Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2001
Aktenzeichen: 23 W (pat) 15/99

(BPatG: Beschluss v. 15.05.2001, Az.: 23 W (pat) 15/99)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden gegen den Beschluß der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Das angegriffene Patent 43 07 805 (Streitpatent) wurde mit der Bezeichnung "HF-dichter Schaltschrank mit Schrankkorpus und Schranktür" am 12. März 1993 angemeldet und nach Erteilung durch die Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patentamts mit der gleichen Bezeichnung am 5. September 1996 veröffentlicht.

Nach Prüfung des Einspruchs hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluß vom 3. Februar 1999 das Patent aufrechterhalten.

Zur Begründung ist ausgeführt, daß der von der Einsprechenden genannte Stand der Technik gemäß der europäischen Offenlegungsschrift 0 430 694 sowie den deutschen Offenlegungsschriften 40 19 564 und 39 20 353, auch iVm dem im Prüfungsverfahren ermittelten Stand der Technik nach dem deutschen Gebrauchsmuster 91 00 798, den europäischen Offenlegungsschriften 0 428 335 und 0 392 821, der deutschen Patentschrift 40 09 079 und dem Fachbuch von H. J. Mair und S. Roth: "Elektrisch leitende Kunststoffe", Carl Hanser Verlag München Wien (1986) Seiten 131 bis 139, den HF-dichten Schaltschrank gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nicht nahelegen können.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Dabei stützt die Einsprechende ihr Einspruchsvorbringen zunächst auf folgende weitere Druckschriften: deutsche Patentschriften 33 44 598 und 41 03 785 sowie die Rittal-Druckschrift "RICHTIG - Rittal PS 4000 Perfekschrank-System", Hannover Messe 1993. Um das Beschwerdeverfahren von eventuellen Beweisfragen zu entlasten, ersetzte die Einsprechende die zuletzt genannte Rittal-Druckschrift durch eine weitere Rittal-Druckschrift "Rittal Neuheiten '89" Hannover Messe 1989.

In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende die Auffassung vertreten, daß der Patentgegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 insbesondere im Hinblick auf die Rittal-Druckschrift "Rittal Neuheiten '89" Hannover Messe 1989 und die europäische Offenlegungsschrift 0 430 694 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende beantragt demgemäß, den angefochtenen Beschluß der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Februar 1999 aufzuheben und das Patent 43 07 805 zu widerrufen.

In der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2001 vertrat die Patentinhaberin die gegenteilige Auffassung, daß der Patentgegenstand nach erteiltem Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe, und stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 10. November 1999, nämlichdie Beschwerde zurückzuweisen und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung zu bestätigen.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Schaltschrank mit Schrankkorpus und Schranktür, bei dem der Schrankkorpus aus Wandelementen einstückig zusammengesetzt ist oder durch ein Rahmengestell mit angebrachten Wandelementen gebildet ist und bei dem die Übergänge zwischen der geschlossenen Schranktür und dem Schrankkorpus oder die Übergänge zwischen dem Rahmengestell und der geschlossenen Schranktür sowie den Wandelementen HF-dicht verschlossen sind, dadurch gekennzeichnet, daß in die Übergänge Streifen (30) aus elastischem Abschirmmaterial eingebracht sind, die HF-Wellen durch Absorption und Reflexion dämpfen und unmittelbar im Bereich der Übergänge der lackierten Schranktür (20) mit dem lackierten Rahmengestell (10) oder dem lackierten Schrankkorpus angeordnet sind, daß der in dem Übergang zur Schranktür (20) angeordnete Streifen (30) an einem Dichtungssteg (12) des Schrankkorpus oder des Rahmengestells (10) zugekehrten parallelen Seite eines an der Schranktür (20) angebrachten Rahmens (21) vorgesehen ist und daß der Streifen (30) mit dem Rahmen (21) verklebt ist oder mit einem längsgerichteten Befestigungsflansch (31) versehen ist, der mit dem Rahmen (21) verschraubt ist."

Bezüglich der Unteransprüche 2 und 3 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Der Erfolg mußte ihr jedoch versagt bleiben, da nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung das Patent sich als rechtsbeständig erweist.

1) Sämtliche erteilten Patentansprüche sind zulässig, denn alle Anspruchsmerkmale sind aus der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart herzuleiten.

Der erteilte Anspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 3 und 4 zurück, während der erteilte Unteranspruch 2 bzw 3 auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 mit zugehörigem Beschreibungstext auf Seite 4, le Abs bzw auf das Ausführungsbeispiel nach Figur 2 mit zugehöriger Beschreibung Seite 5, 1. Abs zurückgeht.

2) Nach den Angaben der Patentinhaberin in der Beschreibungseinleitung werden üblicherweise bei HF-dichten Schaltschränken die HF-Abdichtungen, die teils aus metallischen Kontaktfederleisten oder teils aus mit Drahtgeflecht überzogenen elastischen Streifen bestehen, direkt mit blanken, bzw unlackierten metallischen Flächen des Schrankkorpus oder der Schranktür elektrisch kontaktiert, vgl Beschreibung Spalte 1, 2. und 3. Abs. Somit ist ein nachträglicher Einbau von HF-Abdichtung in bereits lackierten Schaltschränken sehr aufwendig, wenn der elektrische Kontakt der HF-Abdichtungen über blanke, bzw unlackierte Flächen des Schrankkorpus oder der Schranktür erfolgen soll.

Daher liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen Schaltschrank der im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 vorausgesetzten Art derart weiterzubilden, daß auf einfache Weise auch nachträglich ein verhältnismäßig guter HF-dichter Verschluß herstellbar ist, vgl Beschreibung Spalte 1, Zn 58 bis 62.

Dieses Problem wird mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

Das wesentliche Lösungsmerkmal liegt darin, daß an der Schaltschranktür ein Rahmen angeordnet ist, an dessen dem üblicherweise dem Schutz vor Staub und Feuchtigkeit dienenden Dichtungssteg des Schrankkorpus oder des Rahmengestells zugekehrten parallelen Seite ein Streifen aus elastischem Abschirmmaterial angeordnet ist, so daß der Dichtungssteg und das elastische Abschirmmaterial allein aufgrund von Reflexion und Absorption von HF-Wellen einen verhältnismäßig guten HF-dichten Verschluß bilden, selbst wenn das Abschirmmaterial selbst elektrisch nicht kontaktiert wird.

Als wesentlicher Vorteil ergibt sich, daß die Streifen aus elastischem Abschirmmaterial auch nachgerüstet werden können, so daß auch bereits ausgelieferte, voll lackierte Schaltschränke ohne HF-Verschluß nachträglich abgeschirmt werden können, vgl Beschreibung, den die Spalten 1 und 2 überbrückenden Abs.

3) Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist - wie es sich aus der nachfolgenden Abhandlung zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG), da in keiner Entgegenhaltung ein Schaltschrank offenbart ist, an dessen Schaltschranktür ein Rahmen angeordnet ist und an der dem Dichtungssteg des Schrankkorpus oder des Rahmengestells zugekehrten parallelen Seite dieses Rahmens ein Streifen aus elastischem Abschirmmaterial angeordnet ist, so daß der Dichtungssteg und das am Rahmen befestigte elastische Abschirmmaterial einen verhältnismäßig guten HF-dichten Verschluß bilden.

4) Der gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) Patentgegenstand nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Durchschnittsfachmanns - eines berufserfahrenen, mit der Entwicklung von HF-dichten Schaltschränken befaßten Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fochhochschulabschluß.

Die Schaltschränke betreffende und in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Rittal-Druckschrift "Rittal Neuheiten '89" Hannover Messe 1989 offenbart auf den Seiten 6/7 unter der Bezeichnung "Rittal Standverteiler PS/ES" einen Schaltschrank, dessen Schrankkorpus oder dessen Rahmengestell einen Dichtungssteg sowie dessen geöffnete Schranktür einen Rahmen aufweist. Nachdem in dieser Druckschrift von HF-Dichtungen dieser Schaltschränke keine Rede ist, können diese Schaltschränke auch nicht HF-dicht verschlossen werden. Daher gibt diese Druckschrift dem Fachmann weiter auch keinen Anlaß, diesen Schaltschrank nachträglich HF-dicht nachzurüsten.

Aber selbst wenn der Fachmann sich die Aufgabe stellen würde, vollackierte Schaltschränke HF-dicht nachzurüsten, gelangt er dennoch nicht ohne weiteres zum Patentgegenstand des Anspruchs 1, da der Stand der Technik dem Fachmann allenfalls die Anordnung der HF-Dichtung an der Schranktür selbst anregen kann, jedoch nicht die Anordnung der HF-Dichtung an der dem Dichtungssteg des Schrankkorpus bzw des Rahmengestells zugewandten Seite eines an der Innenseite der Schranktür angebrachten Rahmens.

Die HF-Dichtungen sowie HF-dichte Schaltschränke betreffende europäische Offenlegungsschrift 0 430 694 offenbart zwar HF-Dichtungen (26) als Streifen aus elastischem Material (polyurethane foam member with a silvercoated conductive cloth), die auch auf lackierten Flächen (coated surfaces) angebracht werden können, jedoch werden diese HF-Dichtungen direkt an der Schranktür oder am Schrankkorpus angebracht und nicht an einem an der Schranktür angebrachten Rahmen, vgl dort zu elastischen streifenförmigen HF-Dichtungen Figuren 12, 18 mit zugehöriger Beschreibung iVm Beschreibung Spalte 6, vorl Abs und vgl zur Anordnung dieser HF-Dichtungen die Figuren 3, 9A bis 9D und 11 bis 18.

Somit vermittelt diese Entgegenhaltung dem Fachmann keine Anregung zur erfindungsgemäßen Lehre des Patentanspruchs 1.

Der Auffassung der Klägerin, daß die Aussparungen (recess 4a) in der Schranktür oder Schrankkorpus, in die die streifenförmigen HF-Dichtungen (elektromagnetic shielding member 1) gemäß Figur 3 angeordnet sind, als ein Rahmen an der Schranktür interpretiert werden können, vermag nicht zu überzeugen, da ein Rahmen zunächst etwas Aufgesetztes und nicht Ausgespartes darstellt. Darüber hinaus ist dort die streifenförmige HF-Dichtung am Boden der Aussparung und nicht am Rand dieser Aussparung befestigt, so daß hierin keine Anregung gesehen werden kann, die streifenförmige HF-Dichtung an einem aufgesetzten Rahmen in einer bestimmten Relation zu einem dort nicht genannten Dichtungssteg anzuordnen.

Die übrigen im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren genannten Entgegenhaltungen betreffen zwar Schaltschränke jedoch keine HF-dichten Schaltschränke, so daß diese Entgegenhaltungen den Fachmann nicht zu der Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 anregen können.

Schließlich offenbaren sämtliche HF-dichte Schaltschränke betreffende Entgegenhaltungen aus dem Prüfungsverfahren, daß die HF-Dichtungen direkt an der Schaltschranktür und/oder direkt oder mittelbar am Schrankkorpus angeordnet sind und nicht an der dem Dichtungssteg zugekehrten Seite eines an der Schranktür befestigten Rahmens, um durch das Zusammenwirken des Dichtungssteg und des dem Dichtungssteg zugekehrten Seite des Rahmens befestigten elastischen Abschirmmaterials allein aufgrund von Reflexion und Absorption von HF-Wellen einen verhältnismäßig guten HF-dichten Verschluß zu erhalten, vgl das deutsche Gebrauchsmuster 91 00 798 Anspruch 1, Figur 1a und 1b mit zugehöriger Beschreibung, vgl europäische Offenlegungsschrift 0 428 335 Figur 6 mit HF-Dichtung (40) an der Tür (door panel 13), vgl europäische Offenlegungsschrift 0 392 821, Beschreibung zur Figur 1 in Spalte 3, vgl deutsche Patentschrift 40 09 079 Anspruch 1 iVm der einzigen Figur, wonach die HF-Dichtheit mittels einer am Schrankkorpus (1) innerhalb eines flexiblen Dichtungsteils angeordneten und über Laschen (3.1) elektrisch kontaktierte Schraubenfeder (5) erreicht wird.

Somit enthält der nachgewiesene Stand der Technik keinen Hinweis, die Streifen aus elastischem Abschirmmaterial (HF-Dichtung) an der dem Dichtungssteg zugekehrten Seite eines an der Schranktür befestigten Rahmens zu befestigen.

Daher beruht der Gegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns und ist somit patentfähig.

5) Die geltenden Unteransprüche 2 und 3 werden, da sie vorteilhafte, nicht selbstverständliche Ausführungsformen des HF-dichten Schaltschranks mit Schrankkorpus und Schranktür nach dem Hauptanspruch betreffen, von der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Hauptanspruchs mitgetragen.

Vorsitzender Richter Dr. Beyer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert Lokys Dr. Gottschalk Knoll Lokys Fa






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