Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juni 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 72/01

(BPatG: Beschluss v. 04.06.2002, Az.: 27 W (pat) 72/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Februar 2001 aufgehoben, soweit der IR-Marke 610 651 der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland teilweise versagt worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke DD 653 122 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Inhaberin der für Ç 9: Disques phonographiques, musicassettes, disques CD; 16: Imprimes et magazines de mode et musique; 25: Articles d'habillement, chapeaux, chaussures; 41: Production de films et, en particulier, de films pour la television È international registrierten Marke 610 651 JAM beansprucht Schutz für diese Marke in der Bundesrepublik Deutschland. Hiergegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke DD 653 122 JAMO die für "Radioapparate und Lautsprecher, alle für die stereophone Wiedergabe von Tönen, Teile der vorgenannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten" registriert ist, Widerspruch eingelegt. Die Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat daraufhin durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes der Marke "JAM" teilweise, nämlich für die Waren "disques phonographiques, musicassettes, disques CD" den Schutz versagt. Zur Begründung ist ausgeführt, beide Zeichen beanspruchten übereinstimmend Waren aus dem Produktbereich "Tonträger", woraus sich bereits begrifflich eine markenrechtliche Warenähnlichkeit ergebe. Aufgrund dessen seien hohe Anforderungen an den Abstand der Marken zu stellen. In klanglicher Hinsicht wiesen diese jedoch so ausgeprägte Übereinstimmungen auf, dass Verwechslungen zu befürchten seien. Demgegenüber werde der nur in dem zusätzlichen "O" bestehende Unterschied am unbetonten Ende in den Hintergrund treten und weitgehend unbemerkt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie meint, zwischen den einander gegenüberstehenden Waren bestehe nur eine entfernte Ähnlichkeit. Bei den Produkten der Widerspruchsmarke handele es sich nicht um Tonträger. Im Hinblick auf die Warenferne reiche ein verhältnismäßig geringer Abstand der Zeichen; diesen halte die angegriffene Marke ein. Es sei davon auszugehen, dass die jüngere Marke englisch und damit kurz ausgesprochen werde. Die Widerspruchsmarke weise demgegenüber zwei Silben auf und werde gedehnt gesprochen. Einer Verwechslung stehe auch die von vielen Verbrauchern erkannte Bedeutung von "JAM" entgegen. Mit der Beschwerdebegründung vom 22. Mai 2002 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke (erstmals) die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Widersprechende meint, die Rüge der nicht rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke sei verspätet. Sie ist der Ansicht, es bestehe Verwechslungsgefahr.

In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin ergänzend vorgetragen, Tonträger würden in erster Linie von Musikverlagen, Radios und Lautsprecher dagegen von technischen Werken produziert. Es gebe zwar Unternehmen, die beides herstellten (wie z. B. Philips); hieraus lasse sich aber eine grundsätzliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren nicht herleiten.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Denn zwischen den einander gegenüberstehenden Marken besteht keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG), so dass der Beschluss der Markenstelle, soweit er die teilweise Schutzversagung ausspricht, aufzuheben und der Widerspruch aus der Marke DD 653 122 auch insoweit zurückzuweisen war.

Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfassten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints).

Die Widerspruchsmarke weist von Haus aus normale Kennzeichnungskraft auf; Anhaltspunkte für eine Stärkung oder Schwächung dieser Kennzeichnungskraft sind nicht ersichtlich.

Die einander gegenüberstehenden Waren mögen - wie durch einen anderen Senat des Bundespatentgerichts in einem Beschluss vom 22. August 1995 im Verfahren 24 W (pat) 126/94 für Tonträger einerseits und Lautsprecher andererseits ausgeführt - einander ähnlich sein, jedenfalls aber besteht zwischen ihnen ein weiter Warenabstand. Denn Tonträger einerseits und Radioapparate und Lautsprecher sowie Teile davon andererseits weisen insbesondere in Beschaffenheit, regelmäßiger betrieblicher Herkunft und ihrem jeweiligen Verwendungszweck doch so deutliche Unterschiede auf, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf die Herkunft aus einem Unternehmen zwischen ihnen - wenn überhaupt - nur einen lockeren Zusammenhang sehen werden.

Bei dem Vergleich der einander gegenüberstehenden Wortmarken ist zu berücksichtigen, dass es sich jeweils um sehr kurze Wörter handelt, die durch einzelne Abweichungen im Verhältnis stärker beeinflusst werden als längere Markenwörter und die auch besser und genauer in der Erinnerung bleiben (vgl. Althammer/ Ströbele, Markengesetz, 6. Auflage, § 9 RdNr. 101). Vorliegend unterscheiden sich die einander gegenüberstehenden Markenwörter durch das "O" am Ende der Widerspruchsmarke, das in der angegriffenen Marke keine Entsprechung hat. In bildlicher Hinsicht ist dieser Unterschied ohnehin kaum zu übersehen. Aber auch klanglich tritt die Widerspruchsmarke "JAMO" als ein im Verhältnis zu "JAM" deutlich längeres und gedehnt klingendes Wort in Erscheinung. Hinzu kommt, dass es sich bei "JAM" um ein geläufiges englisches Wort handelt (traffic jam, jam session), das vielfach englisch gesprochen wird, während sich bei "JAMO" eine englische Aussprache vom Wortcharakter her kaum anbietet. Einer Verwechslungsgefahr wirkt schließlich auch noch entgegen, dass die angegriffene Marke im Hinblick auf Tonträger auf den einem beachtlichen Teil der Verbraucher bekannten Begriff "jam session" hinweist, während es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Phantasiewort handelt.

Aufgrund bestehender entfernter Warenähnlichkeit sind an den Abstand der Marken keine besonders hohen Anforderungen zu stellen; damit ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände in markenrechtlich erheblichem Umfang nicht mit der Gefahr von Verwechslungen zwischen den einander gegenüberstehenden Marken zu rechnen. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin war daher der angegriffene Beschluss aufzuheben, soweit der Marke der Schutz versagt wurde, und der Widerspruch auch aus der Marke "JAMO" auch insoweit zurückzuweisen.

Auf die Frage, ob das Bestreiten der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke verspätet war, kam es demgemäß nicht mehr an.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs. 1 S. 2 Markengesetz. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dr. Schermer Albert Friehe-Wich Fa






BPatG:
Beschluss v. 04.06.2002
Az: 27 W (pat) 72/01


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