Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 226/03
(BPatG: Beschluss v. 28.07.2005, Az.: 25 W (pat) 226/03)
Tenor
Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2002 und 22. Oktober 2003 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 399 36 152 wegen des Widerspruchs aus der Marke DD 623 088 für die Waren "medizinische Diagnostika" angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke DD 623 088 wird auch hinsichtlich der Waren "medizinische Diagnostika" zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 16. Juni 1999 angemeldete Marke 399 36 152 PANZOL ist am 27. Oktober 1999 in das Markenregister eingetragen worden und nunmehr noch für die Waren
"Humanarzneimittel, nämlich rezeptpflichtige Magen-Darm-Präparate; wissenschaftliche und medizinische Diagnostika"
geschützt.
Die Eintragung wurde am 25. November 1999 veröffentlicht.
Die Inhaberin der am 2. April 1958 ua für die Waren
"Arzneimittel"
eingetragenen Marke DD 623 088 Pangrolderen Benutzung im Beschwerdeverfahren teilweise bestritten wurde, hat dagegen Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 25. Juni 2002 durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs angeordnet. Auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Erinnerungsprüferin diesen Beschluss mit Beschluss vom 22. August 2003 teilweise aufgehoben, nämlich soweit die Löschung für die Waren "wissenschaftliche Diagnostika" angeordnet worden ist, und die Erinnerung im Übrigen zurückgewiesen.
Die Waren "Humanarzneimittel, nämlich rezeptpflichtige Magen-Darmpräparate" und die Widerspruchswaren "Arzneimittel" könnten identisch sein. Ebenso könnten "medizinische Diagnostika" Arzneimittel sein. "Wissenschaftliche Diagnostika" wiesen dagegen nur eine mittlere Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke auf. Die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken sei bei identischen Waren jedenfalls in klanglicher Hinsicht auf Grund identischen Zeichenanfangs und -endes und identischer Vokalfolge noch in einer Weise ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen sei. Trotz Rezeptpflicht sei auch die klangliche Ähnlichkeit zu berücksichtigen. Die einseitige Rezeptpflicht wirke zwar in gewissem Maße einer Verwechslungsgefahr entgegen. Auch pflegten Laien Kennzeichnungen auf diesem Warengebiet eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen. Bei identischen Waren kämen sich die Zeichen klanglich jedoch zu nahe. Hinsichtlich der angegriffenen Waren "wissenschaftliche Diagnostika" reiche dagegen der Markenabstand.
Gegen diesen Beschluss hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2002 und vom 22. August 2003 aufzuheben, soweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke DD 623088 auch insoweit zurückzuweisen.
Da die Marke PANGROL laut Roter Liste nur für ein Pankreatin (Pankreas-Pulver vom Schwein), also ein Pankreasenzym enthaltendes Produkt zur Behandlung von Störungen der exokrinen Pankreasfunktion verwendet werde, werde die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren außer "Enzympräparate" bestritten. In der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin klar, dass eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Waren der Hauptgruppe 40 der Roten Liste, in welche Präparate bei Enzymmangel fielen, nicht bestritten werde. Eine rechtserhaltende Benutzung für Waren der Hauptgruppe 60 der Roten Liste (Magen-Darm-Mittel) sei dagegen nicht glaubhaft gemacht, denn für die Jahre 1994 bis 1999 lägen keine Unterlagen vor. Außerdem sei die Qualifizierung des Arzneimittels "Pangrol" als Magen-Darmmittel unzutreffend, denn dieses Mittel sei ein Präparat, welches zum Ausgleich eines Enzymmangels gegeben werde. Es bestehe keine Identität der sich gegenüber stehenden Waren, sondern ein erheblicher Abstand. Durch die Aufnahme der Verschreibungspflicht bei den Waren der angegriffenen Marke komme eine stark verwechslungsmindernde Komponente hinzu, da der Fachverkehr eingeschaltet sei, und zudem trete der schriftbildliche Vergleich in den Vordergrund. Selbst bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reiche der Zeichenabstand aus. Die Verkehrskreise achteten wegen des verbrauchten Bestandteils "Pan" verstärkt auf die weitere Silbe. Derzeit seien 179 Arzneimittel mit dem Anfangsbestandteil "Pan" im Handel. Es handele sich vorliegend um kurze Marken. Die klanglichen Unterschiede zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke würden deutlich wahrgenommen. Die angegriffene Marke enthalte den harten Konsonanten "Z" , die Widerspruchsmarke dagegen an entsprechender Stelle in der Silbe "grol" weiche Konsonanten. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit bestehe erst recht nicht.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Marken beanspruchten Schutz für identische Waren. Die Widerspruchsmarke werde für ein Magen-Darmmittel benutzt. Das Produkt "Pangrol" der Widersprechenden, ein Pankreatin (Pankreas-Pulver vom Schwein) zur Behandlung von Störungen der exokrinen Pankreasfunktion, sei ein Magendarmmittel und in der Roten Liste zu Recht in der Hauptgruppe 60 eingeordnet. In dieser Hauptgruppe gebe es lediglich neun weitere Präparate mit den Anfangsbuchstaben "Pan". Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der identischen Waren und ebenfalls hinsichtlich der medizinischen Diagnostika. Auch bei einer einseitigen Rezeptpflicht müssten Laien berücksichtigt werden. Zeichenanfang, Silbenzahl und Vokalfolge seien identisch, die Konsonantenfolge der Zeichen nahezu gleich. Der einzige Unterschied befinde sich im Wortinnern und gehe sowohl klanglich als auch schriftbildlich unter.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2005 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache teilweise Erfolg, da hinsichtlich der Waren "medizinische Diagnostika" keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Hinsichtlich der Waren "Humanarzneimittel, nämlich rezeptpflichtige Magen-Darm-Präparate" hat die Beschwerde dagegen keinen Erfolg.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke.
Im Beschwerdeverfahren hat die Inhaberin der angegriffenen Marke mit Eingabe vom 4. Februar 2004 zulässig (§ 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG) die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke, bei der die Benutzungsschonfrist am 3. Oktober 1995 ablief (vgl Einigungsvertrag, Anlage I Kapitel III Sachgebiet E Abschnitt II § 10), teilweise bestritten, nämlich für alle Waren außer "Enzympräparate". Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr können im Beschwerdeverfahren nur die Waren berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten ist, da die von der Widersprechenden eingereichten Benutzungsunterlagen für sich allein genommen eine rechtserhaltende Benutzung nicht hinreichend glaubhaft machen, denn für den Zeitraum 1994 bis 1999 wurden keine Unterlagen eingereicht (§ 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG). In der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin klar, dass sie eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Magen-Darm-Mittel bestreitet und ihrer Ansicht nach ein Pankreasenzym enthaltendes Mittel der Hauptgruppe 40 der Roten Liste zuzuordnen, die Eingruppierung in die Hauptgruppe 60 (Magen-Darm-Mittel) dagegen unzutreffend sei.
Im vorliegenden Fall kann letztlich dahingestellt bleiben, ob man bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei der Widerspruchsmarke die Hauptgruppe 40 der Roten Liste, für die eine Benutzung nicht bestritten wird, und in die nach Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke das Produkt der Widersprechenden, ein Pankreasenzym enthaltendes Mittel, einzuordnen wäre, oder das spezielle Produkt, also ein Pankreasenzym enthaltendes Mittel, oder die Hauptgruppe 60 (Magen-Darm-Mittel) der Roten Liste, in welcher das Arzneimittel "Pangrol" sowie auch andere einen entsprechenden Wirkstoff enthaltende Produkte eingeordnet sind, zugrunde legen muss. Unabhängig davon, welche dieser Warengruppen man bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Widerspruchsmarke zugrunde legt, besteht im Ergebnis in gleichem Umfang eine Verwechslungsgefahr. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob das Arzneimittel "Pangrol" in der Roten Liste zutreffend eingeordnet ist.
Selbst wenn man zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke davon ausginge, dass es sich bei dem Produkt der Widersprechenden nicht um ein Magen-Darmmittel handelt, sondern das Pankreasenzym enthaltende Produkt der Hauptgruppe 40 zuzuordnen wäre, obwohl entsprechende Mittel anderer Hersteller ebenfalls in der Roten Liste in der Hauptgruppe 60 stehen (vgl insbesondere Untergruppe 3.C. "Digestiva aus Enzymen"), bestünde hinsichtlich der Waren "Humanarzneimittel, nämlich rezeptpflichtige Magen-Darm-Präparate" eine Verwechslungsgefahr. Auch wenn unter diesen Umständen die Zeichen nicht für identische Waren verwendet würden, so stünden sich die Magen-Darm Präparate der angegriffenen Marke und die Enzympräparate einschließlich solcher, die ein Pankreas-Pulver vom Schwein enthalten, sehr nahe.
Der vorhandene Zeichenabstand reicht bei diesen zumindest sehr ähnlichen Waren nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern, selbst wenn man trotz der häufig verwendeten Bestandteile "Pan" und "ol" von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeht.
Die Zeichen kommen sich in klanglicher Hinsicht verwechselbar nahe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass trotz der Rezeptpflichtigkeit der Waren der angegriffenen Marke die klangliche Wiedergabe und die Begegnung der Zeichen bei Laien zu berücksichtigen ist, wenn auch der Fachverkehr stärker im Vordergrund steht als dies bei einer fehlenden Rezeptpflicht für die sich gegenüber stehenden Waren der Fall wäre. Dieser Erfahrungssatz ist auch bei einer einseitigen Rezeptpflicht zu beachten (vgl BGH, GRUR 1999,587 - Cefallone), da auch dann die Fälle einer Begegnung der Zeichen ohne Einschaltung eines Arztes stark reduziert sind. Es muss aber zum Beispiel damit gerechnet werden, dass ein Laie ein (rezeptpflichtiges) Mittel weiter empfiehlt, und der Adressat dann beim Erwerb des nicht rezeptpflichtigen Produkts Verwechslungen unterliegt, ohne dass noch eine Fachperson verwechslungsmindernd eingeschaltet würde. Silbenzahl, Vokalfolge, Zeichenanfang und -ende sind identisch. Auch wenn sich der Laut "z" - isoliert betrachtet - deutlich von der Konsonantenkombination "gr" abhebt und Zeichenanfang und -ende eher häufig verwendete Zeichenbestandteile sind, ist das Gesamtklangbild der Zeichen insgesamt noch so ähnlich, dass bei diesen Waren mit rechtserheblichen Verwechslungen zu rechnen ist. Der einzige Unterschied befindet sich im Wortinnern, so dass das Gesamtklangbild trotz der nicht ganz unbedeutenden Unterschiede im Anlaut der zweiten Silbe der Zeichen noch hinreichend ähnlich ist, um bei Waren, die identisch oder zumindest sehr ähnlich sind, eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
Hinsichtlich der Waren "medizinische Diagnostika" reicht dagegen der vorhandene Zeichenabstand aus, um rechtserhebliche Verwechslungen zu verhindern, so dass die Beschwerde insoweit Erfolg hat. Diese Waren stehen den bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren nicht sehr nahe, seien es solche der Hauptgruppe 40 der Roten Liste, für die eine Benutzung nicht bestritten wird, und in die nach Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke das Produkt der Widersprechenden einzuordnen wäre, oder das spezielle Produkt, also ein Pankreasenzym enthaltendes Mittel, oder ein Mittel der Hauptgruppe 60 (Magen-Darm-Mittel) der Roten Liste, in welcher das Arzneimittel "Pangrol" sowie auch andere entsprechende Wirkstoffe enthaltende Produkte eingeordnet sind. Selbst wenn die Produkte bei den gleichen Krankheiten eingesetzt werden, ist der Verwendungszweck und die Zielrichtung der jeweiligen Präparate unterschiedlich. Dementsprechend ist üblicherweise auch die stoffliche Beschaffenheit verschieden. Hinzu kommt, dass medizinische Diagnostika regelmäßig vom Fachverkehr angewendet werden, der aufmerksamer ist und weniger einer Verwechslungsgefahr unterliegt als Laien. Unter Berücksichtigung des aufgezeigten Unterschieds zwischen diesen Waren und denen der Widerspruchsmarke reichen insoweit die Unterschiede in den Zeichen in jeder, insbesondere auch in klanglicher Hinsicht aus, Verwechslungen zu verhindern. Es handelt sich um relativ kurze zweisilbige Wörter, bei denen der Zeichenanfang "Pan"- insbesondere für den Fachverkehr - eine Kennzeichnungsschwäche aufweist, und der Unterschied in dem Anlaut der zweiten Silbe hinreichend deutlich ist, da er auch auf den Klangcharakter einwirkt, denn das Widerspruchszeichen hat dadurch einen weicheren Klang als die Widerspruchsmarke.
Auch schriftbildlich sind die Zeichen hinreichend verschieden. Es handelt sich um übersichtliche Zeichen von 6 bzw 7 Buchstaben, bei denen die schriftbildlichen Unterschiede in der Zeichenmitte zwischen Z/z und GR/gr in jeder Schreibweise deutlich erkennbar sind. Selbst wenn man noch eine handschriftliche Wiedergabe, etwa auf Rezepten, berücksichtigt, sind die Zeichen hinreichend verschieden. Der Buchstabe "z" wird von den beteiligten Verkehrskreisen meist ohne eine Unterlänge geschrieben. Selbst wenn in der angegriffenen Marke der Buchstabe "z" von einem Teil des Verkehrs mit einer Unterlänge geschrieben werden sollte, hebt er sich trotzdem von dem Buchstaben "g" ab, und der schriftbildliche Abstand der Marken ist immer noch ausreichend, zumal die Widerspruchsmarke den zusätzlichen Buchstaben "r" enthält, welcher in der angegriffenen Marke keine Entsprechung hat. Hinzu kommt, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende, gesprochene Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 207).
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat daher nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Sredl Bayer Na
BPatG:
Beschluss v. 28.07.2005
Az: 25 W (pat) 226/03
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