Verwaltungsgericht Berlin:
Beschluss vom 10. Juni 2008
Aktenzeichen: 14 KE 30.07
(VG Berlin: Beschluss v. 10.06.2008, Az.: 14 KE 30.07)
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 21. Februar 2007 € VG 3 A 485.06 - wird dahingehend abgeändert, dass die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten auf lediglich 122,99 Euro zuzüglich anteiliger Zinsen festgesetzt werden.
Die Erinnerungsgegnerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
Die fristgemäß erhobene und auch sonst zulässige Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 165, 151 VwGO) hat Erfolg. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin in seinem Kostenausgleichungsantrag geltend gemachte 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG sowie die 1,0 Einigungsgebühr gemäß Nrn. 1000, 1003 VV RVG zu Unrecht bei der Kostenausgleichung berücksichtigt.
Zwar entsteht eine Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV RVG anders als die Verhandlungs- und die Erörterungsgebühr nach der BRAGO nicht ausschließlich im Rahmen gerichtlicher Termine, sondern kann darüber hinaus für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts anfallen, soweit es sich nicht um Besprechungen mit dem (eigenen) Auftraggeber handelt. Letzteres setzt jedoch voraus, dass sich die Besprechung auf ein Verfahren bezieht, für das die jeweilige Verfahrensordnung eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben hat. Dies lässt sich aus dem systematischen Zusammenhang zu den anderen in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 geregelten Fällen sowie zu der Regelung in Nr. 3004 Abs. 1 VV RVG erschließen, die ebenfalls an Verfahren anknüpft, in denen regelmäßig aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden wird: Die Mitwirkung des Rechtsanwalts an frühzeitigen Einigungsversuchen soll nicht dadurch €gehemmt€ werden, dass er fürchten muss, um eine ihm bei regulärer Durchführung des Verfahrens zustehende Terminsgebühr gebracht zu werden. Damit sollen dem Anwalt die Bemühungen um die Erledigung der Sache honoriert werden und den Verfahrensbeteiligten sowie dem Gericht unnötige Erörterungen in einem Gerichtstermin allein im Gebühreninteresse erspart bleiben. Bei Beschlussverfahren, in denen das Gericht grundsätzlich ohne eine mündliche Verhandlung entscheidet und in denen deshalb das Verdienen einer Terminsgebühr für den Anwalt bei normalem Ablauf nicht zur Debatte steht, ist deshalb für das Entstehen der sogenannten Besprechungsgebühr kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06 -, juris, Rdnr. 19; Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 170/06 -, juris, Rdnr. 6 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Oktober 2006 - 3 S 1748/05 -, juris, Rdnr. 7). Da für Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 101 Abs. 3 VwGO nicht erforderlich ist, weil sie im Beschlusswege ergehen (vgl. § 80 Abs. 7, § 123 Abs. 4 VwGO), kann deshalb eine Terminsgebühr in der Variante der Besprechungsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV RVG in diesem Verfahren nicht entstehen. Die bei der Kostenausgleichung berücksichtigte Vergütungsrechnung war somit um die 1,2 Terminsgebühr in Höhe von 193,20 Euro und die hierauf entfallende 16%-ige Umsatzsteuer zu kürzen.
Die angesetzte Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000, 1003 VV RVG ist gleichfalls nicht entstanden. Die in Nr. 1000 vorausgesetzte Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, (oder bei diesbezüglichen Vertragsverhandlungen), ist vorliegend nicht erfüllt. Denn die Einigung der Beteiligten beschränkte sich nach Aktenlage auf die Kostenverteilung, um durch das Erfüllen der Voraussetzungen von Nr. 5211, Ziff. 3 des Kostenverzeichnisses - der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz - im beiderseitigen Interesse die Gerichtsgebühr der Nr. 5210 für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von 1,5 auf 0,5 zu senken. Zwar kann eine entsprechende Einigung auch Teil eines das gesamte Streitverhältnis betreffenden €Vertrages€ sein, wodurch die Einigungsgebühr €verdient€ würde. Vorliegend war jedoch das Interesse der Erinnerungsgegnerin - der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens - an der Fortführung des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entfallen, nachdem sie seitens des Bezirksamtes € von Berlin in der Lernpsychotherapeutischen Tageseinrichtung des S. aufgenommen worden war. Da diese Aufnahmeentscheidung des am gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht beteiligten Bezirksamtes das Ergebnis einer Hilfekonferenz im Jugendamt Rathaus € war und dem Erinnerungsführer ohnehin die Zuständigkeit für diese Aufnahmeentscheidung fehlte, ist nicht nachvollziehbar, dass hier die Einigung über die Kosten in die Einigung über das Verfahren als Ganzes integriert gewesen sein könnte.
Unter diesen Umständen kam der - ersatzweise - Ansatz einer Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1002, 1003 VV RVG ebenfalls nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung des Einlenkens der €beklagten€ Behörde - hier der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung - fehlt.
Die Vergütungsrechnung war deshalb auch um die Gebühr von 161,00 Euro und die hierauf entfallende Umsatzsteuer zu kürzen, so dass der im Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellte Erstattungsbetrag von 328,43 Euro insgesamt um 205,44 Euro auf 122,99 Euro zu reduzieren war.
Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
VG Berlin:
Beschluss v. 10.06.2008
Az: 14 KE 30.07
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