Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2006
Aktenzeichen: 30 W (pat) 322/03

(BPatG: Beschluss v. 09.02.2006, Az.: 30 W (pat) 322/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 11. März 2002 in das Markenregister eingetragen und am 12. April 2002 unter der Nummer 301 69 786 veröffentlicht worden ist Pohl Netwear mit dem Warenverzeichnis:

"Auf Datenträger aller Art aufgezeichnete Computerprogramme und Programmsysteme; Software und Firmware; Computerprogramme in Form von Anwendungspaketen, Programmdokumentationen, Bedienungs- und Benutzeranleitungen und Handbüchern; Computerprogramme in Form von Anwendungspaketen, Programmdokumentationen, Bedienungs- und Benutzeranleitungen und Handbüchern; Unternehmensberatung; Erstellung, Weiterentwicklung und Wartung von Computerprogrammen und Programmsystemen einschließlich deren lizenzweisen Überlassung".

Widerspruch erhoben hat am 28. Juni 2002 die Inhaberin der am 7. September 2001 (als im Verkehr durchgesetzten Zeichen) eingetragenen Marke 399 42 264 NetWare; deren Warenverzeichnis lautet:

"Netzwerksoftware, Netzwerkbetriebssysteme; Netzwerktelefondienste; Programme für Netzwerkmanagement und Netzwerkverwaltung; Programme für die Serververwaltung; Netzwerkserver; Computerprogrammhandbücher und -manuals, insbesondere für Netzwerksoftware und Netzwerkbetriebssysteme; Netzwerkinstallation; Netzwerk- und integrierte Nachrichtendienste; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere von Netzwerksoftware; sämtliche vorgenannten Waren und Dienstleistungen ausschließlich für Server-Betriebssysteme".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass bei Vergleich der Marken insgesamt der Abstand ausreichend sei; eine Prägung der angegriffenen Marke nur durch "Netwear" komme nicht in Betracht.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen Verwechslungsgefahr für gegeben, weil die angegriffene Marke allein durch den Bestandteil "Netwear" geprägt werde; sie bezieht sich ferner auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2003 und vom 26. September 2003 aufzuheben und die Löschung der Marke 301 69 786 anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat das Warenverzeichnis beschränkt durch den Zusatz "sämtliche Waren und Dienstleistungen nur als Anwendungssysteme - nicht jedoch als Server-Betriebssysteme" und hält mit näheren Ausführungen Verwechslungsgefahr nicht für gegeben und bestreitet eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Es besteht keine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG; die Markenstelle hat deshalb den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung z.B. BGH WRP 2004, 1037, 1038 - EURO 2000; BGH WRP 2004, 1173, 1174 - URLAUB DIREKT; BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung zu Gunsten der Widersprechenden zunächst von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Widerspruchsmarke aus; darüber, ob die im Zusammenhang mit der Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung festgestellten Tatsachen die Eintragung der Widerspruchsmarke begründen konnten, hat der Senat nicht zu entscheiden; jedenfalls sind aber die vom DIHT im Jahr 2001 ermittelten Tatsachen allein nicht geeignet, der Widerspruchsmarke für den für dieses Verfahren maßgeblichen Zeitraum die geltend gemachte gesteigerte Kennzeichnungskraft zuzugestehen (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl., § 9 Rdn. 292). Die von der Widersprechenden hierzu weiter vorgetragenen Tatsachen reichen nicht aus, um von einem erweiterten Schutzumfang der Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen ausgehen zu können. Angaben zu Umsätzen mit konkreten Waren und Dienstleistungen des Warenverzeichnisses fehlen; die Angabe eines Marktanteils von 20% ist ohne Bezug zu konkreten Waren und Dienstleistungen ohne Aussagekraft, zumal maßgebliche Produkte ersichtlich mit "Novell Netware" bezeichnet werden (vgl. Anlagen zur Beschwerdeschrift); zudem ist aber ein Marktanteil von 20% kein ausreichender Beleg, um von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgehen zu können; im Rahmen einer behaupteten Verkehrsdurchsetzung ist nämlich eine Verkehrsbekanntheit (die sich auf alle Verkehrsteilnehmer und nicht nur konkrete Abnehmer beziehen muss) von 50% als untere Grenze erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001, 1042, 1043 - REICH UND SCHOEN; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 506; Fezer, WRP 2005, 1, 18). Marktanteile und Umsätze können zudem nur Hinweise auf die Bekanntheit einer Marke geben, diese aber nicht belegen.

Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sind zwar ähnlich, aber nach der im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke deutlich voneinander abgesetzt. Denn die Marktverhältnisse zeigen, dass sich Hersteller des überschaubaren Bereichs von Systemsoftware, zu der Betriebssysteme gehören, von Herstellern und Dienstleistern im Bereich der großen Vielfalt der Anwendungssoftware im Allgemeinen unterscheiden.

Auch wenn zu Gunsten der Widersprechenden von noch strengeren Anforderungen an den Markenabstand ausgegangen wird, ist Verwechslungsgefahr zu verneinen.

In ihrer Gesamtheit werden die sich gegenüberstehenden Markenwörter Pohl Netwear und Netware wegen der deutlich unterschiedlichen Länge - das am besonders beachteten Beginn der angegriffenen Marke zusätzlich vorhandene Wort "Pohl" findet bei der Widerspruchsmarke keine Entsprechung - nicht miteinander verwechselt werden, so dass die Gefahr von Verwechslungen allenfalls dann in Betracht käme, wenn allein der Bestandteil "Netwear" der jüngeren Marke der Widerspruchsmarke gegenüberzustellen wäre.

Zwar ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass bei zusammengesetzten Marken ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes oder erkennbares Unternehmenskennzeichen oder ein Bestandteil einer Zeichenserie ist, in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktreten kann, wenn der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in den anderen Bestandteilen erblickt (vgl. BGH GRUR 2002, 342 - ASTRA/ESTRA-PUREN m. w. N.). Jedoch können die Umstände des Einzelfalls zu einem von diesem Erfahrungssatz abweichenden Ergebnis führen. Als maßgebliche Kriterien für die Beurteilung dieser Frage kommt es nach der genannten Rechtsprechung neben der Bekanntheit des Firmennamens auch auf die Kennzeichnungskraft des neben diesem enthaltenen Bestandteils sowie die Bezeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor an.

Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen der Rechtsprechung kann dem Wortbestandteil "Netwear" in der angegriffenen Marke Pohl Netwear keine prägende Funktion zuerkannt werden. So lässt sich vorliegend schon nicht feststellen, dass Pohl dem angesprochenen Verkehr ohne weiteres als Herstellerangabe erkennbar ist und dass auf dem hier maßgebenden Warensektor Herstellerangaben in der Sicht des Verkehrs nicht ins Gewicht fallen (vgl. BGH Mitt. 2004, 517 - Mustang). Auch ist nicht feststellbar, dass es sich um einen Bestandteil einer Zeichenserie handelt; insbesondere kommt eine Prägung des Gesamteindrucks durch "Netwear" hier aber nicht in Betracht, weil dieser weitere Bestandteil nur schwach kennzeichnungskräftig ist. Denn hierbei handelt es sich um eine Anlehnung an die kaum kennzeichnungskräftige Angabe "Netware", die einen Sachhinweis auf Software mit Bezug auf das Internet enthält. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Herstellerangabe "Pohl" den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zumindest mitprägt. Wird die angegriffene Marke Pohl Netwear in ihrer Gesamtheit der Widerspruchsmarke Netware gegenübergestellt, so besteht, wie oben ausgeführt, keine Verwechslungsgefahr.

Die Entscheidung des EuGH THOMSON LIFE (vgl. GRUR 2005, 1042ff.) führt zu keinem anderen Ergebnis; sie betrifft den Fall, dass die ältere Marke (LIFE) von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen neben seiner Unternehmensbezeichnung identisch übernommen wird; eine solche identische Übernahme liegt hier ersichtlich nicht vor.

Zu einer Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, § 71 MarkenG.

Für die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 MarkenG. Angesichts der vorliegenden konkreten Einzelfallgestaltung sieht der Senat weder den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Rechtsfrage noch den der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als gegeben.






BPatG:
Beschluss v. 09.02.2006
Az: 30 W (pat) 322/03


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