Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Februar 2004
Aktenzeichen: I-20 U 108/03

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 17.02.2004, Az.: I-20 U 108/03)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weiterge-henden Rechtsmittels das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2003 teilweise abgeändert und wie folgt neu ge-fasst:

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederho-lungsfalle bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

gewebte Teppichböden entsprechend den als Anlage zum Schriftsatz vom 02. Februar 2004 eingereichen Mustern mit den Nummern 1134, 2482, 4103, 5653, 5855, 5856 und 5857 anzubieten und zu liefern, die folgende Merkmale aufweisen:

a) die Oberfläche ist durch zeilenartig angeordnete Schlingenreihen strukturiert,

b) die Schlingenreihen sind als schmale und als breitere Reihen ausge-führt und so angeordnet, dass auf jede schmale Reihe, nahezu abstandslos und nur durch eine schmale Schattenfuge getrennt, eine breite Reihe folgt, wobei das Verhältnis der Breite der Schlingenreihen zwischen 2 : 3 und 3 : 4 beträgt,

c) das Garn sowohl der schmaleren als auch der breiteren Schlingen ist in einem einheitlichen Farbton gehalten, wobei die Schlingen der breiteren Reihen allerdings in jeder zweiten Schlinge auch aus einem anderen nicht in Farbkontrast zum Grundfarbton stehenden, in hellen bis grau/beigen Farbtönen gehaltenem Garn bestehen, die dadurch entstehenden helle-ren Stellen jedoch nicht überall gut sichtbar sind, so dass optisch die Ab-stände der hellen Stellen in den breiteren Schlingenreihen voneinander nicht einheitlich erscheinen,

d) die Schlingen wirken allenfalls leicht diagonal angeordnet,

e) durch die unterschiedliche Höhe der Schlingen in den schmaleren und breiteren Reihen wirkt die Oberfläche des Teppichs leicht wellig.

2.

der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfange sie die zu 1. be-zeichneten Handlungen seit dem 31. August 2000 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) - aufgeschlüsselt nach Typen- und Farbbezeichnungen - der Liefer-mengen, Lieferzeiten und Lieferpreise,

b) - aufgeschlüsselt nach Typen- und Farbbezeichnungen - der Ange-botsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

wobei es der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Ange-botsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnen-den, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten, verei-digten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin darüber Auskunft zu Geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 31. August 2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch ent-stehen wird.

III.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 3/4, die Klägerin zu 1/4.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klägerin ist Inhaberin des am 04. Juli 1994 angemeldeten, Teppichbodenmuster betreffenden Sammelgeschmacksmusters M 94 05 173, dessen Geltungsdauer auf 10 Jahre verlängert ist. Die Schutzgegenstände sind in Form von Farbfotos hinterlegt. Sie stellt seit 1994 in umstrittenen Umfange Teppichböden entsprechend den Mustern her.

Die Beklagte vertrieb Teppichböden gemäß der Anlage 6 (Fotos Bl. 5 - 12) und der Anlage zum Schriftsatz vom 02. Februar 2004 seit 1998. Sie will den Vertrieb 2001 eingestellt haben, was die Klägerin bestreitet.

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der Teppichböden eine Verletzung ihrer Geschmacksmuster mit den Geschäftsnummern 204-163 A, 204-164 A, 204-220 A, 204-367 A, 204-371 A, 204-459 A, 204-557 A, 204 - 558 A, 204-559 A, 204-819 A, 204-820 A und 204-826 A. Des Weiteren stützt sie sich auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz.

Die Parteien streiten über die Neuheit und Eigentümlichkeit des angemeldeten Sammelgeschmacksmusters und, darauf beruhend, über die zutreffende Merkmalsanalyse sowie über die Frage der Nachahmung. Die Beklagte macht als vorbekannten Formenschatz vor allem die Teppiche "Linea Tetra" (Anlage B 1), "Duo Dot" (Anlage B 2), "Pilaster" (Anlage B 3), "Duke" (Anlage B 4) und in der Berufungsinstanz Teppiche der Fa. F. KG (Anlage 4) , der Fa. A. Teppichboden Gebr. Sch. GmbH & Co. KG (Anlage 5) sowie der Fa. B. Carpets (Anlage 6) und der O. D. Maschinenfabrik geltend.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung - unter Fortlassung des Merkmals "gewebte" [Teppiche] - und Auskunftserteilung verurteilt, des Weiteren die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz bzw. Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung festgestellt, wobei es zur Kennzeichnung auf ein Farbfoto Bezug genommen hat und die Fotos von Teppichmustern, deren Vertrieb zu unterlassen die Klägerin "insbesondere" begehrt hat, weggelassen hat. Es ist davon ausgegangen, dass die Entgegenhaltungen die Neuheit und Eigentümlichkeit der Geschmacksmuster nicht in Frage zu stellen geeignet seien. Es liege auch eine Nachahmung vor. Wegen der von der Beklagten geltend gemachten Verjährung (die Klägerin habe bereits 1998 von der Verbreitung Kenntnis erlangt und deswegen Gespräche mit ihr geführt) hat es den Schadensersatz - entsprechend der späteren Antragsfassung der Klägerin - auf den Zeitraum seit dem 24. September 1999 begrenzt und für den davor liegenden Zeitraum nur Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung zugesprochen. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen und der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin geltend, den Geschmacksmustern ermangele es im Hinblick auf den vorbekannten Formenschatz an Neuheit und Eigentümlichkeit. Die gewählte Merkmalsanalyse sei zu breit. Des Weiteren seien die Ansprüche wegen der Kenntnis der Klägerin im Jahre 1998 und darauf folgender Gespräche verwirkt. Schließlich rügt sie, dass das Landgericht durch die Fortlassung des Wortes "gewebte" über den Klageantrag hinausgegangen sei. Sie beantragt daher,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie sich zur Kennzeichnung der angegriffenen Erzeugnisse auf die bei den Akten befindlichen Originalstücke beziehe und das Auskunfts- und Feststellungsbegehren auf Handlungen ab dem 02. Januar 1998 beschränke.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil einschließlich der Merkmalsanalyse, und zwar auch gegenüber dem in der Berufungsinstanz erstmals vorgetragenen vorbekannten Formenschatz. Die Ansprüche seien nicht verwirkt.

Die Akte M 94 05 173.9 des Deutschen Patent- und Markenamts war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Die Berufung der Beklagten hat nur einen Teilerfolg. Sie führt zu einer Begrenzung der Verurteilung auf Erzeugnisse gemäß den Originalstücken statt gemäß den zum Teil undeutlichen Fotos, zu einer Präzisierung und Einschränkung der den ästhetischen Gesamteindruck prägenden Merkmale (mit der Folge, dass ein bestimmtes angegriffenes Muster nicht mehr der Verurteilung unterfällt) sowie zu einer Beschränkung des Zeitraums, für den die Beklagte Auskunft und Schadensersatz schuldet; zudem entfällt die Verpflichtung zur Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung.

I.

Letztlich zu Unrecht rügt die Beklagte, das Landgericht habe der Klägerin durch die Auslassung des im Klageantrag anfangs enthaltenen Wortes "gewebte" in seiner Tenorierung mehr als von der Klägerin verlangt zugesprochen und habe damit gegen die Vorschrift des § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen.

1.

Allerdings ist das Landgericht damit entgegen § 308 Abs. 1 ZPO über den Klageantrag hinausgegangen. Ihm zufolge sollten sich das Verbot nebst Folgeentscheidungen lediglich auf "gewebte" Teppichböden beziehen.

Es mag sein - wie das Landgericht meint -, dass das Wort für die Ästhetik des Geschmacksmusters und des angegriffenen Musters ohne Belang ist. Dies ändert nichts daran, dass die Klägerin - möglicherweise ohne Not - ihren Antrag allein auf "gewebte" Teppichböden beschränkt hat. Die Weglassung dieses Merkmals führte zu einer Erweiterung der Verbotswirkung und der Folgeentscheidungen.

2.

Dieser Mangel ist jedoch durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung durch die Klägerin und Berufungsbeklagten geheilt worden.

a) Nach der Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 308 Rdnr. 7 m.w.N.) ist es grundsätzlich möglich, einen solchen Mangel in der Rechtsmittelinstanz zu heilen, insbesondere durch den Antrag auf Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels. Die Heilung setzt allerdings voraus, dass es der Klägerin möglich ist, die Klage zu erweitern (vgl. für die grundsätzlich fehlende Möglichkeit in der Revisionsinstanz aus diesem Grunde BGH NJW 1991, 1683).

b) Im Streitfall war der Klägerin eine derartige Klageerweiterung noch möglich. Eine Klageerweiterung des Berufungsbeklagten in der Berufungsinstanz muss zwar neben den Voraussetzungen des § 533 ZPO auch den Anforderungen einer Anschlussberufung nach § 524 ZPO Genüge tun (vgl. Gerken NJW 2002, 1095). Hier ist die Berufungserwiderung, in der die Klägerin erstmals die Auslassung des Wortes "gewebte" verteidigt hat, aber bei Gericht am 17. Oktober 2003 - und damit innerhalb der Monatsfrist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO seit Zustellung der Berufungsbegründung am 17. September 2003 - eingegangen.

3.

Die Zulässigkeit des Verzichts auf das Merkmal "gewebt" schließt allerdings nicht aus, dass das Merkmal in anderem Zusammenhang doch noch eine begrenzende Bedeutung gewinnt (vgl. III.2.a), VI.1., 2.).

II.

Der Senat nimmt - entsprechend dem im Termin vom 27. Januar 2004 gestellten Antrag der Klägerin - zur Definition der angegriffenen Erzeugnisse Bezug auf die bereits als Anlage K 6 und im Schriftsatz vom 02. Februar 2004 nochmals zu den Akten gereichten Originalstücke. Dies ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGHZ 142, 390). Wie im Termin vom 27. Januar 2004 erörtert, geben die Fotos den ästhetischen Gesamteindruck der beanstandeten Stücke teilweise nur unvollkommen wieder. Wie ein Vergleich zwischen den Originalstücken und den dazu gehörigen Fotos ergeben hat, zeigen die Fotos die - noch näher zu erörternden - Merkmale teilweise deutlicher, teilweise undeutlicher als die Originalstücke.

III.

Die Angriffe der Beklagten gegen die Beurteilung des Landgerichts, die Geschmacksmuster seien neu und eigentümlich, gehen zum großen Teil fehl. Ihr ist allerdings zuzugestehen, dass die Muster mit den Endnummern 220 A, 557 A, 558 A, 819 A und 820 A keinen Schutz gemäß den Merkmalen der klägerischen Merkmalsanalyse gewähren; ob dieses Bedenken auch das Muster mit der Endnummer 459 A betrifft, kann offen bleiben.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Fotos nicht dasselbe Stück Teppichboden aus unterschiedlicher Perspektive, also nicht ein einziges Muster zeigen, sondern jedes Foto ein gesondertes Muster zeigt, es sich also um eine Sammelanmeldung handelt (§ 7 Abs. 9 GeschmMG). Dies bedeutet, dass die Klägerin anzugeben hat, auf welche der angemeldeten Muster sie ihre Klage stützt (dem ist sie im Schriftsatz vom 11.04.2003 nachgekommen), und dass jedes Muster daraufhin gesondert zu untersuchen ist, ob es den geltend gemachten Schutz gewährt. Mit der Gewährung des begehrten Schutzes jedenfalls aus einem oder auch mehreren Geschmacksmustern der Anmeldung ist die Rüge der Beklagten, nicht alle Geschmacksmuster wiesen die in der Merkmalsanalyse genannten Merkmale auf, hinfällig.

1.

Ein Geschmacksmuster ist neu, wenn die den geschmacklichen Gesamteindruck wesentlich bestimmenden Gestaltungselemente im Einzelvergleich mit den Gestaltungen nicht übereinstimmen, die inländische Mustergestalter des jeweiligen Fachgebiets bei gebotener Beobachtung des am Prioritätstag vorbekannten Formenschatzes kannten oder kennen mussten.

Es ist als eigentümlich anzusehen, wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgebenden Merkmalen als das Ergebnis einer eigenpersönlichen, form - oder farbschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das Durchschnittskönnen eines mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets ausgerüsteten Mustergestalters hinausgeht, wobei ein Gesamtvergleich mit den vorbekannten Formgestaltungen vorzunehmen ist. Auch die Kombination vorbekannter Formelemente zu einem einheitlichen Muster kann Geschmacksmusterschutz begründen.

Der Beklagten ist allerdings im Ansatz darin zuzustimmen, dass die Vermutung des § 13 GeschmMG nur die Urheberschaft sowie die Neuheit des Geschmacksmusters betrifft; die Eigentümlichkeit bildet eine selbständige Schutzvoraussetzung, für die die Vermutung nicht uneingeschränkt gilt (vgl. BGH GRUR 1963, 328, 329 - Fahrradschutzbleche). Nicht vermutet wird das Erreichen des für Geschmacksmusterschutz erforderlichen Grades eigenschöpferischer Leistung; die Vermutung greift aber insoweit ein, als es darum geht, welcher Formenschatz am Anmeldetag vorhanden war, der überhaupt Grundlage für eine Beurteilung der Eigentümlichkeit sein kann (vgl. näher BGH GRUR 1958, 509 unter I.2., 3. - Schlafzimmermodell).

Es ist mithin auch unter dem Gesichtspunkt der Eigentümlichkeit nicht Sache der Klägerin, den vorbekannten Formenschatz darzulegen, vielmehr obliegt die Darlegungslast auch insoweit der Beklagten.

2.

Unter Berücksichtigung des von der Beklagten vorgetragenen vorbekannten Formenschatzes definieren sich die den ästhetischen Gesamteindruck prägenden Merkmale wie aus dem Tenor ersichtlich. Die sprachliche Fassung der ästhetischen Merkmale darf in ihrer Bedeutung aber nicht überbewertet werden. Die Beschreibung kann für das Herausarbeiten der bestimmenden Merkmale zwar hilfreich sein und den gewonnenen Eindruck vom Geschmacksmuster objektivieren und nachvollziehbar machen. Maßgebend ist letztlich aber der ästhetische Gesamteindruck selbst. Zu seiner Ermittlung müssen über die äußere Beschreibung hinaus, die einzelnen Formen des angemeldeten Musters in ihrer Maßgeblichkeit für den Gesamteindruck bewertet und gewichtet werden (vgl. BGH WRP 2001, 946 unter II.1.c) m.w.N. - Sitz-Liegemöbel).

Im Streitfall kann hierzu grundsätzlich auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Im Hinblick auf die Einwendungen der Beklagten und den ergänzend vorgetragenen vorbekannten Formenschatz ist nur noch auf Folgendes hinzuweisen:

a) Der Angriff der Beklagten, das Merkmal "Schlingen" ergebe sich nicht aus der Geschmacksmusteranmeldung, geht fehl. Dieses Merkmal ist - wie das Landgericht zu Recht ausführt - auf den hinterlegten Fotos gut erkennbar. Die Schlingen sind aus der sichtbaren oberen "Schicht" des Teppichs zu erschließen. Es ist klar erkennbar, dass die Florschlingen geschlossen und nicht - wie bei Velours - aufgeschnitten sind.

Dieses Merkmal ist - wie das Landgericht im Zusammenhang mit der Erörterung vorbekannten Formenschatzes ausgeführt hat - ästhetisch wesentlich. Ein Veloursstreifen vermittelt einen geschlossenen "flächigen" Eindruck, während bei Schlingenware, auch wenn die Schlingen abstandslos angeordnet ist, das Nebeneinander der Zeilen gut sichtbar ist.

Die Einschätzung des Landgerichts, dass die Teppiche Linea Tetra und Pilaster, welche Veloursstreifen aufweisen, die Neuheit des Geschmacksmusters nicht in Frage stellen, ist mithin nicht zu beanstanden.

Die fraglichen Teppichböden können in ästhetischer Hinsicht als "gewebt" charakterisiert werden. Auf die technische Seite kommt es vorliegend nicht an. Es schadet deshalb nicht, wenn "getuffte" Teppiche optisch den gleichen Eindruck hervorrufen wie "gewebte". Sollte es aber noch andere Herstellungsarten geben, die dann zu einem anderen Gesamteindruck führen, fallen diese aus dem Schutzbereich heraus, weil sie die - allein ästhetisch und nicht nach der Herstellungsweise begründeten - Merkmale nicht erfüllen (vgl. aber auch unter VI.1./2.).

b) Der Begriff "abstandslos", den auch die Privatsachverständige R. benutzt, trifft zu und ist auch nicht zu unbestimmt.

Allerdings sind die Reihen nicht so "abstandslos" wie bei einem Veloursteppich. Auf den zur Geschmacksmusterakte eingereichten Fotos sind "schwarze" Striche zwischen den Zeilen sichtbar. Der Begriff der "abstandslosen Reihen" muss aber vor dem Hintergrund des weiteren Merkmals "zeilenartig angeordnete Schlingenreihen" gesehen werden. Aus technischen Gründen sind bei Teppichen aus geschlossenen Schlingen - von oben aus gesehen - geringe Abstände zwischen den oberen Teilen der Schlingen vorhanden. Dieses Merkmal bedeutet daher, dass die Schlingen zwar als solche unmittelbar nebeneinander gesetzt sind, "Schattenfugen" aber nicht ausgeschlossen sind.

Zur weiteren Präzisierung des ästhetischen Gehalts hat der Senat daher die "Schattenfugen" bei seiner Merkmalsanalyse berücksichtigt.

c) Die Beanstandung, dass das Maßverhältnis von schmaleren zu breiteren Reihen nicht angegeben ist, trifft zu. Das Maßverhältnis hat ersichtlich Auswirkungen auf die ästhetische Gesamtwirkung, wie das Landgericht bei der Erörterung des Musters Duo Dot u.a. selbst annimmt. Das als solches unstreitige Maßverhältnis ist deshalb in die Formel des vorliegenden Urteils aufgenommen worden.

d) Die Merkmale "Farbton, der einen Grundfarbton bildet" und "Garn mit einem von dem Grundfarbton abgesetzten Farbton" geben das Gewollte nur unvollkommen wieder, wobei eine Verbalisierung allerdings - wie auch die Darstellung der Privatsachverständigen R. in diesem Punkt zeigt - nur begrenzt möglich ist.

Vorbekannt waren unifarbene Teppichböden (vgl. den Teppich Dilo) sowie insgesamt melierte Teppichböden (vgl. den Teppich Hilow) (s. auch die Teppiche gemäß Anlagen 4 und 5 zur Berufungsbegründung). Der die Geschmacksmuster auszeichnende Farbwechsel muss seinem ästhetischen Gehalt nach deshalb erfasst werden.

Die Geschmacksmuster (zu den Mustern 220 A, 557 A, 558 A, 819 A, 820 A und 459 A s. unten) weisen in den schmalen Reihen einen einheitlichen Grundton auf, in den breiten Schlingenreihen aber auch eine gegenüber dem Grundfarbton "hellere" Tönung, nicht eine völlig andere Farbgebung. Das Teppichmuster wirkt nicht "bunt". Das helle Garn auch leicht grau/beige erscheinen.

Danach sind die Muster 200a, 557 A, 558 A, 819 A und 820 A als unifarben bzw. als insgesamt meliert anzusehen. Dass nur den breiteren Schlingenreihen ein helleres Garn beigemischt worden ist, ist den allein zur Beurteilung heranzuziehenden Fotos der Geschmacksmuster nicht zu entnehmen. Etwa doch vorhandene Unterschiede zwischen den einzelnen Zeilen sind nicht - jedenfalls nicht mit ausreichender Klarheit - zu erkennen. Ob dies auch für das Muster 459 A gilt, kann offen bleiben.

Des Weiteren ist den Fotos der Geschmacksmuster bei genauer Betrachtung zu entnehmen, dass bei den breiteren Schlingenreihen an sich jede zweite Schlinge heller wirken soll. Das Merkmal ist allerdings nicht stringent verwirklicht. Die Fotos zeigen vielmehr an einigen Stellen eine derart schwache "Aufhellung", dass sie kaum zu erkennen ist. In jedem Fall sind bei den Geschmacksmustern die helleren Stellen nicht völlig willkürlich und vereinzelt auf den Teppichboden "verteilt", sondern folgen einigermaßen regelmäßig aufeinander.

e) Der Einwand der Beklagten, die den einzelnen Geschmacksmustern gegebenen Farben seien für den ästhetischen Gehalt der Muster wesentlich, sie seien daher in die Merkmalsanalyse aufzunehmen, eine von den Farben abstrahierende Verurteilung gehe zu weit, trifft nicht zu.

Die auf den Fotos sichtbare Grundfärbung hat keine den Schutzbereich begrenzende Bedeutung; die Farbe ist vielmehr austauschbar (§ 5 Satz 2 Nr. 2 GeschmMG). Der Gesamteindruck wird in farblicher Hinsicht nur durch den Wechsel geprägt, wie er vorstehend unter d) dargestellt ist. Gerade bei Teppichen ist der Verkehr gewöhnt, dass gleiche Grundmuster in verschiedenen Farben angeboten werden. Er sieht daher verschiedene Grundfarben lediglich als unerhebliche Abwandlung der Grundform des Geschmacksmusters an.

f) Zu Recht beanstandet die Beklagte das Fehlen von Ausführungen zur "Welligkeit" der Teppichbodenoberfläche, die dadurch eintritt, dass die "schmaleren" Reihen nicht nur schmaler, sondern auch niedriger sind als die "breiteren". Ein Teppichmuster wird nicht nur eindimensional, sondern als räumlicher Gegenstand erfasst.

Die hinterlegten Fotos geben die Oberflächenstruktur der Teppichböden noch hinreichend wieder. Dass die schmaleren Reihen niedriger sind als die breiteren Reihen, lässt sich an den Rändern der Fotos erkennen. Hier sind die niedrigeren Reihen etwas weiter erfasst als die höheren.

Innerhalb der einzelnen Zeilen sind die Schlingen allenfalls leicht diagonal angeordnet.

g) Soweit die Beklagte auf eine Ablichtung aus dem Buch "Gewebetechnik" (Anlage 3 zur Berufungsbegründung) verweist, ist das Muster - worauf bereits die Klägerin hinweist - wegen der schlechten Wiedergabequalität nicht in seinem ästhetischen Gehalt zu erfassen.

2.

Vor dem Hintergrund des vorbekannten Formenschatzes sind die vorliegend in Betracht zu ziehenden Geschmacksmuster als eigentümlich anzusehen.

Es waren zwar Teppiche vorhanden, in denen ein Grundfarbton durch Reihen mit aufgehellten bzw. farblich intensivierten Schlingen "ergänzt" wurde. Insoweit ist insbesondere auf den Teppich Linea Tetra zu verweisen. Sie wiesen jedoch Veloursstreifen auf. Wie die nähere zutreffende Auseinandersetzung mit den Muster Linea und Duo Dot im Gutachten der Privatsachverständigen R. zeigt, unterscheidet sich auch die Bemusterung.

Der ästhetische Gesamteindruck des Teppichs Linea wird dadurch geprägt, dass die breiteren, durch den aufgeschnittenen Flor flächig wirkenden Veloursstreifen in dunklerem Grundfarbton durch die schmaleren Schlingenreihen, bei denen jede zweite Schlinge "aufgehellt" ist, durchbrochen werden. Durch die teilweise verwendete andere Methode (Linea, Velours und Schlingenreihen; Geschmacksmuster: nur Schlingenreihen) sowie das umgekehrte Maßverhältnis von allein im Grundfarbton gehaltenen Streifen/Schlingenreihen und Schlingen mit "Aufhellungen" ergibt sich ein anderer Gesamteindruck.

Noch weiter von den Geschmacksmustern entfernt sich "Duo Dot". Es weist gleich breite Schlingenreihen in einem Grundfarbton auf, die "aufgehellten" Stellen sind erheblich weiter voneinander entfernt (jeweils 8 Schlingenreihen sind ohne "Aufhellung", in der Reihe "nur" alle 25 Schlingen) und zudem anders gestaltet (farbig, zwei nebeneinanderliegende Schlingenreihen).

Zwar gab es schon früher Teppiche (vgl. die Teppichböden gemäß Anlagen 4 und 5 zur Berufungsbegründung sowie insbesondere der Teppich HiLow), bei denen viele Merkmale der Geschmacksmuster vorhanden sind, aber eben nicht die zeilenartig angeordneten "Aufhellungen" bei durchgehender, sich allerdings in der Breite und Stärke unterscheidender Schlingenstruktur.

Die ästhetische Leistung der Geschmacksmuster besteht gerade darin, allein aus Schlingenreihen unterschiedlicher Breite und Höhe bestehende Teppichböden mit weithin gleichmäßig wiederkehrenden Aufhellungen nur in den breiteren Reihen zu kombinieren. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass bei mit Veloursstreifen versehenen Teppichen Aufhellungen vorbekannt gewesen sein sollten (die Beklagte legt aber nichts Derartiges vor), geht die Verwirklichung auch bei nur aus Schlingenreihen bestehenden Teppichen, bei denen die Aufhellungen nicht flächig, wie bei Veloursstreifen, sondern als "kleine Tupfer" entsprechend dem Garnverlauf erscheinen, über das Durchschnittskönnen eines normalen Mustergestalters hinaus. Ohnehin sind die Gestaltungsmöglichkeiten bei Teppichböden für Bereiche wie Flure oder Büros dadurch beschränkt, dass auf den Erzeugnissen Verschmutzungen nicht auffallen und die Produkte zurückhaltend wirken sollen. Für den Rang der gestalterischen Leistung spricht die Tatsache, dass trotz einer Vielzahl vorbekannter Muster auf dem seit langem bestehenden Markt keines den Geschmacksmustern wirklich nahe kommt.

IV.

Die angegriffenen Erzeugnisse sind bis auf eines als unzulässige Nachahmungen anzusehen. Insgesamt sind die im Tenor angegebenen die Geschmacksmuster prägenden Merkmale sämtlich bei den Erzeugnissen der Beklagten verwirklicht. Auch hinsichtlich des Maßverhältnisses der breiten zu den schmalen Reihen gibt es keinen ins Gewicht fallenden Unterschied.

Was die Zweifarbigkeit angeht, so verwirklicht selbst das Muster 1134 den ästhetischen Gehalt der Geschmacksmuster, auch wenn dort in den breiten Reihen mit dem Beige eine von der braunroten Grundfarbe abweichende Farbe eingesetzt wird. Die entstehenden Flecken erscheinen jedoch vor dem Hintergrund als "hell". Zudem sind Beige und Braunrot verwandte Farben.

Das Muster 5859 verwirklicht demgegenüber nicht den ästhetischen Gehalt der Geschmacksmuster. Die in diesem Erzeugnis vorhandenen Aufhellungen sind derart schwach, dass sie den charakteristischen Wechsel von dunklen zu hellen Tönen kaum erkennen lassen; sie wirken allenfalls als örtlich begrenzte "Unreinheiten", nicht jedoch als deutlich erkennbare, weithin regelmäßig wiederkehrende Punkte. Das letzte Merkmal ist demgegenüber bei den Mustern 4103 und 5856 durchaus sichtbar, mögen bei ihnen zwar auch größere Lücken zwischen den aufgehellten Stellen erkennbar sein.

V.

Die Ansprüche der Klägerin sind verwirkt, soweit sie den Zeitraum vor dem 31. August 2000 betreffen.

1.

Die Beklagte ist mit der Berufung auf Verwirkung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht präkludiert.

a) Bereits vor dem Landgericht (SS vom 03.02.2003 Bl. 23 = Bl. 62 GA) hatte die Beklagte behauptet, schon 1998 hätten die Parteien Gespräche wegen der angegriffenen Teppiche geführt. Sie hatte sich deshalb auf Verjährung berufen. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen, sondern im Schriftsatz vom 11.04.2003 Bl. 11 = Bl. 87 GA) ihren Klageantrag angepasst. Auch das Landgericht ist in seinem Urteil unter IV.2. (Bl. 25 UA) von einer Einrede der Verjährung ausgegangen.

b) Dass die Beklagte auf die Tatsache der Gespräche nunmehr auch den Einwand der Verwirkung stützt (Bl. 170/171), macht die Tatsache noch nicht zu einer "neuen". Der Einwand der Verwirkung ist von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. § 242 Rdnr. 90, 97; für das Geschmacksmusterrecht s. v. Gamm, GeschmacksmusterG, 2. Aufl., § 14a Rdnr. 43 m.w.N.). Das Landgericht musste von sich aus prüfen, ob die vorgetragene Tatsache für eine Verwirkung - ganz oder teilweise - ausreichte. Bot der dargelegte Tatsachenstoff zumindest Anhaltspunkte für eine Verwirkung, hatte das Gericht nachzufragen (§ 139 Abs. 1 ZPO). Schon deshalb kann etwaiger ergänzender Vortrag in der Berufungsinstanz nicht zurückgewiesen werden, § 531 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO.

2.

Auch gegenüber geschmacksmusterrechtlichen Ansprüchen kann Verwirkung eingewandt werden (vgl. Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl., § 14a Rdnr. 44; v. Gamm, a.a.O., § 14a Rdnrn. 42, 43, jeweils m.w.N; für das Urheberrecht BGH GRUR 1981, 652 - Stühle und Tische).

a) Eine Verwirkung setzt voraus, dass nach Abwägung aller auf beiden Seiten zu berücksichtigenden Umstände der Verletzter auf Grund des Verhaltens des Geschmacksmusterinhabers berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass dieser seine Rechte nicht mehr geltend machen würde. Dabei kann zwischen den einzelnen Ansprüchen, welche aus einem Geschmacksmuster hergeleitet werden können, differenziert werden (vgl. BGH GRUR 1977, 42 - Schmalfilmrechte): Während der auf die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch nur unter besonderen Umständen verwirkt sein kann (vgl. auch BGH GRUR 1981, 652 - Stühle und Tische), dies insbesondere einen wertvollen Besitzstand des Verletzers voraussetzt, kann ein Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch für den Zeitraum bis zu einer Abmahnung bereits dann verwirkt sein, wenn der Verletzer auf Grund des Zeitablaufs davon ausgehen konnte, dass der Verletzte auf Grund der ihm bekannten Handlungen nicht gegen ihn vorgehen würde und sie damit zumindest dulde; ein Besitzstand auf Seiten der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht notwendig (vgl. für das Kennzeichenrecht BGH GRUR 1988, 776 - PPC). Zugunsten des Verletzers sind Gespräche über den Vertrieb der das Geschmacksmuster verletzenden Erzeugnisse zu berücksichtigen, die zu keinem Ergebnis führen, nach denen der Geschmacksmusterinhaber gegen den Verletzer aber nichts weiter unternimmt (vgl. für das Kennzeichenrecht BGH WM 1976, 620).

3.

Danach sind die Ansprüche der Klägerin für den Zeitraum bis zum 31. August 2000 als verwirkt anzusehen, nicht jedoch für den nachfolgenden Zeitraum.

a) Nach dem Vortrag der Beklagten und ihrer Erläuterung im Termin vom 27. Januar 2004 haben bereits 1998 - also kurze Zeit nach Aufnahme des Vertriebs der jetzt angegriffenen Erzeugnisse - Gespräche über eine Rechtsverletzung durch den Vertrieb, wobei es zunächst um die Verletzung eines Patents gegangen sei, stattgefunden; dem hat die Klägerin bei ihrer Befragung im Verhandlungstermin zugestimmt. Erst nach längerer Zeit - es könnte sich dabei um das von der Klägerin genannte Datum vom 31. August 2000 handeln - habe letztere sich auch auf das nunmehr zur Grundlage der Klage gemachte Sammelgeschmacksmuster bezogen. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, eine schriftliche Abmahnung sei im Januar 2001 erfolgt.

b) Danach konnte die Beklagte bis zum 31. August 2000 berechtigterweise darauf vertrauen, dass die Klägerin gegen sie keine Ansprüche wegen einer Geschmacksmusterverletzung erheben würde. Die Beklagte konnte aber mit Recht erwarten, dass die Klägerin alsbald sämtliche geltend gemachten Rechte benennen würde - also nicht nur Patent-, sondern auch Geschmacksmusterrechte -, wenn sie schon - wenn zunächst auch nur mündlich - die Beklagte wegen der Erzeugnisse abmahnte. Die Tatsache, dass die Klägerin trotz erkennbarer Fortsetzung des Vertriebs durch die Beklagte über Jahre hinweg nichts unternahm, obwohl die Gespräche zu nichts führten, konnte die Beklagte in ihrem Vertrauen bestärken. Allein dadurch, dass sie etwaige Entschädigungsansprüche nicht in die Kostenkalkulation einbezog, hatte sie sich auf die Duldung des Vertriebs durch die Klägerin eingestellt.

c) Anderes gilt ab dem 31. August 2000. An diesem Tage hat die Klägerin ihren Angaben zufolge - die Beklagte hat diesen Termin nicht bestritten - die Beklagte auf ihre Geschmacksmuster berufen. Ab diesem Zeitpunkt musste die Beklagte sich darauf einstellen, dass die Klägerin nunmehr ernsthaft - jetzt gestützt auf das Sammelgeschmacksmuster - gegen sie vorgehen würde. Dies wurde dadurch unterstrichen, dass die Klägerin sodann im Januar 2001 förmlich abmahnte und im Sommer 2002 die Klage einreichte. Der seit dem August 2000 verstrichene Zeitraum ist nicht derart lang, als dass sich die Beklagte darauf einrichten durfte, die Klägerin werde ihre Ansprüche nicht gegen sie durchsetzen, zumal die Beklagte angekündigt hatte, sie werde vorbekannten Formenschatz vorlegen, der die Neuheit des Geschmacksmusters widerlegen könne. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach ihrer Behauptung bereits im Jahre 2001 den Vertrieb eingestellt hat. Es fehlt mithin bereits am "Umstandsmoment", weil die Beklagte sich gerade nicht mehr auf die Nichtdurchsetzung von Ansprüchen durch die Klägerin eingestellt hat, geschweige denn hat die Beklagte - was für den Unterlassungsanspruch von Bedeutung sein könnte - einen schützenswerten Besitzstand aufgebaut.

VI.

1.

Dementsprechend kann die Klägerin gemäß § 14a GeschmMG Unterlassung der Verbreitung der schutzverletzenden Erzeugnisse verlangen. Die Wiederholungsgefahr ist durch die behauptete Einstellung des Vertriebs im Jahre 2001 nicht weggefallen.

Anderes gilt jedoch für nicht gewebte Teppiche. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte jemals nicht gewebte Teppiche mit den fraglichen Merkmalen verbreitet hätte oder dass dies drohte. Sie hat selbst den Klageantrag ursprünglich auf gewebte Teppiche beschränkt. Auf Grund der anderen Herstellungsart kann aus der Verbreitung gewebter Teppiche nicht auf eine Wiederholungsgefahr auch für nicht gewebte Teppiche geschlossen werden.

Des Weiteren kann die Klägerin Auskunft über den Umfang der Verletzung verlangen, soweit die Ansprüche nicht nach dem unter V. Gesagten verwirkt sind.

Gleiches gilt für den Schadensersatzanspruch der Klägerin. Für ein schuldhaftes Handeln der Beklagten spricht bereits die Fortsetzung des Vertriebs trotz der vorprozessualen Geltendmachung der Geschmacksmusterrechte.

2.

Die Ansprüche der Klägerin sind - soweit sie nach dem unter V. Gesagten nicht bereits verwirkt sind - nicht verjährt. Die Klageerhebung im Sommer 2002 hat zu einer Hemmung (§ 17 Abs. 3 GeschmMG, Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 14a Abs. 4 GeschmMG, § 195 BGB; vgl. § 17 Abs. 3 GeschmMG, Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB) geführt.

Auf die Tatsache, dass erst die Einreichung der Berufungserwiderung im Oktober 2003 zu einer Hemmung hinsichtlich etwaiger Ansprüche gegenüber nicht gewebten Teppichen geführt hat, kommt es nach dem unter 1. Gesagten nicht mehr an.

VII.

Weitergehende Ansprüche aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz (§ 1 UWG) bestehen nicht. Soweit die Beklagte sich auf vorbekannten Formenschatz berufen kann, fehlt es den entsprechend den Geschmacksmustern hergestellten Erzeugnissen der Klägerin auch an einer notwendigen wettbewerblichen Eigenart.

VIII.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

Der Streitwert beträgt entsprechend der Festsetzung des Landgerichts 500.000 Euro. Die Klägerin hat in der Klageschrift die erhebliche Bedeutung ihrer Erzeugnisse dargelegt. Die Umsatzzahlen sind von der Beklagten nur allgemein bestritten worden. Danach ist auch dann, wenn der Umsatz 2002 weiter zurückgegangen sein sollte, der von der Klägerin angesetzte Wert von 500.000,00 Euro nicht zu beanstanden. Die Änderungen in der Antragsformulierung haben auf die Wertfestsetzung keinen wesentlichen Einfluss.

Dr. Sch. Sch.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 17.02.2004
Az: I-20 U 108/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0c44b2b54539/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_17-Februar-2004_Az_I-20-U-108-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share