Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 7. Juni 2005
Aktenzeichen: 4 U 34/05
(OLG Hamm: Urteil v. 07.06.2005, Az.: 4 U 34/05)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Dezember 2004 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist die berufliche Vertretung der Zahnärzte im Bereich Nordrhein.
Der Beklagte ist niedergelassener Zahnarzt in F und Mitglied der Klägerin.
Die Klägerin beanstandet die folgende Werbung des Beklagten, die dieser im Mai und Juni 2004 in verschiedenen regionalen Zeitungen und in Programmheften des Kino D schaltete.
- auf den Abdruck wurde verzichtet. -
Die Klägerin hat dazu ausgeführt, mit dieser Werbung überschreite der Beklagte die Grenze zwischen angemessener Information und berufswidriger Werbung. Die Werbung beschränke sich nicht auf eine interessengerechte und sachangemessene, nicht irreführende Information, sondern verwende Methoden, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich seien. So nutze der Beklagte einen "Eyecatcher" in Form eines leicht geöffneten, mit strahlendweißen, makellosen Zähnen lachenden Mund, wie er aus der Kosmetikwerbung und dort insbesondere aus der Werbung für Zahnpflegemittel bekannt sei. Die Werbung sei zudem irreführend. Durch den "Eyecatcher" werde dem angesprochenen Publikum der unzutreffende Eindruck vermittelt, im Rahmen einer Behandlung könne der Beklagte in jedem Fall kosmetische Zahnverhältnisse erreichen, wie sie dort zu sehen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zur Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen, wie nachfolgend wiedergegeben im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungsanzeigen für die von ihm ausgeübte ästhetische und ganzheitliche Zahnmedizin, namentlich die "ästhetische Zahnheilkunde", "Laser-Behandlung" und "Implantologie" zu werben:
- auf den Abdruck wurde verzichtet -
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt, seine Art der Werbung erreiche nicht den berufswidrigen Bereich der reklamehaften Anpreisung oder Irreführung.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Anzeigen, wie sie im Urteilstenor wiedergegeben sind, stattgegeben; wegen der vierten Anzeige hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Beide Parteien verfolgen mit ihren Berufungen ihr ursprüngliches Begehren weiter.
Die Klägerin führt dazu aus, dem Grunde nach habe das Landgericht die Fragen der Abgrenzung zwischen berufswidriger Werbung und zulässiger Information mit werbendem Charakter erkannt. Bei der Anwendung dieser Grundsätze sei aber auch die links oben abgebildete Anzeige als wettbewerbswidrig einzustufen, da auch sie reklamehafte Züge aufweise. So werde der Mund dort ebenfalls als Blickfang eingesetzt, wie dessen zentrale Plazierung, seine überdimensionale Größe und die farbliche Ausgestaltung zeige. Zudem sei die Darstellung der perlweiß makellosen Zähne unrealistisch, was die Überzeichnung des Zahnfleisches des Oberkiefers verdeutliche. Mit dieser Abbildung werde ein unrealistisches Ergebnis vorgetäuscht, das geeignet sei, das Publikum irrezuführen. Kein Zahnheilkundiger könne ein solches ästhetisches Ergebnis versprechen. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe des Zahnarztes, Lippen zu gestalten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und den Beklagten auch insoweit zu verurteilen, als das Landgericht die Klage abgewiesen hat,
ferner, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
abändernd die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er führt aus, sämtliche Anzeigen seien nicht als berufswidrige Werbung einzustufen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bedeute das Sachlichkeitsgebot nicht, daß er sich bei der Werbung auf die Mitteilung nüchterner Fakten zu beschränken habe. Ein Verbot der Werbung sei nur gerechtfertigt, wenn dadurch erreicht werde, daß das Vertrauen der Patienten darin erhalten bleibe, daß der Arzt nicht rein gewerblich und gewinnorientiert arbeite und seine Leistungen an den Interessen des Patienten und nicht am eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausrichte. Denn Ziel der Werbung sei, Patienten zu Lasten der Mitbewerber zu gewinnen. Die Werbung lenke im Übrigen zu Recht ein besonderes Augenmerk auf die ästhetischen Momente.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet; die des Beklagten hat dagegen Erfolg.
Das Begehren der Klägerin ist auch insoweit erfolglos, als das Landgericht ihrer Klage stattgegeben hat. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des UWG in der Fassung vom 3. Juli 2004 anzuwenden. Der hier auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Anspruch bestünde allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung Mai und Juni 2004 wettbewerbswidrig gewesen wäre (vgl. u.a. BGB GRUR 2005, 442 - direkt ab Werk).
Die Klägerin ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. und damit auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als berufsständische Vertretung der Zahnärzte berechtigt, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, die von ihren Mitgliedern oder von deren Wettbewerbern begangen werden (vgl. BGH GRUR 2004, 164 ff, 165 - Werbung von Zahnärzten im Internet). Der Beklagte ist Mitglied der Klägerin.
Die beanstandete Werbung verstößt auch insoweit, als sie das Landgericht verboten hat, nicht gegen § 1 UWG a.F. i.V.m. § 20 der Berufsordnung der Zahnärzte Nordrhein und § 3 UWG a.F. und zum anderen auch nicht gegen die §§ 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 20 der Berufsordnung der Zahnärzte Nordrhein und die §§ 3, 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Nach § 1 UWG a.F. war eine berufswidrige Werbung wettbewerbsrechtlich nicht zulässig.
Nunmehr handelt derjenige nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter i.S.v. § 3 UWG, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Berufsordnungen der Landesärztekammern sind Gesetze im materiellen Sinne (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl/ Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 Rdn. 11.74). Zu den Vorschriften, die im Interesse der Marktteilnehmer auch der Verbraucher das Marktverhalten regeln, zählt § 20 Abs. 1 BO (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O. Rdn. 11.105).
Die beanstandete Werbung erfüllt aber nicht die Anforderungen, die an eine berufswidrige Werbung i.S.v. § 20 Abs. 1 BO zu stellen sind.
Nach § 20 Abs. 1 BO ist dem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung untersagt.
Dieses generelle Werbeverbot ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß nur die berufswidrige Werbung unzulässig ist. Den Angehörigen freier Berufe und damit auch den Zahnärzten ist nicht jede, sondern nur die berufswidrige Werbung verboten. Dagegen muß für eine interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. für Steuerberater BVersG WRP 2005, 83 ff, 87; NJW 2004, 2659; GRUR 2004, 68 ff, 70; BGH GRUR 2004, 164 ff, 165 - Werbung von Zahnärzten im Internet).
Danach ist es jedem Arzt grundsätzlich unbenommen, in angemessener Weise auf seine Leistung hinzuweisen. Die Grenze zwischen angemessener Information und berufswidriger Werbung ist unter Berücksichtigung dessen zu bestimmen, daß die Beschränkung des Werberechts eine Verfälschung des zahnärztlichen Berufsbildes verhindern soll. Diese würde eintreten, wenn der Arzt die in der Wirtschaft üblichen Werbemethoden verwendet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Verbot berufswidriger Werbung nach § 20 Abs. 1 BO will einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vorbeugen (vgl. BGH a.a.O., 165 - Werbung von Zahnärzten im Internet). Allerdings sind Konkurrenzschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen keine legitimen Zwecke, die mittels Wettbewerbsverboten die Einschränkung der Berufsausübung rechtfertigen können. Der eigentliche Zweck der Werbung liegt nämlich darin, Kunden hier Patienten zu Lasten der Konkurrenz zu gewinnen. Akquisition als solche ist nicht berufswidrig (vgl. BVersG GRUR 2004, 69 f.; WRP 2005, 87).
Die Beurteilung, ob das Gebot der Sachlichkeit gewahrt ist, muß an die Art der betroffenen Berufsausübung anknüpfen (BVerfG WRP 2005, 87).
Das Sachlichkeitsgebot verlangt dabei nicht, daß sich der werbende Arzt auf die Mitteilung nüchterner Fakten zu beschränken hat. Danach ist z.B. eine "Sympathiewerbung" zulässig, sofern durch sie nicht der Informationscharakter in den Hintergrund gedrängt wird (vgl. BGH a.a.O., 166 - Werbung von Zahnärzten im Internet).
Schließlich ist bei der Beantwortung der Frage, welche Werbeformen als sachlich oder übertrieben bewertet werden, zu beachten, daß diese Beurteilung zeitbedingten Veränderungen unterliegt (vgl. BVerfG WRP 2005, 87).
Im einzelnen:
Die Anzeige (unten links auf Bl. 3 d.A.) wahrt im Lichte eines veränderten Werbeverhaltens bei Freiberuflern das Sachlichkeitsgebot, und zwar auch wenn hier ein "Kußmund" als "Eyecatcher" eingesetzt wird. Das Landgericht hat zu sehr auf den "Kußmund" abgestellt und ihm eine zu große Bedeutung beigemessen. Der Mund dient sicherlich dazu, das Auge des Betrachters auf die Anzeige zu lenken. Aufmerksamkeit zu wecken, ist aber gerade auch Sinn und Zweck der Werbung, mit der hier Patienten zu Lasten der Konkurrenz gewonnen werden sollen. Der Mund weist zudem als Aufhänger auf den Bereich der ästhetischen Zahnmedizin hin, die einen Tätigkeitsschwerpunkt des Beklagten darstellt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts treten die Hinweise auf die Tätigkeitsbereiche und die Adresse des Beklagten als reine Sachinformationen nicht in den Hintergrund. Das zeigt sich schon an dem großen Schriftbild bei den Tätigkeitsgebieten und dem herausgestellten Beruf des Beklagten sowie an dem Größenverhältnis zwischen Bild und Text. Es ist auch nicht ersichtlich, daß durch die Abbildung des Mundes die Belange des Gemeinwohls so beeinträchtigt werden, daß zu ihrem Schutz ein Verbot erforderlich ist. Es soll durch das Werbeverbot verhindert werden, daß es zu einer Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes zum Nachteil der Patienten kommt. Durch den "Kußmund" in der Werbung wird nicht angezeigt, daß sich der Beklagte bei der Berufsausübung als Zahnarzt nicht an medizinischen Notwendigkeiten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien orientiert. Ein gegenteiliges Ergebnis läßt sich auch nicht damit begründen, daß der abgebildete Mund nicht die einzelnen Zähne zeigt und der Hintergrund eine grüne Farbe aufweist. Selbst wenn derartige Münder in anderen, trivialen Bereichen der Werbung eingesetzt werden sollten, führt dies hier nicht zu einer berufswidrigen Werbung, zudem der Mund auf ein wesentliches Betätigungsfeld des Beklagten hinweist.
Für die weitere Anzeige (rechts oben Bl. 3 d.A.) gelten die vorgenannten Überlegungen entsprechend. Dadurch, daß der Mund in Form der Pop-Art gestaltet ist, wird er nicht zum alleinbeherrschenden Teil der Anzeige. Hier dient der Mund ebenfalls dazu, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu gewinnen und sein Interesse auf die Tätigkeitsbereiche und die Adresse des Beklagten zu lenken.
Die vorgenannten Ausführungen gelten ebenfalls für die Anzeige (unten rechts Bl. 3 d.A.) entsprechend. Die deutliche Rotfärbung läßt den Mund nicht so beherrschend in den Vordergrund treten, daß die Hinweise auf die Tätigkeitsgebiete und die sonstigen Angaben zum Beklagten in den Hintergrund treten.
Die Werbung ist auch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht irreführend (§ 3 UWG a.F., §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG).
Die Ansicht der Klägerin, die Darstellung des Mundes suggeriere den angesprochenen potentiellen Patienten ein Behandlungsergebnis des Beklagten, das dieser nicht erfüllen könne, vermag der Senat nicht zu teilen. Der potentielle Patient sieht in keinem der abgebildeten Münder ein für ihn erreichbares Ergebnis einer ästhetischen Zahnbehandlung durch den Beklagten. Mag er darin den allgemeinen Hinweis auf eine gewisse Verbesserung seines Aussehens sehen, ein konkretes in jedem Fall erreichbares Ziel erwartet der angesprochene Durchschnittsverbraucher dagegen nicht, zumal es keinen "Standardmund" gibt.
Die Klägerin vermag mit ihrer Berufung nicht durchzudringen. Auch mit der vierten Anzeige überschreitet der Beklagte die Grenzen zur berufswidrigen Werbung nicht. Wenn es sich dort auch um die wirklichkeitsgetreueste Wiedergabe eines Mundes handelt, so dient diese gleichfalls dazu, die Aufmerksamkeit auf die Anzeige zu lenken. Die Darstellung dieses Mundes läßt ebenfalls die Sachinformationen des Beklagten über seine Tätigkeitsbereiche und den Hinweis auf seine Adresse nicht in den Hintergrund treten. Auch hier werden durch die Anzeige keine Belange des Allgemeinwohls in der oben dargelegten Art und Weise berührt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet hier ebenfalls eine relevante Irreführung aus den bereits zu den drei anderen Anzeigen dargelegten Gründen aus.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 07.06.2005
Az: 4 U 34/05
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