Landgericht Kiel:
vom 28. Juli 2006
Aktenzeichen: 14 O Kart 176/04

(LG Kiel: v. 28.07.2006, Az.: 14 O Kart 176/04)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten auf dem Flughafen ... gemäß der dort geltenden Entgeltordnung vom 01.10.2002 wirksam ab 01.12.2002 erhobenen Entgelte für das Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie die Nutzung von Fluggasteinrichtungen unbillig und damit unverbindlich für die Klägerin sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, ihr Auskunft zu erteilen über die Art, den Umfang, die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2000 bis 2004 von der Beklagten an die Luftverkehrsgesellschaft ...) gezahlten Beträge und erbrachten Leistungen in Form von

- "Marketing Support",

- einmaligen Anreizzahlungen für die Aufnahme von neuen Flugverbindungen,

- Bereitstellung/Gewährung von bevorzugten Leistungen/Diensten im Zusammenhang mit der Flugdurchführung/-abfertigung und Abwicklung, Verkauf, Administration, Nutzung von Flughafeneinrichtungen,

- Beteiligungen an Kosten für

- Anschaffung von Ausstattung,

- Hotel und Verpflegung für das Personal von ...

- Einstellung und Ausbildung der Piloten und Besatzungen von ... ,

- weitere Ermäßigungen der regulären Flughafenentgelte gegenüber der Entgeltordnung der Beklagten vom 01.10.2002 und

- sonstigen Zahlungen oder Leistungen ohne angemessene Gegenleistung, die auf Grund eines Individualvertrages mit der Fluggesellschaft ... entrichtet bzw. erbracht worden sind.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,00.

Tatbestand

Die Klägerin wurde im Frühjahr 1979 als private und unabhängige Fluggesellschaft gegründet. Sie führt Fluglinienverkehr durch innerhalb Deutschlands, sowie von/nach Deutschland zu einer Vielzahl europäischer und außereuropäischer Zielflughäfen. So bietet sie u.a. auch Flugverbindungen von und nach Hamburg-Fuhlsbüttel an.

Die Beklagte ist Betreiberin des Verkehrsflughafens ... . Alleinige Gesellschafterin der Beklagten war gemäß Gesellschaftsvertrag vom 22./23.08.1995 die ... (Anlage K7). Zwischen der ... und der Beklagten war im Jahre 1978 ein Unterschussdeckungsvertrag abgeschlossen worden, nach dem die ... die in der Jahresrechnung der Beklagten ausgewiesenen Verluste nach Maßgabe des städtischen Haushaltsplans vollumfänglich auszugleichen hatte.

Mit Vertrag vom 07.12.2005 hat ein privater Investor - die Fa. ... . ( im Folgenden : ... ) - rückwirkend zum 1.1.2005 90% der Anteile an der Beklagten übernommen. Die ... blieb mit 10% Gesellschafterin.

Die Klägerin beanstandet die Entgelte, die für die Nutzung des Flughafens ... erhoben werden. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hatte die zum 01.12.2002 in Kraft getretene Entgeltordnung Gültigkeit. Sie ist am 28.10.2002 vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein genehmigt worden. Die Nutzer des Flughafens können zwischen 2 Tarifen wählen. Der Tarif 1 sieht neben einem Landeentgelt, das für jede Landung eines Flugzeugs zu entrichten war, ein Passagierentgelt vor, das sich nach der Zahl der bei der Landung des Flugzeuges an Bord befindlichen Fluggäste bemisst. Es beträgt je Fluggast im Pauschalflugreiseverkehr € 4,10 und im Linien- und linienähnlichen Verkehr € 6,20. Der Tarif 2 stellt ein kombiniertes Lande- und Startentgelt dar, das sich nach der Zahl der bei der Landung und/oder des Starts des Flugzeuges an Bord befindlichen Fluggäste bemisst. Es beträgt je Fluggast € 8,00. Bezüglich der Einzelheiten dieser Entgeltordnung wird auf die Anlage K24 verwiesen.

Im Jahre 2000 nahm die ... (im Folgenden ... ) den Flugbetrieb vom Flughafen ... auf. ... schloss mit der Beklagten am 29.05.2000 einen Individualvertrag, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Die Klägerin geht davon aus, dass ... durch die Beklagte im Rahmen dieses Vertrages Vergünstigungen eingeräumt wurden, die anderen Fluglinien verwehrt werden.

Der Flughafen ... verzeichnete in den Jahren 1999 bis 2004 das folgende Passagieraufkommen:

1999

58.522

2000

142.586

2001

192.726

2002

244.684

2003

514.684

2004

578.399

Die Bilanzen der Beklagten wiesen in diesen Jahren durchgehend Verluste auf. Diese betrugen im Einzelnen:

1999

€ 745.611,42

2000

€ 999.474,87

2001

€ 2.174.983,58

2002

€ 2.493.688,10

2003

€ 3.555.554,90

2004

€ 3.476.809,16

Gem. Anlagen zu den Jahresabschlüssen 2002 sowie 2003 hat die Beklagte Einnahmen aus Landeentgelten von ... , die sich für den Tarif 2 der Entgeltordnung entschieden hatte, in Höhe von € 87.556,70 bzw. € 245.925,68 erzielt.

Die Klägerin behauptet, sie plane die Bedienung von regelmäßigen Flugverbindungen von und nach ... , sehe sich aber daran wegen der Erhebung unbilliger Entgelte durch die Beklagte und einer Bevorzugung der Konkurrentin ... gehindert. Als deutsche Fluggesellschaft prüfe sie ständig die Möglichkeiten der Aufnahme von Flügen von neuen deutschen Flughäfen und müsse dieses auch tun, um ihren Geschäfts/Flugbetrieb erweitern und neue Strecken anbieten zu können und so im aktuellen Streckenangebot erfolgreich im Markt vertreten zu sein. Das gelte für den Flughafen ... umso mehr, als sie bereits im norddeutschen Raum umfänglich tätig sei und auch bleiben wolle. Sie fliege aus Hamburg und habe Flüge zu gleichen Zielen, wie sie aus ... durchgeführt werden würden, nach teurer Flugaufnahme nach kurzer Zeit einstellen müssen, da sie sich angesichts der massiven Vorteilsgewährungen der Beklagten an ... im nahegelegenen ... nicht wirtschaftlich durchführen ließe. Das betreffe konkret Flüge von/nach London und Mailand. Sie habe bei der unstreitigen Nutzung des Flughafens ... Entgelte nach der Entgeltordnung zahlen müssen. Demgegenüber habe ... auf Grund der - unstreitig auf 10 Jahre abgeschlossenen - Individualvereinbarung aus dem Jahre 2000 geringere Entgelte gezahlt. ... würden Auf Gund dieser Vereinbarung Mengenrabatte eingeräumt, die die Entgeltordnung - unstreitig - nicht vorsehe. Auf Gund der Passagierzahlen hätte ... im Jahre 2003 € 2.006.88,00 zahlen müssen. Tatsächlich habe ... nur € 245.925,00 gezahlt. Ihr sei deshalb in diesem Jahr ein Rabatt von € 1.760.162,32 eingeräumt worden. Pro Passagier wurden statt der in der Entgeltordnung vorgesehenen € 8,00 nur € 0,98 pro Passagier verlangt. Im Jahre 2002 sei ... ein Rabatt von € 678.219,30 eingeräumt worden, was einem Entgelt von nur € 0,91 pro Passagier entspreche. Neben der Einräumung von Rabatten habe die Beklagte in der Vergangenheit für die ... Leistungen in Form von Marketingsupport, einmaligen Anreizzahlungen für die Aufnahme von Flugverbindungen, Bereitstellung/Gewährung von bevorzugten Leistungen/Diensten im Zusammenhang mit der Flugdurchführung/Abfertigung und Abwicklung, Verkauf, Administration, Nutzung von Flughafeneinrichtungen, Beteiligungen an Kosten für Anschaffung von Ausstattung, Hotel und Verpflegung für das Personal und Einstellung und Ausbildung der Piloten und Besatzungen von ... erbracht. Die von der Beklagten erhobenen Entgelte - selbst nach der Entgeltordnung - seien nicht kostendeckend.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die von der Beklagten für die Nutzung des Flughafens geforderten Entgelte nicht der Billigkeit entsprächen, so dass sie unverbindlich seien. Sie, die Klägerin, habe als tatsächliche und potentielle Nutzerin des Flughafens ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Unverbindlichkeit der erhobenen Entgelte. Demnach sei die von ihr zu Antrag 1 erhobene Klage zulässig. Das im Rahmen der Feststellungsklage zu fordernde Rechtsverhältnis entstehe durch den Kontrahierungszwang, dem die Beklagte unterliege. Er sei die Grundlage für künftig entstehende vertragliche Beziehungen. Das Feststellungsinteresse könne sich auch auf das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und einem Dritten - hier ... - beziehen, wenn dies für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien von Bedeutung sei. Das sei hier der Fall.

Die von der Beklagten erhobenen Entgelte seien wegen der mit ... getroffenen geheimen intransparenten entgeltrelevanten Vereinbarungen unbillig. Die Individualvereinbarung stehe der Billigkeit entgegen. Sie, die Klägerin, sowie andere Luftfahrtunternehmen würden diskriminiert, weil sie Entgelte nach der Entgeltordnung zahlen müssten. Die Beklagte weiche bezüglich ... von dem vereinbarten Tarif 2 ab, indem Rabatte sowie andere geldwerte Leistungen eingeräumt bzw. erbracht werden würden. Die Beklagte sei nicht berechtigt, willkürliche Differenzierungen zwischen Interessenten zu treffen.

Die Klägerin ist ferner der Ansicht, einen Anspruch auf Auskunft bezüglich der gewährten Vorteile und auf zukünftige Unterlassung geltend machen zu können. Die der ... gewährten Vorteile bzw. die an sie vorgenommenen Zahlungen stellten ungenehmigte Beihilfen i.S.d. Artikel 87 EGV dar. Der Verstoß gegen Artikel 88 Abs. 3 Satz 3 EGV führe zur Nichtigkeit des mit ... geschlossenen Vertrages. Ein Wettbewerber könne die Erstattung der Beihilfe an den Beihilfegeber verlangen. Die Beklagte habe ... selektiv begünstigt, indem sie sie mit € 1.982.377,30 unterstützt habe. Die Höhe der Unterstützungsleistungen ergäbe sich aus den sonstigen betrieblichen Aufwendungen im Jahr 2003. Weitere Begünstigungen stellten die nicht kostendeckenden Flughafenentgelte dar. Die der Beklagten in der Vergangenheit entstandenen Verluste seien durch die Vergünstigen von ... nicht etwa durch die vorgenommenen Investitionen entstanden. Der Vertrag mit Fa. ... stelle keinen Nachweis der positiven Bewertung nach dem private Investortest dar. Im Übrigen sei die Frage, wer zukünftig als Gesellschafter tätig sein werde, für den Beseitigungsanspruch, der sich auf die Vergangenheit beziehe, ohne Relevanz. Der Vertrag mit ... stehe noch unter dem Vorbehalt, dass das Planfeststellungsverfahren im zweiten Anlauf erfolgreich durchgeführt werde. Sofern das nicht der Fall sei, habe sich die Beklagte verpflichtet, die Anteile zurückzunehmen. Auch sei Bedingung für die endgültige Übernahme der Anteile, dass bis zum Jahr 2008 1,2 Mio. Passagiere den Flughafen nutzen würden. Das sei nicht sicher, weil ... bei Entfallen erzwungener Subventionen auf andere Flughäfen ausweiche. Es gäbe demnach keine nahtlose Übernahme des Geschäftsmodells durch einen privaten Investor. Auf absehbare Zeit sei eine Rentabilität des Flughafens nicht erreichbar. Seit dem Jahr 2000 mache der Flughafen durchschnittlich einen jährlichen Verlust von € 3 Mio. Euro. Es bestehe kein solides Wirtschaftsmodell. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der mit ... geschlossene Beteiligungsvertrag nichtig sei. Selbst wenn eine Wirksamkeit vorliege, liege eine Beihilfegewährung auch nach dem Einstieg der I. vor, da die Beklagte durch öffentliche Mittel gefördert und diese an bestimmte Luftfahrtunternehmen weitergeleitet werden würden. Die Möglichkeit der Kaufpreisreduzierung in Höhe der zugelassenen Verluste bezwecke, dass I. auch zukünftig ... unterstütze.

Die Klägerin stützt ihre Auskunfts-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche auch auf §§ 19, 20, 33 GWB und §§ 3, 4 und 8 UWG.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die von der Beklagten auf dem Flughafen ... gemäß der dort geltenden Entgeltordnung vom 01.10.2002, wirksam ab 01.12.2002, erhobenen Entgelte für das Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie die Nutzung von Fluggasteinrichtungen unbillig und damit unverbindlich für die Klägerin sind;

2. Die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über die Art, den Umfang, die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2000 bis 2004 von der Beklagten an die Luftverkehrsgesellschaft ... gezahlten Beträge und erbrachten Leistungen in Form von

- "Marketing Support",

- einmaligen Anreizzahlungen für die Aufnahme von neuen Flugverbindungen,

- Bereitstellung/Gewährung von bevorzugten Leistungen/Diensten im Zusammenhang mit der Flugdurchführung/-abfertigung und Abwicklung, Verkauf, Administration, Nutzung von Flughafeneinrichtungen,

- Beteiligungen an Kosten für

- Anschaffung von Ausstattung,

- Hotel und Verpflegung für das Personal von ... .,

- Einstellung und Ausbildung der Piloten und Besatzungen ... von ... , ...

- weitere Ermäßigungen der regulären Flughafenentgelte gegenüber der Entgeltordnung der Beklagten vom 01.10.2002 und

- sonstigen Zahlungen oder Leistungen ohne angemessene Gegenleistung, die auf Grund eines Individualvertrages mit der Fluggesellschaft ... entrichtet bzw. erbracht worden sind.

3. Die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern.

4. Die Beklagte zu verurteilen, von der ... staatliche Beihilfen in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe zzgl. Zinsen für die in 2000 gewährten Beihilfen in Höhe von 7,08 % ab Auszahlung, für die im Jahr 2001 gewährten Beihilfen in Höhe von 6,69 % ab Auszahlung, für die im Jahr 2002 gewährten Beihilfen in Höhe von 6,54 % ab Auszahlung, für die im Jahr 2003 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,123 % seit Auszahlung und für die im Jahr 2004 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,12 % seit Auszahlung zurückzufordern.

5. Die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen in Form von

- €Marketing Support",

- einmaligen Anreizzahlungen für die Aufnahme von neuen Flugverbindungen

- Bereitstellung von Flughafeneinrichtungen, Gewährung von Leistungen/Diensten im Zusammenhang mit der Flugdurchführung/-abfertigung und Abwicklung, Verkauf, Administration ohne angemessene Gegenleistung,

- Beteiligungen an Kosten für

- Anschaffung von Ausstattung,

- Hotel und Verpflegung für das Personal von ... ,

- Einstellung und Ausbildung der Piloten und Besatzungen von ...

- weiteren Ermäßigungen gegenüber den regulären Flughafenentgelte lt. Entgeltordnung der Beklagten vom 01.10.2002 oder

- sonstigen Zahlungen oder Leistungen ohne angemessene Gegenleistung,

die auf Grund eines Individualvertrages mit der Fluggesellschaft ... , entrichtet bzw. erbracht worden sind, an diese zu gewähren, ohne dass diese Beihilfen zuvor nach Art. 88 Abs. 3 EG

- bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet und

- von dieser genehmigt wurden.

6. Die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen in Form der nicht die laufenden betrieblichen Gesamtaufwendungen der Beklagten (Material- und Personalaufwand, Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände, sonstige betriebliche Aufwendungen, Zinsen und ähnliche Aufwendungen, außerordentliche Aufwendungen, sonstige Steuern, bezogen auf den gesamten Flughafenbetrieb, unter Berücksichtigung aller aus dem Flughafenbetrieb erzielten Einnahmen) deckenden Gewährung von günstigen Flughafenentgelten gegenüber der Fluggesellschaft ... zu entrichten.

7. Der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 250.000,00 oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den Feststellungsantrag zu 1. wegen des Fehlens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses für unzulässig. Ein solches könne nicht schon darin gesehen werden, dass sie, die Beklagte, bezüglich der Nutzung einem Kontrahierungszwang unterliege, da es zum heutigen Zeitpunkt an einer hinreichenden räumlichen und tatsächlichen Konkretisierung der Beziehungen zwischen den Parteien fehle. Die Klägerin plane keine Flugverbindungen von und nach ... . Sie habe kein Feststellungsinteresse, da sie mit der begehrten Feststellung nicht die begehrte Planungssicherheit erreichen könne. Im Übrigen fehle ein Feststellungsinteresse wegen des Vorrangs der Auskunftsklage und der nachfolgenden Anträge zu 3. - 6. als Leistungsklage. Würde der Einwand der Nichtigkeit der Individualvereinbarung zutreffen und die Leistungsanträge auch im Übrigen begründet sein, wäre auch für ... lediglich die Entgeltordnung maßgebend. Der klägerseits vorgetragene Grund für die Unbilligkeit der Entgeltordnung wäre entfallen. Der Feststellungsantrag sei auch unbegründet. Allein der Abschluss einer Individualvereinbarung führe nicht dazu, dass die zutreffenden Entgelte nach der Entgeltordnung als unbillig anzusehen seien. Selbst bei von den öffentlichen Einrichtungen geschaffenen Regelwerken für die Nutzung oder Benutzung der Leistungen dieser Einrichtungen sei es zulässig, mit einzelnen oder Gruppen von Benutzern abweichende Regelungen zu treffen. Rabattgewährungen auf deutschen Flughäfen seien nicht unzulässig, solange Rabatte nicht zur sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen der Flughafennutzer führten. Das sei hier nicht der Fall. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie oder andere diskriminiert werden würden. Eine unterschiedliche Behandlung zwischen der Klägerin und ... wäre im Übrigen wegen der unterschiedlichen Anzahl der beförderten Personen gerechtfertigt. Für die gleiche Nutzung der Flughafeninfrastrukturen würden gleiche Entgeltbeträge verlangt, so dass keine diskriminierenden Handlungen vorlägen. Der Individualvertrag enthalte keine unzulässigen Konditionen. Die bloße Existenz eines Vertrages, der die Entgeltverordnung modifiziere, führe nicht zur Unbilligkeit. Die Beklagte behauptet, mit ... keine Individualvereinbarung über den Tarif 2 getroffen zu haben. Die im Jahre 2003 ausgewiesenen € 245.925,68 beträfen allein den Landeentgeltanteil. Hinzuzusetzen sei jedoch der Passagierentgeltanteil von € 796.768,50. Auch diese seien Einnahmen von ... aus dem Tarif 2. In der Gewinn-und Verlustrechnung sei nur der Saldo der geschäftlichen Beziehungen zwischen ihr, der Beklagten, und ... ausgewiesen. Den Einnahmen ständen Zahlungen an ... Auf Gund vertraglicher Verpflichtungen gegenüber. Die Verluste resultierten nicht aus zu niedrigen Entgelten oder Bevorzugungen von ... sondern aus den Investitionen, die man am Flughafen getätigt habe.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Auskunft gemäß Antrag zu 2. geltend machen könne, da ihr der Vertrag bekannt sei. Es fehle auch deshalb an einem Rechtsschutzinteresse, weil zwischen ihr, der Beklagten, und ... eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart worden sei. Die Beklagte könne einen möglichen Rückzahlungsanspruch gerichtlich gegen ... nicht durchsetzen. Es fehle an einer für den Auskunftsanspruch erforderlichen Sonderbeziehung zwischen ihr, der Beklagten, und der Klägerin. Sie habe ... r keine Beihilfe gewährt. Sie biete allen gleiche Bedingungen, die ein Passagiervolumen, das dem von ... entspricht, aufbringen. Sie wolle die Klägerin als Vertragspartnerin gewinnen. Diese wolle allerdings ihre Flugplatzeinrichtungen nicht nutzen. Den behaupteten Vorteilen zugunsten von ... ständen marktgerechte Gegenleistungen gegenüber. Auch ein Privater hätte den Vertrag mit ... geschlossen. Sie, die Beklagte, habe unter Inkaufnahme von Anfangsverlusten eine langfristige Rentabilitätsstrategie verfolgt, die von einem Privatinvestor weitergeführt werde. Das zeige sich deutlich an der Übernahme von 90% der Gesellschafteranteile durch die Fa. ... . Diese werde die Bindung mit ... noch intensivieren. ... l werde das bisher praktizierte Modell fortsetzen. ... sei keine Begünstigung zugekommen, die das Unternehmen nicht unter normalen Marktbedingungen erhalten hätte. Der Privat-Investor-Test sei hier anwendbar, da die Transparenz und Gleichbehandlung kein Tatbestandsmerkmal des Artikel 87 EGV sei. Sie biete anderen genau die Konditionen an, die auch ... gewährt werden würden. Diese Konditionen habe sie offen gelegt. Jetzt seien auch andere Fluggesellschaften bereit, zu den Konditionen von ... zu fliegen. So habe sie andere Fluggesellschaften für den Flughafen ... gewinnen können. Wegen des Gesellschafterwechsels liege in jedem Fall keine Beihilfe mehr ab dem 01.01.2005 - dem Zeitpunkt der Übernahme von 90 % der Anteile durch ... -vor. Das Recht, die Gesellschafteranteile der Stadt ... wieder anzudienen, setze kumulativ verschiedene Bedingungen voraus. Ob diese eintreten, stehe noch nicht fest.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrages beider Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und bezüglich der Anträge zu 1. und 2. begründet. Hinsichtlich der Anträge 3. bis 7. ist die Klage noch nicht entscheidungsreif.

1. Feststellungsantrag ( Antrag zu 1. )

a) Die Klage ist bezüglich des Feststellungsantrages zu 1. zulässig.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO muss sich die begehrte Feststellung auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis beziehen. Ein Rechtsverhältnis ist eine aus einem Lebenssachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von einer Person oder einer Gesellschaft zu einer anderen . Es muss hinreichend konkret bezeichnet sein, dass über seine Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft keinerlei Ungewissheit bestehen kann.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von der Beklagten auf dem Flughafen ... gemäß der dort geltenden Entgeltordnung vom 01.10.2002 erhobenen Entgelte für das Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie die Nutzung von Fluggasteinrichtungen unbillig und damit unverbindlich für sie, die Klägerin, sind. Zwar betreibt die Klägerin derzeit keinen regelmäßigen Linienbetrieb von und nach ... . Es kann auch offen bleiben, ob die Klägerin ernsthaft in Erwägung zieht, eine dauerhafte Flugverbindung aufzunehmen. Denn die Klägerin hat unstreitig bereits in der Vergangenheit Flugverkehr vom Flughafen ... aus durchgeführt. Das betrifft die Jahre 2001, 2002, 2003 und 2004. Es handelt sich um eine Vielzahl von Flügen nach Amsterdam, Palma de Mallorca, Berlin-Tegel, Erfurt, Berlin-Schönefeld, Antalya sowie Hamburg und Nürnberg. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut K47 verwiesen. Auch in Zukunft können Situationen eintreten, in denen die Klägerin den Flughafen - wie bisher - als Ausweichflughafen nutzen will oder nutzen muss. Unstreitig musste die Klägerin für die bisherige Inanspruchnahme der Leistungen der Beklagten ein Entgelt nach der Entgeltordnung aus dem Jahre 2002 entrichten. Die Klägerin hat ein wirtschaftliches Interesse daran, feststellen zu lassen, ob die bereits gezahlten Entgelte unbillig sind.

Ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis ist auch dem Umstand zu entnehmen, dass die Beklagte einem Kontrahierungszwang unterliegt. Die Beklagte hat allen privaten und gewerbsmäßigen Luftfahrern, die die hierfür erforderlichen öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zur Benutzung des Luftraumes erfüllen, die Benutzung der Flughafeneinrichtungen zu gestatten (BGH NJW 1999, 2378 f.). Die Beklagte dient auch als Privatrechtssubjekt wie ein beliehener Unternehmer einer öffentlichen Aufgabe. Wegen des bestehenden Kontrahierungszwanges steht es allein in der Entscheidung der Klägerin, Flugverkehr ab ... durchzuführen. Für die Bejahung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses reicht es aus, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klagerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Die Verpflichtung der Beklagten, mit der Klägerin aufgrund des Kontrahierungszwanges einen Vertrag abzuschließen, erzeugt ein vertragsähnliches Rechtsverhältnis, das dem durch Eintritt in Vertragsverhandlungen begründeten vergleichbar ist (BGH NJW RR 1994, 175, 176).

Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht - zumindest gegenüber der Klägerin - nicht nur ein latenter Kontrahierungszwang. Wie dargelegt, hat sie bereits die Flughafeneinrichtung der Beklagten genutzt. Sie hat auch im Übrigen einen Bezug zum norddeutschen Bereich. So fliegt sie z.B. Hamburg-Fuhlsbüttel an. Es geht nicht um irgendeine Fluggesellschaft, bei der völlig ungewiss ist, ob sie jemals in ... startet oder landet. Eine tatsächliche und räumliche Konkretisierung ist somit gegeben, eine weitergehende ist nach Auffassung der Kammer nicht zu fordern.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Feststellungsinteresse der Klägerin nicht der Vorrang der gestellten Leistungsanträge zu 3. und 4. entgegen. Von diesen Anträgen ist nicht der gleiche Streitstoff betroffen. Der mit dem Klagantrag zu 1. verfolgte Feststellungsantrag betrifft allein das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Er ist inhaltlich auf die Feststellung der Unbilligkeit und damit Unverbindlichkeit der Entgeltordnung der Beklagten gerichtet. Dieses Ziel kann mit der Leistungsklage nicht erreicht werden. Diese betrifft die Auskunftserteilung und Rückerstattung solcher Leistungen, die ... von der Beklagten erhalten haben soll. Mit der Rückforderung dieser Leistungen wird nicht zugleich der Klagantrag zu 1. erfüllt. Die mögliche Nichtigkeit einer Vereinbarung zwischen ... und der Beklagten wird in der Feststellungsklage nur inzident geprüft. Ihr Klageziel mit dem Antrag zu 1., die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit ihr gegenüber feststellen zu lassen, kann die Klägerin mit einer positiven Entscheidung über die Anträge zu 3. und 4. nicht erreichen.

b) Der Klagantrag zu 1. ist auch begründet.

§ 315 Abs. 3 BGB dient der Vertragskontrolle von Monopolen und anderen marktmächtigen Anbietern jedenfalls dann, wenn die Preise einseitig festgesetzt und nicht individuell ausgehandelt werden (BGH NJW RR 1990, 1204). Das ist hier der Fall. Die Beklagte hat von ihrem Recht bzw. ihrer Pflicht zum Erlass einer Entgeltordnung Gebrauch gemacht. Diese ist auch von der zuständigen Behörde genehmigt worden. Allein dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht die Annahme der Billigkeit der festgesetzten Entgelte. § 315 Abs. 2 BGB belässt der leistungsbestimmenden Partei einen weiten Spielraum bei der Festlegung der Konditionen. Entstehende Kosten können auf das Entgelt umgelegt, Gewinnchancen ausgeschöpft werden. Grundsätzlich sind auch Differenzierungen zwischen einzelnen Nachfragern möglich. Es muss jedoch ein sich aus der Sache ergebender Grund für eine Differenzierung in der Kostenstruktur vorhanden sein. Dazu ist eine Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen der Parteien zugrunde zu legen. Die Entgeltordnung der Beklagten aus dem Jahre 2002 ist insoweit nicht zu beanstanden, als dort eine Staffelung der Entgelte nach Lande-, Passagier-, kombinierten Lande- und Startentgelten sowie Zuschlägen vorgenommen wird. Für die Unterteilung der Preise in verschiedene Klassen, die zum einen tonnageabhängig, zum anderen lärmabhängig und zum dritten von der Tageszeit abhängig sind, bestehen sachliche Gründe wie z. B. die Intensität der Beanspruchung der Flughafeneinrichtungen, der Schutz vor Lärmmissionen für das Umfeld des Flughafens und die erhöhte Schutzbedürftigkeit zur Nachtzeit. Die Differenzierung ist insoweit durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

Die Ungleichbehandlung findet jedoch dort ihre Grenzen, wo zwischen verschiedenen Flughafennutzern willkürlich unterschieden wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass den Flughäfen eine Funktion der staatlichen Daseinsvorsorge zukommt (BGH Versicherungsrecht 1997, 710, 711). Die Beklagte als Betreiberin eines Flughafens hat im Privatrechtsverkehr mit ihren Benutzern die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns zu beachten. Dabei sind das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip aber auch das Transparenzgebot zu beachten.

Letzteres ist hier nicht der Fall. Unstreitig hat die Beklagte mit ... bei Aufnahme der Nutzung des Flughafens ... eine Individualabrede getroffen. Diese beinhaltete auch die Gewährung von Nachlässen auf die sich aus der Entgeltordnung ergebenden Beträge. So heißt es im Jahresabschluss der Beklagten aus dem Jahre 2003, dass €aufgrund der erhöhten Anzahl von ... -Flugverbindungen bereits seit 2003 vertragsgemäß ein Mengenrabatt gilt, so dass die Passagierentgelte nicht proportional zu den Passagierzahlen wachsen€ (Anlage K28).

Unstreitig hat sich ... für den Tarif 2 entschieden, d.h. sie hätte für das Start- und Landeentgelt jeweils € 8,00 pro Passagier zahlen müssen. Tatsächlich war das nicht der Fall. Bei den unstreitigen Passagierzahlen hätte sie im Jahr 2002 € 678.219,30 und im Jahre 2003 € 1.760.162,32 mehr einnehmen müssen als aus den jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnungen ersichtlich.

Selbst wenn - wie von der Beklagten behauptet - in den Zahlungen Passagierabfertigungsentgelte enthalten gewesen wären, würden die € 8,00 pro Passagier nicht erreicht. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Passagierabfertigungsentgelte im Jahre 2003 € 796.768,50 ausgemacht hätten. Insofern sei eine Zahlung von ... in Höhe von insgesamt € 1.042.694,18 anzusetzen. Bei einem Passagieraufkommen von 250.761 hätte die Beklagte allerdings € 2.006.088,00 einnehmen müssen.

Nachdem eine Rabattgewährung zunächst von der Beklagten in Abrede gestellt worden ist, räumt sie eine solche nunmehr ein. Sie hält sich jedoch für berechtigt, solche gewährt zu haben. Im Rahmen der Ausführungen im Schriftsatz vom 14.06.2006 zu dem (später zu erörternden) Privat-Investor-Test betont die Beklagte, der neue Mehrheitsgesellschafter führe die Geschäftspolitik der Beklagten entschieden fort. Einen Beleg für die Fortführung des Geschäftsmodells sei die neue Entgeltordnung, die ein Rabattsystem für den Transport von Passagieren enthalte, mit denen gerade Billigfluggesellschaften dazu angeregt werden sollten, sich auf dem Flughafen ... zu engagieren oder ihre Zusammenarbeit mit dem Flughafen ... zu vertiefen. Mit dieser Entgeltordnung werde somit das bereits seit Jahren verfolgte Geschäftsmodell der Beklagten bestätigt.

Dieses hat demnach bereits die Gewährung von Rabatten beinhaltet. Dem Gebot der Transparenz hätte die Beklagte nur dann genügt, wenn dieses Rabattsystem bereits in der seit dem Jahre 2002 gültigen Entgeltordnung enthalten gewesen wäre. Das jedoch war nicht der Fall. Es muss genau zu erkennen sein, unter welchen Voraussetzungen Vorzugspreise gewährt werden. Generell ist gegen eine Rabattgewährung durch Flughafenbetreiber nichts einzuwenden, sofern diese nicht einzelne Nutzer diskriminiert und nicht gezielt andere Nutzer bevorteilt. Die Kriterien für eine Rabattgewährung müssen jedoch in der Entgeltordnung selbst niedergelegt sein. Sofern das nicht der Fall ist, die Beklagte vielmehr Rabatte lediglich in Individualverträgen, die Mitbewerbern nicht bekannt sind, vereinbart, sind die erhobenen Entgelte intransparent, diskriminierend und somit unbillig i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB.

Unberücksichtigt bleiben muss der von der Beklagten nach der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2006 vorgetragene Umstand, dass zum 15.06.2002 eine neue Entgeltordnung in Kraft getreten ist, die nunmehr die Möglichkeit der Einräumung von Rabatten vorsehen soll. Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung vom 17.5.2006 waren allein die Anträge aus der Klage vom 17.12.2004. Ziffer 1. bezog sich auf die Entgeltordnung vom 01.10.2002 wirksam ab 01.12.2002. Nur sie war Gegenstand der Erörterungen der Parteien . Das Vorbringen der Klägerin im Rahmen der Schriftsätze vom 10. und 12.05.2006, zu denen die Beklagte gemäß Beschluss vom 17.05.2006 im nachgelassenen Schriftsatz Stellung nehmen durfte, befasste sich nur mit der Entgeltordnung vom 01.10.2002.

Grundlage einer Entscheidung kann allein das Vorbringen der Parteien bis zur letzten mündlichen Verhandlung sein. Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten enthält neue Behauptungen, die - wie der Schriftsatz der Klägerin vom 10.07.2006 zeigt - zu geänderten Klaganträgen mit einem neuen erweiterten Klaggegenstand führen. Das neue Vorbringen war nicht zuzulassen und gab keine Veranlassung, gemäß § 156 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

2. Auskunftsantrag

a) Der Antrag zu 2. ist zulässig.

Die Zulässigkeit entfällt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch, dass sie nach eigenem Vortrag mit ... in dem Vertrag aus dem Jahre 2000 eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart hat. Eine solche betrifft nur das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und ... und kann der Klägerin bezüglich deren Auskunfts- bzw. Rückerstattungsanspruch nicht entgegengehalten werden zumal nicht sicher ist, wie sich ... gegenüber einer - titulierten - Inanspruchnahme durch die Beklagte verhalten wird.

Die Zulässigkeit scheitert auch nicht daran, dass der Klägerin der Vertrag, dem die begehrten Auskünfte entnommen werden könnten, vorliegt. Selbst wenn dem ... , dessen Mitglied die Klägerin ist, der Vertrag bekannt ist, bedeutet dieser Umstand nicht automatisch, dass das auch für die Klägerin gilt. Der ... muss den Vertrag nicht an alle Mitglieder weitergeleitet haben. Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die diesen Schluss zu lassen.

b) Die Klage ist bezüglich des Antrages zu 2. auch begründet.

Der Anspruch folgt aus § 242 i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV. Ein Auskunftsanspruch besteht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGHZ 10, 385, 387). Die Auskunft bezieht sich auf den zwischen der Beklagten und der ... im Jahre 2000 geschlossenen Individualvertrag. Dessen einzelnen Konditionen sind nicht der Klägerin, jedoch der Beklagten als Vertragspartnerin bekannt. Sie kann somit die Auskunft erteilen.

Die für einen Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB zu fordernde besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien liegt vor. Sie ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB und mit Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV.

Ein nationales Gericht ist befugt bzw. verpflichtet, Beihilferegelungen des EGV zu überprüfen. Zwar wurde die fortlaufende Überprüfung der Beihilfen durch Art. 88 Abs. 1 EGV der Kommission übertragen. Die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt und damit deren materieller Rechtmäßigkeit muss nach einem geeigneten Verfahren erfolgen, dessen Durchführung vorbehaltlich einer Kontrolle durch den Gerichtshof Sache der Kommission ist.

Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV sieht das Verbot der Gewährung von Beihilfen vor, solange diese nicht im Einzelfall von der Kommission genehmigt wird. Ein nationales Gericht ist nicht befugt, über die materielle Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt zu entscheiden. Insofern verbleibt das Entscheidungsmonopol bei der Kommission. Nur diese entscheidet materiell über die Wirksamkeit einer Beihilfe auf dem gemeinsamen Markt. Vor einer solchen Entscheidung ist die Kommission nicht befugt, die Rückzahlung von Beihilfen, etwa wegen formellen Verstoßes gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV anzuordnen.

Diese Befugnis haben dagegen die nationalen Gerichte während der Dauer des Durchführungsverbots, also bis zum Erlass der Entscheidung der Kommission. Ihre Rolle besteht darin zu bestimmen, ob eine ohne Beachtung des in Art. 88 Abs. 3 EGV vorgesehenen Prüfverfahrens eingeführte staatliche Maßnahmen diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen und darüber hinaus zugunsten der einzelnen, die sich auf eine solche Verletzung berufen können, sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der zugrunde liegenden Verträge, als auch bezüglich der Beitreibung zu ziehen (EUGH, 1994, Rs.C-44/93 Slg, 1993 I-3829 Rn. 14 f.). Das bedeutet, dass die nationalen Gerichte über die Konsequenzen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV zu bestimmen haben.

Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV ist ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Soweit Beihilfen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot gewährt wurden, können hieraus Schadensersatzansprüche entstehen. Diese können auch von Wettbewerbern geltend gemacht werden. Verträge, die nicht genehmigte Beihilfen gewähren, sind nichtig. Zwar stellt die unterlassende Notifizierung (Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EGV) einen lediglich formellen Verstoß dar, der für sich genommen noch nicht die Sanktionen des § 134 BGB auslöst. Doch kommt der Abschluss beihilfegewährender Beträge ohne vorherige Notifizierung und ohne abschließende (positive) Kommissionsentscheidung materielle Bedeutung zu. Das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV soll im Interesse gleicher Wettbewerbsbedingungen und Voraussetzungen eine solche verfrühte Beihilfe verhindern. Das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV dient nicht nur der Sicherung des Systems der präventiven Beihilfekontrolle durch die europäische Kommission. Es geht auch konkret darum, Wettbewerbsvorteile des einzelnen zu verhindern, die er durch eine nicht auf dem vorhergesehenen Weg gewährten Beihilfe erzielen könnte. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der privatrechtliche Vertrag als nichtig angesehen wird, damit der Beihilfegeber oder ein Wettbewerber des Begünstigten in die Lage versetzt wird, zur Vermeidung einer - weiteren - Beeinträchtigung umgehend die Erstattung der nicht genehmigten Beihilfe zu verlangen (BGH EuZW 2003, 444, 445; BGH Az: XI, ZR, 53/03, Urteil vom 20.01.2004 - Anlage K45). Aus dem Vorgenannten ergibt sich einerseits die Befugnis bzw. die Verpflichtung der ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts. Andererseits werden durch die Vorschrift des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV auch die Interessen des einzelnen gezielt geschützt.

Die Beklagte hat ... staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 EGV gewährt, ohne dass zuvor eine Entscheidung der Kommission nachgesucht wurde. Dabei ist unerheblich, dass der Flughafenbetrieb in ... in privater Hand liegt. Die Beklagte firmiert als Kapitalgesellschaft, Alleingesellschafterin war bis zum 01.01.2005 die ... . Für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ist unerheblich, ob der Flughafenbetrieb in öffentlicher oder privater Hand liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Flughafen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Dabei stellt jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Leistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten, eine wirtschaftliche Tätigkeit dar.

Staatlich bedeutet nicht streng staatsorganisatorisch, sondern erfasst auch Vergünstigungen seitens der Länder, Kommunen und anderer öffentlich rechtlicher Einrichtungen. Um die Umgehung der Beihilferegelung zu verhindern, werden als Beihilfen auch Zahlungen eingestuft, die nicht direkt vom Staat, sondern über private Dritte, insbesondere öffentliche Unternehmen vermittelt werden.

Geprägt vom Normzweck wird der Beihilfebegriff sehr weit verstanden und erfasst alle staatlichen Maßnahmen, die bestimmten Unternehmen, Unternehmensgruppen oder Wirtschaftszweige wirtschaftliche Vorteile gewähren und damit den unternehmerischen Leistungswettbewerb verfälschen (EUGH 14.12.2000, SLG 2000, II-4055, 4077 Rn. 64). Beihilfen können sowohl in Form von Begünstigungen auftreten als auch in der Befreiung bzw. Abminderung von Belastungen liegen, die normalerweise vom Unternehmen zu tragen sind.

Die Beklagte hat ... solche Vorteile gewährt. Wie bereits unter Ziff. 1 ausgeführt, hat sie ... Rabatte gewährt, die in der Entgeltordnung vom 01.10.2002 nicht enthalten waren. Darüber war die Beklagte nach eigenem Vortrag verpflichtet Zahlungen an die ... zu erbringen. So erklärt sie die Differenz zwischen denjenigen Einnahmen, die sie aufgrund der unstreitigen Passagierzahlen von ... für Start- und Landegeld hätte erhalten müssen zu den tatsächlich verbuchten Erlösen mit einer Verrechnung, die aufgrund von Zahlungen, die an ... hätten erbracht werden müssen, vorgenommen worden sei.

Darüber hinaus hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert erklärt, wie es zur Differenz hinsichtlich der sonstigen betrieblichen Aufwendungen zwischen der vorläufigen zur endgültigen Gewinn- und Verlustrechnung 2003 von ca. 1,9 Mio. Euro gekommen ist. Dass auch bezüglich anderer Flughäfen Leistungen in der sich aus dem Antrag zu 2. ergebenden Form durch Flughafenbetreiber an ... erbracht wurden, ergibt sich aus der Entscheidung der Kommission vom 12.02.2004 (Charleroi). Die Höhe der dort festgestellten Beihilfeleistungen an ... entsprach in etwa der Höhe der Differenzen hinsichtlich der sonstigen betrieblichen Aufwendungen zwischen der vorläufigen und endgültigen Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 2003. Welche Leistungen im Einzelnen erbracht wurden, ist der Klägerin unbekannt. Der Individualvertrag liegt ihr nicht vor. Insofern kann sie einen entsprechenden Auskunftsanspruch geltend machen.

Eine Beihilfeleistung ist nicht deshalb zu verneinen, weil ... den Vorteil auch unter normalen Marktbedingungen erhalten hätte (Private-Investor-Test). Der Private-Investor-Test ist nach Auffassung der Kammer hier deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte zwar wirtschaftlich, aber im Bereich der Daseinsvorsorge handelte und damit eine öffentliche Aufgabe wahrnahm. Die Beklagte kann nicht frei entscheiden, mit wem sie Geschäfte betreiben und mit wem sie Verträge schließen will. Es besteht - wie dargelegt - ein Kontrahierungszwang. Sie kann nicht allein unter wirtschaftlichen Aspekten entscheiden, wen sie binden will und wem sie welche Konditionen gewährt. Sie muss mit jedem kontrahieren. Zwar sie kann nach den obigen Darlegungen Differenzierungen zwischen einzelnen Flugunternehmen vornehmen. Diese Differenzierungen müssen jedoch transparent sein, d.h. die Kriterien, nach denen sie Differenzierungen vornimmt, müssen offen gelegt werden. Ist das nicht der Fall, so führt die Intransparenz zur Ungleichbehandlung und Diskriminierung einzelner Wettbewerber.

Nach Auffassung der Kammer stellt es eine selektive Vergünstigung durch eine staatliche Maßnahme dar, wenn die Beklagte einem Nachfrager, nämlich ... , Konditionen bietet, die individuell ausgehandelt, aus der Entgeltordnung nicht ersichtlich und Konkurrenten unbekannt sind.

Der Klägerin als Wettbewerberin steht wegen dieser unzulässigen Beihilfen ein Beseitigungsanspruch zu. Sie ist wie ... als € Low-Cost-Carrier € tätig und auf die Nutzung der Flughafeneinrichtung angewiesen. Sie hat bereits ... angeflogen und nutzt den nur 65 Kilometer entfernt liegenden Flughafen ... . Sie wird durch die Beihilfegewährung beeinträchtigt. Ihr werden Marktzutrittschancen verwehrt. ... kann durch die unzulässigen Rabatte Kunden binden und durch eine nicht im regulären Geschäftsverkehr entstandene Preisgestaltung Passagiere aus dem Einzugsgebiet ... abwerben. Dadurch erfährt die Klägerin Nachteile.

Die Kammer greift die Anregung der Beklagten, die im Schriftsatz vom 14.06.2006 aufgeworfenen Fragen dem EUGH vorzulegen, nicht auf. Im Gesetzeswortlaut, sonstigem Gemeinschaftsrecht oder in der Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte und Behörden gibt es keine Anhaltspunkte für eine der obigen Auffassung widersprechenden Auslegung.

3. Die Anträge zu 3. - 7. waren noch nicht entscheidungsreif. Die Anträge zu 3. und 4. können erst nach Auskunftserteilung beschieden werden. Hinsichtlich der Anträge zu 5. - 7. bedarf es weiteren Vortrages der Parteien.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.






LG Kiel:
v. 28.07.2006
Az: 14 O Kart 176/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0bdf2d176072/LG-Kiel__vom_28-Juli-2006_Az_14-O-Kart-176-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share