Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 30. August 2011
Aktenzeichen: 11 Verg 3/11
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 30.08.2011, Az.: 11 Verg 3/11)
1. Ein vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft setzt voraus, dass die Tätigkeit der auftragnehmenden Stelle im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber erfolgt. Dabei sind nur solche Umsätze mit Dritten zu berücksichtigen, die das auftragnehmende Unternehmen aufgrund einer Vergabeentscheidung des öf-fentlichen Auftraggebers erzielt. Umsätze, die aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung im Wettbewerb erzielt werden, sind nicht hinzuzurechnen.
2. Die Anwendung des Konzernprivilegs nach § 100 Abs. 2 lit. o) GWB setzt voraus, dass der Auftraggeber bereits im Zeitpunkt der Auftragserteilung eine der in § 98 Nr. 4 GWB auf-geführten Tätigkeit ausübt.
3. Zu den Voraussetzungen eines Ausschließlichkeitsrechts i. S. v. § 3 a Nr. 2 lit. c) VOL/A
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen vom 28.02.2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.502.963,80 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragsgegnerin, die Gemeinde O1, führte die Wasserversorgung in O1 bis 1987 öffentlich - rechtlich durch einen kommunalen Eigenbetrieb durch. 1987 wurde der kommunale Eigenbetrieb in eine juristische Person des Privatrechts, die Beigeladene, umgegründet, die zunächst als "Stadtwerke O1 GmbH" und später als €A GmbH€ firmierte.
Am €.1994 schlossen die Beigeladene (damals noch: "Stadtwerke O1 GmbH") und die Antragsgegnerin einen Wasser - Konzessionsvertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren, der sich um jeweils 5 Jahre verlängern sollte, sofern ein Vertragspartner nicht mit einer Frist von zwei Jahren zum Vertragsende kündigt (§ 5). In dem Vertrag verpflichtete sich die Beigeladene, die für die Versorgung notwendigen Anlagen zu erstellen und die Versorgung der Einwohner mit Trink- und Brauchwasser zu übernehmen. Die Antragsgegnerin räumte der Beigeladenen das ausschließliche Recht ein, die öffentlichen Verkehrsräume in Durchführung des Vertrages zur Verlegung, zum Betrieb und zur Unterhaltung von Versorgungsleitungen zu nutzen (§ 1).Die Wasserpreise setzte die Beigeladene gem. den Bedingungen in § 3 Abs. 3 fest. Im Fall der Kündigung des Vertrages durch die Beigeladene sollte die Antragsgegnerin berechtigt und im Falle einer eigenen Kündigung verpflichtet sein, die Anlagen käuflich zu erwerben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Konzessionsvertrages vom €.1994 wird auf die Anlage Bgg 4 verwiesen.
Mit Verfügung vom 9.5.2007 hat die Landeskartellbehörde der Beigeladenen wegen missbräuchlich überhöhter Wasserpreise eine Preissenkung aufgegeben, die vom BGH mit Beschluss vom 2.2.2010 im Wesentlichen bestätigt wurde. Daraufhin beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 6.5.2010, die Wasserversorgung künftig wieder in öffentlich rechtlicher Form durch einen Eigenbetrieb zu organisieren (Beschlussvorlage Anlage Bf 2).In Umsetzung dieses Beschlusses erließ die Antragsgegnerin mit Wirkung zum 1.1.2011 eine Betriebssatzung für den Eigenbetrieb "Wasserversorgung" (Anlage Bf 3) sowie eine Wasserversorgungssatzung (Anlage Bf 4) und schloss mit der Beigeladenen unter dem €.2010 einen Pacht- und Betriebsführungsvertrag (Anlage Bf 6). Gem. § 2 des Pachtvertrags überlässt die Beigeladene die in ihrem Eigentum stehenden vorhandenen Einrichtungen der öffentlichen Wasserversorgung der Antragsgegnerin pachtweise und stimmt deren Widmung als öffentliche Einrichtung zu. Im Gegenzug beauftragt die Antragsgegnerin die Beigeladene mit der Betriebsführung des städtischen Wasserversorgungsbetriebes als sog. Verwaltungshelfer (§ 9). Die Betriebsführungsleistung umfasst die gesamte technische sowie die verwaltungsmäßige und kaufmännische Betriebsführung des Wasserversorgungsnetzes. Der Vertrag wurde mit Wirkung ab 1.1.2011 für eine Laufzeit von 5 Jahren geschlossen (§ 18). Wegen der Einzelheiten wird auf den Pacht- und Betriebsführungsvertrag Bezug genommen (Anlage Bf 6). Zugleich trafen die Vertragsparteien eine Vereinbarung zur Änderung des Konzessionsvertrages vom €.1994 (Anlage Bf 7) mit welchem die die bisherige Ausgestaltung der Wasserversorgung betreffenden Bestimmungen an die neue Vertragslage angepasst werden sollten, sowie einen Wasserlieferungsvertrag (Anlage Bf 8).
Mit Schreiben vom 6.12.2010 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen mit der Betriebsführung als vergaberechtswidrige de - facto - Vergabe. Mit Schreiben vom 13.12.2010 teilte die Antragsgegnerin mit, der Rüge nicht abhelfen zu wollen. Darauf leitete die Antragstellerin unter dem 23.12.2010 einen Nachprüfungsantrag ein. Die Antragstellerin meint, die Betriebsführungsleistungen für die Trinkwasserversorgung hätten öffentlich ausgeschrieben werden müssen.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.02.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Pacht- und Betriebsführungsvertrag sei gemäß § 100 Abs. 2 lit. o) GWB von der Anwendung des Vergaberegimes der §§ 97 ff GWB ausgeschlossen. Zwar sei der Ausnahmetatbestand des § 100 Abs. 2 lit h) GWB nicht erfüllt, weil es sich nicht um einen reinen Pachtvertrag handele, sondern um einen gemischten Vertrag, wobei die Betriebsführung im Vergleich zur Verpachtung kein untergeordnetes Element sei. Hingegen seien die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des § 100 Abs. 2 lit o) aa) GWB erfüllt. Die Antragsgegnerin sei als Sektorenauftraggeberin tätig, weil sie das Trinkwassernetz in ihrem Stadtgebiet bereit stelle und die Wasserversorgung betreibe.
Der Vertrag sei, soweit er die Betriebsführung regele, als ein Auftrag an ein konzernverbundenes Unternehmen zu sehen, weil es sich bei der Beigeladenen um ein gegenüber der Antragstellerin abhängiges Unternehmen nach § 36 Abs. 2 GWB, § 17 Abs. 2 AktG handele. Die Beigeladene habe auch mindestens 80% ihres während der letzten drei Jahre in der EU im Trinkwassersektor erzielten durchschnittlichen Umsatzes für die mit ihr verbundene Antragsgegnerin erbracht. Maßgebliche Bezugsgröße für die Ermittlung des Umsatzes seien die Leistungen in dem spezifischen Sektor, hier Trinkwasser. Dass die Beigeladene auch Dienstleistungen im Bereich der Gas- und Stromversorgung im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern erbringe, sei insoweit unbeachtlich. Dass diese Erlöse nicht im direkten Austauschverhältnis zwischen der Antragsgegnerin als Auftraggeber und der Beigeladenen als verbundenem Unternehmen resultierten, sondern aus der Belieferung privater Abnehmer, stehe der Anwendung des § 100 Abs. 2 lit. o) GWB nicht entgegen. Die Tätigkeit der Beigeladenen im Trinkwassersektor sei insoweit für die Antragsgegnerin erfolgt, als die Beigeladene deren nach § 39 Abs. 1 HWG gesetzlich zugewiesene Aufgabe (Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser) übernommen habe.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, zu deren Begründung die Antragstellerin im Wesentlichen darlegt :
Das Konzernprivileg nach § 100 Abs. 2 lit. o GWB greife vorliegend nicht ein. Zum einen übe die Antragsgegnerin keine Sektorentätigkeit aus, wie sie in Nr. 1 der Anlage zu § 98 Nr. 4 GWB bestimmt sei. Die Definition setze ein unmittelbares Tätigwerden des Versorgers voraus. Eine solche Tätigkeit sei weder vor noch nach der Reorganisation von der Antragsgegnerin, sondern von der Beigeladenen ausgeübt worden. Allein aus der gesetzlichen Verpflichtung nach § 39 HWG (§ 30 HWG 2010) ergebe sich nicht, dass die Gebietskörperschaft auch die Versorgungsnetze bereitstelle und betreibe. Geboten sei vielmehr eine tatsächliche Betrachtung. Danach verbleibe es auch für die Zukunft bei einer Übertragung der Verpflichtung zur Bereitstellung des Trinkwassernetzes gemäß § 30 Abs. 2 HWG an die Beigeladene (Bl. 69 ff, 180 ff d.A.).Auch fehle es an dem von der Vergabekammer angenommenen Merkmal der unbeschränkten Verfügungsmacht der Antragsgegnerin über das Versorgungsnetz. Diese werde weder durch die Satzung noch durch den Pacht- und Betriebsführungsvertrag vermittelt (BL. 78 ff d.A.). Die Antragsgegnerin sei auch keine unmittelbare Besitzerin des Netzes (Bl. 183).
Im Übrigen müsse für die Anwendbarkeit dieser Ausnahme der Auftraggeber bereits bei Abschluss des Vertrages Sektorenauftraggeber sein (Bl. 80, 184ff).
Schließlich habe die Beigeladene in den letzten drei Jahren nicht mindestens 80% ihres Umsatzes mit Leistungen an die Antragsgegnerin erbracht (Bl. 81 ff d.A.)
Zum einen seien die Leistungen im Trinkwasserbereich nicht gegenüber der Antragsgegnerin, sondern gegenüber ihren jeweiligen Wasserkunden erbracht worden. Zum anderen stamme dieser Umsatz nicht aus der Erbringung derselben Leistung, für den der Ausnahmetatbestand geltend gemacht werde, nämlich aus Betriebsführungsverträgen, sondern aus der davon zu unterscheidenden Belieferung Dritter mit Wasser. Die Ausnahmevorschrift greife aber nur ein, wenn 80% des Gesamtumsatzes mit dem fraglichen Auftrag erwirtschaftet würden. Die Umsätze der Beigeladenen in den Bereichen Strom- und Gasversorgung (die über 90% betrügen) seien daher zu berücksichtigen (BL. 84 ff, 186 ff).
Ein vergaberechtsfreies In-House-Geschäft liege ebenfalls nicht vor, weil es nach der Rechtsprechung des EuGH voraussetze, dass der öffentliche Auftraggeber über die betreffende Rechtsperson eine ähnliche Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübe und diese Rechtsperson im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig sei. Keine dieser beiden Voraussetzungen sei vorliegend gegeben (BL. 61ff d.A.) Bei der Gesellschafterin B handele es sich um ein werbendes Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht, das nicht ausschließlich in öffentlicher Hand stehe und derzeit nach weiteren privaten Investoren suche (Bl. 175 ff d.A.). Auch fehle es am Wesentlichkeitskriterium (BL. 177 ff).
Auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 SektVO lägen nicht vor (BL. 191ff)
Die Antragsgegnerin sei keine Sektorenauftraggeberin, Die Voraussetzung der eng auszulegenden Vorschrift lägen aber auch im Übrigen nicht vor, da auch andere Unternehmen als dasjenige der Beigeladenen die Betriebsführungsleistungen erbringen könnten. Die Verbindung des Pacht € mit dem Betriebsführungsvertrag sei kein Naturgesetz. Sie entspringe allein dem Willen der Vertragsparteien, den Status quo der Wasserversorgung in O1 nicht zu ändern, aber gleichzeitig der Kartellrechtskontrolle zu entgehen.
Die Beschwerdegegnerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie gezwungen gewesen sei, die Betriebsführungsleistungen an die Beigeladene zu vergeben, weil diese sich zum Abschluss des Pachtvertrages nur bereit erklärt habe, wenn sie auch die Betriebsführung übernehmen konnte. Ein Auftraggeber könne einen Auftragnehmer nicht allein deshalb mit allen möglichen Leistungen ohne Vergabeverfahren beauftragen, nur weil dieser erkläre, eine Leistung nur zu erbringen, wenn ihm auch andere Aufträge erteilt würden.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium Darmstadt vom 28. Februar 2011, Az. 69 d VK - 47/2010 aufzuheben und
2. gemäß § 101 b GWB festzustellen, dass der zwischen der Beschwerdegegnerin und der A €gesellschaft mbH am € 2010 geschlossene Pacht- und Betriebsführungsvertrag bezüglich der Trinkwasserversorgung in O1 unwirksam ist;
3. die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, den Vertrag über die Betriebsführungsleistungen für die Trinkwasserversorgung in O1 nicht ohne Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. GWB abzuschließen;
4. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen;
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,
hilfsweise
6. die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag bereits mangels Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB für unzulässig (Bl 135 ff). Der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie mit der von ihr erstrebten Rechtsfolge nichts Positives für sich selbst erreichen könne. Wäre der Pacht- und Betriebsführungsvertrag unwirksam, würde auch die Verpachtung der im Eigentum der Beigeladenen stehenden Einrichtungen keine Wirkung entfalten, so dass sämtliche Besitz- und Nutzungsrechte an den Wasserversorgungsanlagen wieder der Beigeladenen zustünden. Damit könnte sie, die Antragsgegnerin, auch keinen Betriebsführungsvertrag ausschreiben, weil sie nicht befugt sei, auf das Wasserversorgungsnetz zuzugreifen. Sie habe im Übrigen die Möglichkeit, mit der Beigeladenen einen reinen Pachtvertrag zu schließen, der unter die Ausnahmeregelung des § 100 Abs. 2 lit h GWB fiele, mit der Folge, dass der gesamte Betrieb der Wasserversorgung einschließlich des zugeordneten Personals auf sie, die Antragsgegnerin, übergehe. Auch dies führe nicht zu einer Verpflichtung, die Betriebsführung auszuschreiben; diese sei vielmehr dann vom eigenen (übergegangenen) Personal durchzuführen.
Im Übrigen verteidigt sie den angefochtenen Beschluss. Das Konzernprivileg nach § 100 Abs. 2 lit. o GWB greife ein. Der städtische Eigenbetrieb sei ein Wasserversorgungsunternehmen (Bl. 139ff). Die Stadt O1 sei nach § 30 Abs. 2 S. 1, 2 HWG 2010 Träger der Aufgabe der Wasserversorgung. Die Übertragung der operativen Wahrnehmung dieser Aufgabe auf die Beigeladene sei rückgängig gemacht worden. Der Eigenbetrieb beschaffe das Trinkwasser, und zwar überwiegend von einem kommunalen Zweckverband, dessen Mitglied die Antragsgegnerin sei, und zu einem kleineren Teil von der Beigeladenen. Das Trinkwasser werde in das vom Eigenbetrieb angepachtete Wasserversorgungsnetz eingespeist, auf das die Antragsgegnerin aufgrund öffentlich-rechtlicher Widmung ein jederzeitiges Zugriffsrecht habe. Das Wasser werde über das im Besitz des Eigenbetriebs stehende Versorgungsnetz an die Anschlussnehmer weitergeleitet, die hierfür von dem Eigenbetrieb zu Benutzungsgebühren herangezogen würden. Damit seien die Voraussetzungen einer Tätigkeit auf dem Gebiet der Wasserversorgung i.S.d. Anlage zu § 98 Nr. 4 GWB erfüllt (Bl. 141 ff), nämlich
- Wasserbeschaffung;
- Betreiben eines Netzes; ihr, der Antragsgegnerin stehe nicht nur aufgrund Pachtvertrages, sondern auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Widmung rechtlich und faktisch die alleinige Verfügungsgewalt über das Wasserversorgungsnetz zu;
- Versorgung von Endkunden mit Trinkwasser und Abrechnung mit Endkunden.
Sie, die Antragsgegnerin, bediene sich der Beigeladenen lediglich als Erfüllungsgehilfin für ihre Versorgungsaufgabe, § 30 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. HWG (BL. 146 d.A.). Die Beigeladene und sie seien verbundene Unternehmen i.S.d. § 36 Abs. 2, 3 GWB i.V.m. §§ 17, 18 AktG. Das Umsatzkriterium von 80% sei erfüllt (BL. 148 ff).Maßgeblich sei allein der Umsatz im Trinkwasserbereich; wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift €€sofern mindesten 80 Prozent€ im entsprechenden €.Sektor aus der Erbringung dieser Lieferungen oder Leistungen für den mit ihm verbundenen Auftraggeber stammen€ ergebe. Diese Vorschrift verstoße auch nicht gegen Europarecht, da Art. 23 Abs. 3 der einschlägigen Richtlinie 2004/17/EG diesbezüglich keine Festlegung treffe. Von den Erlösen der A auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung seien 99,57% im Stadtgebiet der Antragsgegnerin erzielt worden (BL. 149 d.A.) Dass dieser Umsatz formal mit den Endabnehmern und nicht mit der Antragsgegnerin erzielt worden sei, sei nach der Entscheidung des EuGH vom 11.5.2006, D-340/04 € Carbotermo € unerheblich (Bl. 150 d.A.) Im übrigen würden auch unter Einschluss des Strom- und Gasbereiches 93,44% des Gesamtumsatzes der A im Stadtgebiet erzielt (BL. 152 d.A.)
Es handele sich auch um ein In-house-Geschäft: Auch die Gesellschafterin B sei ein kommunales Unternehmen, so dass nach der EuGH-Rechtsprechung der Grundsatz der gemeinsamen Beherrschung gelte. Es gebe lediglich private Splitterbeteiligungen auf der vierten Gesellschafterebene (C). Eine dadurch eintretende Wettbewerbsverzerrung sei rechtlich und faktisch auszuschließen (Bl. 154 ff)
Es handele sich um einen Vertrag über die Nutzung von unbeweglichem Vermögen (§ 100 Abs. 2 lit. h GWB). Bei den Leitungsanlagen handele es sich um €anderes unbewegliches Vermögen€ i.S. dieser Vorschrift. Deshalb stellten die Vertragsbestimmungen über die Nutzung unbeweglichen Vermögens den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Vertrages dar. Der reine €Betrieb€ der Anlage sei gegenüber Wartung, Instandhaltung und Reparatur völlig untergeordnet; bei letzteren handele es sich aber um typische Verpächterpflichten (Bl. 157 ff)
Im übrigen habe die Vergabe auch nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 der Sektorenverordnung in einem Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung erfolgen können. Im Hinblick darauf, dass das Wasserleitungsnetz im Eigentum der Beigeladenen stehe, habe der Vertrag nur mit ihr geschlossen werden können.
Die Beigeladene sei zu einer Verpachtung nur bereit gewesen, wenn sie auch die Betriebsführung habe übernehmen können. Wenn der Pachtvertrag ohne den Betriebsführungsteil abgeschlossen worden wäre, wären die entsprechenden Mitarbeiter kraft Gesetzes (§ 613a Abs 1 BGB) auf sie, die Antragsgegnerin übergegangen. In diesem Fall hätte sie durch ihren Eigenbetrieb die Betriebsführung selbst übernehmen müssen € es hätte also kein Bedarf für eine Fremdleistung bestanden und wäre deshalb ebenfalls nicht zu einer Ausschreibung gekommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden (§§ 116, 117 GWB). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
A..
Die Vergabekammer ist zutreffend von der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ausgegangen.
1.
a) Die Antragsgegnerin ist als Gebietskörperschaft grundsätzlich öffentlicher Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 1 GWB. Bei dem streitbefangenen Auftrag handelt es sich auch um einen öffentlichen Auftrag i.S.v. § 99 Abs. 1 und 4 GWB. Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftragnehmern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Leistungsaufträgen führen sollen (§ 99 Abs. 1 GWB). Antragsgegnerin und Beigeladene haben einen entgeltlichen privatrechtlichen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, nämlich die gesamte technische und kaufmännische Betriebsführung der Wasserversorgung in O1 geschlossen. Der Vertrag hat auch Beschaffungscharakter. Die Antragsgegnerin erfüllt damit ihren Bedarf an Dienstleistungen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Wasserversorgung in der Gemeinde O1 benötigt.
b) Die Auftragsvergabe ist auch nicht deshalb dem Vergaberechtsregime entzogen, weil es sich € nach der Formulierung der Antragsgegnerin in der Beschlussvorlage vom 7.4.2010€ um eine €Rekommunalisierung€ handelt. Zwar beabsichtigt die Antragsgegnerin die 1994 durchgeführte Privatisierung der Wasserversorgung unter Einschaltung der Beigeladenen rückgängig zu machen und künftig wieder öffentlich - rechtlich zu organisieren. Aber auch wenn die Rekommunalisierung das spiegelbildliche Gegenstück zu einer funktionalen Privatisierung darstellt und deshalb grundsätzlich nicht dem Vergaberecht unterliegt, gilt dies, wenn der Auftraggeber den Auftrag nicht auf sich selbst, sondern auf einen Dritten überträgt nur, soweit bei der Aufgabenübertragung die Voraussetzungen eines In-House-Geschäfts vorliegen (Müller-Wrede/Kaelble, GWB € Vergaberecht, § 99 Rn. 82; Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz, GWB € Vergaberecht, 2. Aufl., § 99 Rn. 146, 281; Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl. § 99 Rn. 48 f.).
Die Voraussetzungen eines vergaberechtsfreien In-House-Geschäfts liegen nicht vor.
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Annahme einer In-house-Vergabe voraus, dass der öffentliche Auftraggeber über die auftragnehmende Stelle eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen. Die Kontrolle muss zwar nicht von einem einzelnen öffentlichen Auftraggeber ausgeübt werden, vielmehr reicht es für die notwendige Kontrolle aus, wenn die auftragnehmende Stelle ausschließlich von Gesellschaften des öffentlichen Sektors beherrscht wird. Dies erscheint fraglich und ist zwischen den Beteiligten streitig. An der Beigeladenen selbst sind zwar zu 50,1% die Antragsgegnerin und zu 49,09% die B AG beteiligt. An der B AG sind wiederum lokale und regionale Energieversorgungsunternehmen unter kommunaler Führung beteiligt, insbesondere über die C GmbH. An den jeweiligen Stadtwerken sind jedoch in elf Fällen auch private Energieversorger beteiligt, wobei der Anteil der nicht in kommunaler Hand liegenden Beteiligungen nach Angaben der Antragsgegnerin ca. 1,7% ausmacht (vgl. Anl. Ast 11). Die Beteiligten streiten darüber, ob dieser €Splitterbesitz€ in privater Hand auf der vierten Beteiligungsebene einer Kontrolle der Antragsgegnerin (gemeinsam mit der B AG) über die Beigeladene wie über eine eigene Dienststelle entgegensteht. Insbesondere die Antragstellerin meint, es sei unerheblich, dass Private bei der Beigeladenen nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beteiligt seien, weil nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung zu unterscheiden sei.
Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des EuGH für die Erfüllung des Kontrollkriteriums allerdings auch, dass die öffentlichen Auftraggeber ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft haben, die für sie tätig werden soll (BGHZ 177, 150 € Kommunalversicherer; EuGH, Urteil v. 11.05.2006 € Carbotermo = VergabeR 2006, 478). Nach dieser Rechtsprechung ist stets eine individuelle Prüfung der maßgeblichen Einzelfallumstände erforderlich. Demnach kommt es weniger auf eine Beherrschung, als vielmehr auf die Möglichkeit einer umfassenden Einflussnahme des öffentlichen Auftraggebers auf das auftragnehmende Unternehmen an (Ganske a.a.O. § 99 Rn. 55). Bei einer GmbH wie der Beigeladenen kann dabei eine Rolle spielen, dass aufgrund der ihr eigenen Organisationsstrukturen (insbesondere § 47 Abs. 1 GmbHG) den Gesellschaftern umfassende Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten eingeräumt sind (BGHZ 148, 55). Wollte man diese Rechtsprechung auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen € über eine ähnliche Konstellation hat der EuGH, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden €, käme es darauf an, ob ungeachtet des Splitterbesitzes auf der vierten Beteiligungsebene der maßgebliche Einfluss der beiden Gesellschafter auf die Geschäftsführung der Beigeladenen gesichert ist. Auch wenn dies aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zumindest naheliegt, kann die Frage dahin gestellt bleiben.
bb) Ein vergaberechtsfreies In-house-Geschäft setzt nach der Rspr. auch voraus, dass die Tätigkeit der auftragnehmenden Stelle im Wesentlichen für den Auftraggeber erfolgt. Insoweit hat der EuGH (a.a.O.) klargestellt, dass der Umsatz ausschlaggebend ist, den das fragliche Unternehmen aufgrund der Vergabeentscheidung der kontrollierenden Körperschaft erzielt, und zwar einschließlich des Umsatzes, der in Ausführung solcher Entscheidungen mit Nutzern erzielt wird, ohne dass die Person des Begünstigten € sei es der öffentliche Auftraggeber selbst oder der Nutzer der Leistungen € von Bedeutung wäre. Auch komme es nicht darauf an, wer das betreffende Unternehmen vergütet. Nach diesen Kriterien könnten ggfs. die Umsätze, die die Beigeladene im Bereich der Trinkwasserversorgung durch die Belieferung von Endabnehmern als mit der Antragsgegnerin erzielte Umsätze berücksichtigt werden. Etwas anderes gilt jedoch für die Umsätze, die die Beigeladene durch die Belieferung von Endkunden mit Strom und Gas erzielt. Diese Umsätze erzielt sie nicht aufgrund einer Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin, sondern auf Grund ihrer Entscheidung, als Unternehmen im liberalisierten Energiemarkt am freien Wettbewerb teilzunehmen. Soweit sie ihre Umsätze € zum ganz überwiegenden Teil € im freien Wettbewerb erzielt, sind sie der Antragsgegnerin nicht zuzurechnen. Denn das Erfordernis, dass die fragliche Person ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft oder die Körperschaften verrichten muss, die ihre Anteile innehaben, soll sicherstellen, dass eine Direktvergabe ausgeschlossen ist, wenn ein von einer oder mehreren Körperschaften kontrolliertes Unternehmen auf dem Markt tätig ist und daher mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten kann (EuGH a.a.O. Rn. 60; VK Münster, Beschl. v. 7.10.2010 €VK 6/10 € ibr-online). Sind aber nur die Umsätze anrechenbar, die die Beigeladene auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung in O1 erzielt, so erfüllt die Beigeladene nicht das Wesentlichkeitskriterium. Die Beigeladene erzielte im Jahr 2009 Umsätze in der Sparte Wasserversorgung im Stadtgebiet O1 von 5.921.000,00 EUR. Dem steht ein Gesamtumsatz einschließlich der Strom- und Gassparte von 60.590.934,69 EUR gegenüber. Damit war die Beigeladene nur zu einem geringen Teil aufgrund einer Vergabeentscheidung für die Beschwerdegegnerin tätig und hat nur rund 6% ihres Gesamtumsatzes aufgrund einer Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin erwirtschaftet.
2.
Der streitbefangene Auftrag ist auch nicht aufgrund einer der in § 100 Abs. 2 GWB geregelten Ausnahmetatbestände vergabefrei.
a) Die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 lit. h) GWB hat die Vergabekammer zutreffend verneint. Gemäß § 100 Abs. 2 lit. h) GWB gilt der vierte Teil des GWB nicht für Aufträge über Erwerb oder Mietverhältnisse über oder Rechte an Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen, ungeachtet ihrer Finanzierung. Ob auch Mischverträge unter die Ausnahmeregelung fallen, soll davon abhängig sein, wo deren Schwerpunkt liegt (Pünder/Schellenberg, VergR, § 100 GWB Rn. 61). Da die Ausnahmetatbestände des § 100 Abs. 2 GWB als Ausnahme von der Anwendung des Vergaberechts eng auszulegen sind (Dippel in: Hattig/Maibaum, Praxiskommentar Kartellvergaberecht, § 100 GWB, Rn. 34;Diehr in: Reidt/Stickler/Glahs,a.a.O. § 100 Rn. 23; Dreher in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 100 Rn. 23), wird ein Mischvertrag allenfalls dann unter die Bestimmung des § 100 Abs. 2 lit. h GWB fallen können, wenn es sich um ganz unwesentliche Nebenabreden handelt.
Der die Dienstleistungen betreffende Teil des Vertrages ist € wie die Vergabekammer zu Recht angenommen hat € nicht neben dem Pacht- und Übertragungsvertrag völlig untergeordnet, sondern steht diesem zumindest gleichgewichtig gegenüber. Der Auffassung der Antragsgegnerin, der die Betriebsführung betreffende Teil sei völlig untergeordnet, weil die Beigeladene als Verpächterin ohnedies umfassende Unterhaltungs- und Instandhaltungspflichten habe, kann nicht gefolgt werden, wie der Blick in die Aufzählung ihrer Aufgaben in dem Betriebsführungsvertrag ergibt. Der Annahme einer bloß untergeordneten Bedeutung steht schon entgegen, dass die Parteien die Betriebsführung wiederholt als integralen Bestandteil des Gesamtvertrages bezeichnen (so u. a. III. Betriebsführung § 9 Abs. 1). Die Betriebsführungsleistung umfasst danach die gesamte technische Betriebsführung des Wasserversorgungsnetzes von der Übernahme des Trinkwassers bis zur Bereitstellung beim Wasserverbraucher und schließt die technische Betreuung des Pachtgegenstandes mit ein. Ferner erbringt die Beigeladene die gesamte kaufmännische Betriebsführung. Zu den Pflichten gehören insbesondere der Betrieb und die Verwaltung der technischen Anlagen, die Umsetzung von Investitions- und Instandhaltungsentscheidungen hinsichtlich dieser Einrichtungen, die Pflege und ständige Aktualisierung der für den Eigenbetrieb vorhandenen und künftigen Daten und Informationen, sowie die Unterstützung der Antragsgegnerin bei der Abwicklung des gesamten Kundenverkehrs, einschließlich der Unterstützung bei der Bearbeitung von Anträgen auf Anschluss eines Grundstückes und die Durchführung der gesetzlich oder behördlich vorgeschriebenen Kontrollen und Probenahmen. Dieser Pflichtenkatalog geht über die reinen Instandhaltungsleistungen eines Pächters ersichtlich hinaus. Auch das Leistungsentgelt richtet sich nach den von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen und differenziert nach Pacht- und Betriebsführungsentgelt. Schließlich widerspricht sich die Antragsgegnerin selbst, wenn sie vorträgt, die Beigeladene habe sich geweigert, den Pachtvertrag abzuschließen, wenn ihr nicht zugleich der Betriebsführungsauftrag erteilt werde und gleichzeitig die Auffassung vertritt, der Betriebsführungsvertrag enthalte nur unbedeutende Nebenvereinbarung.
b) Soweit die Vergabekammer gemeint hat, die Beschwerdegegnerin könne sich auf das Konzernprivileg berufen, (§ 120 Abs. 2 lit. o GWB), teilt der Senat diese Auffassung allerdings nicht.
aa) Zwar handelt es sich bei der Beigeladenen um ein €verbundenes Unternehmen€. Insoweit sind § 36 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 17, 18 AktG anwendbar. Da die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Beteiligung an der Beigeladenen einen Mehrheitsanteil hat, besteht die Vermutung für eine Beherrschung und damit für ein verbundenes Unternehmen, die von der Antragstellerin nicht widerlegt worden ist.
bb) Die Antragsgegnerin war jedenfalls im Zeitpunkt der Auftragserteilung kein Sektorenauftraggeber. Soweit sie bis zum 31.12.2010 die Trinkwasserversorgung der Beigeladenen vollständig übertragen hatte, war sie nicht selbst auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung tätig. Dafür reicht es nicht aus, dass die Gemeinden nach dem Hessischen Wassergesetz die Verpflichtung zur Wasserversorgung auf private Dritte übertragen können. Nach der Legaldefinition in der Anlage zu § 98 Nr. 4 GWB sind Tätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung das Bereitstellen und Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Transport oder der Verteilung von Trinkwasser sowie das Versorgen dieser Netze mit Trinkwasser. Bereitstellen ist die Errichtung, Unterhaltung und Instandsetzung der Versorgungsnetze, unter den Begriff des Betreibens fällt die eigentliche Versorgungsleistung (Diehr a.a.O. Anl. zu § 98 Nr. 4 GWB, Rn. 6). Ein Unternehmen muss € wie der Wortlaut und die Aufzählung verschiedener Betätigungsbereiche zeigen € mindestens in einem der Bereiche aktuell und aktiv tätig sein (Dreher a.a.O. § 98 Rn. 166). Erfasst werden daher nur die klassischen Wasserversorgungsunternehmen, die sich unmittelbar selbst als Versorger betätigen, nicht jedoch diejenigen öffentlichen Stellen, die ihre Verpflichtung zur Wasserversorgung an private Dritte übertragen haben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.2010, Verg 19/10; VK Münster, Beschl. v. 7.10.2010 VK 6/ 10 € bei ibr-online).
Dem entspricht es auch, dass im Auftraggeberverzeichnis im Anhang III der Sektorenrichtlinie (2004/17 EG), das einen wichtigen Anhaltspunkt dafür bietet, ob es sich um einen Sektorenauftraggeber handelt (Dippel in: Hattig/Maibaum a.a.O. § 98 Rn. 148) als Auftraggeber in der Wasserversorgung kommunale Eigen- oder Regiebetriebe und privatrechtlich organisierte Unternehmen genannt werden, nicht aber Kommunen, die ihre hoheitliche Verpflichtung auf private Dritte übertragen haben.
Hat die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Pacht- und Betriebsführungsvertrages am €.2010 keine Tätigkeit im Bereich der Trinkwasserversorgung ausgeübt hat, so kann sie sich nicht auf das Konzernprivileg des § 100 Abs. 2 lit. o) GWB berufen. Das gilt unbeschadet des Umstands, dass der Vertrag erst mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, weil es entscheidend darauf ankommt, dass der Auftraggeber im Zeitpunkt der Auftragserteilung aktuell eine der in der Anlage zu § 98 Nr. 4 GWB aufgeführten Tätigkeiten ausübt. Ob die Antragsgegnerin seit 1.1.2011 eine solche Tätigkeit ausübt und es dafür ausreicht, dass sie die Betriebsführung vollständig auf ein anderes Unternehmen überträgt, kann deshalb dahin gestellt bleiben. Denn die eng auszulegende und nicht analogiefähige Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 lit. o) GWB ist nicht auf den Fall zugeschnitten, dass der Auftraggeber seine Tätigkeit im Bereich der Wasserversorgung erst durch die Auftragserteilung als solche erlangt. Das ergibt sich schon aus dem Erfordernis, dass 80% des von dem verbundenen Unternehmen während der letzten drei Jahre in der Europäischen Union erzielten Umsatzes im entsprechenden Dienstleistungssektor aus der Erbringung dieser Leistungen für den mit ihm verbundenen Auftraggeber stammen müssen. Zwar kann bei neu gegründeten Auftragsnehmern auch eine Prognose genügen. Die Beigeladene war jedoch kein neu gegründetes Unternehmen und es würde nach Auffassung des Senats dem Ausnahmecharakter der Bestimmung nicht mehr gerecht, wenn es für ihre Anwendung genügen würde, dass der Auftraggeber selbst erst nach der Auftragserteilung als Sektorenauftraggeber tätig wird. Vor diesem Hintergrund kann dahin stehen, ob die Antragsgegnerin aufgrund der vorgenommenen Umstrukturierung seit 1.1.2011 selbst eine Tätigkeit im Bereich der Wasserversorgung ausübt.
cc) Darüber hinaus ist die Erreichung des Umsatzkriteriums fraglich. Bei der Frage, wie die 80% - Grenze zu ermitteln ist, werden € soweit ersichtlich € drei Berechnungsmethoden vertreten (Greb, VergabeR 2009, 140, 143). Der Wortlaut der Bestimmung besagt indes eindeutig, dass der Gesamtumsatz anhand der in Frage stehenden Dienstleistungen zu ermitteln ist. Das folgt auch aus dem Erwägungsgrund 32 der Richtlinie 2004/17 EG, der besagt, dass die Freistellung für bestimmte Dienstleistungsaufträge erfolgt, die an ein verbundenes Unternehmen vergeben werden, dessen Haupttätigkeit darin besteht, diese Dienstleistungen €der Unternehmensgruppe bereitzustellen, der es angehört. Damit sind stets die konkret nachgefragten, bestimmbaren Leistungen bei der Berechnung der 80% - Grenze zugrunde zulegen (vgl. Greb a.a.O.). Deshalb muss es sich um Dienstleistungen handeln, die mit der konkret nachgefragten Dienstleistung vergleichbar sind (Greb a.a.O; m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die Antragsgegnerin hat an Dienstleistungen der Beigeladenen in den Jahren 2007 € 2009 aufgeführt €Betriebsführung für die Gasversorgung € GmbH€ und gegenüber der Antragsgegnerin €Betriebsführung städtischer Bäder, Kanalinkasso.€ Die jetzt nachgefragte Dienstleistung €Betriebsführung der städtischen Wasserversorgung€ hat die Beigeladene bislang nicht erbracht. Am ehesten vergleichbar wäre die Dienstleistung € Betriebsführung für die Gasversorgung O2€, die aber nicht 80% des mit dieser Dienstleistung erzielten Umsatzes ausmacht. Die Betriebsführung städtischer Bäder und Kanalinkasso sind dagegen nicht mit der ins Auge gefassten Dienstleistung vergleichbar.
Wegen der fehlenden Analogiefähigkeit kann die Beigeladene auch nicht wie ein Unternehmen behandelt werde, das noch keine drei Jahre besteht und auf die für solche Fälle zulässige Prognose abgestellt werden.
Ungeachtet dessen neigt der Senat auch zu der Auffassung, dass diejenigen Umsätze, die die Beigeladene außerhalb der Wasserversorgung im freien Wettbewerb erzielt, nicht außer Acht gelassen werden dürfen, denn es greifen hier die gleichen Erwägungen ein wie bei einer In-house-Vergabe. Es spricht deshalb nach Auffassung des Senats viel für die Auslegung, dass der Auftragnehmer 80% seines Gesamtumsatzes mit der konkret nachgefragten Dienstleistung erzielen müsste. Dass sich Unternehmen auf das Konzernprivileg berufen können, obwohl der Auftragnehmer seinen Umsatz zum weit überwiegenden Teil mit ganz anderen Leistungen im freien Wettbewerb erzielt, erscheint mit dem Grundgedanken der Ausnahmeregelung nicht vereinbar, weil nach dem Erwägungsgrund 32 der Richtlinie (SKR) 2004/17 nur solche Unternehmen erfasst werden sollen, deren Haupttätigkeit darin besteht, diese Dienstleistungen der Unternehmensgruppe zur Verfügung zu stellen, der es angehört. Bezogen auf die Umsätze der Beigeladenen handelt es sich bei der Belieferung von Kunden in O1 mit Wasser um eine unbedeutende Nebentätigkeit.
3.
Schließlich fehlt es auch nicht deshalb an einem öffentlichen Auftrag, weil es sich bei der durchgeführten Rekommunalisierung nur um eine vergaberechtlich nicht relevante Vertragsänderung handelt.
a) Bei der Frage, ob die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Wasserversorgung einen ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrag vergeben hat, ist zwar zu berücksichtigen, dass die Wasserversorgung bislang schon von der Beigeladenen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auf der Grundlage eines seit 1994 bestehenden Konzessionsvertrages ausgeführt wurde. Dieser Vertrag hatte eine Laufzeit bis 2014 und hätte sich, sofern er nicht von einer Vertragspartei bis spätestens Ende 2012 gekündigt worden wäre, um weitere fünf Jahre verlängert. Bei der Beauftragung der Beigeladenen mit der Betriebsführung handelte es sich der Sache nach deshalb nicht um einen erstmaligen Auftrag, sondern im Wesentlichen um die Fortführung der bisherigen Tätigkeit auf anderer Rechtsgrundlage.
Davon geht letztlich auch die Beschwerdeführerin aus, wenn sie meint, Ziel der Umstrukturierung sei es ausschließlich gewesen, die privatrechtlich organisierte Wasserversorgung in O1 der Aufsicht der Kartellbehörde zu entziehen. In der Sache und an der Aufgabenverteilung zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen habe sich jedoch tatsächlich nichts ändern sollen.
Es liegt deshalb nahe zu prüfen, ob die Beauftragung der Beigeladenen nach den Grundsätzen und Regeln zu bewerten ist, die in der Rechtsprechung für die Änderung bestehender Verträge anerkannt sind. Zwar handelt es sich bei formaler Betrachtung nicht um einen einzelnen Vertrag, der von den Beteiligten während seiner Laufzeit geändert wurde. Die Beteiligten haben mit dem Pacht- und Betriebsführungsvertrag vielmehr einen vollständig neuen Vertrag geschlossen und den bis dahin einzigen bestehenden (Konzessions-)Vertrag "angepasst". Entscheidend bleibt aber, ob und inwieweit sich dadurch inhaltliche Änderungen gegenüber dem bisher bestehenden "Auftragsverhältnis" ergeben, die als eine neue Auftragserteilung zu werten sind.
b) Nach der Rspr. des EuGH sind Änderungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen erkennen lassen. Wesentliche Vertragsbestimmungen in diesem Sinn sind vor allem die Vertragsparteien, der Leistungsinhalt, das Entgelt sowie die Laufzeit und die Kündigungsmöglichkeiten (EuGH, Urteil v. 19.6.2008, C 454/06 - Pressetext").
Eine Auswechslung der Vertragsparteien hat vorliegend nicht stattgefunden. Geändert haben sich jedoch der Leistungsinhalt und das Entgelt, wobei es eine - vergaberechtlich beachtliche - Leistungsänderung darstellt, wenn der Auftrag auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert wird. Zwar sieht der Betriebsführungsvertrag eine Reihe zu erbringender Dienstleistungen vor, deren Benennung aber nur deshalb erforderlich geworden ist, weil eine Aufzählung der einzelnen Pflichten und Lasten der Beigeladenen nicht erforderlich war, solange die Beigeladene die Wasserversorgung eigenständig im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht hat. Damit enthält der Betriebsführungsvertrag in der Sache nichts anderes als eine Beschreibung derjenigen Leistungen, die die Beigeladene schon bislang - wenngleich als selbständiges Unternehmen - erbracht hat.
Gleichwohl ist nicht von einer vergaberechtlich unbedeutenden Vertragsänderung auszugehen. Eine Vertragsänderung stellt jedenfalls dann eine Neuvergabe dar, wenn die Abänderung bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Neuvergabe gleichkommt (Eschenbruch a.a.O.§ 99 Rn. 96; Ganske a.a.O. § 99 Rn. 25 m.w.N.). Ob insoweit hinsichtlich des Entgeltes bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Änderung zugunsten der Beigeladenen eintritt, kann der Senat mangels Vergleichbarkeit des vertraglich festgelegten Leistungs- und Pachtentgeltes mit den früher erzielbaren Umsätzen nicht abschließend beurteilen. Jedoch ist daran zu erinnern, dass die Änderung des Entgelts während der Laufzeit eines Vertrages, wenn sie nach den Bedingungen des ursprünglichen Vertrages nicht ausdrücklich erlaubt ist, die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter in sich birgt (EuGH, VergabeR 2008, 758 - pressetext). Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht festzustellen, dass es sich bei der Festlegung des Entgeltes für die Betriebsführung um eine unwesentliche Änderung der ursprünglichen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien handelt, die das vertragliche Äquivalenzverhältnis nicht verschiebt. Es kommt hinzu € und dies ist wesentlich - .dass die Vertragsparteien für den neuen Pacht- und Betriebsführungsvertrag eine Laufzeit gewählt haben, die über den 2014 endenden Konzessionsvertrag um ein Jahr hinaus geht und das von der €Vertragsverlängerung€ um ein Jahr erfasste Auftragsvolumen allein den vergaberechtlichen Schwellenwert um ein Vielfaches überschreitet.
Zwar war im Konzessionsvertrag eine Verlängerungsoption vorgesehen, nach der sich der Vertrag um fünf Jahre verlängert, wenn er nicht von einer der Parteien gekündigt würde. Ein Änderungsvertrag, durch den der Auftrag nicht nur verlängert, sondern auch in erheblicher Weise beim Leistungsumfang und Entgelt geändert wird (OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 210; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001, Verg 3/01) kommt jedoch einer Neuvergabe gleich. Nach allem kann nicht von einer nur unwesentlichen, vergaberechtlich nicht relevanten Vertragsänderung die Rede sein.
4.)
Die Vergabekammer ist im Übrigen zu Recht von der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ausgegangen. Auf die Ausführungen Seite 9 f. unter 1.1. bis 1.3. des angefochtenen Beschlusses kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.
a) Insbesondere hat die Vergabekammer zutreffend angenommen, dass die Antragstellerin einen Schaden gemäß § 107 Abs. 2 GWB dargelegt hat. In Fällen, in denen der Auftraggeber zu Unrecht kein Vergabeverfahren durchgeführt hat (unzulässige Direkt- oder de-facto-Vergabe) ist die Antragsbefugnis eines Unternehmens, das sich dagegen zur Wehr setzen will, grundsätzlich gegeben (BGH, VergabeR 05, 328; Reidt a.a.O. § 107 Rn. 17). Interesse am Auftrag im Sinne von § 107 Abs. 2 GWB besteht bei jedem Unternehmen, das an dem Vergabeverfahren teilgenommen hätte, d. h. das grundsätzlich zur Erbringung der betroffenen Leistung in der Lage ist (Müller-Wrede/Ruhland, GWB-VergR, § 107, Rn. 7).
Der Nachprüfungsantrag ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht mangels eines Schadens unzulässig, weil im Falle seines Erfolges der gesamte Pacht- und Betriebsführungsvertrag unwirksam wäre, die Antragsgegnerin damit nicht über die Einrichtungen der Wasserversorgung im Rahmen des Pachtvertrages verfügen und infolgedessen auch keinen (isolierten) Betriebsführungsvertrag ausschreiben könnte, sondern es bei der bisherigen Form der Wasserversorgung belassen müsste.
Konkret will die Antragsgegnerin damit geltend machen, der Antragstellerin könne durch die unterbliebene Ausschreibung so oder so kein Schaden entstanden sein. Dieser Einwand greift nicht durch. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast darf insoweit nicht überspannt werden. Dafür, dass der Antragstellerin infolge der Missachtung von § 97 Abs. 1 GWB zumindest ein Schaden zu entstehen droht, genügt, dass der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen. Das kann im Streitfall nicht zweifelhaft sein, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einem geregelten Vergabeverfahren, das unter für alle Bieter gleichen Bedingungen stattgefunden hätte, die Antragstellerin den Zuschlag hätte erhalten müssen (BGH, VergR 05, 330 unter 2.). Würde die Nichtigkeit der Auftragsvergabe an die Beigeladene wegen einer de € facto € Vergabe festgestellt, könnte sich die Antragstellerin an einer neuen Ausschreibung beteiligen. Ob es zu einer neuen Ausschreibung kommt, ist im Rahmen der Schadensdarlegung dagegen unerheblich. Die Entscheidung darüber, ob er im Falle eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens an seinem Beschaffungsvorhaben festhält, steht grundsätzlich dem Auftraggeber zu. Allein mit der Behauptung, keine erneute Ausschreibung durchführen zu wollen, kann der Auftraggeber die Darlegung eines möglichen Schadens im Nachprüfungsverfahren nicht entkräften, solange eine Ausschreiben jedenfalls theoretisch möglich wäre.
b) Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 GWB kann auf die Ausführungen der Vergabekammer unter 1.3., 1.4. verwiesen werden.
c) Der Schwellenwert wird deutlich überschritten. Das vertraglich vereinbarte Pacht- und Betriebsführungsentgelt beträgt mehr als 4 Mio. EUR jährlich.
Nach allem ist der Nachprüfungsantrag zulässig.
B.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.
Die Antragsgegnerin kann sich, da sie jedenfalls im Zeitpunkt der Auftragsvergabe keine Sektorentätigkeit ausübte, nicht auf § 6 Abs. 2 Nr. 3 SektVO berufen. Gem. § 4 Abs. 1 VgV haben Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 GWB bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen aber die Bestimmungen des 2. Abschnittes der VOL/A zu berücksichtigen.
a) Gem. § 3 a Nr. 2 lit. c) VOL/A können Auftraggeber einen Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Öffentliche Bekanntmachung vergeben, wenn der Auftrag wegen seiner technischen oder künstlerischen Besonderheiten oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden kann. Die Vorschrift stimmt im Wesentlichen mit § 6 Abs. 2 Nr. 3 SektVO überein.
Zu den in § 3a VOL/A bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 3 SektVO erwähnten Ausschließlichkeitsrechten zählen auch das Eigentum und eigentumsähnliche Rechte (Kaelble in Müller € Wrede, VOL/A 2.Aufl. § 3a Nr. 1 € 3 Rn. 182; Müller € Wrede in: Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Aufl. § 3 a Rn. 47). Die Voraussetzungen der Bestimmung sind erfüllt, wenn der Auftraggeber seinen Beschaffungsbedarf nur mit dem nämlichen Schutzrecht oder Eigentum oder jedenfalls unter dessen Zuhilfenahme decken kann (OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 175).
In diesen Fällen ist die Verknüpfung des Auftrages mit einem bestimmten Unternehmen eine rechtliche Notwendigkeit bzw. bildet das Ausschließlichkeitsrecht ein rechtliches Hindernis bei der Vergabe an ein anderes Unternehmen. Ausschließlichkeitsrechte von Unternehmen können auch in einer behördlichen Genehmigung oder langfristig bindenden Verträgen begründet sein (Kulartz in: Kulartz/Marx/Potz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 3a Rn. 91).
b) So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin kann sich zu Recht darauf berufen, dass der Pacht- und Betriebsführungsvertrag nur mit der Beigeladenen abgeschlossen werden konnte, da nur sie als Eigentümerin über die technischen Einrichtungen zur Wasserversorgung im Gemeindegebiet der Stadt O1 verfügt.
Die Antragsgegnerin musste deshalb die im Eigentum der Beigeladenen stehenden Einrichtungen der Wasserversorgung anpachten, wenn sie künftig wieder selbst als Eigenbetrieb auf dem Gebiet der Wasserversorgung tätig werden wollte.
Soweit die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin hätte einen isolierten Pachtvertrag mit der Beigeladenen abschließen und einen Betriebsführungsauftrag vergeben können, berücksichtigt sie nicht, dass die Beigeladene nach dem noch (mindestens) bis 2014 laufenden Konzessionsvertrag Eigentümerin der Einrichtungen der Wasserversorgung und zur Wasserversorgung als eigenständisches Unternehmen berechtigt war. Die Antragsgegnerin hätte deshalb frühestens beim Auslaufen des Konzessionsvertrages aufgrund einer Kündigung die Möglichkeit gehabt, das Eigentum an den der Wasserversorgung dienenden Anlagen zu erlangen.
Um das von ihr beabsichtigte neue Versorgungskonzept zeitnah umsetzen zu können, lag es daher nahe, die Einrichtungen zu pachten. Denn es steht einer Tätigkeit im Bereich der Wasserversorgung nicht entgegen, dass die betriebenen Netze nur gepachtet oder geleast sind (Dippel a.a.O. § 98 Rn. 142 m.w.N.). Die Antragstellerin hat jedoch unbestritten vorgetragen, die Beigeladene sei zum Abschluss des Pachtvertrages nur unter der Voraussetzung bereit gewesen, dass sie mit der Betriebsführung beauftragt werde. Eine solche Verknüpfung war aus der Sicht der Beigeladenen interessegerecht und legitim, da sie ihrerseits auf der Einhaltung des Konzessionsvertrages bestehen durfte und etwaige Änderungen des Vertrages daher von dieser Bedingung abhängig machen konnte. Weder hatte die Beigeladene Anlass, vorzeitig auf die Erfüllung des Konzessionsvertrags und ihr Eigentum an den Versorgungseinrichtungen zu verzichten, noch musste die Antragsgegnerin sie zu einer vorzeitigen Aufgabe ihres Eigentums oder zum Abschluss eines isolierten Pachtvertrag aufgrund ihres beherrschenden Einflusses bewegen.
c) Zwar meint die Antragstellerin, die Antragsgegnerin hätte aufgrund ihrer Anteilsmehrheit den Abschluss eines isolierten Pachtvertrages mit der Beigeladenen durchsetzen können. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein Mehrheitsgesellschafter treuwidrig handeln würde, wenn er gegen die Interessen der Gesellschafterminderheit die Geschäftsführung zu Leistungen der Gesellschaft veranlasst, denen keine gleichwertigen Gegenleistungen gegenüber stehen (BGHZ 65, 15; Schmiegelt/Gerber in Beck€sches Handbuch der GmbH, 4. Aufl., § 3 Rn. 30). Es ist nicht ersichtlich, dass mit einem nahezu vollständigen Verzicht der Beigeladenen auf Rechte und Ansprüche aus dem Konzessionsvertrag eine gleichwertige Gegenleistungen verbunden gewesen wäre. Die Beigeladene setzte mit der Wasserversorgung in O1 rund 6 Mio. EUR um. Das Entgelt für die Betriebsführung haben die Parteien mit rund 4,2 Mio. EUR bestimmt. Hätte die Beigeladene sich bereit erklärt, vorzeitig auf das Eigentum an den Anlagen und Einrichtungen der Wasserversorgung zu verzichten oder einem isolierten Pachtvertrag zugestimmt, hätte sie Umsätze in entsprechender Größenordnung verloren, ohne dass dem für sie entsprechende Vorteile gegenüber gestanden hätten.
Auch wenn man davon ausgeht, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene konzernverbundene Unternehmen sind und bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages auch nachteilige Weisungen an das beherrschte Unternehmen erteilt werden könnten, müssten diese zumindest den Belangen des herrschenden Unternehmens dienen (Vogt in: Beck€sches Handbuch der GmbH a.a.O. § 17 Rn. 47). Auch diese Voraussetzung liegt nicht vor, weil die Antragsgegnerin als beherrschende Gesellschaft durch den Abschluss eines isolierten Pachtvertrages mit und den Verzicht der Beigeladenen auf den Abschluss eines Betriebsführungsvertrages keine erkennbaren wirtschaftlichen Vorteile erzielt hätte.
Ungeachtet der konkret bestehenden Weisungsbefugnisse ist auch ein öffentlicher Auftraggeber aber weder berechtigt und erst recht verpflichtet, sich dadurch über bestehende Verträge hinwegzusetzen, dass er im Konzernverbund nachteilige Weisungen im Interesse außen stehender Dritter erteilt, um auf diese Weise eine öffentliche Ausschreibung zu ermöglichen.
c) Etwaige Dokumentationsmängel hat die Antragstellerin nicht gerügt. Es ist angesichts der konkreten Situation auch nicht ersichtlich, dass sie sich auf die Rechtsstellung des Antragstellers nachteilig ausgewirkt haben könnten.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 120 Abs. 2, 78 GWB. Da die Antragstellerin unterliegt, entspricht es der Billigkeit, ihr die Kosten einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin zu erstatten. Da sich die Beigeladene am Verfahren nicht beteiligt hat, hat sie keinen Anspruch auf Erstattung von Auslagen.
Der Gegenstandswert war gem. § 50 Abs. 2 GKG in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme festzusetzen. Zugrunde zu legen war nach der vorherrschenden Rechtsprechung der Vergabesenate der Auftragswert der gesamten Vertragslaufzeit einschließlich der Verlängerungsoption. Da sich der Betriebsführungsvertrag nach einer Laufzeit von 5 Jahren mangels Kündigung durch eine Vertragspartei um weitere 5 Jahre verlängert, war der Bruttoauftragswert der 10-jährigen Laufzeit zugrunde zu legen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.11.2008, Verg 45/08 € juris; KG, Beschl. v. 02.12.2009 2 Verg 8/09; Beschl. v. 12.07.2010, 2 Verg 3 und 4/ 10 jew. bei juris).
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 30.08.2011
Az: 11 Verg 3/11
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