeten Aktien. Dies findet Bestätigung in der Schlussverfügung vom 14.08.2001 im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens, AZ: 305 Js 52373/00, wonach die am 27.10.2000 veräußerten 400.000 Aktien zur Sicherheit eines Darlehens in Höhe von 30.000.000.- DM an das Bankhaus P. & C. verpfändet waren und nach Fälligstellung am 18.10.2000 auf Veranlassung des Bankhauses zur Deckung verwertet wurden. Eine dementsprechende Bestätigung des Bankhauses P. & C. vom 03.07.2001 wurde zudem mit Schriftsatz des vormaligen und hier beigetretenen Beklagten zu 3) vom 04.05.2011 nach entsprechenden Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2011 vorgelegt. Damit ist nicht zu widerlegen, dass dieser Verkauf letztlich nicht auf einer Willensentschließung des vormaligen Beklagten zu 3) beruhte und somit auch nicht unter Ausnutzung einer bestimmten Kurssituation geschah.
b.2) Auch soweit die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB auf von den vormaligen Beklagten zu 2) und 3) gegebene Interviews stützt, hat die Klage keinen Erfolg.
Die Klägerin trägt hierfür zu Interviews vom 09.10., 12.10. und 15.10.2000 vor, in denen jeweils bestätigt worden sein soll, dass die Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 keine Gewinnwarnung im Hinblick auf die Prognosen aus der Ad-hoc-Mitteilung vom 08.05.2000 sei. Da der Zedent am 11.10.2000 bereits gekauft hat, kann für diese Kaufentscheidung allenfalls ein Interview vom 09.10.2000 kausal geworden sein.
Zwar können auch falsche Auskünfte von Vorständen - etwa in Fernseh- oder Zeitungsinterviews - eine Haftung gemäß § 826 BGB begründen (vgl. Palandt/Sprau BGB 70. Aufl § 826 Rn. 35a €Vorstand€ m.w.Nw.), jedoch scheitert eine Haftung der Beklagten zu 2) und 3) auch hier, wie zur Ad-hoc-Mitteilung vom gleichen Tag (s.o.) erörtert, am Nachweis der Tatbestandselemente Vorsatz und Sittenwidrigkeit. Den Vorständen kann nicht widerlegt werden, dass sie zumindest zu diesem Zeitpunkt eine Gewinnwarnung noch nicht für erforderlich hielten.
b.3) Soweit die Klägerin rügt, eine Gewinnwarnung hätte jedenfalls vor dem 01.12.2000 herausgegeben werden müssen, kann auch dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da ungeachtet aller weiteren Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB, dieser Umstand für den klägerischen Schaden jedenfalls nicht kausal geworden ist. Der Zedent hat am 11.10.2000 gekauft hat; eine bis zum 01.12.2000 ausgebliebene Gewinnwarnung war ersichtlich nicht der Grund für seine Entscheidung, die Aktien weiter zu halten, da er nach erfolgter Gewinnwarnung am 1.12.2000 gerade nicht verkauft, sondern nachgekauft hat, um seine Verluste zu kompensieren. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er nicht zu jedem früheren Zeitpunkt nach dem 11.10.2000 genauso gehandelt hätte.
b.4) Auch soweit die Klägerin nunmehr zur Begründung ihres Anspruchs vorträgt, der Zedent habe seine Kaufentscheidung auch auf die aus ihrer Sicht falschen Ad-hoc- Mitteilungen vom 22.03.2000, vom 08.05.2000 und vom 24.08.2000 gestützt, fehlt zur Überzeugung des Senats der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen diesen Ad-hoc-Mitteilungen und der zum Schaden führenden individuellen Willensentschließung des Zedenten.
Laut klägerischem Vortrag im Schriftsatz vom 21.04.2010 (Seite 5 ff.) verfolgte der Zedent intensiv über zahlreiche Quellen das unternehmerische Agieren der Beklagten, da er insbesondere an Hand von Unternehmenszahlen entscheiden wollte, ob er in diesen Aktienwert investiert. Der Zedent hat dies in seiner Zeugenaussage vom 15.06.2010 bestätigt. Er habe sich aufgrund der über die Beklagte zu 1) seit Februar 2000 herausgegeben Ad-hoc-Mitteilungen und sonstigen Informationen ein Bild gemacht und seine Kaufentscheidung getroffen, weil er der Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 entnommen habe, dass an den bisher genannten Planzielen festgehalten werde. In diesem Zusammenhang kann ihm nicht verborgen geblieben sein, dass der Aktienwert der Beklagten zu 1) ab Februar 2000 von einem Kurs von EUR 116.- bis zur Ad-hoc-Mitteilung vom 09.10.2000 auf einen Kurs von EUR 55,80 und danach auf einen Kurs von EUR 39.- gestürzt war, zu welchem der Zedent dann erworben hat. Eine sogenannte €positive Anlagestimmung€ kann die Klägerin damit gerade nicht für sich in Anspruch nehmen. Vielmehr legt dieser Ablauf nahe, dass die vom Zedent gleichwohl in einer solchen Phase der Kursunsicherheit getroffene Kaufentscheidung weniger vom Inhalt der 8 - 2 Monate zurückliegenden, alten Ad-hoc-Mitteilungen als von spekulativen Überlegungen getragen war, ähnlich denen, die den Zedenten nach der ausdrücklichen Gewinnwarnung vom 01.12.2000, nach einem weiteren Kurssturz der Aktie auf einen Wert unter EUR 10.-, zum Nachkaufen veranlasst haben mögen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 100, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Der Senat wendet Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Einzelfall an.
Der Streitwert bestimmt sich nach § 3 ZPO, § 47 GKG.
OLG München:
Urteil v. 18.05.2011
Az: 20 U 4879/10
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